Urteil vom Verwaltungsgericht Greifswald (3. Kammer) - 3 A 1394/17 HGW

Tenor

1. Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird der Beitragsbescheid des Beklagten vom 16. März 2015 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2017 insoweit aufgehoben, als die Festsetzung den Betrag von 119.735,98 EUR übersteigt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Anschlussbeiträgen (Schmutz- und Niederschlagswasser).

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Die Klägerin ist Erbbauberechtigte des gewerblich genutzten Grundstücks Flurstücke F 1 und F 2, Gemarkung B., in einer Größe von 15.717 m². Eigentümerin des Grundstücks ist die Firma L. Diese hat das Grundstück auf Grundlage des notariellen Kaufvertrages vom 18. Januar 1991 – UR-Nr. 6/1991 des Notars in A-Stadt – und des notariellen Ergänzungsvertrages vom 30. Dezember 1997 – UR-Nr. 170/1997 des Notars – zu einem Kaufpreis von 40,00 DM/m² – umgerechnet 19,57 EUR/m² – zum Zwecke der Errichtung eines Selbstbedienungswarenhauses von der Stadt Barth erworben.

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In § 3 Abs. 2 und 3 des Vertrages vom 18. Januar 1991 heißt es in Bezug auf den Kaufgegenstand:

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Das Grundstück wird erschlossen verkauft. Soweit die Erschließung einschließlich sämtlicher Ver- und Entsorgungsanschlüsse einschließlich Elektrizität nicht vorhanden ist, ist diese spätestens bis zur geplanten Eröffnung (30.9.1991) fertigzustellen.

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Soweit die Erschließungsleistungen bereits zum Bau (Baubeginn 1.3.1991) benötigt werden, verpflichtet sich der Verkäufer, diese bis dahin fertigzustellen.

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In Vollzug des Vertrages ist das Grundstück an die von der Stadt B. betriebene zentrale Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigungsanlage angeschlossen worden. Die damaligen Kosten der Herstellung der Grundstücksanschlüsse können nicht mehr ermittelt werden. Nach einer vom Beklagten vorgelegten begründeten Schätzung belaufen sich die Kosten für eine heutige Herstellung vergleichbarer Grundstücksanschlüsse auf 12.506,85 EUR.

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Mit Bescheid vom 16. März 2015 zog der Beklagte die Klägerin zu einem Anschlussbeitrag (Schmutz- und Niederschlagswasser) i.H.v. 132.242,83 EUR heran. Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2017 zurück.

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Am 23. Juni 2017 hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben. Sie ist der Auffassung, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Es fehle bereits an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die Abwasserbeitragssatzung sei wegen einer nicht ordnungsgemäßen Kalkulation unwirksam. Es sei nicht erkennbar, ob die Stadt B., die D. GmbH oder der von der Stadt B. gegründete Eigenbetrieb Abwasser die mit dem Beitrag abzugeltenden Herstellungskosten trage. Nur im ersten Fall liege ein beitragsfähiger Herstellungsaufwand vor.

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Auch die Rechtsanwendung sei fehlerhaft. Der Heranziehung stehe die Vereinbarung in § 3 Abs. 2 des Grundstückskaufvertrages vom 18. Januar 1991 entgegen, wonach das Grundstück erschlossen verkauft werde. Diese Klausel sei nicht lediglich eine Beschaffenheitsvereinbarung zum Erschließungszustand des Grundstücks, sondern umfasse auch die Vereinbarung eines Beitragsverzichts. Hierfür sei maßgeblich, dass die Erschließung des Grundstücks eine vertragliche Hauptpflicht der Stadt B. war. Hierzu habe auch die ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung gehört. Dabei habe die Stadt B. nicht den Anschluss an irgendeine Abwasserbeseitigung geschuldet, sondern den Anschluss an die von ihr betriebene Einrichtung, deren Trägerin sie seit dem Inkrafttreten der Kommunalverfassung 1990 war. Dass die Erschließung zu den vertraglichen Leistungen gehört habe, belege auch der Kaufpreis, der weit über den damaligen Bodenrichtwerten liege, und sich nur dadurch rechtfertige, dass der Käufer von allen Erschließungskosten und damit auch Anschlussbeiträgen befreit werde. Eine solche Vereinbarung sei nach der damals geltenden Bestimmung des § 54 Abs. 2 BauZVO zulässig gewesen. Die später durch das Kommunalabgabengesetz 1993 begründete Beitragserhebungspflicht stehe der Wirksamkeit nicht entgegen.

