Urteil vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 15 K 1732/19
Tenor
Der Bescheid der Beklagten zu 2. vom 11. März 2019 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens.
3Am 26. September 2018 fasste der Beklagte in seiner Ratssitzung unter dem Tagesordnungspunkt 5 „Schließung des Marktplatzes für den allgemeinen Kfz-Verkehr“, Drucksachen Nr. °°°/°°°°, mit 18 Ja-Stimmen und 15 Nein-Stimmen den Beschluss:
4„Der Rat der Stadt G. fasst folgende Beschlüsse:a) Der Marktplatz wird für den allgemeinen Kfz-Verkehr geschlossen.b) Die Durchfahrt für Feuerwehr und Rettungsdienst sowie Abfallentsorgung und Straßenreinigung ist zu gewährleisten.c) Der Anliegerverkehr für die Gastronomie und Einzelhändler erfolgt vormittags in einem begrenzten Zeitraum über die L.-Straße und Ausfahrt J.d) Anlieger, die ausschließlich vom Markt erschlossen werden, erhalten eine Ausnahmegenehmigung zur Querung und Befahrung des Marktes.e) Die Verwaltung wird beauftragt, die technischen Lösungen weiter auszuarbeiten und vor Durchführung dem Bau- und Verkehrsausschuss zur Beratung vorzulegen.“
5Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Seiten 6 bis 8 der Niederschrift über die Sitzung Nr. 28 des Rates der Stadt G. vom 26. September 2018 (abrufbar im Ratsinformationssystem der Stadt G., https://www.G1. de/rathaus-service/politik/ratsinformationssystem/) und für die Drucksache des Beschlussvorschlages auf Bl. 32 bis 69 im Verwaltungsvorgang verwiesen.
6Mit bei der Beklagten am 9. Oktober 2018 eingegangenem Schreiben vom 2. Oktober 2018 zeigte Herr M. die beabsichtigte Einleitung eines Bürgerbegehrens zu der Frage an: „Sind Sie als Bürger der Stadt G. für die im Ratsbeschluss vom 26.09.2018 beschlossene Schließung des Marktplatzes für den Fahrzeugverkehr und den damit einhergehende Umbau der L.-Straße?“ Als vertretungsberechtigte Personen gab er die Kläger an.
7Mit Schreiben vom 23. Oktober 2018 bestätigte die Beklagte den Klägern den Eingang der Anzeige gegen den Beschluss des Beklagten vom 26. September 2018, mit dem dieser beschlossen habe, den Marktplatz für den allgemeinen Kfz-Verkehr zu schließen. Weiter wies sie auf § 26 Abs. 2 Satz 1 GO NRW hin, wonach das Bürgerbegehren die zur Entscheidung zu bringende Frage und eine Begründung enthalten müsse. Die angezeigte Fragestellung wäre unzulässig, weil die gestellte Frage aus Sicht des Rates mit einem „Ja“ beantwortet werden müsse, wenn dem Bürgerbegehren entsprochen werden solle, was bei dieser Fragestellung gerade nicht der Fall wäre. Zur Mitteilung der Kostenschätzung führte sie aus: „Wie sie bereits in Ihrem Schreiben ausführen, entstehen der Stadt G. durch die Aufhebung des gefassten Ratsbeschlusses und somit der Beibehaltung der derzeitigen Verkehrsführung keine unmittelbaren Kosten.“ Für die weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 3 und 4 der Beiakte Heft 1 verwiesen.
8Mit Schreiben vom 19. November 2018 zeigte Herr M. erneut das beabsichtigte Bürgerbegehren an und legte eine Unterschriftenliste mit der Fragestellung, Begründung und Kostenschätzung vor:
9„Sind Sie als Bürger der Stadt G. dafür, dass der G2. Markt, entgegen dem Ratsbeschluss vom 26.09.2018, nicht für den Fahrzeugverkehr geschlossen und die L.-Straße nicht zur beidseitig befahrbaren Sackgasse umgebaut wird.
10Begründung:
11Die beschlossene Schließung des Marktplatzes und die damit einhergehende Umwidmung der L.-Straße von einer Einbahnstraße in eine Sackgasse mit Begegnungsverkehr, sowie der Wegfall der Parkplätze auf dem Markt, der Parkplätze im Bereich der Markt Apotheke und der Parkplätze im Durchgangsbereich zur B.-Straße (Fa. X1.), entspricht unserer Ansicht nach nicht dem Bürgerwille. Die durch die Umbaumaßnahmen entstehenden Kosten stehen in keinerlei Relation zum genannten Zweck der Maßnahme. Weiterhin führt eine Sperrung des Marktplatzes und der L.-Straße (bis zur Einfahrt des Hauses I.) zur Verschlechterung der Erreichbarkeit der vor Ort befindlichen Geschäfte, Ärzte und Apotheken. Eine Ausstiegsmöglichkeit, insbesondere für ältere und gehbehinderte Menschen in unmittelbarer Nähe des Ärztezentrums, würde mit dem Umbau des Parkplatzes zu einem Wendehammer wegfallen.Eine Schließung des Marktes für jeglichen Fahrzeugverkehr würde die anliegenden Geschäfte sowie Ärztehäuser massiv beeinträchtigen und damit zum weiteren Geschäftssterben führen und den Marktplatz als Zentrum der Stadt entwerten. Die durch die Schließung des Marktplatzes angestrebte Steigerung der Verkehrssicherheit für ältere Mitbürger und spielende Kinder auf dem Marktplatz, hätte eine signifikante Erhöhung der Gefährdung für eben diesen Personenkreis im Bereich der nun beidseitig zu befahrenden L.-Straße zur Folge.
12Kostenschätzung:
13„Eine Kostenschätzung ist laut Verwaltung in diesem Fall entbehrlich, da das Bürgerbegehren auf die Einsparung von Kosten durch den Verzicht auf den verkehrsfreien Umbau des Marktplatzes ausgerichtet ist.“
14Die Beklagte teilte Herrn M. nach Rücksprache bei dem Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen über die Zulässigkeit von Fragestellung und Darstellung der Kostenschätzung mit Schreiben vom 21. Dezember 2018 mit, sie habe die Unterschriftenliste rechtlich überprüfen lassen. Die Rechtsprechung sehe vor, dass in der Kostenschätzung der Wortlaut der Verwaltung angegeben werde. Dies sei nicht erfolgt. Bei enger Auslegung könne man daher zur Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens kommen. Da für die Umsetzung des Bürgerbegehrens keine unmittelbaren Kosten anfallen würden, sei rechtlich nicht abschließend geklärt, ob diese strenge Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall Anwendung finde. Daher sei beabsichtigt, dem Rat vorzuschlagen, das Bürgerbegehren als zulässig einzustufen, soweit die weiteren formalen Voraussetzungen des § 26 GO NRW vorliegen würden.
15Nach Prüfung der eingereichten Unterschriftenlisten teilte die Beklagte Herrn M. mit weiterem Schreiben vom 30. Januar 2019 im Wesentlichen mit, das Bürgerbegehren erfülle das Quorum. In einem nächsten Schritt sei gemäß § 26 Abs. 6 GO NRW die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens durch den Rat der Stadt G. festzustellen. Dies werde voraussichtlich in der Sitzung des Rates am 6. März 2019 erfolgen.
