Urteil vom Verwaltungsgericht Greifswald (3. Kammer) - 3 A 1056/18 HGW

Tenor

1. Unter Abweisung der Klage im Übrigen werden die Bescheide des Beklagten vom 11. Mai 2015 – XXX – in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 1. Juni 2018 und vom 5. März 2018 – XXX – in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2018 insoweit aufgehoben, als darin zu den Buchungszeichen XXX und XXX Gebühren für die Bauüberwachung i.H.v. jeweils 502,98 EUR festgesetzt sind.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten zu 72,30 v.H. und im übrigen dem Kläger auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten und dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgegner vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung abgabenrechtlicher Nebenleistungen.

2

Mit bestandskräftigen Ordnungsverfügungen vom 20. Oktober 2011 gab der Beklagte dem Kläger auf, einen Dachumbau bzw. die Erweiterung eines Gartenhauses zu beseitigen sowie darin näher bezeichnete bauliche Anlagen zu beseitigen und drohte Zwangsgelder i.H.v. jeweils 5.000,00 EUR an. Zugleich setzte er jeweils Gebühren zzgl. Auslagen i.H.v 502,98 EUR fest.

3

Mit bestandskräftigen Bescheiden vom 22. April 2015 setzte er gegenüber dem Kläger die angedrohten Zwangsgelder fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2015 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid über die Zwangsgeldfestsetzung (Dachumbau) zurück. In dem sich daran anschließenden Klageverfahren VG Greifswald – 5 A 618/15 HGW – schlossen die Beteiligten am 4. Mai 2017 einen Vergleich, in dem sich der Beklagte verpflichtete, die Vollziehung der Ordnungsverfügung vom 20. Oktober 2011 (Dachumbau) bei Erfüllung näher bezeichneter Auflagen durch den Kläger nicht vor dem 30. November 2024 vorzunehmen. Der Kläger hat seine durch den Vergleich begründeten Verpflichtungen erfüllt.

4

Bereits mit Schreiben vom 11. Mai 2015 hatte der Beklagte gegenüber dem Kläger die Zwangsvollstreckung angekündigt und darauf hingewiesen, dass Forderungen über 11.797,06 EUR nicht bezahlt seien. Das Schreiben enthält keine Rechtsbehelfsbelehrung. Die dem Schreiben beigefügte Aufstellung weist u.a. folgende Forderungen aus:

5

Buchungszeichen XXX

        

Gebühren für die Bauüberwachung

502,98 EUR

Säumniszuschlag

210,00 EUR

Mahngebühren

 2,80 EUR

Vollstreckungskosten gem. § 339 Abs. 3 AO

26,00 EUR

Summe 

741,78 EUR

                 

Buchungszeichen XXX

        

Gebühren für die Bauüberwachung

502,98 EUR

Säumniszuschlag

210,00 EUR

Mahngebühren

 2,80 EUR

Summe 

715,78 EUR

6

Auf den Widerspruch des Klägers hob der Beklagte die Festsetzung der Vollstreckungskosten (26,00 EUR) auf und wies den Rechtsbehelf zu diesen Buchungszeichen im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juni 2018 – zugestellt am 6. Juni 2018 – zurück.

7

Am 5. Juli 2018 hat der Kläger zum Aktenzeichen 3 A 1056/18 HGW Anfechtungsklage erhoben.

8

Bereits mit Schreiben vom 5. März 2018 hatte der Beklagte den Kläger aufgefordert, einen Betrag i.H.v. 8.915,56 EUR binnen einer Woche nach Zugang des Schreibens zu zahlen. Das Schreiben enthält keine Rechtsbehelfsbelehrung. Die dem Schreiben beiliegende Aufstellung weist u.a. folgende Forderungen aus:

9

Buchungszeichen XXX

        

Gebühren für die Bauüberwachung

502,98 EUR

Säumniszuschläge, berechnet bis 18. März 2018

380,00 EUR

Mahngebühren

 2,80 EUR

Summe 

885,78 EUR

                 

Buchungszeichen XXX

        

Gebühren für die Bauüberwachung

502,98 EUR

Säumniszuschläge, berechnet bis 18. März 2018

380,00 EUR

Mahngebühren

 2,80 EUR

Summe 

885,78 EUR

10

Auf den Widerspruch des Klägers reduzierte der Beklagte u.a. die zu den Buchungszeichen XXX und XXX ausgewiesenen Säumniszuschläge auf jeweils 170,00 EUR und wies der Rechtsbehelf zu den genannten Buchungszeichen im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2018 – zugestellt am 7. Juni 2018 – zurück.

11

Am 5. Juli 2018 hat der Kläger insoweit zum Aktenzeichen 3 A 1058/18 HGW Anfechtungsklage erhoben, die das Gericht mit Beschluss vom 23. Juli 2018 mit dem Verfahren 3 A 1056/18 HGW zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat.