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Die Klägerin beantragt,

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den Beitragsbescheid des Beklagten vom 16. März 2015 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2017 aufzuheben.

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Der Beklagte verteidigt den angegriffenen Bescheid und beantragt,

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die Klage abzuweisen.

14

Mit Beschluss vom 30. August 2017 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist zum überwiegenden Teil unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist nur insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO), als die Festsetzung des darin enthaltenen Leistungsgebotes den Betrag von 119.735,98 EUR übersteigt. Im Übrigen ist er dagegen nicht zu beanstanden.

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Er findet seine gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung in der Stadt B. (Abwasserbeitragssatzung – ABS) vom 24. Oktober 2013 i.d.F. der 1. Änderung vom 26. März 2015.

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1. Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung bestehen nicht (VG Greifswald, Urt. v. 02.11.2017 – 3 A 1058/15 –, juris Rn. 21 ff.). Die von den Klägern geltend gemachten Einwände greifen nicht durch.

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Insbesondere begegnet die Beitragskalkulation keinen Bedenken. Die Firma D. GmbH ist lediglich von der Stadt B. mit dem Betrieb der Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigungsanlage beauftragt. Offen bleiben kann, ob die Stadt B. das gesamte Anlagevermögen der Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung auf den von ihr gebildeten Eigenbetrieb Abwasser übertragen hat. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, führt dieser Umstand nicht zur Fehlerhaftigkeit der Kalkulationen. Denn der Eigenbetrieb Abwasser ist lediglich ein Sondervermögen der Stadt B. ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Einer Vermögensübertragung kommt daher lediglich eine finanzwirtschaftliche Bedeutung zu. Zuordnungssubjekt der negativen Vermögensmasse, die den beitragsfähigen Aufwand ausmacht, ist daher ausnahmslos die Stadt B.

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2. Abgesehen von der Höhe des in dem Bescheid enthaltenen Leistungsgebotes (siehe dazu Abschn. 2 d.) ist die Rechtsanwendung durch den Beklagten ebenfalls nicht zu beanstanden.

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a. In formeller Hinsicht begegnet die Einschaltung der D. GmbH bei der Abgabenberechnung, der Ausfertigung und Versendung der Abgabenbescheide und der Entgegennahme der zu entrichtenden Abgaben mit Blick auf § 12a Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 11 Abs. 4 ABS keinen Bedenken.

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b. Weiter ist der Beitragsanspruch nicht infolge Festsetzungsverjährung gemäß § 47 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V erloschen. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und damit auch für Anschlussbeiträge vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Die Beitragspflicht ist nicht bereits mit dem Anschluss des Grundstücks an die zentrale Abwasserbehandlungsanlage, sondern gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V erst mit dem Inkrafttreten der Abwasserbeitragssatzung vom 24. Oktober 2013 entstanden. Die am 14. September 2017 erfolgte Fehlerheilung nach § 2 Abs. 3 KAG M-V (VG Greifswald, Urt. v. 02.11.2017 a.a.O.) wirkt zurück auf den Erlasszeitpunkt der Satzung (Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 12/2016, § 2 Anm. 8.3.3.2). Die Heranziehung der Klägerin im Jahre 2015 erfolgte damit innerhalb der Festsetzungsfrist.