16Nach einer Sitzung des Ältestenrates am 13. Februar 2019 informierte der Bürgermeister der Beklagten die Kläger mit Schreiben vom 19. Februar 2019 unter Darstellung der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Bürgerbegehrens, dass die Fragestellung zulässig sei, die erforderlichen vertretungsberechtigten Personen angegeben seien, die Kostenschätzung zwar nicht den Wortlaut der Kostenschätzung der Verwaltung wiedergebe, allerdings mit Blick auf das zutreffende Ergebnis, dass keine Kosten anfallen würden, noch zulässig und das Quorum erreicht sei. Die Begründung allerdings sei fehlerhaft. Sie enthalte unzutreffende Tatsachen. Der Beklagte habe in seiner Ratssitzung am 26. September 2018 entgegen den Ausführungen in der Begründung des Bürgerbegehrens nicht die Sperrung des Marktplatzes für jeglichen Fahrzeugverkehr beschlossen. Die Durchfahrt für Feuerwehr, Rettungsdienst, Abfallentsorgung und Straßenreinigung bleibe gewährleistet, ebenso Anliegerverkehr für die Gastronomie und Einzelhändler. Auch ausschließlich vom Markt erschlossene Anlieger dürften den Markt mit einer Ausnahmegenehmigung weiter befahren und queren. Diese Informationen würden den Bürgern in der Begründung des Bürgerbegehrens vorenthalten. Ebenfalls sei unzutreffend, dass auf dem Markt, im Bereich der Markt-Apotheke und im Durchgangsbereich zur B.-Straße sämtliche Parkplätze entfallen würden. Hierdurch würden Bürger, die darauf Wert legen, im Bereich des Marktplatzes zu parken, sowie Bürger, die Anlieger oder Anlieferer in diesem Bereich seien, fehlerhaft informiert. Vor diesem Hintergrund sei die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens festzustellen.
17In der Ratssitzung vom 6. März 2019 fasste der Beklagte aufgrund der Sitzungsvorlage Nr. °°°/°°°° vom 18. Februar 2019, auf die für die weiteren Einzelheiten verwiesen wird (vgl. Beiakte Heft 1, Bl. 108 und 109) unter Tagesordnungspunkt 5 „Bürgerbegehren gemäß § 26 GO NRW auf Aufhebung des Ratsbeschlusses zur Schließung des Marktplatzes für den allgemeinen Kfz-Verkehr, hier: Feststellung der Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens“, mit 17 Ja-Stimmen, zwei Nein-Stimmen und 14 Enthaltungen den Beschluss:
18„Der Rat der Stadt G. stellt gemäß § 26 Abs. 6 Satz 1 GO NRW die Unzulässigkeit des am 14.01.2019 eingereichten Bürgerbegehrens fest.“
19Mit Schreiben vom 11. März 2019 gab die Beklagte den Beschluss gegenüber den Klägern mit Rechtsbehelfsbelehrung bekannt und verwies zur Begründung auf die mitübersandte Drucksache °°°/°°°°.
20Die Kläger haben am 8. April 2019 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie unter Wiedergabe des Inhaltes der Beschlussvorlage Nr. °°°/°°°° im Wesentlichen vor, die auf den Unterschriftenlisten angegebene Kostenschätzung enthalte die Mitteilung der Beklagten, ihr entstünden durch die Aufhebung des gefassten Ratsbeschlusses und Beibehaltung der derzeitigen Verkehrsführung keine unmittelbaren Kosten. Die in der Begründung dargestellten Tatsachen seien zutreffend.
21Die Angabe, die Sperrung des Marktplatzes sei für jeglichen Fahrzeugverkehr erfolgt, meine den allgemeinen Kfz-Verkehr. Soweit dies strenger gesehen würde, überdehne dies die Aufklärungspflicht des Bürgerbegehrens für den Bürger. Der verwendete Begriff „jeglicher Fahrzeugverkehr“ meine den von der Schließung des Marktplatzes und der Umwidmung der L.-Straße betroffenen Fahrzeugverkehr. Es sei davon auszugehen, dass der Bürger unter dem Begriff „jeglicher Fahrzeugverkehr“ nicht denjenigen Fahrzeugverkehr verstehe, der mit Sondererlaubnissen, den Marktplatz befahren könne, sondern den allgemeinen Kfz-Verkehr, dessen Befugnisse eingeschränkt würden, wodurch ein negativer Einfluss auf den Einzelhandel ausgeübt werde. Ein Irrtum über die Befahrrechte werde bei den Bürgern nicht erzeugt. Dies ergebe sich auch aus der weiteren Begründung des Bürgerbegehrens. Wenn darin unter anderem ausgeführt werde, die Sperrung des Marktplatzes und der L.-Straße bis zur Einfahrt des Hauses I. führe zu einer Verschlechterung der Erreichbarkeit der vor Ort befindlichen Geschäfte, Ärzte und Apotheken, könne damit nicht der Sonderverkehr, sondern der allgemeine Verkehr gemeint sein. Denn die Durchfahrt für Feuerwehr, Rettungsdienst, Abfallbeseitigungsfahrzeuge, und Straßenreinigung ebenso der Anlieferverkehr für die Gastronomie und den Einzelhandel sei nicht der Verkehr, der negativen Einfluss auf die Attraktivität der Stadt haben könne. Es gehe um die Stärkung des Einzelhandels im Innenstadtbereich. Hier werde vor der Gefahr gewarnt, dass der Einzelhandel durch eine Sperrung und Umwidmung massiv beeinträchtigt werde.
