Urteil vom Verwaltungsgericht Greifswald (3. Kammer) - 3 A 507/09

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über eine Vorauszahlung auf den zu erwartenden Sanierungsausgleichsbetrag.

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Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstückes G1 mit einer Größe von 2.503 m². Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des am 03.03.1997 in Kraft getretenen Bebauungsplans Nr. 7 „Neue Straße/Mühlenweg“.

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Am 22.08.1991 fasste die Stadtverordnetenversammlung der Stadt F. den Beschluss über den Beginn der vorbereitenden Untersuchungen der Sanierung. Die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes als Satzung erfolgte mit Beschluss vom 04.12.1997 und wurde am 09.04.1998 bekannt gemacht. In den Jahren 2003 bis 2006 erfolgte im Zuge der Sanierung der Innenstadt u.a. der Ausbau der Prenzlauer Straße, Bahnhofsstraße/Fürstenberger Straße, wobei die Baumaßnahmen die Neugestaltung der gesamten Verkehrsanlage umfassten (Straßenbau der Landstraße L 34, Gehwege und alle öffentlichen Flächen außerhalb der L 34 einschließlich der Erneuerung der Straßenbeleuchtung). Das auf dem klägerischen Grundstück aufstehende Gebäude wurde durch die Klägerin im Zuge der Sanierung mit Städtebaufördermitteln modernisiert.

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Mit Bescheid vom 01.08.2008 zog die Beklagte die Klägerin zu einer Vorauszahlung auf den zu erwartenden Ausgleichsbetrag - Sanierungsgebiet F. „Innenstadt“ - in Höhe von 25.376,00 Euro (80 v.H. des Ausgleichsbetrages) heran. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2009, zugestellt am 26.03.2009, zurück.

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Die Klägerin hat am 27.04.2009 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie an, dass die Bodenwertermittlung im Hinblick auf den Anfangs- und Endwert ihres Grundstückes unzutreffend sei. Die Gemeinde habe – wie aus dem Wertermittlungsgutachten für das klägerische Grundstück Nr. 1, Tabelle 3 „Art und Maß der baulichen Nutzung“ hervorgehe – den Bebauungsplan Nr. 7 als werterhöhende Maßnahme im Rahmen der Sanierung angesehen und sei so zu einer Erhöhung des Grundstückswertes gelangt. Dies sei fehlerhaft. Die Erstellung eines Bebauungsplanes sei eine Maßnahme der Bauleitplanung und nicht der städtebaulichen Sanierung. Die Berücksichtigung der Werterhöhung eines Grundstückes nach Erlass eines Bebauungsplanes im Rahmen des Sanierungsausgleichsbetrages sei darüber hinaus auch nicht mit den Vorschriften über die Sanierung gemäß §§ 136 ff. BauGB vereinbar. Denn erst durch den Bebauungsplan sei die Möglichkeit der Bebauung für eine Teilfläche des klägerischen Grundstückes geschaffen wurden, so dass dadurch auch erst die Voraussetzungen gegeben wurden seien, die Sanierungsmaßnahmen über Ausgleichsbeträge vollständig abzuschöpfen.

6

Weiterhin sei im Vergleich mit Nachbargrundstücken aufgefallen, dass im Hinblick auf die jeweils ermittelten Anfangs- und Endwertfaktoren wesentliche Diskrepanzen aufgetreten seien, die zu einer ungleichen Festsetzung geführt haben. Nachbargrundstücke seien beispielsweise mit höheren bzw. niedrigeren Anfangswerten bzw. Endwerten bewertet worden. Schon wegen dieser sachlich nicht begründeten Ungleichbehandlung verletzte der Bescheid die Klägerin in ihren Rechten.

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Darüber hinaus entstehe durch die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid Seite 3, letzter Absatz der Eindruck, als ob die Gemeinde die der Klägerin gewährten Städtebaufördermittel durch die Erhebung des Sanierungsbeitrages wieder abschöpfen wolle. Dies stelle eine sachwidrige Erwägung dar.

