Beschluss vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 9a L 162/15.A
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage 9a K 407/15.A wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöriger.
4Er reiste nach eigenen Angaben am 20. September 2014 nach Voraufenthalt in Italien in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seit seiner Einreise nach Italien hat der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht mehr verlassen.
5Der Antragsteller stellte am 15. Oktober 2014 einen Asylantrag. Im Rahmen der Anhörung erklärte der Antragsteller bereits in Italien einen Asylantrag gestellt zu haben.
6Am 11. Dezember 2014 richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ein Übernahmeersuchen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III–VO) an Italien. Die italienischen Behörden reagierten darauf bisher nicht.
7Mit Bescheid vom 2. Januar 2015, zugestellt am 22. Januar 2015, lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers als unzulässig ab und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Italien an.
8Der Antragsteller erhob am 29. Januar 2015 gegen diesen Bescheid Klage und hat am selben Tag um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung beruft er sich auf sein bisheriges Vorbringen im Verwaltungsverfahren.
9Der Antragsteller beantragt im Klageverfahren,
10die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 2. Januar 2015 zu verpflichten, einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.
11Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren beantragt er,
12die aufschiebende Wirkung dieser Klage anzuordnen.
13Die Antragsgegnerin hat zwischenzeitlich die Behördenakten vorgelegt, sich aber nicht weiter im Verfahren geäußert.
14II.
15- 16
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. § 166 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – iVm § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung – ZPO –).
- 18
2. Das vorläufige Rechtsschutzbegehren der Antragsgegnerin erweist sich im Ergebnis als zulässig, passt aber nicht zu dem Verpflichtungsbegehren des Antragstellers in der Hauptsache. Allerdings ist in der Hauptsache, um zu einem zulässigen Klageantrag zu kommen, eine Umdeutung des Klagebegehrens in ein Anfechtungsbegehren erforderlich.
Die Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes ist allein als (isolierte) Anfechtungsklage statthaft. Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrags ist § 27a AsylVfG, wonach ein in Deutschland gestellter Asylantrag als unzulässig abzulehnen ist, wenn die Zuständigkeit eines anderen Staates aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens vorliegt. Die mit diesem Ausspruch regelmäßig verbundene Abschiebungsanordnung findet ihre Grundlage in § 34a Abs. 1 AsylVfG. Die Entscheidungen nach §§ 27a und 34a Abs.1 AsylVfG stellen belastende Verwaltungsakte im Sinne des § 35 VwVfG dar, deren isolierte Aufhebung - anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegehrens - ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung desgestellten Asylantrages führt. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung der Bescheide bereits gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen, §§ 31, 24 AsylVfG. Das Bundesamt befasst sich in den Fällen des § 27a AsylVfG lediglich mit der - einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorrangigen - Frage, welcher Staat nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zuständig ist; eine Prüfung des Asylbegehrens in der Sache erfolgt nicht. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt, und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen. Diese Verfahrenssituation ist vergleichbar mit derjenigen im Falle der Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichtbetreibens nach §§ 33, 32 AsylVfG, in der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Anfechtungsklage allein gegen den Einstellungsbescheid des Bundesamtes statthaft ist,
20vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264/94 -, juris Rn12, 14.
21Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Aufhebung des den begünstigenden Verwaltungsakt ablehnenden Bescheid beschränken darf, was im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme,
22vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264/94 -, juris Rn15.
23Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz findet allerdings auf behördliche Entscheidungen, die auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung. Denn ist - wie dargelegt - das Asylbegehren in der Sache noch gar nicht geprüft worden und wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durch zu entscheiden, ginge den Asylbewerbern eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2AsylVfG in Verbindung mit § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Ungeachtet dessen führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Exekutive erstmalig selbst sich mit dem Antrag sachlich auseinandersetzte und entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 GG zumindest bedenklich wäre, da eine Entscheidung, die der Gesetzgeber mit dem Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) der Exekutive zur Prüfung zugewiesen hat, übergangen würde,
24VG Düsseldorf, Urteile vom 26. April 2013- 17 K 1776/12.A – und 10 Februar 2014– 25 K 8830/13.A.
25Die am 29. Januar 2015 erhobene Klage ist demnach allein als Anfechtungsklage, gerichtet auf Aufhebung des Bescheides vom 2. Januar 2015 zulässig. Das Klagebegehren wird seitens des Gerichts zugunsten des Antragstellers dahingehend verstanden.
26Das diesbezüglich allein zulässige vorläufige Rechtsschutzbegehren,
27die aufschiebende Wirkung der Klage 9a K 407/15.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Januar 2014 anzuordnen,
28zu dessen Entscheidung der Einzelrichter gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG berufen ist, hat in der Sache keinen Erfolg.
29Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hängt von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Suspendierung der angefochtenen Maßnahme einerseits und der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits ab. Bei der Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der sofort vollziehbare Verwaltungsakt rechtswidrig ist, überwiegt das private Aufschubinteresse des Antragstellers, denn an der Vollziehung einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme kann kein öffentliches Interesse bestehen. Ist hingegen der angegriffene Bescheid rechtmäßig überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Bestand der sofortigen Vollziehbarkeit.
30Vorliegend ergibt die Abwägung des Interesses des Antragstellers einerseits ‑ vorläufig im Bundesgebiet verbleiben zu können – mit dem widerstreitenden öffentlichen Interesse andererseits – die Abschiebung des Antragstellers nach Italien zeitnah umzusetzen –, dass dem öffentlichen Interesse Vorrang einzuräumen ist. Die in der Hauptsache angefochtene Abschiebungsandrohung erweist sich als (offensichtlich) rechtmäßig. Ferner liegen auch keine sonstigen Umstände vor, die ein überwiegendes Aussetzungsinteresse des Antragstellers begründen könnten.
31Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht als unzulässig abgelehnt und geht von der Zuständigkeit Italiens für dessen Prüfung aus. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).
32Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO), da sowohl der Asylantrag vom 15. Oktober 2014 als auch das an Italien gerichtete Aufnahmeersuchen Deutschlands vom 11. Dezember 2014 nach dem 1. Januar 2014, dem gemäß Art. 49 Unterabs. 1 Satz 1 Dublin III–VO für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Dublin-III VO maßgeblichen Zeitpunkt, gestellt worden sind.
33Danach folgt die Zuständigkeit Italiens aus Art. 13 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 3 und 7 Dublin III-VO. Nach diesen einschlägigen Normen zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gilt Folgendes: Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 Dublin III–VO genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgelegt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Der Antragsteller hat im Rahmen seines am 15. Oktober 2014 gestellten Asylantrags angegeben, sein Heimatland im Mai 2012 verlassen zu haben, über Niger (einwöchiger Aufenthalt), Libyen (fünfzehnmonatiger Aufenthalt), Italien (dreizehnmonatiger Aufenthalt) in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Er gibt außerdem an, in Italien einen Asylantrag gestellt zu haben. Eine Überprüfung der Angaben des Antragstellers ergab am 22. Oktober 2014 einen EURODAC–Treffer.
34Es ist nichts dafür ersichtlich oder von dem Antragsteller vorgetragen, dass die Zuständigkeit Italiens nach Maßgabe der Artikel 19 ff. Dublin III-VO wieder erloschen oder auf Deutschland übergegangen ist.
35Die Pflicht Italiens, den Antragsteller aufzunehmen, folgt aus Art. 18 Abs. 1 Buchst. a) Dublin III-VO, wonach der nach der Dublin III-VO zur Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedsstaat gehalten ist, einen Asylbewerber, der einen Antrag in einem anderen Mitgliedstaat gestellt hat, nach Maßgabe der Art. 21, 22 und 29 Dublin III‑VO aufzunehmen. Insbesondere steht der Aufnahme in diesem Fall weder die Dreimonatsfrist von Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO (Frist für die Stellung des Aufnahmegesuchs) noch die Sechsmonatsfrist von Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III‑VO (Frist für die Überstellung an den zuständigen Mitgliedsstaat) entgegen.
36Der Antragsteller hat seinen Asylantrag am 15. Oktober 2014 beim Bundesamt gestellt. Das an Italien gerichtete Aufnahmegesuch datiert vom 11. Dezember 2014.
37Nach Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, wenn innerhalb von zwei Monaten nach Asylantragstellung das Aufnahmegesuch gestellt wird. Dies ist vorliegend der Fall, wie sich unschwer aus den vorgenannten Daten ergibt. Damit verbunden ist für Italien die Verpflichtung, den Antragsteller aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen. Dies muss innerhalb einer Frist von sechs Monaten erfolgen. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen; sie endet frühestens im Mai 2015.
38Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland besteht nicht. Die Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Art. 9 Dublin III-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO begründen - wie die der bisherigen EGV 343/2003 (Dublin II-VO) - zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin,
39vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 - C 4/11 -, juris, Rn. 37; Schlussanträge des GA Jääskinnen vom 18. April 2013 - C 4/11 -, juris, Rn. 57 f.
40Die Antragsgegnerin ist aber auch nicht - unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO zugunsten des Antragstellers - nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO gehindert, diesen nach Italien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EuGRCharta) mit sich bringen. Die Voraussetzungen, unter denen das nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs,
41EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, S. 413,
42der Fall wäre, liegen nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sine können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 EuGRCharta bzw. Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können,
43EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rn. 94.