22Die Angabe des Wegfalls „der Parkplätze auf dem Markt“ sei nicht unrichtig. Es sei nicht angegeben, dass alle Parkplätze wegfallen würden. Auf Seite drei der Beschlussvorlage zum Ratsbeschluss sei angegeben, dass vier Parkplätze auf dem Markt als Folge dessen Sperrung wegfallen würden und damit tatsächlich alle vier Parkplätze auf dem Markt. Insoweit sei die Begründung des Beklagten hierzu nicht nachvollziehbar. Weiter sei der Beschlussvorlage zu entnehmen, dass bei der Sperrung über den Marktplatz hinaus auf der L.-Straße bis zur Zufahrt Haus I. alle Parkplätze bis zur Markt Apotheke wegfallen würden. Auch hier gelte der Grundsatz, dass sich das Bürgerbegehren immer auf den Wegfall „der Parkplätze“ und nicht auf den Wegfall „aller denkbaren Parkplätze beziehe. Die Angabe in der Begründung, es käme zu einem Wegfall der Parkplätze auf dem Markt, der Parkplätze im Bereich der Markt Apotheke und der Parkplätze im Durchgangsbereich zur B.-Straße (Fa. X1.), meine die vom Konzept der Planersocietät betroffenen Parkplätze. Eine konkrete Bezugnahme sei der Begründung nicht zu entnehmen und auch nicht gewollt. Auch die Vorlage (hier gemeint: Beschlussvorlage) bleibe in bestimmten Bereichen unbestimmt, unter anderem heiße es dort: „Die vollständige Sperrung der Marktplatzdurchfahrt für den Kfz-Verkehr beruhe danach auf folgenden Gesichtspunkten.“ Im Übrigen werde in der Vorlage darauf hingewiesen, dass eine Wendemöglichkeit auf der L.-Straße auf dem vorhandenen städtischen Parkplatz mit leichten baulichen Veränderungen möglich sei. Begegnungsverkehre seien in der L.-Straße aufgrund des Regelungsquerschnitts der vorhandenen Parkplätze und der vorhandenen Ausweichmöglichkeiten möglich. Die Einrichtung einer Wendemöglichkeit auf dem städtischen Parkplatz hinterlasse objektiv den Eindruck, dass die Parkplätze in diesem Bereich aufgegeben werden müssten. Auch das Wenden als besonders gefährlicher Verkehrsvorgang durch größere Fahrzeuge wie einem in der Planung angenommenen dreiachsigen Müllfahrzeug mit 9,09 m Länge und einem Wenderadius von 10,25 m würde laut Beschlussvorlage den Wegfall von zwei Behindertenparkplätzen zur Folge haben. Nach Maßgabe des Beschlusses und der Planung der Verwaltung, den Parkplatz entgegen seiner ursprünglichen Widmung als Wendehammer einzusetzen, sei die Folge, dass sämtliche Parkplätze wegfallen müssten und der Bereich die Funktion eines Wendehammers einnehme. Das Bürgerbegehren beziehe sich ohne konkreten Bezug auf den allgemeinen Wegfall von Parkplätzen in diesem Bereich, da das kommunale Konzept interpretationsbedürftig sei. Der Sachverhalt sei demnach richtig dargestellt und das Bürgerbegehren zulässig.
23Die Kläger beantragen,
24den Beklagten zu 1. unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten zu 2. vom 11. März 2019 zu verurteilen, das Bürgerbegehren vom 14. Januar 2019 gegen den Beschluss des Beklagten zu 1. zur Schließung des Marktplatzes für den allgemeinen Kfz-Verkehr vom 26. September 2018 für zulässig zu erklären.
25Die Beklagten beantragen,
26die Klage abzuweisen.
27Zur Begründung äußern sie bereits Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der erhobenen Klage. Statthafte Klageart sei nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Februar 2019 - BvR 2203/18 - nicht die vorliegend erhobene Verpflichtungsklage, sondern die Feststellungsklage. Die Kompetenz zur Rechtsdurchsetzung käme den Initiatoren des Bürgerbegehrens nicht als Privatpersonen, sondern „wie einem Organ der Gemeinde zu“. Sie gehe davon aus, dass die bisherige Rechtsprechung in Nordrhein-Westfalen zu der Frage der richtigen Klageart und des richtigen Beklagten bei Berücksichtigung der vorerwähnten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu revidieren sein werde.
28Jedenfalls sei die Klage unbegründet. Der Beklagte habe zu Recht festgestellt, dass das Bürgerbegehren unzulässig sei. Organschaftliche Kompetenzen der Kläger würden nicht verletzt. Es mangele dem Bürgerbegehren an einer zutreffenden Begründung. Eine in wesentlichen Elementen unrichtige Begründung führe zur Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens. Auch der Grund für die unrichtige Sachdarstellung sei nicht erheblich. Die Begründung enthalte Tatsachenangaben, die nicht mit dem Ratsbeschluss übereinstimmten. Der Beklagte habe in seiner Sitzung am 26. September 2018 nicht die Sperrung des Marktplatzes für jeglichen Fahrzeugverkehr beschlossen. Ebenfalls treffe es nicht zu, dass auf dem Markt, im Bereich der Marktapotheke und im Durchgangsbereich zur B.-Straße sämtliche Parkplätze entfallen würden. Beides werde jedoch in der Begründung des Bürgerbegehrens behauptet. Diese Behauptung erzeuge beim Bürger eine fehlerhafte Vorstellung. Die Bürger würden ihrer Entscheidung einen falschen Sachverhalt zugrunde legen. Dieser Mangel betreffe den Kernbereich des Begehrens. Es habe gerade die Schließung des Marktplatzes für den Fahrzeugverkehr zum Hauptgegenstand, wie bereits die Überschrift zeige.
29Die beiden in der Begründung enthaltenen Irreführungen seien zum einen die Angabe, es sei eine Sperrung für jeglichen Fahrzeugverkehr vorgesehen und zum anderen die Angabe des Wegfalls der Parkplätze. Der Beklagte habe nicht die Sperrung für jeglichen Fahrzeugverkehr auf dem Marktplatz beschlossen. Überdies sei die Angabe einer Sperrung für jeglichen Fahrzeugverkehr missverständlich, weil auch in der Fragestellung lediglich ausgeführt werde, dass der G2. Markt für den Fahrzeugverkehr geschlossen werde. Nach dem allgemeinen Verständnis verstehe man unter „geschlossen“ zunächst eine „Vollsperrung“. Darüber hinaus reiche die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Irrtums für die Fehlerhaftigkeit der Begründung bereits aus. Anderenfalls würden Ungenauigkeiten in der Abfassung zu Lasten des Informationszwecks gehen. Die Aufzählung „der Parkplätze“ in der Begründung würde suggerieren, es würden sämtliche Parkplätze entfallen. Zwar sei richtig, dass auf dem Marktplatz die vier Parkplätze entfielen. Vor der Marktapotheke würden jedoch zwei Parkplätze bestehen bleiben. Die zehn Parkmöglichkeiten im Durchgangsbereich zur B.-Straße (Fa. X1.) würden vollständig erhalten bleiben. Auch die Sonderparkplätze vor der Apotheke und der Arztpraxis würden bestehen bleiben können. Selbst wenn man annehme, der Beschluss des Beklagten sei bezüglich der Anzahl der wegfallenden Parkmöglichkeiten ungenau oder interpretationsfähig, so könne diese Ungewissheit nicht dazu führen, solche Ungenauigkeiten auch in der Begründung des Bürgerbegehrens hinzunehmen. Es sei unzulässig, diese Ungewissheiten dahingehend auszulegen oder in der Begründung so anzuführen, dass sie die Bürgerinitiative stützen und die Entscheidung des Beklagten in ein „schlechteres“ Licht rücken würden. Der Annahme einer mangelhaften Begründung stehe auch nicht entgegen, dass sich die Bürger aus allgemein zugänglichen Quellen wie der Internetseite der Beklagten über den zutreffenden Inhalt des Ratsbeschlusses informieren könnten. Der Bürger sei auf die Informationen, die ihm bei der Gelegenheit zur Unterschrift auf der Unterschriftenliste zur Verfügung stünden, angewiesen.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
31Entscheidungsgründe:
32Die Klage ist zulässig (I.), aber überwiegend unbegründet (II.).
33I.
34Die Klage ist zulässig.
35Zur gerichtlichen Durchsetzung des klägerischen Begehrens, die Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens durch den Beklagten zu erreichen, ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die allgemeine Leistungsklage statthaft.