8

Im Übrigen werde auf die Ausführungen in dem Widerspruch Bezug genommen und nochmals darauf hingewiesen, dass die Sanierungsmaßnahme schon einen unangemessenen Zeitraum in Anspruch genommen habe, obwohl keine Bau- und Sanierungsmaßnahmen mehr wahrzunehmen seien und dies zu einer ungebührlichen Einschränkung des Eigentumsrechtes der Klägerin führe. Schließlich sei der Bescheid auch formell fehlerhaft, da er keine hinreichende Begründung aufweise.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 01.08.2008 – Bescheidnummer 32 – in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2009 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie nimmt auf ihre Ausführungen in den Bescheiden Bezug. Ergänzend führt sie an, dass sie grundsätzlich berechtigt sei, den Ausgleichsbetrag in der Höhe festzusetzen. Es komme nicht darauf an, ob die Klägerin subjektiv meine, durch die Sanierungsmaßnahme irgendwelche Vorteile erlangt zu haben. Entscheidend sei allein die gesamte Bodenwerterhöhung, soweit sie sanierungsbedingt sei. Daran ändere die Tatsache nichts, dass die Gemeinde sich entschlossen habe, ihre Sanierungsziele neben der Sanierungssatzung auch über einen Bebauungsplan abzusichern. Die entsprechende Bodenwerterhöhung finde ihre Grundlage neben dem Bebauungsplan eben auch in der Sanierung und sei durch diese bedingt. Von der Rechtsordnung werde keinesfalls verlangt, dass die durch den Bebauungsplan verursachte Werterhöhung in Abzug zu bringen sei. Zum einen finde der Bebauungsplan im Ergebnis seine Grundlage im wesentlichen in der Sanierungssatzung und sei daher durch diese bedingt. Zum andere ergebe sich aus § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB, dass die auf Grund eines Bebauungsplanes durchgeführten Erschließungsmaßnahmen nicht über das Erschließungsbeitragsrecht abgerechnet werden könnten, sondern nur über die Sanierungsumlage. Der Gesetzgeber habe also ausdrücklich vorgesehen, dass Erschließungsleistungen, die nur auf Grundlage eines Bebauungsplanes durchgeführt werden dürfen, im Rahmen der Sanierungsumlage zu erstatten seien. Aus dieser gesetzlichen Konzeption ergebe sich, dass Bodenwerterhöhungen, die durch einen im Rahmen einer Sanierung aufgestellten Bebauungsplan verursacht worden, ebenfalls Bestandteil der sanierungsbedingten Werterhöhungen seien. Im Rahmen der Sanierungsumlage seien sie daher zu berücksichtigen.

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Im Übrigen habe die Gutachterin bei der Ermittlung der Anfangs- und Endwerte den eingetretenen tatsächlichen Änderungen auf dem klägerischen Grundstück Rechnung getragen. Die hintere Teilfläche des klägerischen Grundstückes sei auf Grund des Bebauungsplanes Nr. 7 nunmehr als Bauland anzusehen. Daher sei es nicht fehlerhaft, dass die Gutachterin den Anfangswert bezogen auf das Gesamtgrundstück und den Endwert bezogen auf zwei Teilflächen ermittelt habe. Diese Vorgehensweise sei nicht zu beanstanden, da bei Grundstücken im unbeplanten Innenbereich das Gesamtgrundstück zu bewerten sei, wobei bei der Bestimmung der Art und des Maßes der baulichen Nutzung das Gesamtgrundstück zu Grunde zu legen sei. Bei Innenbereichsgrundstücken sei kein unterschiedliches Maß der baulichen Nutzung festgesetzt, dies ergebe sich allein aus der Voraussetzung des § 34 Abs. 1 BauGB. Eine unterschiedliche Bewertung von Teilflächen eines Grundstückes hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung sei dagegen dann möglich und auch geboten, wenn auf Grund der Festsetzungen eines Bebauungsplanes eine genaue Abgrenzung des unterschiedlichen Maßes der baulichen Nutzung für Teilflächen möglich sei. Dies sei auch die sachgerechteste Lösung, um unterschiedlich festgesetzte Maße der baulichen Nutzung von Teilflächen Rechnung zu tragen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

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1. Die am 27.04.2009 erhobene Klage wahrt die einmonatige Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 26.03.2009 zugestellt. Die Frist begann damit gemäß § 57 Abs. 1 VwGO am 26.03.2009 zu laufen und endete gemäß §§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. 222 Abs. 1 ZPO, 188 Abs. 2 BGB am Sonntag, dem 26.04.2009. Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (§ 222 Abs. 2 ZPO), d.h. vorliegend am 27.04.2009.

