Urteil vom Verwaltungsgericht Halle (6. Kammer) - 6 A 95/12

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zur Zahlung straßenrechtlicher Sondernutzungsgebühren durch die beklagte Stadt.

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Mit formularmäßigem Schreiben vom 25. November 2011 beantragte die Firma A. mbH bei der Beklagten die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zum Aufstellen von Maschinen bzw. Kränen sowie eines Baugerüstes im Zeitraum 5. Dezember 2011 bis 30. März 2012 am Standort „A. Straße/B 100 Brücke über die A. Straße“ zur Instandsetzung des dort befindlichen Brückenbauwerks BW 170. Es solle eine Fläche von 10 m x 15 m für ca. vier Wochen ab dem 26. Januar 2012 und 8 m x 15 m für vier Wochen ab ca. Ende Februar 2012 in Anspruch genommen werden. Die Beklagte erteilte der Firma A. mbH daraufhin mit Bescheid vom 15. Februar 2012 eine Sondernutzungserlaubnis für den Zeitraum vom 26. Januar 2012 bis zum 24. Februar 2012 für die Nutzungsarten „Instandsetzung Brückenbauwerk BW 170“, „Aufstellen von Maschinen“, „Mobilkran“ und „Gerüststellung“ bezüglich einer Flächen von 10 m Länge und 3,50 m Breite und setzte gegen diese mit gesondertem Bescheid vom 20. Februar 2012 hierfür eine Sondernutzungsgebühr in Höhe von 525,- € fest. Die Firma A. mbH teilte daraufhin der Beklagten zunächst telefonisch und mit Schreiben vom 1. März 2012 auch schriftlich mit, dass die Zuständigkeit gemäß der Absprache mit ihrem Auftraggeber bei diesem liege, und sie dementsprechend um Rechnungslegung an den Landesbetrieb Bau Sachsen-Anhalt bitte.

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Daraufhin erteilte die Beklagte diesem unter dem 15. März 2012 eine gleichlautende Sondernutzungserlaubnis und zog ihn mit Bescheid vom 17. März 2012 zur Zahlung von Sondernutzungsgebühren in gleicher Höhe heran. Der Landesbetrieb A. erhob am 3. April 2012 Widerspruch gegen den Gebührenbescheid mit der Begründung, er habe keinen Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für das genannte Bauvorhaben gestellt und gehe zudem davon aus, dass § 2 des Verwaltungskostengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt – VwKostG LSA - Anwendung finde.

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Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2012 zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Landesbetrieb sei gemäß § 3 Abs. 1 ihrer Sondernutzungsatzung Gebührenschuldner, da die handelnde Baufirma den Antrag in seinem Namen gestellt und die erforderlichen Bauarbeiten durchgeführt habe. § 2 VwKostG LSA sei nicht einschlägig, da keine Verwaltungsgebühr für eine Amtshandlung festgesetzt worden sei, sondern eine echte Benutzungsgebühr. Sie sei nach der Gemeindeordnung zu Einnahmen verpflichtet, die sie auch nicht teilweise erlassen könne, denn Selbstbindung und Gleichbehandlungsgrundsatz seien hohe Rechtsgüter, die es zu schützen gelte. Eine andere Entscheidung ließen die herangezogenen Gesichtspunkte nicht zu; der Landesbetrieb sei nicht in seinen Rechten verletzt.

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Die Klägerin hat daraufhin am 31. Mai 2012 Klage erhoben, zu deren Begründung sie vorträgt:

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Der Gebührenbescheid der Beklagten sei rechtswidrig, da diese das ihr zukommende Ermessen nicht ausgeübt habe. Denn gemäß § 6 Abs. 1 der gemeindlichen Sondernutzungssatzung könne die Beklagte von der Erhebung einer Gebühr ganz oder teilweise absehen, wenn an der Sondernutzung ein überwiegendes öffentliches Interesse bestehe. Dies sei hier der Fall. Denn sie – die Klägerin – bzw. das von ihr beauftragte Bauunternehmen habe mit der Durchführung notwendiger Bauarbeiten an dem fraglichen Brückenbauwerk die ihr im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung obliegende gesetzliche Verpflichtung zur Unterhaltung von Bundesstraßen als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit wahrgenommen. Zudem stünden die ausgeführten Reparaturarbeiten auch im Interesse der Beklagten sowie der Allgemeinheit, da sie im Rahmen der öffentlichen Daseinsfürsorge vorgenommen worden seien. Denn sobald die Sicherheit der Brücke nicht mehr gewährleistet werden könne, müsse sie - die Klägerin - diese sperren, wodurch die Beklagte ihrerseits zu einer Sperrung der unterhalb der Brücke verlaufenden A.-straße gezwungen wäre. Ein eigenes wirtschaftliches Interesse sei mit der Sondernutzung nicht verfolgt worden.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 17. März 2012 und deren Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2012 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und trägt ergänzend vor:

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Die Inanspruchnahme öffentlichen Straßenraumes zum Aufstellen von Maschinen und Gerüsten stelle unzweifelhaft eine nach § 1 ihrer Sondernutzungsgebührensatzung gebührenpflichtige Sondernutzung dar. Sondernutzer sei auch derjenige, der die Sondernutzung für sich ausüben lasse und damit mittelbarer Nutzer sei. Die somit gebührenpflichtige Klägerin sei auch nicht von der Zahlungsverpflichtung befreit. Das Verwaltungskostengesetz sei nicht einschlägig, da es sich um eine echte Benutzungsgebühr handele und das Gesetz überdies gemäß seinem § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 grundsätzlich nur für Amtshandlungen im übertragenen Wirkungskreis der Gebietskörperschaften und anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts Anwendung finde. Die Voraussetzungen einer Gebührenermäßigung oder –befreiung nach § 6 Abs. 1 der Sondernutzungsgebührensatzung lägen nicht vor, da das „überwiegende öffentliche Interesse“ an der Sondernutzung selbst bestehen müsse und nicht an den mit der Sondernutzung verfolgten weiteren Zwecken. Ein öffentliches Interesse bestehe aber weder an der konkreten Sondernutzung, nämlich der teilweisen Sperrung der B. Straße, noch an der Nichterhebung der Gebühr. Das öffentliche Interesse an einer Gebührenbefreiung sei nach der Rechtsprechung des OVG Sachsen-Anhalt zu § 2 Abs. 2 VwKostG LSA nur dann zu bejahen, wenn dieses Interesse höher zu bewerten sei als das Interesse daran, dass für bestimmte Verwaltungshandlungen eine Gegenleistung in Form einer Gebühr zu erbringe sei, wobei von einem grundsätzlichen öffentlichen Interesse an der Gebührenerhebung ausgegangen werden müsse. