Urteil vom Verwaltungsgericht Greifswald (3. Kammer) - 3 A 13/12

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 13.09.2001 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 01.12.2011 wird aufgehoben.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Liegegebühren.

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Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Greifswald. Ihm gehört das historische Segelschiff „Königin Wilhelmina“, das im Stadthafen, einem von der Universitäts- und Hansestadt Greifswald (Stadt) betriebenen kommunalen Hafen liegt. Mit Bescheid vom 13.09.2011 setzte der Beklagte die Liegegebühr 2011 für die „Königin Wilhelmina“ auf 1.571,70 EUR fest. Der Betrag setzt sich aus einer Liegegebühr i.H.v. 1.246,00 EUR (28 m x 44,50 EUR), einem Aufschlag i.H.v. 74,76 EUR (28 m x 2,67 EUR) sowie einer Umsatzsteuer i.H.v. 250,94 EUR zusammen. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.2011 – zugestellt am 05.12.2011 - zurück.

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Am 04.01.2012 hat der Kläger Anfechtungsklage erhoben. Er ist der Auffassung, seine Heranziehung sei rechtswidrig. Die Hafengebührensatzung 2011 sei nichtig. Die Liegegebühr erhöhe sich gegenüber der früher erhobenen Gebühr um das Neunfache. Darin liege eine Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes. Es fehle jegliche Übergangsregelung. Die Satzung verstoße auch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. So seien die Schiffe des Museumshafenvereins und seiner Mitglieder sowie des Museumswerftvereins zu Unrecht von der Entrichtung von Liegegebühren befreit. Dies habe das Verwaltungsgericht bereits in dem Urteil vom 02.11.2011 – 3 A 298/08 - festgestellt. Die Erhebung einer Umsatzsteuer auf die Liegegebühr sei unzulässig.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 13.09.2011 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 01.12.2011 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er ist der Auffassung, die Heranziehung des Klägers sei rechtmäßig. Die Gebührensteigerung beruhe auf dem Umstand, dass die Hafengebührensatzung aus dem Jahre 2004 einen wesentlich niedrigeren Deckungsgrad vorgesehen habe. Die nunmehr geltende Satzung beruhe auf einer möglichst kostendeckenden Kalkulation. Die Befreiung des Museumshafenvereins und des Museumswerftvereins von der Gebührenpflicht sei zwar unzulässig. Dies gehe aber nicht zu Lasten des Klägers. Im Rahmen der Gebührenkalkulation seien die Aufwendungen für die „gebührenbefreiten“ Teile des Hafens nicht berücksichtigt worden. Von der Hafenkante mit einer Länge von 3.169 m seien 1.160 m abgezogen worden. Den damit verbundenen Einnahmeverlust trage die Stadt. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Stadt das Hafengelände, das von den genannten Vereinen genutzt werde, aus dem gebührenpflichtigen öffentlichen Hafen herauslösen könne. Der Museumshafenverein habe bereits über einen Pachtvertrag umfangreiche Pflichten gegenüber der Stadt übernommen. Auf die besondere Bedeutung des Museumshafenvereins für die Stadt sei bereits in dem Verfahren 3 A 298/08 hingewiesen worden. Darauf werde Bezug genommen. Die Umsatzsteuer ergebe sich aus der Umsatzsteuerpflicht der Stadt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge sowie die beigezogenen Gerichtsakten des Verfahrens 3 A 298/08 vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtwidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

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Er kann nicht auf die Hafengebührensatzung 2011/2012/2013 der Universitäts- und Hansestadt Greifswald für die Häfen der Stadt Greifswald (Hafengebührensatzung – HafGebS) vom 05.07.2011 gestützt werden. Die Satzung ist nichtig. Ihr fehlt der erforderliche Mindestinhalt nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V). Nach dieser Bestimmung muss die Satzung u.a. den Satz der Abgabe sowie den Zeitpunkt ihrer Entstehung angeben. Vorliegend sind sowohl der Entstehungszeitpunkt der Liegegebühr als auch der Gebührensatz fehlerhaft normiert:

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1. Die Regelung über die Entstehung der Gebühr führt bei der Liegegebühr bei vorab genehmigter Nutzung zu einem Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 HafGebS entsteht die Gebührenpflicht nach dieser Satzung mit Beginn der jeweiligen Nutzung der Häfen oder ihrer Einrichtungen. Zwar ist die Vorschrift grundsätzlich nicht zu beanstanden, da üblicherweise die Entstehung der (abstrakten) Gebührenpflicht mit dem Beginn der gebührenpflichtigen Nutzung zusammenfällt. Allerdings regelt sie die Entstehung der Gebührenpflicht für die Liegegebühr bei vorab genehmigter Nutzung (§ 12 Abs. 1 lit. b HafGebS) und des entsprechenden Aufschlags nach § 12 Abs. 2 lit. b HafGebS nicht in einer dem Äquivalenzprinzip (§ 6 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) genügenden Weise. Hier besteht – abweichend von den anderen in der Satzung normierten Gebühren - die Besonderheit, dass sowohl die Liegegebühr als auch der Aufschlag je Kalenderjahr erhoben werden. Damit hat die Entstehensregel des § 3 Abs. 1 Satz 1 HafGebS die Folge, dass die Liegegebühr nach § 12 Abs. 1 lit. b HafGebS und der Aufschlag nach § 12 Abs. 2 lit. b HafGebS auch dann in voller Höhe entstehen, wenn die fortlaufende genehmigte Nutzung am Ende eines Kalenderjahres aufgenommen wird. In einem solchen Fall besteht ein (offensichtliches) Missverhältnis zwischen der Höhe der Gebühr und dem Umfang der Inanspruchnahme der Einrichtung durch den gebührenpflichtigen Nutzer.