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2. Der Bescheid der Beklagten vom 01.08.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

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a. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist er hinreichend begründet gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 121 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO. Nach diesen Normen müssen schriftliche Abgabenbescheide die festgesetzte Abgabe nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Abgabe schuldet. Ein Bescheid über die Erhebung von Ausgleichsbeiträgen muss darüber hinaus grundsätzlich auch erkennen lassen, für welches Grundstück und für welche Maßnahme der Beitrag erhoben wird. Denn nur so erfährt der Adressat, für welchen abgabefähigen Tatbestand er zur Zahlung herangezogen wird und welcher „Einzelfall“ im Sinne des § 118 AO (§ 35 VwVfG) geregelt werden soll. Diesen Anforderungen genügt der streitgegenständliche Bescheid. Mit ihm wird eine Vorauszahlung auf den zu erwartenden Ausgleichsbetrag gemäß §§ 154, 155 Baugesetzbuch (BauGB) erhoben. Die Klägerin wird weiterhin als Abgabenschuldnerin über das Beitragsschuldverhältnis und den der Veranlagung zu Grunde liegenden Sachverhalt nicht im Unklaren gelassen. Vielmehr führt die Beklagte unter Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigenbüros Dipl. Ing. (FH) Heike Weigend vom 28.05.2003 aus, wie sich die festgesetzte Vorauszahlung konkret errechnet.

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b. Der Bescheid ist materiell rechtmäßig. Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Bescheides ist § 154 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 6 BauGB. Danach hat der Eigentümer eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebietes gelegenen Grundstückes zur Finanzierung der Sanierung an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag in Geld zu entrichten, der der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwertes seines Grundstückes entspricht. Die Gemeinde kann von den Eigentümern auf den zu entrichtenden Ausgleichsbetrag Vorauszahlungen verlangen, sobald auf dem Grundstück eine den Zielen und Zwecken der Sanierung entsprechende Bebauung oder sonstige Nutzung zulässig ist.

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Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Insbesondere liegt das klägerische Grundstück im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet F. "Innenstadt". Dies ergibt sich aus der im Verwaltungsvorgang befindlichen Sanierungssatzung vom 04.12.1997, an deren Wirksamkeit nach derzeitiger Kenntnis des Gerichtes keine Zweifel bestehen (vgl. VG Greifswald, Beschluss v. 17.03.2009 - 3 B 129/09, Seite 3 ff. des Entscheidungsumdruckes).

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Die Gemeinde hat in ihrer Sitzung am 31.01.2008 die Erhebung von Vorausleistungen für das Sanierungsgebiet F. „Innenstadt“ beschlossen. Die Beklagte konnte daher Vorauszahlungen nach § 154 Abs. 6 BauGB verlangen, obwohl die Sanierung rechtlich noch nicht abgeschlossen und der Ausgleichsbetrag in sachlicher Hinsicht noch nicht entstanden ist. Die Erhebung von Vorauszahlungen ist nach § 154 Abs. 6 BauGB bereits dann zulässig, wenn auf dem Grundstück eine den Zielen und Zwecken der Sanierung entsprechende Bebauung oder sonstige Nutzung zulässig ist; d.h. wenn der Eigentümer die wirtschaftlichen Vorteile der Sanierung tatsächlich nutzen kann, ihm also gegenüber dem Zustand vor der Sanierung zum Beispiel höhere Erträge zufließen können (vgl. Krautzberger in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Auflg., § 154 Rn. 26; BVerwG, Urt. v. 17.05.2002 - 4 C 6/01 -, NVwZ 2003 S. 211). Dies ist vorliegend der Fall. Wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid unwidersprochen vorgetragen hat, wurden in den Jahren 2003 bis 2006 im Zuge der Sanierung der Innenstadt u.a. der Ausbau der Prenzlauer Straße, Bahnhofstraße/Fürstenberger Straße in vier Bauabschnitten durchgeführt. Schon allein dadurch erfolgte in dem festgesetzten Sanierungsgebiet insgesamt eine Verbesserung der Erschließungsanlagen sowie eine Verbesserung des Umfeldes bzgl. der Verkehrssituation (Rad- und Fußwege, ruhender Verkehr). Das Sanierungsgebiet hat damit eine Aufwertung erfahren, welche sich auch mittelbar wertsteigernd auf alle Grundstücke im Sanierungsgebiet auswirkt.