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Diese Satzung ist die erste wirksame Satzung i.S.d. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V. Die Abwasserbeitragssatzung der Stadt B. vom 26. August 2010 ist unwirksam. Die darin normierte Tiefenbegrenzung beruht nicht auf einer ordnungsgemäßen Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe im Verbandsgebiet (VG Greifswald, Urt. v. 29.22.2012 – 3 A 678/11 –, S. 5 des Entscheidungsumdrucks). Dieser Fehler, der erst „bekannt“ ist, seitdem das OVG Mecklenburg-Vorpommern in dem Urteil vom 14. Dezember 2010 (– 4 K 12/07 –) die Anforderungen an die Ermittlung der Tiefenbegrenzung definiert hat, haftet sämtlichen Vorgängersatzungen an. Die vor der Abwasserbeitragssatzung vom 26. August 2010 Geltung beanspruchenden Satzungen wiesen zudem eine unzulässige Privilegierung sog. altangeschlossener Grundstücke auf. Nach § 2 Abs. 3 der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung der Stadt B. (Kanalbaubeitragssatzung – KBS 1996) vom 26. März 1996 zahlen Grundstücke, die bereits vor (dem) Inkrafttreten des KAG Mecklenburg-Vorpommern voll an die öffentliche Einrichtung Abwasserbeseitigung angeschlossen waren, zur Abdeckung des Vorteils der verbesserten Reinigung durch die Kläranlage, wenn das Grundstück an die neue Kläranlage angeschlossen ist, den Beitragssatz aus § 4 Abs. 10 c. Diese Vorschrift sieht einen gegenüber dem allgemeinen Schmutzwasserbeitrag abgesenkten „Klärwerksbeitrag“ vor. Die Privilegierung altangeschlossener Grundstücke ist unzulässig. Sie ist vorteilswidrig und verletzt den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG).

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c. Wegen der Definition einer von der Entstehung der Beitragspflicht unabhängigen Festsetzungshöchstfrist in § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V hat sich die Möglichkeit der Beitragserhebung weder „verflüchtigt“, noch verstößt sie gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (OVG Greifswald, Urt. v. 06.09.2016 – 1 L 212/13 –, juris Rn. 68 ff.; rechtskräftig durch BVerwG, Beschl. v. 18.05.2017 – 9 B 71.16 –, juris).

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d. Die Vereinbarung in § 3 Abs. 2 des Grundstückskaufvertrages vom 18. Januar 1991, an deren Prüfung das Verwaltungsgericht nicht wegen fehlender Rechtswegzuständigkeit gehindert ist (zuletzt: VG Greifswald, Urt. v. 02.11.2017 – 3 A 1058/15 –, juris Rn. 35 ff.) steht der Beitragserhebung ebenfalls nicht entgegen.

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aa. Offen bleiben kann, ob die Vereinbarung wirksam ist. Bei einer isolierten Betrachtung nur des Vertrages vom 18. Januar 1991 bestehen allerdings auch dann keine Zweifel an ihrer Wirksamkeit, wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, dass die Vertragsparteien in der genannten Klausel einen Beitragsverzicht vereinbart haben. Denn die Vereinbarung ist nicht an abgabenrechtlichen Kriterien zu messen. Das Kommunalabgabengesetz 1991 war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ebenso wenig in Kraft, wie das Kommunalabgabengesetz 1993. Rechtmäßigkeitsmaßstab war vielmehr die Bestimmung des § 54 Abs. 2 Bauplanungs- und Zulassungsverordnung der DDR (BauZVO). Nach § 246a Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 Baugesetzbuch i.d.F. des Einigungsvertrages (BauGB 1990) war anstelle von § 124 BauGB damaliger Fassung § 54 BauZVO anzuwenden, der in seinem Absatz 2 die vertragliche Übernahme der Kosten städtebaulicher Maßnahmen durch den Bauwilligen regelte. Der Vorschrift ist die Ermächtigung zu entnehmen, vom Abgabenrecht abweichende vertragliche Regelungen über die Kosten von Erschließungsmaßnahmen zu treffen (BVerwG, Urt. v. 30.05.2012 – 9 C 5.11 –, juris Rn. 38 ff.), wobei dies auch für nach Landesrecht beitragsfähige Erschließungsanlagen gilt (BVerwG a.a.O., Rn. 48).

