Beschluss vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 12 L 1183/20
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zum Abschluss eines erneuten Auswahlverfahrens untersagt, die Professur für Niederlandistik am Institut für Germanistik der Besoldungsgruppe W2/W3 mit der Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
2. Der Streitwert wird auf die Wertstufe bis zu 40.000,- € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der dem Tenor sinngemäß entsprechende Antrag hat Erfolg.
3Er ist zulässig und begründet.
4Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann eine einstweilige Anordnung zur Sicherung eines Rechts der Antragstellerin getroffen werden, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung dieses Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Hierbei sind gem. § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO) das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.
5I.
6Die Antragstellerin hat den erforderlichen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Das Auswahlverfahren für die ausgeschriebene Professur ist abgeschlossen und die Antragsgegnerin beabsichtigt, die Professur der Beigeladenen zu übertragen. Ohne den Erlass der begehrten Anordnung besteht die Gefahr, dass das aus Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) folgende Recht der Antragstellerin auf fehlerfreie Entscheidung über ihre Bewerbung verletzt wird. Diese Verletzung tritt ein, wenn die zugunsten der Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung durch die angekündigte Stellenbesetzung endgültig umgesetzt wird.
7II.Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
8Ein Anordnungsanspruch ist in Konkurrentenstreitverfahren der vorliegenden Art glaubhaft gemacht, wenn die unterlegene Bewerberin darlegt, dass die Auswahlentscheidung fehlerhaft war und ihre Aussichten, bei einer erneuten Auswahlentscheidung ausgewählt zu werden, zumindest offen sind, ihre Auswahl mithin möglich erscheint.
9Vgl. zu letzterem Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25. November 2015 – 2 BvR 1461/15 –, juris Rn. 20; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. März 2016 – 1 B 1512/15 –, juris Rn. 19.; Schnellenbach, Konkurrenzen im öffentlichen Dienst, Kapitel 6 Rn. 26.
10Diese Voraussetzungen sind gegeben.
111.
12Die (neuerliche) Auswahlentscheidung zur Besetzung der in Rede stehenden Professur mit der Beigeladenen ist rechtswidrig und verletzt den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin.
13Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Die Antragstellerin hat deshalb einen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin die ausgeschriebene Professur unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 GG normierten Leistungsgrundsatzes vergibt und ihre Auswahlentscheidung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (sogenannter Bewerbungsverfahrensanspruch). Anderen Gesichtspunkten darf nur Bedeutung beigemessen werden, wenn sich aus dem Vergleich anhand von unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten kein Vorsprung von Bewerbern ergibt. Diese Vorgaben dienen zum einen dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung der Stelle des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt Art. 33 Abs. 2 GG dem berechtigten Interesse des Bewerbers an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass er grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Diese für beamtenrechtliche Konkurrentenstreitver- fahren entwickelten und gefestigten Grundsätze gelten auch im Hinblick auf die Besonderheiten des Stellenbesetzungsverfahrens zur Ernennung von Hochschulprofessoren. Auch ein Bewerber um eine Professur kann deshalb verlangen, dass über seine Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei entschieden wird. Anhand dieser Vorgaben hat die Berufungskommission unter mehreren Bewerbern den am besten geeigneten ausfindig zu machen. Aus der Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruches folgt zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Ernennung auf die begehrte ausgeschriebene Stelle. Der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Aussichten, beim nächsten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, das heißt wenn seine Auswahl möglich erscheint.
14Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. Juli 2014 – 6 A 815/11 –, juris Rn. 70 f.