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Nichts zu erinnern gibt es gegen die Höhe der Vorausleistung in Höhe von 80 v.H. Dem Gesetz ist keine Regelung über die Höhe der Vorausleistung zu entnehmen. Jedoch darf diese den voraussichtlich zu erhebenden Ausgleichsbetrag nicht überschreiten und der endgültig zu entrichtende Ausgleichsbetrag soll Bemessungsgrundlage für die Vorauszahlung sein (Fislake: in Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 3. Auflage, § 154, Rn. 47). An diese Vorgaben hat sich die Beklagte erkennbar gehalten. Sie hat durch Einholung eines Gutachtens den endgültig zu entrichtenden Ausgleichsbetrag zutreffend bestimmt und von diesem 80 v.H. in dem angefochtenen Bescheid festgesetzt.

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Gemäß § 154 Abs. 2 BauGB besteht die durch die Sanierung bedingte Erhöhung des Bodenwertes eines Grundstückes aus dem Unterschied zwischen dem Bodenwert, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn eine Sanierung weder beabsichtigt noch durchgeführt worden wäre (Anfangswert) und dem Bodenwert, der sich für das Grundstück durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des förmlich festgelegten Sanierungsgebietes ergibt (Endwert). Diese Werte sind unter Beachtung von § 28 Wertermittlungsverordnung (WertV) nach bestimmten Wertermittlungsverfahren zu ermitteln, wobei ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Wertermittlungsspielraum der Gemeinde besteht. Dies beruht darauf, dass die Bewertung immer nur eine Schätzung darstellen kann, die Erfahrung und Sachkunde voraussetzt (BVerwG, Urt. v. 17.5.2002, a.a.O.; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14.09.2004 – 6 A 10530/04, zit. nach juris). Dieser Spielraum erstreckt sich indes nicht auf die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen der Bewertung; ob eine Bewertung auf zutreffenden Voraussetzungen beruht, dürfen und müssen die Verwaltungsgerichte in vollem Umfang prüfen. So müssen die allgemein anerkannten Grundsätze der Wertermittlung ebenso beachtet werden wie der der Bewertung zugrunde liegende Sachverhalt vollständig zu ermitteln ist; geschätzte Wertsteigerungen sind zu plausibilisieren.

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Die konkrete Wertermittlung für das klägerische Grundstück entspricht diesen Vorgaben. Die Ermittlung des Sanierungsausgleichsbetrages beruht auf einem Teilgutachten zur Feststellung des grundstücksbezogenen Sanierungswertes vom 28.05.2003, welches im Rahmen eines umfassenden Gutachtens über die Ermittlung von grundstücksbezogenen Anfangs- und Endwerten im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet F. "Innenstadt" als Grundlage zur Erhebung von Ausgleichsbeträgen von Dipl.-Ing. (FH) W. erstellt wurde. Für die Ermittlung der sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung von Grundstücken und Grundstücksteilen wurde das Verfahren der "Methodik der multiplikativen Faktoren" nach Prof. S vorrangig herangezogen und das "Modell Niedersachsen" lediglich stützend gewählt. Beide Verfahren werden von der Gutachterin in ihrem Gutachten ausführlich erläutert und die Vorgehensweise dargestellt. Es handelt sich jeweils um zulässige und anerkannte Wertermittlungsmethoden, da mit diesen der gesetzliche Auftrag, die Bodenwerterhöhung und damit den Ausgleichsbetrag nach dem Unterschied zwischen Anfangs- und Endwert zu ermitteln, erfüllt werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.05.2002, a.a.O.).