12

Der Kläger ist der Auffassung, seine Heranziehung sei rechtswidrig. Der mit dem Beklagten geschlossene gerichtliche Vergleich, dessen Auflagen der Kläger erfüllt habe, stehe der Erhebung der Gebühren und der sonstigen Nebenleistungen (Säumniszuschläge, Mahngebühren) entgegen.

13

Der Kläger beantragt,

14

den Bescheid des Beklagten vom 11. Mai 2015 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 1. Juni 2018 und seinen Bescheid vom 5. März 2018 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2018 aufzuheben, soweit darin zu den Buchungszeichen 75081840 und 75081841 Gebühren für die Bauüberwachung, Säumniszuschläge und Mahngebühren festgesetzt sind.

15

Der Beklagte verteidigt die angegriffenen Bescheide und beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Mit Beschluss vom 26. Februar 2019 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

19

Die Klage ist zulässig und in dem im Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.

20

1. Insbesondere ist die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 erste Var. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, da es sich bei den Schreiben vom 11. Mai 2015 und 5. März 2018 um Verwaltungsakte i.S.d. § 35 Landesverwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG M-V) handelt. Zwar war dies zunächst offensichtlich nicht der Fall. Bei den Schreiben handelte es sich ursprünglich um einen formlosen Hinweis auf die drohende Zwangsvollstreckung (Schreiben vom 11. Mai 2015) bzw. die Mitteilung über noch bestehende offene Forderungen (Schreiben vom 5. März 2018). Rechtsbehelfsbelehrungen enthalten diese Schreiben ebenso wenig, wie sonstige Hinweise auf eine VA-Qualität (Bezeichnung als Bescheid usw.). In dem Schreiben vom 11. Mai 2015 wird zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Widerspruch gegen die Forderung weder dem Grunde noch der Höhe nach möglich sei, weil Widersprüche dieser Art nur gegen den Festsetzungsbescheid vorgebracht werden könnten.

21

Die fehlende VA-Qualität haben diese Schreiben aber mit dem Erlass der Widerspruchsbescheide vom 1. Juni 2018 bzw. 25. Mai 2018 bekommen. Denn der Beklagte hat die Widersprüche des Klägers nicht als unstatthaft zurückgewiesen, sondern undifferenziert als zulässig und teilweise begründet angesehen. Damit hat er den formlosen Schreiben vom 11. Mai 2015 bzw. 5. März 2018 nachträglich die Qualität von Verwaltungsakten beigemessen. Dies ist vom Verwaltungsgericht zu beachten, denn Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

22

2. Die streitgegenständlichen Bescheide sind – im Umfang der auf die Buchungszeichen 75081840 und 75081841 beschränkten Anfechtung – rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit darin zu den genannten Buchungszeichen Gebühren für die Bauüberwachung ausgewiesen sind. Hierbei handelt es sich um eine unzulässige Mehrfacherhebung, weil diese Gebühren bereits in den bestandskräftigen Ordnungsverfügungen vom 20. Oktober 2011 festgesetzt worden sind. Diese bilden damit die Rechtsgrundlage für eine etwaige Zwangsvollstreckung der Verwaltungsgebühren. Ihre Ausweisung in den vorliegend streitgegenständlichen Bescheiden begründet das Risiko, dass die Gebühren dreifach vollstreckt werden können.

23

Im Übrigen sind die Bescheide dagegen nicht zu beanstanden.

24

a) Die Festsetzung der Säumniszuschläge beruht auf § 18 Abs. 1 Verwaltungskostengesetz (VwKostG M-V). Werden bis zum Ablauf eines Monats nach dem Fälligkeitstag Verwaltungsgebühren oder Auslagen nicht entrichtet, kann für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen Betrages erhoben werden, wie dieser 50 Euro übersteigt. Anders als bei der Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 240 Abgabenordnung (AO) sind Säumniszuschläge i.S.d. § 18 VwKostG M-V festzusetzen. Die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes allein (vgl. § 218 Abs. 1 Satz 1 AO) genügt nicht. Die Erhebung des Säumniszuschlags hat durch einen Festsetzungsbescheid gegenüber dem Kostenschuldner zu erfolgen (vgl. zum wortgleichen und inzwischen außer Kraft getretenen Verwaltungskostengesetz des Bundes: Schlabach, Verwaltungskostenrecht, Stand 08/1998, § 18 Rn. 8 und zu § 16 BGebG: Prömper/Stein, BGebG, 2019, § 16 Rn. 6). Daher war die formlose Geltendmachung der Säumniszuschläge in den Schreiben vom 11. Mai 2015 und 5. März 2018 nicht ausreichend. Die für die Entstehung des Anspruchs konstitutiven Festsetzungsbescheide liegen erst vor, seitdem die genannten Schreiben durch den Erlass der Widerspruchsbescheide vom 1. Juni 2018 bzw. 25. Mai 2018 die Qualität von Verwaltungsakten bekommen haben (s.o.).