44Gemessen hieran ist nicht anzunehmen, dass der Antragsteller Gefahr liefe, nach der Rücküberstellung nach Italien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 EuGRCharta bzw. im Sinne von Art. 3 EMRK zu unterfallen.
45Die Frage, ob eine Rückführung von Asylbewerbern im Rahmen des Zuständigkeitsverfahrens nach der Dublin -VO nach Italien unzulässig ist, weil ihnen auf Grund systemischer Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen in Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGRCharta mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, wird nach der (neueren) obergerichtlichen Rechtsprechung verneint,
46vgl. etwa: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein‑Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris; worauf auch bereits die Beschlüsse vom 28. März 2014 - 13 A 1878/13. A -; vom 28. April 2014 - 11 A 522714.A -; vom 6. Mai 2014 - 9 A 233/13.A -, vom 30. Mai 2014 - 14 A 1138/14.A - und vom 5. Juni 2014- 14 A 1139714.A -, jeweils juris, Bezug nehmen; ferner: OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013- 3 L 643 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 -, VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721713 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Oktober 2013- 3 S 40/13 -; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 27. Mai 2014 - 2 LA 308/13 -, jeweils juris.
47Das OVG NRW,
48vgl. Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, a.a.O.,
49hat dazu entschieden, dass Asylsuchende, die nach den Regelungen der EG-AsylZustVO/Dublin II-VO nach Italien überstellt werden sollen, derzeit nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer durch das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen verursachten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S. des Art. 4 EUGRCharta rechnen müssen. Dabei hat das OVG NRW ausdrücklich auf die Situation des dortigen Klägers in dem entschiedenen Verfahren (junger alleinstehender Mann, der noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hatte) und damit auf sog. Dublin-Rückkehrer abgestellt, die in Italien bislang noch keinen Asylantrag gestellt haben und keine individuellen Besonderheiten in ihrer Person - etwa im Sinne einer besonderen Verletzlichkeit oder einer Behandlungsbedürftigkeit - aufweisen.
50Das Gericht macht sich die diesbezüglichen Ausführungen und Bewertungen des Oberverwaltungsgerichts NRW in diesem Urteil zu Eigen und schließt sich Ihnen an. Der zum damaligen Zeitpunkt getroffenen Feststellung des OVG NRW, dass obwohl sich in Teilbereichen der tatsächlichen Aufnahmebedingungen (nach wie vor) durchaus Mängel und Defizite nicht ganz unwesentlicher Art feststellen lassen, diese aber weder für sich genommen noch insgesamt als so gravierend zu bewerten sind, dass ein grundlegendes, systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge,
51vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, a.a.O. Rz. 132 und 133 ff zu dem italienischen Asylverfahren und Aufnahmebedingungen i.E..
52Dem steht auch nicht entgegen, dass die Zahl der Flüchtlinge, die Italien erreichen, im Jahr 2014 wieder deutlich angestiegen ist,
53vgl. etwa Presseberichte: NZZ, vom 3. Juni 2014 "Welle von Migranten erreicht Italien"; FR, vom 2. Juni 2014 "Renzi fordert UN-Eingreifen in Libyen"; SZ, vom 23. April 2014 "Italien rettet Bootsflüchtlinge".
54So lässt sich etwa dem Kurzbericht der Asylum Information Database (AIDA) vom 1. September 2014 entnehmen, dass bereits bisher 106.000 Bootsflüchtlinge dieses Jahr Italien erreicht haben, wobei allerdings bis August 2014 nur 36.000 Asylanträge gestellt worden seien, da viele Flüchtlinge versuchen würden, in andere Mitgliedstaaten zu reisen, ohne eine Registrierung in Italien,
55vgl. AIDA/Italian Council for Refugees: "Italy - Over 100.000 refugees and migrants have reached Italy by sea in 2014".
56Dem Bericht lässt sich zudem entnehmen, dass diese Zahl der ankommenden Flüchtlinge Italien wiederum vor eine große Herausforderung gestellt hat und deshalb in Italien etwa die Zahl der Aufnahmeplätze ausgeweitet und vorläufige Einrichtungen geschaffen wurden. Derzeit seien 60.000 Asylsuchende in Italien untergebracht. Allerdings gäbe es unterschiedliche Standards der Unterbringung innerhalb Italiens und die Unterbringungsmöglichkeiten seien bis an ihre Grenzen ausgeweitet worden. Es bestehen danach weiterhin Unzulänglichkeiten im italienischen Aufnahmesystem, die allerdings vor allem Flüchtlinge mit Schutzstatus und weniger die Neuankömmlinge treffen würden. Ein systemisches Versagen lässt sich diesen Ausführungen nicht entnehmen, sondern der Bericht bestätigt vielmehr die Ausführungen des OVG NRW,
57vgl. Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21712.A -, a.a.O. etwa Rz. 170 unter Bezugnahme auf den Bericht des UNHCR vom Juli 2013,
58wonach Italien den bestehenden Mängeln und Defiziten nicht schlechthin tatenlos zusieht, sondern auch Anstrengungen zur Verbesserung der bestehenden Situation unternommen hat. Als "äußerst unzureichend" wurde allerdings bereits zum damaligen Zeitpunkt die Situation anerkannter Flüchtlinge beschrieben.
