Urteil vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 6 K 9528/17
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück L.-------straße 31a in H. (Gemarkung I. , Flur X, Flurstück XX). Das Flurstück XX setzt sich zusammen aus den vorherigen Flurstücken XX und XX der Gemarkung C. , Flur X (zwischenzeitlich verschmolzen zu dem Flurstück XX), auf denen das Vorhaben realisiert werden soll, und dem früheren Flurstück XX der Gemarkung I. , Flur X (J. L1. 8; vormals: Flurstück XX), das bereits im Jahr XX mit einem Reihenendhaus bebaut worden ist.
3Das Flurstück XX grenzt im Westen an eine im Miteigentum der Klägerin und der weiteren Anlieger stehende private, etwa 43 Meter lange Zuwegung (Flurstück XX) an, die das Flurstück der Klägerin mit der dem öffentlichen Verkehr gewidmeten L.-------straße verbindet. Die Erschließung dieses Bereichs erfolgte im Jahr XX durch die C1. +H1. C2. und H2. GmbH. Gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 des zwischen der GmbH und der Beklagten am 00.00.0000 geschlossenen Erschließungsvertrages (Nr. XX des Vertragsverzeichnisses der Beklagten) sollte die Straße einschließlich des Wendehammers nach Fertigstellung dem uneingeschränkten öffentlichen Verkehr gewidmet werden. Anlass für den Abschluss des Erschließungsvertrages war die geplante Errichtung von 14 Reihenhäusern durch die GmbH. Am 00.00.0000 wurde der vorgenannte Erschließungsvertrag wegen des geplanten Baus von weiteren 16 Einfamilienhäusern durch die Firma U. AG an dem Straßenabschnitt geändert (Vertrag Nr. XX) und die Fertigstellung der Erschließung teilweise auf die Zeit nach Errichtung der weiteren Häuser aufgeschoben.
4Die östliche Teilfläche des Flurstücks XX, die dem vorherigen Flurstück XX entspricht, liegt im Geltungsbereich des von der Beklagten im Jahr XX beschlossenen Vorhaben- und Erschließungsplans Nr. X „Straße I1. N. / östlich L.-------straße “ (im Folgenden: W. ). Dieser sieht vor, dass die von dem Plan umfassten Grundstücke von der im Südosten liegenden öffentlichen Verkehrsfläche (I1. N. ) aus erschlossen werden. Für die im Plan vorgesehenen Verkehrsflächen wurde festgesetzt, dass diese mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zu Gunsten der Anlieger und der Versorgungsträger zu belasten sind und, mit Ausnahme des an die Straße I1. N. grenzenden Flurstücks XX, nicht gewidmet werden. Am 00.00.0000 schlossen die Klägerin und die Beklagte den Durchführungsvertrag zu dem W. . Gegenstand dieses Vertrages ist die Errichtung von zehn Einfamilienhäusern und die Erschließung der jeweiligen Grundstücke. Die Beteiligten schlossen darüber hinaus am gleichen Tag auch einen Erschließungsvertrag (Nr. XX des Vertragsverzeichnisses).
5J. 00.00.0000 beantragte die Klägerin derweil unter anderem die Eintragung einer Baulast zur Sicherung der Erschließung des Flurstücks XX. Daraufhin verpflichtete sich die Beklagte als damalige Eigentümerin des Flurstücks XX (heute: Flurstück XX), eine Teilfläche des Grundstücks zugunsten der übrigen im Geltungsbereich des W1. liegenden Flurstücke XX bis XX (heute: Flurstücke xx bis xx, XX, XX und XX) als Zuwegung zur Verfügung zu stellen, diese mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten und mit der nach § 5 BauO NRW erforderlichen Feuerwehrzufahrt zu belasten und entsprechend auszubauen. J. Anschluss kam es offenbar zur Errichtung der Wohnhäuser J. L1. 1 bis 10. Das Flurstück XX (vormals: XX) steht zum heutigen Zeitpunkt im Miteigentum der Klägerin.
6Weitere Einzelheiten zeigt der nachfolgende Kartenausschnitt:
7An dieser Stelle befindet sich in der Originalentscheidung eine Skizze.