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Die Kammer hat erwogen, ob § 3 Abs. 1 Satz 1 HafGebS in dem Sinne geltungserhaltend ausgelegt werden kann, dass bei einer Aufnahme der genehmigten fortlaufenden Nutzung im Laufe eines Kalenderjahres nur eine anteilige Liegegebühr bzw. ein anteiliger Aufschlag entsteht. Eine solche Auslegung verbietet sich jedoch mit Blick auf den Bemessungsgrundsatz in § 6 Abs. 3 HafGebS. Werden Gebühren nach Zeitabschnitten erhoben, so ist nach dieser Bestimmung für jeden angefangenen Zeitabschnitt die volle Gebühr zu entrichten, soweit nicht durch diese Satzung etwas anderes ausdrücklich bestimmt wird. Dieser Bemessungsgrundsatz ist vorliegend zu berücksichtigen, da die Erhebung einer Jahresgebühr eine Erhebung nach Zeitabschnitten ist. Die danach erforderliche ausdrückliche Ermächtigung für die Entrichtung einer nur anteiligen Gebühr fehlt in der Hafengebührensatzung.

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2. Die Kalkulation der Gebührensätze beruht auf einem methodischen Fehler. Damit ist auch deren Normierung fehlerhaft und unwirksam. Benutzungsgebühren werden nach § 4 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 KAG M-V für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen erhoben. Die Heranziehung zu Gebühren für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung setzt voraus, dass eine ortsrechtliche Regelung darüber besteht, für welche öffentliche Einrichtung die Gebühren zu bezahlen sind (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 18.09.1997 - 4 K 45/96 - KStZ 1998, 32). Denn nur dann kann ermittelt werden, welche gebührenfähigen Kosten die Einrichtung verursacht. Das Gebührenrecht geht dem Einrichtungsbegriff nicht vor, sondern hängt von ihm ab. Bei den von der Stadt betriebenen Häfen handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung in diesem Sinne (vgl. § 1 HafGebS).

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Die damit erforderliche Definition der öffentlichen Einrichtung „Hafen“ (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 26.11.2007 – 1 L 362/05 – juris Rn. 29) ist in § 1 Abs. 2 HafGebS erfolgt. Danach umfasst das gebührenpflichtige Hafengebiet die Land- und Wasserflächen, deren Grenzen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 der Hafenverordnung M-V vom 17.05.2006 (GVOBl. M-V S. 355) in der derzeit geltenden Fassung von der Hafenbehörde gekennzeichnet und bekannt gemacht wurden (Anlagen SL 1 bis 3 dieser Satzung). Diese Definition ist hinreichend bestimmt und rechtlich nicht zu beanstanden. Sie gibt damit den Rahmen für die Erhebung der Benutzungsgebühr vor. Als Folge davon sind Differenzierungen bei der Gebührenerhebung nur nach Maßgabe des Kommunalabgabenrechts zulässig. Die Befreiung der Schiffe von der Hafen- und Liegegebühr, deren Eigner oder Betreiber ordentliche Mitglieder des Museumshafen e.V. sind und deren Schiffe in der Schiffsliste des Beirats des Museumshafens aufgeführt sind (§ 7 Abs. 1 Nr. 7 HafGebS) ist unzulässig. Da der Beklagte hierzu keine neuen Argumente vorgetragen hat, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das gegenüber den Beteiligten ergangene Urteil des VG Greifswald vom 02.11.2011 (– 3 A 298/08 – juris Rn. 17 ff.) Bezug genommen.

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Der Auffassung des Beklagten, der Kläger erleide durch die Befreiung keinen Nachteil, weil sie im Rahmen der Gebührenkalkulation sowohl auf die Kostenseite als auch auf der Seite der Leistungseinheiten berücksichtigt worden sei, kann nicht gefolgt werden. Denn der Beklagte übersieht, dass die Kalkulation dem definierten Einrichtungsbegriff zu folgen hat und von diesem nicht abweichen darf. Das Problem der Aufteilung der kommunalen Einrichtung „Hafen“ in einen gebührenpflichtigen und einen nicht gebührenpflichtigen Teil kann daher erst nicht im Rahmen der Gebührenkalkulation bewältigt werden. Hierzu bedarf es auf der vorgelagerten Ebene der Einrichtungsdefinition einer Organisationsentscheidung der Stadt als Trägerin der Einrichtung (vgl. für die Aufteilung einer Abwasserbehandlungsanlage in einen beitragsfähigen und einen nicht beitragsfähigen [Vertrags-]Teil: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 15.09.2004 – 1 L 214/02 – LKV 2005, 559; Urt. v. 17.11.2004 – 1 L 303/04 –; vgl. auch Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 08/2011, § 2 Anm. 4.9 und 4.2), an der es bislang fehlt.

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3. Im Übrigen sei mit Blick auf § 12 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 lit. b HafGebS darauf hingewiesen, dass die Erhebung einer Jahresgebühr nur erfolgen kann, wenn der entsprechende Gebührentatbestand am 1. Januar des betreffenden Jahres gilt. Dies trifft für das Kalenderjahr 2011 nicht zu, da die Hafengebührensatzung vom 05.07.2011 keine rückwirkende Geltung beansprucht (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 1 HafGebS).

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4. Auf die übrigen - allesamt unbegründeten - Einwendungen des Klägers kommt es entscheidungserheblich nicht mehr an.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124a VwGO) sind nicht ersichtlich.

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