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Die Ermittlung des Anfangswertes ist rechtfehlerfrei. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Gutachterin den Anfangswert unter Rückgriff auf die vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Landkreis Mecklenburg-Strelitz ermittelten Bodenrichtwerte bestimmt hat, wobei durch die Gutachterin eine Umrechnung auf die allgemeinen Wertverhältnisse zum Wertermittlungsstichtag erfolgte (vgl. Seite 10 des Gutachtens) und in dem Teilgutachten dann die Zustandsmerkmale des klägerischen Grundstückes Berücksichtigung fanden. Ausgehend von einem Bodenrichtwert in der Zone 8 der Bodenrichtwertkarte von 36,00 Euro/m² ergibt sich unter Heranziehung der Qualitätsfaktoren Lage, Beschaffenheit und tatsächliche Eigenschaften des Grundstücks, Art und Maß der baulichen Nutzung und wertbeeinflussende Rechte und Belastungen ein Anfangswert von 21,44 Euro/ m² für das klägerische Grundstück.

27

Ebenfalls keine Bedenken bestehen gegen die Ermittlung des Endwertes für die Teilfläche 1 von 31,59 Euro/m² und für die Teilfläche 2 von 36,56 Euro/m² für das klägerische Grundstück. Die Qualitätsfaktoren bei dem Merkmal Tabelle 3 „Art und Maß der baulichen Nutzung“ sind entgegen der Ansicht der Klägerin für den Anfangs- und Endwert nicht gleich zu bestimmen. Denn wie die Beklagte zutreffend angeführt hat, hat sich das Maß der baulichen Nutzung durch den Erlass des Bebauungsplanes Nr. 7 für das klägerische Grundstück erhöht. Nunmehr ist auch eine Bebauung in der zweiten Reihe zulässig und damit die Bebauung der hinteren Grundstückfläche des klägerischen Grundstückes. Dies war zuvor nicht der Fall. Das Grundstück der Klägerin lag zwar insgesamt im unbeplanten Innenbereich, eine nicht lediglich untergeordnete Bebauung auf der hinteren Teilfläche hätte sich jedoch nicht eingefügt im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB.

28

Soweit die Klägerin meint, der Bebauungsplan Nr. 7 und die damit verbundene Erhöhung des Maßes der baulichen Nutzung sei nicht als werterhöhende Maßnahme im Rahmen der Sanierung anzusehen und diese Vorgehensweise sei auch mit den Vorschriften über die Sanierung gemäß § 136 ff. BauGB nicht vereinbar, verfängt dieser Einwand nicht. Zwar ist es zutreffend, dass „externe Effekte“ und allgemeine Städtebauliche Maßnahmen bei der Bemessung des Neuordnungswertes grundsätzlich außer Betracht zu bleiben haben, da die Abschöpfung sanierungsbedingter Bodenwerterhöhungen auf solche bodenwerterhöhende Maßnahmen beschränkt sind, die ursächlich aus der Sanierung resultieren (Kleiber in Ernst/Zinkahn/Bielenber, BauGB WertV, § 28 Rn. 31). Vorliegend diente die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 7 nach Ansicht der Kammer jedoch der Realisierung der Sanierungsziele, so dass die Veränderung maßnahmebedingt und bei der Ermittlung des Endwertes zu berücksichtigen ist.

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Die städtebauliche Sanierung dient, wie aus den §§ 136 ff. BauGB hervorgeht, u.a. auch der städtebaulichen (Neu-)Ordnung. Eine solche kann oft nur durch städtebauliche Planung, insbesondere Bauleitplanung erreicht werden, vgl. § 140 Nr. 4 BauGB. Der Gemeinde obliegt somit die Entscheidung, ob entsprechend der städtebaulichen Situation und den Sanierungszielen ein Erfordernis zur Aufstellung von Bebauungsplänen besteht (sog. Sanierungsbebauungsplan), sei es etwa um eine Bodenordnung durchzuführen oder Erschließungsanlagen herzustellen oder um in dem Gebiet Art und Maß der baulichen Nutzung zu ändern, (vgl. Krautzberger, a.a.O., § 140 Rn. 7). Regelmäßig werden daher Festsetzungen eines nach förmlicher Festlegung des Sanierungsgebietes aufgestellten Bebauungsplanes maßnahmebedingt und insoweit der Ermittlung des Endwertes zu Grunde zu legen sein. Umgekehrt heißt dies jedoch nicht, dass Bodenwerterhöhungen, die auf Grund von Bebauungsplänen eingetreten sind, die vor der förmlichen Festsetzung des Sanierungsgebietes aufgestellt wurden (wie vorliegend der Fall), nicht bei dem Endwert, sondern bei der Ermittlung des Anfangswertes zu berücksichtigen sind. Allein entscheidend ist vielmehr, ob der Bebauungsplan ursächlich aus der anstehenden Sanierung resultiert und damit der Realisierung der Sanierungsziele dient.