59Es ist unklar, ob der Antragsteller der von diesem Urteil erfassten Personengruppe zuzuordnen ist. Er hat sich als alleinstehender, junger Mann gegenüber dem Bundesamt lediglich dahin geäußert, dass er einen solchen Antrag gestellt hat, nicht aber ob eine Entscheidung über dieses Gesuch ergangen ist und wenn ja, welches Ergebnis sein Gesuch hatte.
60Der Antragsteller hat zudem keine individuellen Besonderheiten vorgetragen, die auf eine besondere Schutzbedürftigkeit bzw. Verletzlichkeit (wie etwa Familien oder Alleinstehende mit kleinen Kindern oder alte bzw. gebrechliche Personen) oder Behandlungsbedürftigkeit hinweisen.
61Soweit zwischenzeitlich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschieden hat, dass die Abschiebung einer afghanischen Flüchtlingsfamilie nach Italien im Rahmen der Dublin-VO gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt,
62vgl. Entscheidung vom 4. November 2014 - Application No. 29217/12 - "Tarakhel/Schweiz", juris Mitteilungen,
63führt dies im Fall des Antragstellers nicht zu einer abweichenden Entscheidung, da die Entscheidung die Situation von Familien (dort achtköpfige Familie) und deren Betreuung und gemeinsamer Unterbringung zum Gegenstand hat. Gleiches gilt auch hinsichtlich der Maßstäbe die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nochmals aufgestellt hat,
64vgl. Beschluss vom 17. September 2012 - 2 BvR 1795/14 -,
65Der Antragsteller hat ferner keine rechtlichen oder tatsächlichen Gründe geltend gemacht, die dem Vollzug der Abschiebungsanordnung entgegenstehen. Von dem Bundesamt gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 34 a AsylVfG ebenfalls zu prüfende inlandsbezogene Abschiebungshindernisse und zwar nicht nur bereits vor Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegende, sondern auch etwa danach entstandene Abschiebungshindernisse,
66vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011- 18 B 1060/11 -, juris m.w.Nw. zur Rspr.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 2. Mai 2012 - 13 MC 22/12 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012- OVG 2 S 6.12 -; OVG Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris; Funke-Kaiser in GK zum AsylVfG, Stand: Januar 2014, § 34 a Rz. 47, 21. und so zuletzt auch: Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 - , juris,
67sind nicht ersichtlich.
68Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 RVG.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- § 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG 1x (nicht zugeordnet)
- 13 A 1878/13 1x (nicht zugeordnet)
- § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG 1x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (10. Senat) - 10 A 10656/13 1x
- § 27a AsylVfG 3x (nicht zugeordnet)
- RVG § 30 Gegenstandswert in gerichtlichen Verfahren nach dem Asylgesetz 1x
- Nichtannahmebeschluss vom Bundesverfassungsgericht (2. Senat 3. Kammer) - 2 BvR 1795/14 2x
- VwGO § 154 1x
- § 34 a AsylVfG 1x (nicht zugeordnet)
- 25 K 8830/13 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 27a und 34a Abs.1 AsylVfG 2x (nicht zugeordnet)
- § 34a Abs. 1 AsylVfG 1x (nicht zugeordnet)
- 2 LA 308/13 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 87b 1x
- 4 Bs 223/10 1x (nicht zugeordnet)
- 9 C 264/94 2x (nicht zugeordnet)
- 3 S 40/13 1x (nicht zugeordnet)
- 9a K 407/15 2x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 35 Begriff des Verwaltungsaktes 1x
- 18 B 1060/11 1x (nicht zugeordnet)
- 9 A 233/13 1x (nicht zugeordnet)
- § 83b AsylVfG 1x (nicht zugeordnet)
- § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG 1x (nicht zugeordnet)
- 17 K 1776/12 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 31, 24 AsylVfG 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 33, 32 AsylVfG 2x (nicht zugeordnet)
- 1 A 21/12 3x (nicht zugeordnet)
- 14 A 1138/14 1x (nicht zugeordnet)
- § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG 1x (nicht zugeordnet)
- 13 MC 22/12 1x (nicht zugeordnet)