36Die Kläger als Vertreter des Bürgerbegehrens sind nach der Rechtsprechung des Bundeverfassungsgerichtes als in einer Art organschaftlichem Verhältnis zur betreffenden Gemeinde stehende "Amtswalter" anzusehen.
37Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom22. Februar 2019 - 2 BvR 2203/18 -, juris, Rn. 17.
38Die den Vertrauenspersonen eines Bürgerbegehrens durch das Kommunalrecht zugewiesenen Rechte sind nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts Teil der kommunalen Willensbildung. Sie betreffen die politische Willensbildung in der Gemeinde und begrenzen zugleich die Rechte der Gemeindevertretung. Ein zugelassenes Bürgerbegehren ist Teil des institutionellen Gefüges der Gemeinde, mit dem die Bürgerschaft an der politischen Willensbildung in der Gemeinde teilhat. Seine Vertrauensleute nehmen insoweit eine organschaftliche Funktion wahr. Sie sind „Organ“ der Gemeinde, weshalb sie mangels Grundrechtsfähigkeit nicht in den Schutzbereich von Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes - GG - fallen.
39Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom22. Februar 2019 - 2 BvR 2203/18 -, juris, Rn. 20 bis 22.
40Zwar sieht die Kammer sich an diesen Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht durch § 31 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes - BVerfGG - gebunden. Danach binden die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Diese Bindungswirkung ist grundsätzlich indisponibel,
41vgl. Betghe, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Werkstand: 56. Erg.-Lfg. Februar 2019, § 31, Rn. 10,
42und besteht über den Einzelfall hinausgehend insofern, als die sich aus dem Tenor und den tragenden Gründen der Entscheidung ergebenden Grundsätze für die Auslegung der Verfassung von den Gerichten in allen künftigen Fällen beachtet werden müssen.
43Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 1975- 2 BvR 1018/74 -, juris, Rn. 13; BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1987 - 2 BvR 104/87 -, juris, Rn. 41; BVerfG, Beschluss vom 20. Januar 1966 - 1 BvR 140/62 - (Niekisch-Fall, Berliner Sache, Berlin-Vorbehalt II), juris, Rn. 14.
44§ 31 BVerfGG erkennt den verfassungsgerichtlichen Entscheidungen Bindungswirkung insoweit zu, wie die Funktion des Bundesverfassungsgerichts als maßgeblicher Interpret und Hüter der Verfassung dies erfordert. Die Bindungswirkung beschränkt sich deshalb auf die Teile der Entscheidungsgründe, welche die Auslegung und Anwendung des Grundgesetzes betreffen. Sie erstreckt sich nicht auf Ausführungen, die nur die Auslegung einfacher Gesetze zum Gegenstand haben. Die Auslegung und Anwendung einfacher Gesetze ist Sache der sachnäheren Fachgerichte. Dagegen hat das Bundesverfassungsgericht die aus dem Verfassungsrecht sich ergebenden Maßstäbe oder Grenzen für die Auslegung eines einfachen Gesetzes verbindlich zu bestimmen.
45Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 1975- 2 BvR 1018/74 -, juris, Rn. 14.
46§ 31 BVerfG erfasst auch stattgebende, gemäß § 93c Abs. 1 Satz 2 BVerfGG einer Senatsentscheidung gleichstehenden Kammerbeschlüssen über eine Verfassungsbeschwerde.
47Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2006 - 1 BvQ 4/06 - (Versammlungsverbot), juris, Rn. 29; BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2004 - 1 BvR 2495/04 -, juris, Rn. 11; Lenz/Hansel , Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Auflage 2015, § 31, Rn. 24.
48Nicht erfasst sind jedoch Nichtannahmebeschlüsse wie der vom 22. Februar 2019 - 2 BvR 2203/18 -. Eine Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG kommt nur Sachentscheidungen, nicht Prozessentscheidungen zu.
49BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 1995 - 1 BvL 18/93, 1 BvL 5/94, 1 BvL 6/94, 1 BvL 7/94, 1 BvR 403/94, 1 BvR 569/94 -, (Feuerwehrabgabe, Feuerwehrschutzabgabe), juris, Rn. 63; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Werkstand: 56. Erg-Lfg., Februar 2019, § 31, Rn. 83.
50Dennoch veranlassen die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Nichtannahmebeschluss vom 22. Februar 2019 - 2 BvR 2203/18 - zu Auslegungen des Verfassungsrechts hinsichtlich der fehlenden Grundrechtsträgereigenschaft von Vertretern eines Bürgerbegehrens als „Organ“ bzw. "Amtswalter" in einer Art organschaftlichem Verhältnis zur Gemeinde die Kammer unter Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ihre Rechtsprechung zu ändern.
51Nach dieser Rechtsprechung war die Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Fall 1 VwGO statthafte Klageart für die Bewertung der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens.
52Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Juni 2017 - 15 A 1561/15 -, juris, Rn. 8; OVG NRW, Urteil vom 5. Februar 2002 - 15 A 1965/99 -, juris, Rn. 8; zum Bürgerbegehren auf Kreisebene; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 13. Juni 2008 - 15 K 2243/06 -, juris, Rn. 36.
53Die begehrte Entscheidung des Rates über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nach § 26 Abs. 6 Satz 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - GO NRW - wurde als Verwaltungsakt angesehen, mit dem der Rat den Vertretern des Bürgerbegehrens gegenüber, die sich insoweit auf eine Position des Außenrechts berufen haben, verbindlich feststellt, ob die Voraussetzungen für die Durchführung eines Bürgerentscheids erfüllt sind.
54Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Februar 2002 - 15 A 1965/99 -, juris, Rn. 8, m.w.N.; zum Bürgerbegehren auf Kreisebene; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 13. Juni 2008 - 15 K 2243/06 -, juris, Rn. 36.
55Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat in einer neueren Entscheidung eine Feststellungsklage bezüglich der gerichtlichen Überprüfung des Abstimmungsergebnisses über einen Bürgerentscheid für statthaft angesehen.
56Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Juni 2019 - 15 A 2503/18 -, juris.
57Diese Konstellation betrifft nicht die vorliegende Situation, in der die Unzulässigkeitsfeststellung durch Ratsbeschluss beseitigt und dem Rat vorgegeben werden soll, die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens festzustellen. Überdies verhält sich die Entscheidung nicht deutlich zu der Frage, ob den Vertretern eines Bürgerbegehrens Rechtspositionen „wie einem Organ“ im Rahmen des gemeindlichen inneren Willensbildungsprozesses zustehen. Im Gegenteil stellt das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in dieser der vorerwähnten Entscheidung des BVerfG nachfolgenden Entscheidung im Rahmen der Klagebefugnis nicht auf „organschaftliche Rechte“ ab, sondern bejaht an mehreren Stellen die den Vertretern eines Bürgerbegehrens zustehenden eigenen subjektiven Rechte.
58Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Juni 2019 - 15 A 2503/18 -, juris, Rn. 58, 74, 84, 95.