25

Die Voraussetzungen des § 18 VwKostG M-V liegen vor. Die mit den Ordnungsverfügungen verbundenen Gebührenbescheide sind mit der Bekanntgabe der Ordnungsverfügungen wirksam geworden. Damit ist ihre Fälligkeit einen Monat nach der Bekanntgabe eingetreten. Sie wurde auch durch die vom Kläger gegen die Ordnungsverfügung eingelegten Rechtsbehelfe, die sich nach § 22 Abs. 1 VwKostG M-V auch auf die Gebührenfestsetzung erstrecken, nicht beseitigt. Denn Widerspruch und Anfechtungsklage haben nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO bei öffentlichen Abgaben und Kosten keine aufschiebende Wirkung.

26

Auch rechnerisch ist die Erhebung der Säumniszuschläge nicht zu beanstanden. Da der Kläger insoweit keine Einwände geltend macht, kann zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2018, Seite 4, zweiter Absatz, Bezug genommen werden. Die in dem Widerspruchsbescheid verfügte Reduzierung der Säumniszuschläge auf jeweils 170,00 EUR erklärt sich vor dem Hintergrund, dass sich zusammen mit den mit Bescheid vom 11. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juni 2018 festgesetzten Säumniszuschlägen von jeweils 210,00 EUR der zutreffende Gesamtbetrag von jeweils 380,00 EUR (Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2018, Seite 4, zweiter Absatz) ergibt.

27

Entgegen der Auffassung des Klägers steht der in dem Verfahren 5 A 618/15 HGW am 4. Mai 2017 geschlossene Vergleich der Gebührenerhebung nicht entgegen. Denn die Festsetzung einer Verwaltungsgebühr für den Erlass einer Ordnungsverfügung ist kein Bestandteil der Vollstreckung der Ordnungsverfügung. Die Vollstreckung – hier die Zwangsgeldfestsetzung – dient der Umsetzung der mit dem Erlass der Ordnungsverfügung begründeten Handlungspflicht. Letztlich geht es darum, den Willen des Ordnungspflichtigen zu brechen. Mit der Festsetzung der Verwaltungsgebühr wird hingegen der mit dem Erlass der Ordnungsverfügung entstandene Aufwand abgegolten. Eine Willensbeeinflussung ist damit weder bezweckt noch erforderlich. Die Ebene der Willensbeeinflussung wird insoweit erst erreicht, wenn auch die Verwaltungsgebühr vollstreckt werden soll. Beide Bereiche sind daher streng voneinander zu trennen; die Gebührenfestsetzung hätte auch in einer eigenständigen Bescheidurkunde erfolgen können.

28

b) Auch die Festsetzung der Mahngebühren ist nicht zu beanstanden. Zwar gilt insoweit, dass eine Festsetzung nicht notwendig ist, weil Mahngebühren nicht tituliert werden müssen. Ihre Erhebung erfolgt ebenso wie die Erhebung der Vollstreckungskosten im Rahmen der Vollstreckung der Verwaltungsgebühr (vgl. § 111 Abs. 3 Sätze 1 und 2 VwVfG M-V). Die Festsetzung ist daher überflüssig, aber unschädlich. Fehler in Bezug auf die Ermittlung der Höhe der Mahngebühren sind nicht ersichtlich.

29

Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der Mahnung, die gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG M-V auf die Gebührenerhebung „durchschlagen“ würde (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 28.03.2012 – 3 A 576/11 –, juris) bestehen ebenfalls nicht. Die Mahnung beruht auf § 111 Abs. 1 Satz 1 VwVfG M-V i.V.m. § 3 Abs. 3 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG). Nach der zuletzt genannten Bestimmung soll der Schuldner vor Anordnung der Vollstreckung mit einer Zahlungsfrist von einer Woche besonders gemahnt werden. Die Voraussetzungen für die Vollstreckung der Gebührenfestsetzung für die Bauüberwachung (vgl. § 5 Abs. 1 VwVG i.V.m. § 251 Abgabenordnung – AO) liegen unabhängig vom Zeitpunkt des Eintritts ihrer Bestandskraft vor, weil die Rechtsbehelfe des Klägers nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung entfalteten. Auch der Vergleich vom 4. Mai 2017 steht der Erhebung der Mahngebühren nicht entgegen, weil sie nicht der Vollstreckung der Ordnungsverfügung, sondern der Vollstreckung der Gebührenfestsetzung für deren Erlass dienen.

30

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.

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