8Am 00.00.0000 beantragte die Klägerin die Erteilung eines Vorbescheides betreffend die planungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung eines zweigeschossigen Einfamilienhauses auf dem Flurstück XX (zum Zeitpunkt der Antragstellung noch Flurstück Nr. XX und XX). Ausweislich des vorgelegten Lageplans soll die Zuwegung über die private T.----straße (Flurstück XX) erfolgen und durch eine Baulasteintragung gesichert werden. Es wurde darum gebeten, die Klägerin vom Stellplatznachweis freizustellen und in Aussicht gestellt, gegebenenfalls auf dem Flurstück XX, welches im Eigentum der Klägerin steht, weitere Stellplätze zu errichten.
9Mit Bescheid vom 00.00.0000 erließ die Beklagte den beantragten bauplanungsrechtlichen Bauvorbescheid und erklärte das Vorhaben für zulässig. J. Bescheid wurde für das Genehmigungsverfahren eine Befreiung von den entgegenstehenden Festsetzungen „Stellplatz auf zugeordneter Fläche des XX Planes X“ in Aussicht gestellt. Darüber hinaus enthielt der Vorbescheid unter anderem die Auflage, dass für das Vorhaben die Eintragung von Baulasten, insbesondere für die Erschließung, für die Abstandsflächen und für eine Stellplatzanbindung, erforderlich ist.
10Am 00.00.0000 beantragte die Klägerin die Erteilung der Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück. Für die Sicherung der Erschließung verwies die Klägerin auf die zwischen der Beklagten und der C1. +H1. C2. und H2. GmbH geschlossenen Erschließungsverträge Nr. XX und XX. Mit Schreiben vom 00.00.0000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass beabsichtigt sei, den Antrag abzulehnen, da es an einer öffentlich-rechtlich gesicherten Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche fehle. Darüber hinaus fehle ein öffentlich-rechtlich gesicherter gradliniger Zugang von der öffentlichen Verkehrsfläche hin zum geplanten Wohngebäude für die Feuerwehr. Zur öffentlich-rechtlichen Sicherung bedürfe es der Eintragung von Baulasten. Von der Eintragung der beantragten Baulast betreffend die Stellplatzanbindung werde vor diesem Hintergrund zunächst abgesehen.
11Mit Schreiben vom 00.00.0000 nahm die Klägerin hierzu Stellung und führte aus, das Flurstück XX sei zwar nicht ausdrücklich als öffentliche Verkehrsfläche gewidmet worden, einer Widmung bedürfe es jedoch im vorliegenden Fall ausnahmsweise nicht. Es sei ausreichend, dass der Verkehr auf diesem Weg tatsächlich geduldet werde, das Straßengrundstück im Eigentum der Gemeinde gestanden habe und die T.----straße als öffentliche Verbindung deshalb dauernden Bestand habe, weil in der Vergangenheit an dieser Straße Baugenehmigungen erteilt worden seien und sich die Erschließungslast der Beklagten gegenüber den Eigentümern der genehmigten und errichteten Häuser zu einer Erschließungspflicht verdichtet habe. Daneben sei das Grundstück jedenfalls durch die Straße J. L1. (Flurstück XX) erschlossen.
12Gegen den daraufhin ergangenen ablehnenden Bescheid vom 00.00.0000 hat die Klägerin am 00.00.0000 Klage erhoben. Sie hat die in der Stellungnahme ausgeführten Gründe nochmals dargelegt und führt ergänzend aus: Die Erschließung des Flurstücks XX sei auf Grundlage des W1. durch die Straße J. L1. erfolgt und damals durch entsprechende Baulasteintragungen gesichert worden. Der bislang nicht erfolgte Stellplatznachweis könne durch die Bearbeitung des Antrags auf Baulasteintragung, aber auch durch die Errichtung von Stellplätzen auf dem Grundstück selbst erfüllt werden. Darüber hinaus komme eine Stellplatzablösung in Betracht.
13Die Klägerin beantragt,
14die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 00.00.0000 zu verpflichten, ihr die am 00.00.0000 beantragte Baugenehmigung zu erteilen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Zur Begründung weist sie nochmals darauf hin, dass für die Einhaltung der Vorgaben in § 4 und § 5 Bauordnung NRW die Eintragung von Baulasten erforderlich sei. Sie führt ergänzend aus, dass im Rahmen der im Jahr XX erfolgten Baulasteintragungen die begünstigten Flurstücke, darunter auch das Flurstück XX, konkret mit den jeweiligen Katasterbezeichnungen benannt worden seien. Die Flurstücke XX und XX der Gemarkung C. , Flur X, seien damals hingegen nicht in den Baulastenblättern aufgeführt worden. Auf diesen Bereich erstrecke sich die Baulast demnach auch nicht. Die von der Klägerin geplante Stellplatzfläche liege ebenfalls nicht an einer öffentlichen Verkehrsfläche. Folglich sei auch hierfür die Eintragung einer Baulast erforderlich.
18Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
21Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 00.00.0000 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO); die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung für die Errichtung des Einfamilienhauses.
22Ein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung besteht gemäß § 75 Abs. 1 Bauordnung NRW (in der vorliegend noch anwendbaren Fassung aus dem Jahre XX), wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Vorliegend stehen dem Vorhaben bauordnungsrechtliche Vorschriften entgegen.
23Es verstößt gegen § 4 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW 2000. Demnach dürfen Gebäude nur errichtet werden, wenn gesichert ist, dass bis zum Beginn ihrer Benutzung das Grundstück in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt oder das Grundstück eine befahrbare, öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche hat. Bei Wohnwegen, an denen nur Gebäude geringer Höhe zulässig sind, bedarf es einer Befahrbarkeit nur, wenn sie länger als 50 Meter sind. Bei dem von der Klägerin geplanten Einfamilienhaus ist nicht zu erwarten, dass es bis zum Beginn seiner Benutzung diese Voraussetzungen erfüllen wird. Weder bei dem Flurstück XX, welches das Grundstück mit der für den öffentlichen Verkehr gewidmeten L.-------straße verbindet, noch bei der Straße J. L1. , Flurstück XX, die das Grundstück mit der öffentlichen Straßenverkehrsfläche I1. N. verbindet, handelt es sich um öffentliche Verkehrsflächen im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW 2000 oder um Zufahrten, die öffentlich-rechtlich gesichert sind.
241.
25Das Flurstück XX ist keine öffentliche Verkehrsfläche im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW 2000. Eine öffentliche Verkehrsfläche setzt voraus, dass eine Widmung für den öffentlichen Verkehr im Sinne des Straßen- und Wegegesetzes (StrWG) NRW vorliegt. Auch wenn auf einem Weg tatsächlich Verkehr stattfindet, handelt es sich erst dann um eine öffentliche Verkehrsfläche im Sinne der Vorschrift, wenn die Wegefläche als öffentliche Straße dem Verkehr gewidmet ist.
26Vergleiche hierzu u.a. OVG NRW, Beschluss vom 27. April 2007 – 7 A 2722/06 –, m.w.N., juris; Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Stand: 10/2018, § 4 Rn. 9.
27Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass eine Widmung des Flurstücks seitens der Beklagten bis zum heutigen Zeitpunkt nicht erfolgt ist. Anhaltspunkte dafür, dass eine solche in absehbarer Zeit geplant ist, liegen nicht vor.
28Entgegen der Einschätzung der Klägerin kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es für die öffentlich-rechtlich gesicherte Erschließung des Flurstücks XX einer ausdrücklichen Widmung des Flurstücks XX ausnahmsweise nicht bedarf. Das von der Klägerin insoweit zur Begründung herangezogene Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 11. April 1994 (Az. 2 C1. 92.3865) ist – unabhängig davon, ob die dort vertretene Rechtsauffassung auf die BauO NRW übertragbar ist – nicht einschlägig. Nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes kann ausnahmsweise von einer Widmung abgesehen werden, wenn das Straßengrundstück im Eigentum der Gemeinde steht und die Straße als öffentliche Verbindung deshalb dauernden Bestand hat, weil in der Vergangenheit an dieser Straße Baugenehmigungen erteilt worden sind und sich insoweit die Erschließungslast der Gemeinde gegenüber den Eigentümern der bestehenden und genehmigten Häuser zu einer Erschließungspflicht verdichtet hat. In diesem Fall sei hinreichend sichergestellt, dass ein Grundstück dauerhaft an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen bleibe, weil die Gemeinde andernfalls gegen eine ihr gegenüber bestehender Bebauung obliegende Erschließungspflicht verstoßen würde.
29Der dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes zu Grunde liegende Fall unterscheidet sich vom vorliegenden bereits insoweit, als das Flurstück XX nicht im Eigentum der Beklagten steht. Allein aus diesem H2. dürfte nicht hinreichend sichergestellt sein, dass das Grundstück dauerhaft an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen sein wird. Die Beklagte hat über das Grundstück keine unmittelbare Verfügungsmacht. Auch einer Widmung gemäß § 6 Abs. 5 StrWG NRW stünde entgegen, dass die Beklagte weder Eigentümerin des Flurstücks ist noch ersichtlich ist, dass die Eigentümer bzw. deren Rechtsvorgänger die erforderliche Zustimmung zu einer Widmung erteilt haben.
30Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin aus einem zugunsten der Eigentümer, die auf Grundlage von erteilten Baugenehmigungen Wohnhäuser an dem Flurstück XX errichtet haben, bestehenden Erschließungsanspruch eigene Ansprüche in Bezug auf das Flurstück XX herleiten könnte. Die Beklagte könnte einen solchen Anspruch zudem erfüllen, indem sie das Flurstück XX nur bis zur Höhe des Wohnhauses L.-------straße XX widmet. Von einer solchen Widmung würde die Klägerin jedoch nicht profitieren, weil ihr – nördlich des Wohnhauses L.-------straße XX liegendes – Flurstück auch in diesem Fall nicht an der öffentlichen Verkehrsfläche liegen würde.
31Vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall: OVG NRW, Beschluss vom 27. April 2007 – 7 A 2722/06 –, juris.
32Das Grundstück der Klägerin ist auch nicht wegen des Erschließungsvertrages vom 00.00.0000 als „erschlossen“ zu bewerten. Das Flurstück XX, welches als Zuwegung die nördlich des Wendehammers liegenden Grundstücke mit der L.-------straße verbindet, war ausweislich des zum Erschließungsvertrag aufgestellten Lageplans nicht Gegenstand dieses Vertrages. Die Zusage der Beklagten in § 4 Abs. 1 und Abs. 2 des Vertrages, die T.----straße einschließlich des Wendehammers später dem öffentlichen Verkehr zu widmen, bezog sich folglich nur auf den später auch tatsächlich gewidmeten Bereich, der in dem Plan als projektierte Straße eingezeichnet worden ist.
332.
34Der Grundstücksbereich, auf dem die Klägerin plant das Einfamilienhaus zu errichten, ist ferner nicht über das Flurstück XX (J. L1. ) hinreichend erschlossen. Auch insoweit grenzt das Flurstück weder unmittelbar an eine öffentliche Verkehrsfläche an, noch liegt eine öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW 2000 vor.
35Die Klägerin kann sich in Bezug auf diesen Grundstücksbereich nicht auf die im Baulastenverzeichnis der Beklagten auf dem Baulastenblatt Nr. XX eingetragene Zuwegungsbaulast berufen. Dem Baulastenblatt lässt sich entnehmen, dass sich die Beklagte als damalige Eigentümerin des Flurstücks XX (jetzt: XX) dazu verpflichtet hat, eine Teilfläche des Grundstücks als Zuwegung unter anderem zu dem Flurstück XX zur Verfügung zu stellen. Ausweislich des dem Baulastenverzeichnis beigefügten Lageplans sind die Flurstücke, auf die sich diese Baulast beziehen soll, eindeutig festgelegt. Die zum Zeitpunkt der Eintragung der Baulast noch existierenden Flurstücke XX und XX sind von dieser nicht umfasst gewesen.
36Die Flurstücke XX und XX sind auch nicht deshalb zum heutigen Zeitpunkt von der damals erteilten Baulast umfasst, weil sie zwischenzeitlich mit dem Flurstück XX (vorübergehend: Flurstück XX) verschmolzen worden sind und unter der Flurstücknummer XX fortgeführt werden. Dies lässt sich zunächst einmal nicht aus den ergänzenden „Bemerkungen“ auf dem Baulastenblatt, dass das Flurstück XX zunächst als Flurstück XX und später als Flurstück XX fortgeführt wird, schließen. Diese Eintragungen vermögen den Inhalt und den Umfang der ursprünglich erteilten Baulast nicht zu verändern. Sie dienen vielmehr nur der Anpassung an die formal geänderten Flurstückbezeichnungen. Einer automatischen Erstreckung der Baulast auf weitere Flurstücke im Falle einer Verschmelzung steht zudem der Rechtsgedanke, dass Baulasten grundsätzlich grundstücksbezogen erteilt werden, entgegen. Eine ausdrückliche Regelung für diesen Fall enthält die BauO NRW zwar nicht. Allerdings sprechen die Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) betreffend die Vereinigung von Grundstücken und die Grunddienstbarkeiten (§ 890 BGB, §§ 1018 ff. BGB) dafür, dass die Veränderung des Zuschnitts der jeweiligen Grundstücke grundsätzlich keine Auswirkung auf den Umfang der ursprünglich erteilten Baulast hat.
37Ebenfalls für eine Übertragbarkeit des Regelungsgedanken des § 1026 BGB auf Fälle, in denen eine Baulast erteilt worden ist: OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 – 8 A 1760/13 –, juris, Rn. 112.