59Zur rechtlichen Position der Vertreter eines Bürgerbegehrens führt das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen aus, bei ihnen seien alle Verfahrensrechte hinsichtlich des Bürgerbegehrens konzentriert. Sie würden ähnlich einem Verfahrensstandschafter im eigenen Namen die Interessen der das Bürgerbegehren unterzeichnenden Bürger wahrnehmen und überdies einheitlich als Ansprechpartner der Gemeinde fungieren.
60Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Juni 2019 - 15 A 2503/18 -, juris, Rn. 67.
61Die konkrete rechtliche Einordnung des Konstruktes Bürgerbegehren bzw. seiner Vertreter bleibt unklar.
62Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Nichtannahmebeschluss vom 22. Februar 2019 - 2 BvR 2203/18 - hält die Kammer nicht mehr an ihrer früheren Rechtsprechung fest. Soweit die Vertrauensleute des Konstruktes Bürgerbegehrens als „Organ“ der Gemeinde bzw. als „Amtswalter“ eine organschaftliche Funktion wahrnehmen,
63vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom22. Februar 2019 - 2 BvR 2203/18 -, juris, Rn. 22,
64stehen sie der Gemeinde nicht in einem Außenverhältnis gegenüber und kann die Entscheidung des Rates nach § 26 Abs. 6 Satz 1 GO NRW ihnen gegenüber nicht in Gestalt eines Verwaltungsakts ergehen. Es fehlt insoweit an der nach § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - VwVfG NRW - erforderlichen Außenwirkung.
65Bei konsequenter Überführung der vorerwähnten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in nordrhein-westfälisches Landesrecht folgt die Einordnung des Konstrukts eines Bürgerbegehrens „als Teil des institutionellen Gefüges der Gemeinde, mit dem die Bürgerschaft an der politischen Willensbildung in der Gemeinde teilhat“ jedoch weder aus dem verfassungsgerichtlichen Verständnis der Stellung eines Bürgerbegehrens erst ab Feststellung der Zulässigkeit durch den Rat noch aus einer rechtstheoretischen Einordnung des Antrags auf Durchführung eines Bürgerbegehrens, der Gesamtheit der Unterzeichner oder der Vertreter/Vertrauenspersonen eines Bürgerbegehrens als „Organ“.
66Vgl. zum diesbezüglichen Meinungsstand und der daran nachvollziehbaren Kritik umfassend Lange, Kommunalrecht, 2. Auflage, 2013, Rn. 143 ff.
67Soweit in der Literatur darauf hingewiesen wird, dass ein Bürgerbegehren als Instrument unmittelbarer Demokratie grundsätzlich eine selbstständige Teilhabe an der kommunalen Willensbildung von außen darstellt,
68vgl. Heusch/Dickten, Neue Rechtsprechung zum Kommunalrecht, NVwZ 2019, 1238 (1244); Muckel: Keine Grundrechtsberechtigung für Vertrauenspersonen eines Bürgerbegehrens, JA 2019, 633 (635),
69stimmt dem die Kammer im Grundsatz zu.
70Allerdings weist die Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen dem Konstrukt Bürgerbegehren durch einfachgesetzliche Regelungen in § 26 Abs. 1 Satz 1 GO NRW i.V.m. § 40 Abs. 1 und 2 Satz 1 GO NRW die kommunalverfassungsrechtliche Stellung „als Teil des institutionellen Gefüges der Gemeinde, mit dem die Bürgerschaft an der politischen Willensbildung in der Gemeinde teilhat“ im Sinne der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu.
71Nach § 40 Abs. 1 GO NRW wird die Verwaltung der Gemeinde ausschließlich durch den Willen der Bürgerschaft bestimmt. § 40 Abs. 2 Satz 1 GO NRW definiert legal, dass die Bürgerschaft durch den Rat und den Bürgermeister vertreten wird. Hiernach ist ein Bürgerbegehren nicht Träger der Gemeindeverwaltung und demnach nicht Teil des institutionellen Gefüges der Gemeinde.
72Auch aus dem Wortlaut der Regelung in § 26 Abs. 6 Satz 7 GO NRW über die Sperrwirkung eines Bürgerbegehrens, dessen Zulässigkeit abschließend festgestellt worden ist, kann entnommen werden, dass weder das Bürgerbegehren als solches, noch seine Unterzeichner in Gesamtheit oder einzeln oder die Vertreter des Bürgerbegehrens Organe der Gemeinde im klassischen bzw. engeren Sinne sind. Die Norm lautet auszugsweise: „Ist die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nach Satz 1 oder Satz 2 abschließend festgestellt, darf bis zur Feststellung des Ergebnisses des Bürgerentscheids eine dem Begehren entgegenstehende Entscheidung der Gemeindeorgane nicht mehr getroffen oder mit dem Vollzug einer derartigen Entscheidung nicht mehr begonnen werden, […].“ (Unterstreichung durch das Gericht). Diesem Wortlaut ist zu entnehmen, dass § 26 Abs. 6 Satz 7 GO NRW das Bürgerbegehren nicht als ein klassisches Gemeindeorgan im engeren Sinne ansieht, weil es seiner Zielrichtung die Gemeindeorgane in ihrer Gesamtheit gegenüberstellt. Würde die Norm das Bürgerbegehren als klassisches Gemeindeorgan im engeren Sinne ansehen, wäre die zutreffende Formulierung, ihm die „anderen Gemeindeorgane“ gegenüber zu stellen.
73Allerdings lässt § 26 Abs. 1 Satz 1 GO NRW i.V.m. § 40 Abs. 1 und 2 Satz 1 GO NRW eine Auslegung dieser Reglungen im Lichte der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Nichtannahmebeschluss vom 22. Februar 2019 - 2 BvR 2203/18 - zu, wonach dem Konstrukt Bürgerbegehren im nordrhein-westfälischen Kommunalrecht während seiner rechtlichen Relevanz die Stellung eines gemeindlichen vorübergehend existenten „Organs“ als Teil des institutionellen Gefüges der Gemeinde, mit dem die Bürgerschaft an der politischen Willensbildung in der Gemeinde teilhat, zugewiesen ist, ohne dass es klassisches Gemeindeorgan im engeren Sinne ist.
74Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 GO NRW können die Bürger beantragen (Bürgerbegehren), dass sie an Stelle des Rates über eine Angelegenheit der Gemeinde selbst entscheiden (Bürgerentscheid). Dieser Antrag ermöglicht bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen die Entscheidung anstelle des Rates, der nach § 40 Abs. 2 Satz 1 GO NRW Teil des institutionellen Gefüges der gemeindlichen Willensbildung zur Bestimmung der Verwaltung der Gemeinde nach § 40 Abs. 1 GO NRW ist.