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Die ist vorliegend der Fall. Anlass für den Erlass des Bebauungsplanes war, wie sich aus seiner Begründung gemäß § 9 Abs. 8 BauGB ergibt, die anstehende Neuordnung des Gebietes im Rahmen der Sanierung „F. Innenstadt“, die mit diesem Bebauungsplan planungsrechtlich umgesetzt werden sollte. In der Begründung heißt es zudem: „Bei dem Plangebiet handelt es sich um einen überwiegend bebauten, untergenutzten städtischen Innenbereich in unmittelbarer Zentrumsnähe der Stadt F.. Geprägt wird dieser Bereich durch eine Gemengelage im Inneren, welche nur unzureichend erschlossen ist und erhebliche Nutzungskonflikte aufweist, die bereinigt werden sollen. Anderseits bietet sich die Möglichkeit an, ergänzenden Wohnraum zu schaffen und innerhalb des bauten Stadtbereichs nachzuverdichten“. Mit diesen Ausführungen wird ersichtlich auf die in dem Bericht der Vorbereitenden Untersuchungen zur Sanierung festgestellten städtebaulichen Missstände Bezug genommen (vgl. BA II, Gutachten zur Vorbereitenden Untersuchung 2.1). Dementsprechend wird dann auch in der Begründung zur Sanierungssatzung angeführt, dass der Gegensatz von teilweiser großer räumlicher Enge unmittelbar neben unzureichend genutzten Siedlungsboden auf das Erfordernis bodenordnerischer Maßnahmen hindeutet. Nur durch Erlass eines Bebauungsplanes sah die Gemeinde daher die Möglichkeit ihre Sanierungsziele, wie etwa Attraktivitätssteigerung des Ortsbildes als Fremdenverkehrsort, geordnete Ergänzung des jetzigen Bauvolumens, Vermeidung von Bauflächen im Weichbild der Stadt durch Baulückenschließung und Beseitigung von unästhetisch wirkenden, vielen kleinen An- und Nebenbauten; unpassende Kleinsiedlungsbaukörper aus dem Stadtbild zurückdrängen (vgl. BA II, Gutachten zur Vorbereitenden Untersuchung 2.2.) zu verwirklichen. Der Ansicht der Klägerin, Sanierungsziel sei allein die Verbesserung der Erschließungsanlagen wie etwa Straßen gewesen und daher sei die durch den Bebauungsplan bewirkte Bodenwerterhöhung nicht zu berücksichtigen, kann demnach nicht gefolgt werden.

31

Ist die durch den Bebauungsplan bewirkte Bodenwerterhöhung demnach bei dem Maß der baulichen Nutzung zu berücksichtigen, ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Gutachterin bei der Ermittlung des Anfangswertes sowohl bei der Grundstücksgröße (Tabelle 2) als auch bei Art und Maß der baulichen Nutzung (Tabelle 3) auf das gesamte Grundstück abgestellt hat, wohingegen die Ermittlung des Endwertes bezogen auf zwei Teilflächen erfolgte. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Gutachterin damit bei der Anfangs- und Endwertermittlung jeweils verschiedene Bezugspunkte – einmal das gesamte Grundstück, zum anderen zwei Teilflächen des Gesamtgrundstückes – gewählt hat. Dies ist jedoch methodisch nicht fehlerhaft, sondern auf Grund der eingetretenen Änderungen des Maßes der baulichen Nutzung bezogen auf das klägerische Grundstück durch den Bebauungsplan Nr. 7 sachgerecht und nachvollziehbar.