38In § 1025 S. 1 BGB ist insoweit beispielsweise geregelt, dass für den Fall der Teilung des Grundstücks des Berechtigten die Grunddienstbarkeit für die einzelnen Teile fortbesteht. Die Ausübung soll jedoch im Zweifel nur in der Weise zulässig sein, dass sie für den Eigentümer des belasteten Grundstücks nicht beschwerlicher wird. Eine Grunddienstbarkeit, die sich auf das gesamte Flurstück bezieht, erlischt folglich in der Regel nicht aufgrund der Teilung. Umgekehrt wird in dem Fall, in dem mehrere Grundstücke gemäß § 890 Abs. 1 BGB zu einem Grundstück vereinigt werden, das Recht, welches zugunsten eines der Grundstücke begründet worden war, zwar zum Bestandteil des gesamten Grundstücks, der Umfang dieses Rechts bleibt hiervon jedoch unberührt. J. Falle einer Grunddienstbarkeit beschränkt sich demnach beispielsweise die Ausübung auf den Grundstücksteil, der vor der Vereinigung begünstigt gewesen ist.
39Vgl. hierzu Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 5. Dezember 2002 – 2Z BR 73/02 –, juris; Artz in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 890 BGB Rn. 6, m.w.N.
40Die von der Beklagten erteilte Baulast ist vorliegend auch nicht so auszulegen, dass diese sich im Falle der zukünftigen Erweiterung des jeweils begünstigten Flurstücks durch Verschmelzung mit einem angrenzenden Flurstück auf die weiteren Flurstücke erstrecken soll. Baulasten sind zwar wie andere Rechtstexte auslegungsfähig. Durch Auslegung des in das Baulastenverzeichnis eingetragenen Textes ist insbesondere zu ermitteln, ob die Baulast grundstücksbezogen oder vorhabenbezogen in dem Sinne erteilt worden ist, dass sie nur ein konkretes Vorhaben absichern soll. Diese Fragen lassen sich nicht generell in dem einen oder anderen Sinne beantworten. Entscheidend ist vielmehr, wie der Inhalt der jeweiligen konkreten Baulast bei verständiger Würdigung zu verstehen ist.
41Vgl. hierzu u.a. OVG NRW, Beschluss vom 8. März 2018 – 10 A 2582/16 – juris, Rn. 8, m.w.N.
42Einer Auslegung bedarf es allerdings nur, wenn sich der Umfang der erteilten Baulast nicht eindeutig aus dem Baulastenverzeichnis und der Verpflichtungserklärung entnehmen lässt. J. Hinblick auf die Grundstücksfläche, auf die sich die Verpflichtung bezieht, sind die Verpflichtungserklärung und die Eintragung jedoch eindeutig. Die jeweils begünstigten Flurstücke sind ausdrücklich aufgezählt und im Lageplan eingezeichnet. Anhaltspunkte dafür, dass dies in einer nicht hinreichend bestimmten Weise erfolgt ist, liegen nicht vor.
43Aber auch für den Fall, dass man die vorliegende Baulast für auslegungsbedürftig hält, scheidet eine Auslegung dahingehend, dass die Baulast sich auch auf solche Flurstücke erstrecken soll, die zukünftig mit den ausdrücklich genannten Flurstücken verschmolzen werden, aus. Bei verständiger Würdigung lässt sich die Baulast nur dahingehend verstehen, dass mit dieser ausschließlich die Erschließung der ausdrücklich aufgezählten Flurstückflächen gesichert werden sollte. Dass die Erschließung auf diese Flurstücke beschränkt sein sollte, ergibt sich daraus, dass die Eintragung der Baulasten im unmittelbaren Zusammenhang mit der Aufstellung des W1. durch die Beklagte im Jahr XX gestanden hat. Der Begründung zum W. lässt sich auf Seite 5 entnehmen, dass die Erschließung der geplanten zehn Wohngebäude über eine private Straße erfolgen soll, die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten für die Anlieger und die Versorgungsträger zu belasten ist. Die Eintragung der Baulast diente damit ersichtlich nur der Erschließung der im Geltungsbereich des W1. liegenden Baugrundstücke.
44Da es folglich bereits an einer hinreichenden Erschließung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW 2000 fehlt, bedarf es keiner Klärung, ob das Vorhaben darüber hinaus auch gegen § 5 und § 51 BauO NRW 2000 verstößt.
45Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
46Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.
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Referenzen
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