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Etwas anderes hat aber möglicherweise zu gelten, wenn man den Ergänzungsvertrag vom 30. Dezember 1997 in die Betrachtung einbezieht. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass sich die Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahre 1991 offenbar in einem Irrtum über die tatsächliche Grundstücksgröße und damit in einem Irrtum über eine wesentliche Eigenschaft des Kaufgegenstandes befanden. Zunächst waren die Vertragsparteien von einer Grundstücksfläche von ca. 12.000 m² ausgegangen. Die später erfolgte Vermessung des Grundstücks hat eine Mehrfläche von 3.037 m² ergeben. Mit dem Ergänzungsvertrag vom 30. Dezember 1997, der eine Vergütung für die Mehrfläche von 40,00 DM/m² vorsah, wurde möglicherweise eine schwebende Unwirksamkeit des Grundstückskaufvertrages vom 18. Januar 1991, jedenfalls aber seine Anfechtbarkeit beseitigt. Die Wirksamkeit des Vertrages i.d.F. der Ergänzungsvereinbarung ist anhand abgabenrechtlicher Kriterien zu messen, da § 246a Abs. 1 Satz 1 Nr. 11. BauGB 1990 im Rahmen des Investitionserleichtungs- und Wohnbaulandgesetzes im Jahre 1993 aufgehoben worden war. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses galt das Kommunalabgabengesetz. § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V begründete eine Beitragserhebungspflicht, die einen Beitragsverzicht ebenso ausschloss, wie die Vereinbarung einer „verdeckten“ Ablösung (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 02.11.2017 – 3 A 1058/15 –, juris Rn. 47 f.).

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bb. Dies bedarf vorliegend jedoch keiner Vertiefung, denn die Vereinbarung in § 3 Abs. 2 des Grundstückskaufvertrages kann weder als Beitragsverzicht noch als Ablösungsvereinbarung angesehen werden.

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Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages vom 18. Januar 1991 war der Kaufgegenstand noch nicht erschlossen, sollte aber mit einem Selbstbedienungswarenhaus bebaut werden. Die Vereinbarungen in § 3 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 des Vertrages erlauben den Schluss, dass für diesen Nutzungszweck weder eine (ausreichende) wegemäßige Erschließung noch eine leitungsgebundene Erschließung vorhanden war. Vor diesem Hintergrund und auch mit Blick auf § 5 des Vertrages, wonach der Kaufpreis ausdrücklich für das „erschlossene“ Grundstück vereinbart worden ist, ist der Klägerin darin zu folgen, dass die Vertragsparteien die volle Erschließung des Grundstücks zu einer vertraglichen Hauptpflicht des Verkäufers – der Stadt B. – gemacht haben. Daher scheidet die Annahme einer bloßen Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden § 459 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. aus. Vielmehr waren neben der wegemäßigen Erschließung des Grundstücks die in § 3 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages genannten Ver- und Entsorgungsanschlüsse herzustellen. Wenn die Erschließung vertragliche Hauptpflicht war, dann war der Kaufpreis die Gegenleistung für die die Eigentumsverschaffung an dem Grundstück und die Herstellung der Erschließungsanlagen. Auch insoweit ist der Klägerin zu folgen.

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Für den von der Klägerin weiter gezogenen Schluss, dass mit dem Kaufpreis die anteiligen Herstellungskosten der Gesamtanlage abgegolten sind, fehlen dagegen jegliche Anhaltspunkte. Die diesbezüglichen Darlegungen der Klägerin sind bereits in ihrem Ausgangspunkt unzutreffend. Denn die Stadt B.- war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht Trägerin der Abwasserbeseitigung. Sie war zwar durch die Kommunalverfassung 1990 als rechtsfähige Gebietskörperschaft neu gegründet worden. Dies allein führte jedoch nicht dazu, dass die Stadt B. auch Trägerin der kommunalen Abwasserbeseitigung war. Denn die Abwasserbeseitigungspflicht ist den Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern und damit auch der Stadt Barth erst mit dem Inkrafttreten des Landeswassergesetzes (LWaG) am 1. Dezember 1992 als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1 LWaG) übertragen worden. Bis zu diesem Zeitpunkt war die N. GmbH, die Rechtsnachfolgerin des früheren VEB für die Abwasserbeseitigung u.a. im Gebiet der Stadt B. zuständig. In Bezug auf die leitungsmäßige Erschließung kann daher nicht angenommen werden, dass die Stadt B. nach dem Grundstückskaufvertrag mehr als den Anschluss des Kaufgrundstücks an das von der N. GmbH betriebene Abwassernetz schuldete. Damit war nur die Herstellung von Grundstücksanschlussleitungen vom Vertrag umfasst.