32

Denn grundsätzlich ist bei Grundstücken im unbeplanten Innenbereich das Gesamtgrundstück zu bewerten; so dass auch Art und Maß der baulichen Nutzung an dem gesamten Grundstück zu messen sind. Wie die Beklagte zutreffend angeführt hat, gibt es bei unbeplanten Innenbereichsgrundstücken kein unterschiedliches Maß der baulichen Nutzung. Dieses wird allein durch die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB, insbesondere des „Sich-Einfügens“ bestimmt. Vorliegend war das Grundstück vor der Sanierung nur im vorderen Bereich baulich nutzbar. Nur in diesem Bereich hat sich eine Hauptbebauung im Sinne von § 34 BauGB „eingefügt“. Dem Umstand, dass die hintere Fläche nicht baulich nutzbar war, hat die Gutachterin bei der Anfangswertermittlung bei der Grundflächenzahl Rechnung getragen. Nach dem Abschluss der Sanierung liegt das klägerische Grundstück nunmehr im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 7, der sowohl für den vorderen Bereich (Teilfläche 1) als auch für den hinteren Bereich (Teilfläche 2) gesonderte Baufelder mit unterschiedlichen Maßen der baulichen Nutzung vorsieht: Bei der Teilfläche 1 beträgt die Grundflächenzahl 0,6 und die Geschossflächenzahl 1,0, wohingegen bei der Teilfläche 2 die Grundflächenzahl 0,4 und die Geschossflächenzahl 0,7 beträgt. Diesen unterschiedlichen Maßen der baulichen Nutzung ist im Rahmen der Ermittlung des Endwertes Rechnung zu tragen. Dies hat die Gutachterin durch die Bildung von Teilflächen in nicht zu beanstandender Weise getan. Dass die Klägerin auf der hinteren Grundstücksfläche keine Bebauung beabsichtigt, ist unerheblich. Entscheidend ist nicht, ob die Klägerin dies subjektiv als Werterhöhung empfindet, sondern ob objektiv eine Werterhöhung des Grundstückes eingetreten ist, die auf der Sanierung beruht, so dass für einen wirtschaftlich denkenden Grundstückseigentümer die Möglichkeit der Ausnutzbarkeit dieses geschaffenen Vorteils besteht.

33

Keine Bedenken bestehen gegen die Minderung des Ausgleichsbetrages durch Reduktion des Endwertes gegenüber dem Wert des Bodens in unbebauten Zustand für die Teilfläche 1. Dies entspricht vielmehr § 28 Abs. 3 Satz 2 WertV. Danach sind Beeinträchtigungen der zulässigen Nutzbarkeit, die sich aus einer bestehen bleibenden Bebauung auf dem Grundstück ergeben, zu berücksichtigen, wenn es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise oder aus sonstigen Gründen geboten erscheint, das Grundstück in der bisherigen Weise zu nutzen. Die Vorschrift setzt unter Berücksichtigung der Verordnungsbegründung eine Beeinträchtigung sanierungsbedingt erhöhter Nutzungsmöglichkeiten voraus. Sinn und Zweck der Regelung ist es, die Abschöpfung einer sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung auszuschließen, wenn die vorhandene Bebauung der Verwirklichung einer rechtlich zulässigen höheren Nutzung für einen möglicherweise längeren Zeitraum entgegensteht. So verhält es sich, wenn ein im Zuge der rechtlichen Neuordnung des Sanierungsgebiets erlassener Bebauungsplan Maß und/oder Art der baulichen Nutzung erheblich erweitert, der Eigentümer die erweiterten Nutzungsmöglichkeiten jedoch wegen der bestehen bleibenden Bebauung nicht ausnutzen kann, oder wenn andere Sanierungsvorteile aufgrund der spezifischen Art, Ausgestaltung oder Ausstattung einer vorhandenen baulichen Anlage nicht realisiert werden können (vgl. Kleiber, aaO., § 28 WertV Rn. 91 ff.). Die Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, da, um die zulässige Geschossflächenzahl von 1 auszuschöpfen (wie die Gutachterin ausführt), die gesamte vorhandene Bebauung z.B. durch Aufstockung entsprechend dem zulässig Maß erweitert werden müsste. Eine solche Investition wird jedoch niemand in absehbarer Zeit unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten tätigen.