15Die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin zwischen den Bewerbern für die Besetzung der ausgeschriebenen W2/W3-Professur für Niederlandistik muss diesen (verfassungsrechtlichen) Anforderungen genügen. Bei der Ermittlung des Bestgeeigneten ist dabei grundsätzlich auf die Leistungsanforderungen der zu besetzenden Stelle abzustellen, wobei es der Antragsgegnerin im Rahmen ihres Organisationsermessens zusteht, als Maßstab für die Auswahl der Bewerber besondere Eignungsvoraussetzungen aufzustellen, die der künftige Stelleninhaber mitbringen muss und festzulegen, welchen Gesichtspunkten innerhalb von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung das größere Gewicht zukommen soll. Anhand dieses Anforderungsprofils sind dann die einzelnen Bewerber untereinander zu vergleichen. Auf diese Weise werden nicht etwa die nach dem Grundsatz der Bestenauslese anzulegenden Maßstäbe des Leistungsprinzips beschränkt, sondern lediglich konkretisiert und zugleich modifiziert. Ist das Organisationsermessen in einer rechtlich nicht zu beanstandenden Weise ausgeübt, so liegt das in der Art eines Filters wirkende Anforderungsprofil somit gegenständlich und zeitlich vor dem Bewerbungsverfahrensanspruch. Der Antragsgegnerin obliegt hierbei nicht nur die Festlegung des Anforderungsprofils der zu besetzenden Professur, sondern auch als ein Akt wertender Erkenntnis die Feststellung, welcher Bewerber dieses Anforderungsprofil am besten erfüllt.
16Im Hinblick auf den durch Art. 5 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich geschützten Beur-teilungs- und Ermessenspielraum ist es nicht Aufgabe des Gerichts, den besser geeigneten Bewerber zu bestimmen und eine eigene Prognose der Erfolgsaussichten der Bewerber vorzunehmen. Die gerichtliche Kontrolle ist vielmehr auf die Prüfung beschränkt, ob die Besetzungsentscheidung verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und ob der Beurteilungsspielraum überschritten worden ist, etwa weil die Entscheidung ersichtlich auf der Verkennung von Tatsachen oder auf sachfremden Erwägungen beruht.
17Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20. Oktober 2016 – 2 C 30/15 –, juris.
18Nach diesen Prämissen erweist sich die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin, die ausgeschriebene Stelle mit der Beigeladenen zu besetzen, als zu Lasten der Antragstellerin rechtswidrig.
19a)
20Die streitgegenständliche Besetzungsentscheidung der Antragsgegnerin weist Verfahrensfehler auf.
21aa)
22Die nach § 5 der vom Senat der Hochschule gemäß § 38 Abs. 4 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz – HG) erlassene Berufungsordnung – hier Berufungsordnung der Universität E. vom 11. Mai 2012 (BO) – mit der Bestenauslese betraute Berufungskommission, die gemäß § 10 Abs. 1 BO den Berufungsvorschlag beschließt, war nicht ordnungsgemäß besetzt. Jedenfalls im Hinblick auf die Berufungskommissionsmitglieder Frau Prof. Dr. I. und Herr Prof. Dr. T. besteht die Besorgnis der Befangenheit.
23Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW), der gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG NRW bei der Besetzung von Professorenstellen Anwendung findet, ist die Mitwirkung von Personen bei der Auswahlentscheidung unzulässig, in deren Person ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen.
24Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. April 2020 – 6 B 1700/19 –, juris Rn. 43 f.; ausführlich zur Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 21. April 2010 – 2 M 14/10 –, juris Rn. 19 ff.
25Ein Grund im Sinne des § 21 Abs. 1 VwVfG NRW, der geeignet ist, Misstrauen gegen die unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, liegt vor, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen für die Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände die Besorgnis nicht auszuschließen ist, ein bestimmter Amtsträger werde in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden. Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht nicht aus.
26Vgl. etwa Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 21. April 2010– 2 M 14/10 –, juris Rn. 24 f.
27Im Einklang mit diesen gesetzlichen Vorgaben sieht § 4a Abs. 5 Sätze 1 und 2 BO vor, dass jedes Mitglied der Berufungskommission Anhaltspunkte, die geeignet sind, Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unbefangenheit zu begründen, umgehend unaufgefordert den anderen Mitgliedern der Berufungskommission mitteilen muss und die Berufungskommission ohne Mitwirkung der oder des Betroffenen schnellstmöglich über das weitere Vorgehen entscheidet.
28Gemessen an diesem Maßstab war ein entsprechender Misstrauensgrund in der Person von Frau Prof. Dr. I. sowie Herrn Prof. Dr. T. gegeben.
29Die berufliche und persönliche Beziehung zwischen der Beigeladenen und Frau Prof. Dr. I. sowie Herrn Prof. Dr. T. geht über ein gelegentliches berufliches Zusammenwirken, wie dies etwa bei der Zugehörigkeit zu ein und demselben Institut einer Fakultät üblich ist, hinaus.