75Wird das Bürgerbegehren aufgrund einfachgesetzlicher Regelung vorübergehend in das institutionelle Gefüge der gemeindlichen Willensbildung erhoben und mit der Kompetenz ausgestattet, in Gestalt des Bürgerentscheides anstelle des Rates als originäres Gemeindeorgan zu entscheiden, und – wenn auch beschränkt auf seine Vertreter – mit Rechtsschutzmöglichkeiten zur Sicherung des ordnungsgemäßen Verfahrens versehen (§ 26 Abs. 6 Satz 3 GO NRW) ist es während seiner gesamten vorübergehenden Dauer rechtlicher Relevanz als Teil des institutionellen Gefüges anzusehen. Für eine Begrenzung dieser Einordnung ab Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens,
76vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 22. Februar 2019 - 2 BvR 2203/18 -, juris, Rn. 24, wonach (erst) ein zugelassenes Bürgerbegehren Teil des institutionellen Gefüges der Gemeinde, mit dem die Bürgerschaft an der politischen Willensbildung in der Gemeinde teilhat, ist,
77ist kein Sachgrund ersichtlich. Zumal es an einer rechtlichen Begründung fehlt, das Konstrukt des Bürgerbegehrens erst ab diesem Zeitpunkt als „Organ“ bzw. seine Vertreter als organschaftliche "Amtswalter" in einer Art organschaftlichem Verhältnis zur Gemeinde zu sehen. Folge einer solchen Aufteilung wäre eine rechtlich weder nachvollziehbare noch praktikable Aufspaltung der rechtlichen Einordnung des Konstruktes Bürgerbegehren bzw. seiner Vertreter vor Zulässigkeitsfeststellung bzw. auch bei Unzulässigkeitsfeststellung durch den Rat einerseits und ab Zulässigkeitsfeststellung andererseits. Dass das Konstrukt Bürgerbegehren bzw. seiner Vertreter als „Amtswalter“ vor Zulässigkeitsfeststellung bzw. auch bei Unzulässigkeitsfeststellung durch den Rat kein „Organ“ darstellen bzw. keine organschaftliche Funktion wahrnehmen sollen, ab Zulässigkeitsfeststellung jedoch schon, wäre insbesondere mit Blick auf Rechtschutzverfahren zur Sicherung des ordnungsgemäßen Verfahrens nicht nachvollziehbar.
78Nach alledem können die Kläger die ihnen in organschaftlicher Funktion durch § 26 Abs. 6 Satz 3 GO NRW zugewiesene Rechtsschutzmöglichkeit im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend machen.
79In ihrer organschaftlichen Funktion stehen sie dem Beklagten, gegen dessen Entscheidung § 26 Abs. 6 Satz 3 GO NRW ihnen das Klagerecht einräumt, während der vorübergehenden rechtlichen Relevanz des Bürgerbegehrens im organschaftlichen Streitverhältnis, einem Organstreitverfahren, gegenüber.
80Dieses organschaftliche Streitverhältnis unterscheidet sich allerdings in wesentlichen Punkten von Organstreitverfahren zwischen Gemeindeorganen im engeren Sinne, weshalb die Kammer der Ausführung des Bundesverfassungsgerichts im Nichtannahmebeschluss vom 22. Februar 2019 „Insoweit handelt es sich um eine kommunalverfassungsrechtliche Streitigkeit.“,
81Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom22. Februar 2019 - 2 BvR 2203/18 -, juris, Rn. 24.
82insoweit einschränkend versteht, dass damit keine Kommunalverfassungsstreitverfahren im herkömmlichen Sinne gemeint sein sollen. Diese betreffen in ihrer Struktur Streitigkeiten zwischen Organen und Organteilen einer Gemeinde, die ihnen im Interesse der Gemeinde übertragende Organrechte wahrnehmen. Auch wenn die Reichweite eines organschaftlichen Rechts im Einzelfall im Streit steht, sind diese Organe oder Organteile – ungeachtet ihrer entgegengesetzten Rechtsstandpunkte in einem Kommunalverfassungsstreitverfahren – verpflichtet, im Interesse der Gemeinde zu handeln. Die Umsetzung dieser übergeordneten gemeinsamen Verpflichtung und Zielsetzung macht eine dauerhafte vertrauensvolle Zusammenarbeit erforderlich.
83Vgl. insb. zu dem daraus folgenden Grundsatz der organtreue OVG NRW, Urteil vom 15. September 2015- 15 A 1961/13 -, juris, Rn. 55; OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Mai 2017 - 15 A 1008/16 -, juris, Rn. 9, vom 16. Mai 2013 - 15 A 785/12 -, juris, Rn. 39, und vom 19. August 2011- 15 A 1555/11 -, juris, Rn. 21; VG Düsseldorf, Urteil vom18. März 2016 - 1 K 8453/15 -, juris, Rn. 22.
84Ein Bürgerbegehren als vorübergehendes Konstrukt institutioneller Einbindung in die gemeindliche Willensbildung anstelle des Rates ist nicht auf eine dauerhafte vertrauensvolle Zusammenarbeit gerichtet und nimmt keine ihm im Interesse der Gemeinde übertragenen Organrechte war, sondern ermöglicht Teilhabe der einzelnen Bürger der Gemeinde durch Formung eines Bürgerwillens an der gemeindlichen Willensbildung der Gemeinde. Zu diesem Zweck wird es vorübergehend Teil der institutionellen Einbindung in die gemeindliche Willensbildung.
85Aus diesem Grund ist für die Zulässigkeit einer Klage der Vertreter eines Bürgerbegehrens auch keine rechtzeitige Rüge der für rechtswidrig gehaltenen Maßnahme gegenüber dem zuständigen Organ selbst zu fordern, um diesem die Möglichkeit zu geben, Einwände zu prüfen und ggf. für Abhilfe Sorge zu tragen. Diese aus dem Grundsatz der Organtreue zwischen dauerhaft miteinander im Interesse der Gemeinde zusammenarbeitenden Organen entwickelte Zulässigkeitsvoraussetzung,
86vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. September 2017- 15 A 2785/15 -, juris, Rn. 43; OVG NRW, Beschluss vom 19. August 2011 - 15 A 1555/11 -, juris, Rn. 14; VG Düsseldorf, Urteil vom 18. März 2016 - 1 K 8453/15 -, juris, Rn. 22,
87ist aufgrund der nur vorübergehenden rechtlichen Relevanz eines auf eine singuläre Sachfrage bezogenen Bürgerbegehrens nicht anzuwenden.
88Den Anspruch auf Zulässigkeitserklärung eines Bürgerbegehrens durch den Beklagten können die Kläger als Vertreter des Konstruktes Bürgerbegehren als „Organ“ im Wege der allgemeinen Leistungsklage verfolgen.
89Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Januar 2010- 15 B 1797/09 -, zur Statthaftigkeit der Leistungsklage in Organstreitverfahren; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Werkstand: 36. Erg.-Lfg., Februar 2019, § 43, Rn. 45 und Vorbemerkungen zu § 42 Abs. 1, Rn. 18.
90In Folge der vorstehenden Grundsätze ist richtiger Beklagter im Rahmen der auf Verurteilung eines Rates als Organ zur Feststellung eines Bürgerbegehrens als zulässig gerichteten allgemeinen Leistungsklage im Wege eines Organstreitverfahrens der Rat als Organ.
91Für das auf Aufhebung des „Bescheides“ der durch den Bürgermeister vertretenen Beklagten vom 11. März 2019 gerichtetes Begehren ist die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Fall 1 VwGO) statthaft, die sich nach dem Rechtsträgerprinzip (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) gegen die Beklagte selbst richtet.
92Hierbei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Schreiben vom 11. März 2019 überhaupt entsprechend seiner äußeren Form um einen wirksamen Verwaltungsakt handelt oder mangels ihm zukommenden Außenwirkung, weil die Vertreter des Konstrukts Bürgerbegehrens als „Organ“ auch der Beklagten gegenüber während der rechtlichen Relevanz des Bürgerbegehrens in organschaftlicher Funktion als Teil institutioneller gemeindlicher Willensbildung entgegentreten, keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG NRW darstellen kann.
93Zwar muss der mit der Anfechtungsklage angegriffene Akt grundsätzlich objektiv ein bereits erlassener Verwaltungsakt sein. Maßgebend ist hierbei, welche Rechtsnatur ein behördliches Handeln tatsächlich hat und nicht, welches Instrument die Behörde gewollt hat und erst recht nicht, welche Handlungsform die Behörde hätte wählen müssen.
94Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 1974 - VII B 97.73 -, juris, Rn. 7; BVerwG, Urteil vom 1. März 1967 - IV C 74.66 -, juris, Rn. 15; Sodan, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 42, Rn. 18.
95Allerdings ist vorliegend die Anfechtungsklage auch statthaft, wenn es sich rechtlich mangels Außenwirkung um keinen Verwaltungsakt handelt, aber aufgrund der eindeutigen äußeren Erscheinung des mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreibens des Bürgermeisters der Rechtsschein gegenüber den Klägern gesetzt wurde, der Inhalt weise Regelungscharakter auf. Die Anfechtungsklage dient in diesem Fall der Beseitigung des von dem Schreiben ausgehenden Rechtsscheins.
96Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20. Oktober 2016 - 1 S 1662/16 -, juris, Rn. 13; Vgl. Blunk/Schroeder, Rechtsschutz gegen Scheinverwaltungsakte, JuS 2005, 602 (606); vgl. zum bestehenden Rechtsschutzbedürfnis der Beseitigung des Rechtsscheins, wenn auch durch Feststellungsklage, BVerwG, Urteil vom 21. November 1986 - 8 C 127/84 -, juris, Rn. 16.
97II.
98Die Klage ist begründet, soweit sie auf Aufhebung des Bescheides der durch den Bürgermeister vertretenen Beklagten vom 11. März 2019 gerichtet ist. Der mit dem Schreiben gesetzte Rechtsschein einer belastenden Regelungswirkung durch die Beklagte gegenüber den Klägern ist rechtswidrig und verletzt sie in ihren organschaftlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
99Für den Erlass eines Bescheides mit belastender Wirkung fehlt es an einer Ermächtigungsgrundlage, die für den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes erforderlich ist.
100Der im Grundgesetz nicht ausdrücklich erwähnte Vorbehalt des Gesetzes verlangt von Verfassungswegen ein Gesetz als Voraussetzung des Verwaltungshandelns und verbietet Verwaltungshandeln ohne gesetzliche Ermächtigung.
101Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 44, Rn. 46.
102Der Grundsatz des Vorbehalts des (allgemeinen) Gesetzes wird im Grundgesetz nicht expressis verbis erwähnt. Seine Geltung ergibt sich jedoch aus Art. 20 Abs. 3 GG. Die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, der Vorrang des Gesetzes also, würde ihren Sinn verlieren, wenn nicht schon die Verfassung selbst verlangen würde, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen nur Rechtens ist, wenn es durch das förmliche Gesetz legitimiert wird.
103Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Oktober 1975 - 2 BvR 883/73, 2 BvR 379/74, 2 BvR 497/74, 2 BvR 526/74 -, (Rechtsschutzverfahren im Strafvollzug, Rechtsschutzverfahren), juris, Rn. 34.
104Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 11. März 2019 eine Regelungskompetenz für sich in Anspruch genommen, für die es keine gesetzliche Grundlage gibt.
105§ 26 Abs. 6 GO NRW enthält keine Ermächtigung für Gemeinden, den Vertretern eines Bürgerbegehrens die Entscheidung des Rates über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nach § 26 Abs. 6 Satz 1 GO NRW mit Regelungswirkung bekanntzugeben. Mit Blick auf die Ausführungen der Kammer zur Zulässigkeit der gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung eines Rates gerichteten Klage der Vertreter eines Bürgerbegehrens kann die Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen einer Gemeinde diese Regelungskompetenz in der gegenwärtigen Rechtslage auch nicht zuschreiben. § 26 Abs. 6 Satz 3 GO NRW zeigt vielmehr, dass es einer Regelungskompetenz der Gemeinde in dieser Frage gar nicht bedarf. Gegenstand eines Rechtsschutzersuchens der Vertreter eines Bürgerbegehrens im Fall der Entscheidung eines Rates, die Unzulässigkeit eines Bürgerbegehrens festzustellen, ist die Ratsentscheidung selbst. Einer (weiteren) gemeindlichen Entscheidung bedarf es nach der Rechtslage nicht.
106Soweit die Klage darauf gerichtet ist, den Beklagten zu verurteilen, das Bürgerbegehren vom 14. Januar 2019 gegen den Beschluss des Beklagten zur Schließung des Marktplatzes für den allgemeinen Kfz-Verkehr vom 26. September 2018 für zulässig zu erklären, ist sie unbegründet.
107Den Klägern steht der begehrte Anspruch nicht zu.
108Das Bürgerbegehren ist unzulässig, weil jedenfalls ein Verstoß gegen § 26 Abs. 2 Satz 6 GO NRW vorliegt.
109Die Verwaltung ist in den Grenzen ihrer Verwaltungskraft ihren Bürgern bei der Einleitung eines Bürgerbegehrens behilflich. Sie teilt den Vertretungsberechtigten schriftlich eine Einschätzung der mit der Durchführung der verlangten Maßnahme verbundenen Kosten (Kostenschätzung) mit. Die Kostenschätzung der Verwaltung ist bei der Sammlung der Unterschriften anzugeben, § 26 Abs. 2 Sätze 3 bis 6 GO NRW.
110Die Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens haben die Pflicht, die Kostenschätzung der Verwaltung zu übernehmen und der Bürgerschaft „so zur Kenntnis zu geben, wie die Verwaltung sie abgegeben hat.“
111OVG NRW, Beschluss vom 14. März 2016 - 15 B 242/16 -, juris, Rn. 6.
112Die vorstehend wörtlich zitierte Formulierung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen bezeichnet eine sogenannte „Übernahme 1:1“, ohne Kürzung oder Veränderung der Kostenschätzung. Dies wird durch die uneingeschränkte Bestätigung der vorinstanzlichen Entscheidung deutlich. Diese hatte ausgeführt, die Vertreter des Bürgerbegehrens müssten die Kostenschätzung der Verwaltung „unverändert übernehmen“.
113Vgl. VG Münster, Urteil vom 8. Dezember 2015- 1 K 2420/14 -, juris, Rn. 32.
114Dies gab das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss wieder, ohne in den eigenen Gründen Einschränkungen vorzunehmen, was es im Fall einer einschränkenden Auslegung des § 26 Abs. 2 Satz 6 GO NRW ausgeführt hätte.
115Diese Auffassung wird durch eine an Sinn und Zweck von § 26 Abs. 2 Sätze 5 und 6 GO NRW orientierten Auslegung bestätigt. Die Kostenschätzung ist wesentliche Information für die Bürger, die an Stelle des Rates entscheiden. Die Verantwortung für die Kostenschätzung liegt nach der Novellierung der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen durch das Gesetz zur Stärkung der Bürgerbeteiligung vom 13. Dezember 2011 (GV. NRW. Ausgabe 2011 Nr. 31 vom 20. Dezember 2011 Seiten 683 bis 694) bei der Verwaltung. Dieser Verantwortungsübergang soll die Bürger ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs einerseits für die Initiierung eines Bürgerbegehrens von der strengen Anforderung eines Kostendeckungsvorschlages entlasten und andererseits die Information der Bürger über die Kosten der Maßnahme als wesentliches Entscheidungskriterium sicherstellen (LT-Drs. 15/2151, Seite 14).
116Wenn die Verantwortung für die Kostenschätzung und damit die prognostizierten finanziellen Auswirkungen der in einen ratsbeschlussersetzenden Bürgerentscheid mündenden Frage eines Bürgerbegehrens bei der Verwaltung liegt, ist deren Kostenschätzung 1:1, d.h. inhaltlich unverändert, zu übernehmen.
117Andere Auffassungen und finanzielle Abschätzungen, die von der Kostenschätzung der Verwaltung abweichen, können in die Begründung des Bürgerbegehrens als Gegendarstellung aufgenommen werden (LT-Drs. 15/2151, Seite 14).
118So auch OVG NRW, Beschluss vom 14. März 2016- 15 B 242/16 -, juris, Rn. 8; VG Münster, Urteil vom 8. Dezember 2015 - 1 K 2420/14 -, juris, Rn. 30; Rehn/ Cronauge/ von Lennep/ Knirsch, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 46. Erg.-Lfg. Dezember 2017, Band II, § 26 GO NRW, Seite 10; Becker, in: Articus/ Schneider, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 4. Auflage 2012, Seite 165.
119Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die ohne Begründung in einem Teil der Literatur vertretene Auffassung, bei der Übernahme der Kostenschätzung der Verwaltung auf das Formular der Unterschriftenliste gehe es nicht um die Details, sondern um das Ergebnis,
120Held/ Winkel/ Wansleben, Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-Westfalen, Band I, 39. Erg.-Lfg., Dezember 2017, § 26 GO NRW, Seite 14,
121überzeugt.
122An den vorstehenden Maßstäben gemessen haben die Kläger den Unterstützern des Bürgerbegehrens die Kostenschätzung der Verwaltung der Beklagten nicht unverändert zur Kenntnis gegeben, d.h. nicht so, wie die Verwaltung sie abgegeben hat.
123Die Kostenschätzung der Verwaltung lautet: „Wie sie bereits in Ihrem Schreiben ausführen, entstehen der Stadt G. durch die Aufhebung des gefassten Ratsbeschlusses und somit der Beibehaltung der derzeitigen Verkehrsführung keine unmittelbaren Kosten.“
124Die von den Klägern den Unterstützern des Bürgerbegehrens bekanntgegebene Kostenschätzung lautet: „Eine Kostenschätzung ist laut Verwaltung in diesem Fall entbehrlich, da das Bürgerbegehren auf die Einsparung von Kosten durch den Verzicht auf den verkehrsfreien Umbau des Marktplatzes ausgerichtet ist.“
125Zunächst hat weder die Verwaltung der Beklagten den Klägern mitgeteilt, eine Kostenschätzung sei in diesem Fall entbehrlich, noch wäre dies mit der gesetzliche Vorgabe, die Kostenschätzung der Verwaltung bei der Sammlung der Unterschriften anzugeben (§ 26 Abs. 2 Satz 6 GO NRW), vereinbar.
126Selbst wenn eine rein sprachliche Verkürzung oder andere Darstellung zulässig wäre, gilt dies vor dem Hintergrund des Sinn und Zwecks der Kostenschätzung als wesentliches Entscheidungskriterium für eine inhaltliche Veränderung nicht.
127Eine solche haben die Kläger jedoch auch vorgenommen. Sie haben der Formulierung der Verwaltung „entstehen der Stadt […] keine unmittelbaren Kosten.“ zunächst die rechtlich unzutreffende Darstellung vorangestellt „Eine Kostenschätzung ist laut Verwaltung in diesem Fall entbehrlich,“ und diese ergänzt um eine andere inhaltliche Ausführung „da das Bürgerbegehren auf die Einsparung von Kosten durch den Verzicht auf den verkehrsfreien Umbau des Marktplatzes ausgerichtet ist.“ Dies suggeriert den Bürgern im Moment der Entscheidung zur Unterzeichnung des Bürgerbegehrens, es könnten anderenfalls entstehende Kosten eingespart werden. Unklar bleibt, ob dies nur zukünftig aufgrund des gegenständlichen Ratsbeschlusses anfallende Kosten meint oder gar laufende, auch ohne die Umsetzung dieses Ratsbeschlusses anfallende Kosten erfasst. Ob dies in der Sache zutreffend ist, kann dahinstehen. Die Kostenschätzung der Verwaltung enthält diese Aussage nicht.
128Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die Angaben in der Begründung des Bürgerbegehrens den Anforderungen der Rechtsprechung an eine inhaltlich zutreffende Begründung zur unverfälschten Sachinformation der Bürger über die zu entscheidenden Fragen,
129vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. April 2002 - 15 A 5594/00 -, NVwZ-RR 2002, 766, 767,
130hinsichtlich der Formulierungen „Schließung des Marktplatzes“, „Sperrung des Marktplatzes“, „Schließung des Marktplatzes für jeglichen Fahrzeugverkehr“ sowie „Wegfall der Parkplätze […]“ erfüllt, wogegen die Kammer erhebliche Bedenken anzeigt.
131III.
132Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 155 Abs. 1 Satz 3, 159 Satz 2 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus analog § 167 Abs. 2 und 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2, 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
133IV.
134Die Berufung ist gemäß §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 1 und 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen. Das Urteil weicht von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen hinsichtlich der statthaften Klageart zur Rechtdurchsetzung eines auf Zulässigkeitsfeststellung eines Bürgerbegehrens gerichteten Klagebegehrens,
135OVG NRW, Urteil vom 13. Juni 2017 - 15 A 1561/15 -, juris, Rn. 8; OVG NRW, Urteil vom 5. Februar 2002- 15 A 1965/99 -, juris, Rn. 8,
136ab und beruht mit Blick auf den richtigen Beklagten als Sachurteilsvoraussetzung sowie die erforderliche Rechtsscheinbeseitigung auf dieser Abweichung.
137Beschluss:
138Der Streitwert wird auf 15.000 Euro festgesetzt.
139Die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. Ziffer 22.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen (abgedruckt unter Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, Anhang zu § 164, Rn. 14)
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