34

Soweit die Klägerin rügt, dass auf Grund der Ausführungen der Beklagte im Widerspruchsbescheid auf Seite 3 letzter Absatz der Eindruck entstehe, die Gemeinde wolle die der Klägerin gewährten Städtebaufördermittel durch die Erhebung des Sanierungsbeitrages wieder abschöpfen, was eine sachwidrige Erwägung darstelle, mag dies missverständlich von der Beklagten im Widerspruchsbescheid formuliert sein; auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides hat dies allerdings keinen Einfluss. Die Klägerin verkennt, dass zwar die Frage, ob eine Vorausleistung erhoben werden soll, im Ermessen der Gemeinde steht (welches diese ausweislich des vorliegenden Beschlussprotokolls vom 31.01.2008 ermessensfehlerfrei ausgeübt hat), auf die Veranlagung der Vorauszahlung selbst sind dann jedoch die für die Erhebung von Ausgleichsbeträgen geltenden Vorschriften sinngemäß anzuwenden, da sich die Höhe an der voraussichtlichen Höhe des Ausgleichsbetrages zu orientieren hat. Dies setzt eine entsprechende Wertermittlung – wie oben bereits ausgeführt - voraus, Ermessenserwägungen spielen in diesem Rahmen keine Rolle.

35

Der Einwand der Klägerin, hinsichtlich der jeweils ermittelten Anfangs- und Endwertfaktoren seien im Vergleich mit den Nachbargrundstücken wesentliche Diskrepanzen aufgetreten, die zu ungleichen Festsetzungen geführt hätten, verfängt nicht. Eine Rechtsverletzung der Klägerin ist nicht erkennbar, da die jeweiligen Anfangs- und Endwerte für jedes Grundstück unter Beachtung der besonderen Grundstückssituation (wie etwa Grundstücksgröße und –zuschnitt) ermittelt werden, so dass schon keine „Vergleichbarkeit“ vorliegt.

36

Auch der Umstand, dass die Sanierung nach Ansicht der Klägerin schon eine unangemessene Zeit in Anspruch nehme, obwohl keine Bau- und Sanierungsmaßnahmen mehr wahrzunehmen seien, führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides. Zwar ist allgemein anerkannt, dass Zeitablauf und unzureichende zügige Förderung der Sanierung materiell-rechtlich zu einer Überschreitung der Grenze der Sozialbindung mit der Folge führen kann, dass die Sanierungssatzung ihre Eignung als Rechtsgrund etwa der Versagung einer Genehmigung nach Maßgabe der §§ 144, 145 BauGB verliert; andererseits bewirkt dies jedoch nicht, dass die Sanierungssatzung ohne förmliche Aufhebung außer Kraft tritt. Insoweit ist maßgeblich, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Sanierungsrechts und der Inhaltsbestimmung beziehungsweise Schrankensetzung des von der Sanierung betroffenen Eigentums gemäß Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG von der gesetzlichen Festlegung einer Höchstdauer der Sanierung abgesehen hat und dass das Regelungssystem der sanierungsrechtlichen Vorschriften keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt. Die Wirksamkeit einer Sanierungssatzung unterliegt daher in zeitlicher Hinsicht nur unter engen Voraussetzungen einer Begrenzung dergestalt, dass eine Sanierungssatzung - ebenso wie ein Bebauungsplan - funktionslos werden kann, wenn die Gemeinde ihre Verwirklichung nicht nur in langsamem Tempo vorantreibt, sondern endgültig aufgegeben hat (vgl. Saarländisches OVG, Urt. v. 09.12.2009 – 1 A 387/08, zit. nach juris, Rn. 47). Dass diese Voraussetzungen vorliegend gegeben sind, ist nicht erkennbar und auch von der Klägerin nicht vorgetragen.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich (§ 124 VwGO).

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