30Vgl. zu solchen Fallkonstellationen Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 21. April 2010 – 2 M 14/10 –, juris Rn. 26 m.w.N.; Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 5. April 2019– 36 L 348.18 –, juris Rn. 68; Bayerischer Verwaltungs-gerichtshof, Beschluss vom 03. Juli 2018 – 7 CE 17.2430 –, juris Rn. 46; Verwaltungsgericht Bremen, Beschluss vom 12. Juni 2019 – 6 V 596/19 –, juris Rn. 34 ff.; Verwaltungs-gericht München, Beschluss vom 11. November 2020– M 5 E 20.2270 –, juris Rn. 45 ff.; Verwaltungsgericht Halle (Saale), Beschluss vom 29. September 2020 – 5 B 222/19 –, juris Rn. 17; Verwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 25. Februar 2005 – 8 E 6091/04 –,juris rn. 50,
31Zwischen der Beigeladenen und Frau Prof. Dr. I. sowie Herrn Prof. Dr. T. hat sich aufgrund der Gesamtheit der beruflichen Kontakte, insbesondere aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Evaluierungskommission der Beigeladenen, ein besonderes berufliches Näheverhältnis entwickelt, welches auch bei objektiver Betrachtung zu der Sorge berechtigt, dass dies in die Bewertung der Leistungen der Beigeladenen zu ihren Gunsten eingeflossen ist.
32Durch die Mitwirkung von Frau Prof. Dr. I. und Herrn Prof. Dr. T. bei der Evaluierungskommission der Beigeladenen, die die Aufgabe hatte, die Bewährung der Beigeladenen als Hochschullehrerin festzustellen und damit über die Verlängerung ihres Beamtenverhältnisses auf Zeit zu entscheiden, haben diese beiden Berufungskommissionsmitglieder einen umfassenden und tiefgreifenden Eindruck in das wissenschaftliche Wirken sowie die fachlichen Fähigkeiten und Qualifikationen der Beigeladenen erhalten. Bei objektiver Betrachtung berechtigt dies zu der Sorge, dass in ihre Bewertung der von der Beigeladenen im Berufungsverfahren gezeigten Leistungen zu ihren Gunsten weitere Erkenntnisse, die im Zusammenhang mit der Arbeit der Evaluierungskommission gewonnen wurden, einfließen und von ihnen an die übrigen Kommissionsmitglieder weitergegeben werden konnten. Demgegenüber hatte die Antragstellerin insoweit keine vergleichbare Möglichkeit, mögliche „Schwachstellen“ ihres Probevortrags/Probeseminars sowie im Berufungskommissionsgespräch durch eine breitere Erkenntnisbasis einiger Berufungskommissionsmitglieder über ihre Fähigkeiten auszugleichen. Dabei muss davon ausgegangen werden, dass der Probevortrag/Probeseminar und das Berufungskommissionsgespräch – anders als etwa bei Beförderungsentscheidungen – nicht durch vorliegende dienstliche Beurteilungen bereits in gewissem Ausmaß vorgeprägt waren, sondern diesen am 18. Mai 2018 gezeigten Leistungen der Bewerber überragende Bedeutung für ihr Fortkommen zukommt. Eine schlechte „Tagesform" eines Bewerbers kann seine Chancen, ausgewählt zu werden, empfindlich schmälern.
33Vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 3. Dezem-ber 2015 – 15 K 7734/13 –, juris Rn. 78 f.; bestätigt durch Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. April 2017 – 6 A 277/16 –, juris Rn. 9.
34Diesem so begründeten engen beruflichen Näheverhältnis trägt auch der Berufungsleitfaden der Antragsgegnerin Rechnung, der die Zugehörigkeit zur selben Hochschule sowie die Tätigkeit als Gutachter im Rahmen der Evaluierung einer Juniorprofessur eines Mitbewerbers als relative Befangenheitsgründe ansieht, die unter Würdigung des Einzelfalles die Besorgnis einer Unparteilichkeit begründen können (vgl. S. 28 f.).
35Vorliegend verstärken die Besonderheiten des Einzelfalles die dem Grunde nach zu besorgende Befangenheit solcher Berufungskommissionsmitglieder.
36Zum einen besteht eine zeitliche Überschneidung zwischen der Mitgliedschaft von Frau Prof. Dr. I. und Herrn Prof. Dr. T. in der Evaluierungskommission der Beigeladenen und ihrer Zugehörigkeit zur Berufungskommission für die streitgegenständliche Professur. Die Evaluierungskommission nahm ihre Arbeit am 9. Januar 2017 auf. Das Evaluierungsverfahren endete mit der Feststellung der Bewährung der Beigeladenen als Hochschullehrerin durch das Rektorat am 29. November 2017. Frau Prof. Dr. I. und Herr Prof. Dr. T. wurden bereits am 26. April 2017 in der 5. Sitzung des Fakultätsrats der geisteswissenschaftlichen Fakultät der Antragsgegnerin durch diesen gewählt. Die konstituierende Sitzung der Berufungskommission fand am 14. Juni 2017 statt.
37Zum anderen wird die berufliche besondere Nähe zu den Kommissionsmitgliedern Frau Prof. Dr. I. und Herrn Prof. Dr. T. dadurch weiter intensiviert, dass die Beigeladene Juniorprofessorin der Antragsgegnerin ist und damit nicht nur derselben Hochschule angehört, sondern bereits zu der Gruppe der Hochschullehrer zählt. Sie verfügt daher naturgemäß über eine berufliche Beziehung zu den anderen Hochschullehrern. Eine solche Berufung einer Juniorprofessorin der eigenen Hochschule wird daher auch in dem Berufungsleitfaden der Antragsgegnerin als besonders sensibel im Hinblick auf mögliche Befangenheiten gesehen (vgl. S.30).
38Es ist ferner nichts dafür ersichtlich, dass der Antragstellerin der Ablehnungsgrund der Berufungskommissionsmitglieder Frau Prof. Dr. I. und Herrn Prof. Dr. T. bereits im Laufe des Berufungsverfahrens bekannt gewesen wäre und sie es pflichtwidrig unterlassen hätte, diesen unverzüglich zur Vermeidung von Rechtsnachteilen gegenüber der Antragsgegnerin zu rügen.
39Vgl. hierzu Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28. September 2007 – 2 B 10825/07 –, juris Rn. 11; Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 21. April 2010 – 2 M 14/10 –, juris Rn. 31 ff.
40Die fehlerhafte Zusammensetzung der Berufungskommission wirkt sich nicht nur auf den Berufungsvorschlag der Berufungskommission aus,
41vgl. Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28. September 2007 – 2 B 10825/07 –, juris Rn. 17; Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 21. April 2010 – 2 M 14/10 –, juris Rn. 34 ff.,
42sondern schlägt auch auf die nachfolgenden Gremienentscheidungen und insbesondere die abschließende Auswahlentscheidung durch und macht diese rechtswidrig.
43Auch wenn die Berufungskommission lediglich in Form eines rechtlich unselbständigen Zwischenschrittes einen Berufungsvorschlag unterbreitet, über den der Fakultätsrat (§ 11 Abs. 1 Satz 2 BO) und das Rektorat (§ 14 Abs. 1 BO) beschließen, bis letztlich der Rektor den Ruf erteilt (§ 16 Abs. 1 BO), stellt der Berufungsvorschlag ein wesentliches Element des Auswahlverfahrens dar. Der Berufungskommission ist das Auswahlverfahren teilweise überantwortet und sie soll die Bewerberauswahl nach dem Grundsatz der Bestenauslese gemäß Art. 33 Abs. 2 GG sicherstellen und vorbereiten. Somit wirkt die Fehlerhaftigkeit des Berufungsvorschlags auch bei den Entscheidungen weiterer Hochschulgremien in den nachfolgenden Verfahrensstufen fort.
44Vgl. Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom26. Juni 2019 – 2 EO 292/18 –, juris Rn. 35; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20. Oktober 2016– 2 C 30/15 –, juris Rn. 23.