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Aus der Höhe des Kaufpreises folgt nichts anderes. Es unterliegt starken Zweifeln ob der Kaufpreis – wie die Klägerin meint – weit über den damaligen Bodenrichtwerten lag. Noch zum Stichtag 31. Dezember 1998 weist die Bodenrichtwertkarte im Bereich für erschlossenes Bauland, also Flächen, für die Erschließungsbeiträge i.S.d. § 127 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) nicht mehr zu entrichten sind, einen Richtwert von 55,00 DM/m² auf. Dieser Wert liegt deutlich über dem vereinbarten Kaufpreis von 40,00 DM/m².

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Hinzu kommt, dass das (erste) Kommunalabgabengesetz vom 11. April 1991 zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht existierte und eine gesetzliche Grundlage für die Entstehung von Beitragsansprüchen damit ebenfalls fehlte. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme fernliegend, dass die Stadt Barth in dem Kaufvertrag über Ansprüche verfügt hat, deren Entstehung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht einmal absehbar war. Hieran hat sich auch durch den Abschluss des Ergänzungsvertrages vom 30. Dezember 1997 nichts geändert. Der Vertrag sieht lediglich eine Vergütung für die sich nach der Vermessung ergebende Mehrfläche vor. Wenn die Vertragsparteien, wie die Klägerin meint, bereits bei Abschuss des Vertrages vom 18. Januar 1991 der Auffassung waren, dass mit dem vereinbarten Kaufpreis alle Erschließungskosten und damit auch Anschlussbeiträge abgegolten sind, so hätte es vor dem Hintergrund der spätestens seit dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes 1993 bestehenden Verpflichtung zur Beitragserhebung (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 02.11.2017 – 3 A 1058/15 –, juris Rn. 45 ff.) nahegelegen, eine entsprechende Klarstellung in den Vertrag aufzunehmen. Dies ist jedoch unterblieben.

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Gegen die Annahme eines Beitragsverzichts spricht schließlich auch, dass an die Feststellung eines Verzichtswillens strenge Anforderungen zu stellen sind. Dies gilt in besonderem Maße für notariell beurkundete Verträge. Wäre ein Beitragsverzicht gewollt gewesen, hätte dies klar formuliert werden können und müssen. Den Notaren sind die entsprechenden Klauseln geläufig. Hieran fehlt es jedoch ebenfalls. Dass mit der Wendung „erschlossen“ kein Beitragsverzicht gemeint ist, wurde bereits dargelegt. Andere Klauseln, die die Annahme eines solchen Verzichts nahe legen könnten, enthält der Vertrag nicht.

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e. Nach alledem ist die Festsetzung der Beitragsschuld (§ 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung – AO) nicht zu beanstanden. Fehlerhaft ist jedoch die Festsetzung des Leistungsgebotes (§ 12 Abs. 1 KAG M-V i. V. m. § 254 Abs. 1 Satz 1 AO). Es wurde bereits dargelegt, dass der Grundstückskaufpreis auch die Kosten der Herstellung der Grundstücksanschlüsse umfasst. Da mit dem Schmutz- und Niederschlagswasserbeitrag auch die Kosten der jeweils ersten Grundstückanschlüsse abgegolten werden (vgl. § 1 Abs. 3 ABS), ist insoweit eine Tilgungswirkung eingetreten.

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Wie hoch diese Kosten seinerzeit waren, kann nach den Angaben des Beklagten nicht mehr festgestellt werden, da die Unterlagen nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen vernichtet worden sind. Die Kosten sind daher zu schätzen. Nach den plausibel begründeten Angaben des Beklagten belaufen sich die Kosten für eine heutige Herstellung vergleichbarer Grundstücksanschlüsse auf 12.506,85 EUR. Um diesen Betrag ist das Leistungsgebot zu reduzieren.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.

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