45Dabei kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, dass Herr Prof. Dr. T. in der 13. Sitzung der Berufungskommission am 8. Mai 2020 nicht an der Beschlussfassung über den Berufungsvorschlag mitgewirkt hat. Herr Prof. Dr. T. war nicht nur in die gesamte die Abstimmung vorbereitende Tätigkeit der Berufungskommission eingebunden, sondern hat auch an der 13. Sitzung der Berufungskommission (per Videokonferenz) teilgenommen. Damit ist objektiv zu besorgen, dass er beratend tätig geworden ist und auch auf die Sachentscheidung anderer Berufungskommissionsmitglieder Einfluss genommen hat.
46Vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 3. Dezem-ber 2015 – 15 K 7734/13 –, juris Rn. 74 f. unter Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30. Mai 1984 – 4 C 58/81 –, juris Rn. 43.
47bb)
48Ferner dürfte die Berufungskommission auch im Hinblick auf den der Gruppe der akademischen Mitglieder angehörenden Herrn Dr. T1. nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sein. An seiner Wahl zum Mitglied der Berufungskommission durch den Fakultätsrat der geisteswissenschaftlichen Fakultät der Antragsgegnerin in der 10. Sitzung am 15. November 2017 hat die Beigeladene stellvertretend für das Fakultätsratsmitglied T2. X1. selbst mitgewirkt.
49b)
50Da bereits der dargelegte Mangel zur Rechtswidrigkeit der Besetzungsentscheidung führt, kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob das Berufungsverfahren noch in weiterer Hinsicht fehlerbehaftet ist.
51Insofern weist die Kammer auf nachhaltige Zweifel hin, dass die Berufungskommission – wie es § 9 Abs. 1 Satz 1 BO fordert – über die wissenschaftliche Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber, die für den Berufungsvorschlag vorgesehen sind, drei vergleichende Gutachten auswärtiger qualifizierter Professorinnen oder Professoren, die auch aus dem Ausland kommen können, eingeholt hat.
52Jedenfalls im Hinblick auf das Gutachten von Herrn S. W1. dürften diese Anforderungen nicht erfüllt sein. Herr S. W1. dürfte die an einen „Professor“ im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 BO zu stellenden Anforderungen nicht erfüllen.
53Der Begriff „Professor“ im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 BO ist im Lichte des deutschen Hochschul- und Beamtenrechts und der BO auszulegen.
54„Professor“ ist hiernach die Amtsbezeichnung für einen Hochschullehrer, der das höchste akademische Ansehen genießt.
55Vgl. Heid, in: Brinktrine/Heid BeckOK Beamtenrecht NRW, Stand: 1. Dezember 2019, § 77 Rn. 22 in Abgrenzung zu einem akademischen Titel.
56Demgegenüber sind Juniorprofessoren nicht als „Professoren“ im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 BO anzusehen. Dies folgt nicht nur aus der begrifflichen Differenzierung im HG (etwa § 33 Abs. 2 oder 39 Abs. 5 HG) und der BO (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BO), sondern auch aus dem Sinn und Zweck der Einholung von vergleichenden Gutachten durch die Berufungskommission, ihren Mitgliedern die notwendige Beurteilungsgrundlage für die Auswahl des am besten geeigneten Bewerbers für eine Professur zu verschaffen. Dem kann nur Genüge getan werden, wenn der Gutachter über die (jedenfalls) gleiche wissenschaftliche und fachliche Expertise wie die zu begutachtenden Bewerber verfügt, da er nur so die fachliche Qualifikation und Leistungen der Bewerber umfassend beurteilen kann.
57Gemessen daran dürfte Herr S. W1. kein „Professor“ im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 BO sein.
58Auch wenn Herr S. W1. einer ausländischen Hochschule – W2. V. C. – angehört und von dieser unter der Bezeichnung Prof. Dr. S. W1. geführt wird,
59vgl. Internetauftritt der W2. V. C. , https://www. w./w./w.-w., zuletzt aufgerufen am16. Februar 2021,
60folgt aus einem Vergleich des belgischen/niederländischen Hochschulsystems mit dem heimischen, dass Herr S. W1. allenfalls eine mit einem Juniorprofessor nach deutschem Hochschulrecht vergleichbare Position an der belgischen Hochschule innehat.
61Das belgische/niederländische Hochschulsystem untergliedert seine Angehörigen mit Lehrfunktion unter anderem in „Hoogleraar“, „Hoofddocent“ und „Docent“. Hierbei steht die Bezeichnung „Hoogleraar“ für einen Hochschuldozenten, der an der Spitze der universitären Hierarchie steht und damit mit der Amtsbezeichnung „Professor“ im Sinne der BO und des HG vergleichbar ist.
62Herr S. W1. hat aber nicht die Position eines „Hoogleraar“ inne.
63Herr S. W1. beschreibt seine Stellung innerhalb der Hochschule selbst unterhalb der das höchste wissenschaftliche Ansehen genießenden Hochschullehrergruppe. So führt er auf seiner Homepage an, dass er als „tenure-track assistant professor“ an der W2. V. C. tätig sei.
64Vgl. https://www. l./l./, zuletzt aufgerufen am 16. Februar 2021.
65Gemäß § 38a HG wird ein Tenure Track nur bei der Berufung von Juniorprofessuren vereinbart, da nur dann mit der Besetzungsentscheidung auch eine Vorentscheidung über die Berufung auf eine Professur im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit oder auf eine Professur in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis verbunden werden kann. Das dies in Belgien/den Niederlanden abweichend gehandhabt würde, ist nicht ersichtlich.
66Die Überlegungen der Antragsgegnerin zur akademischen Qualifikation des Gutachters werden demgegenüber den auf den Status des Professors bezogenen Regelungen der BO nicht hinreichend gerecht.
67Inwieweit die von der Berufungskommission neuerlich eingeholten und dem Berufungsvorschlag zugrunde gelegten Gutachten nunmehr vergleichend im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 BO sind und den Anforderungen des § 10 Abs. 2 Satz 6 BO gerecht werden, vermochte die Kammer – worauf es nicht mehr entscheidungserheblich ankommt – aufgrund der trotz Nachfrage über Monate hinweg weiterhin fehlenden deutschen Übersetzungen der Gutachten nicht zu beurteilen.
682.
69Es besteht auch die Möglichkeit, dass die Antragstellerin bei der noch zu treffenden Auswahlentscheidung nach den Grundsätzen der Bestenauslese ausgewählt wird.
70Eine Verweigerung vorläufigen Rechtsschutzes kann nur dann in Betracht kommen, wenn im Sinne einer „offensichtlichen Chancenlosigkeit“ von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Wiederholung des Auswahlverfahrens unter Vermeidung der Rechtsverletzung zu einer günstigeren Entscheidung für den Antragsteller führen kann.
71Vgl. zu letzterem Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25. November 2015 – 2 BvR 1461/15 –, juris Rn. 20; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. März 2016 – 1 B 1512/15 –, jurisRn. 19.
72Eine solche „offensichtliche Chancenlosigkeit“ liegt nicht vor.
73Die Antragstellerin wurde von der Antragsgegnerin im Vergleich zu allen Bewerbern um die streitgegenständliche Professur ebenso wie die Beigeladene in die bestmögliche Bewerbergruppe „A“ eingeordnet. Zudem betonen alle drei eingeholten Gutachten die uneingeschränkte fachliche Eignung und Befähigung der Antragstellerin.
74III.
75Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da sie keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
76Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 und 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Wegen des im Eilverfahren lediglich verfolgten Sicherungszwecks ist danach von der Hälfte der im Kalenderjahr im streitgegenständlichen Amt zu zahlenden Bezüge auszugehen mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen und ohne Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind. Ausgangspunkt der vorzunehmenden (fiktiven) Berechnung der Bezüge ist das von der Antragstellerin angestrebte Amt der Besoldungsgruppe W 2/W 3 LBesG NRW. Sowohl unter Zugrundelegung der aus W 2 als auch aus W 3 zu zahlenden Besoldung errechnet sich der im Beschlussausspruch festgesetzte Streitwert in der Wertstufe bis zu 40.000,00 Euro.
77Rechtsmittelbelehrung:
78Gegen den Beschluss zu 1. steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu.
79Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich oder als elektronisches Dokument, letzteres nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV), bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen. Sie ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich oder als elektronisches Dokument, letzteres nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV, einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
80Im Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss zu 1. muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
81Gegen den Beschluss zu 2. findet innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
82Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument, letzteres nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV, bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einzulegen. Über sie entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft.
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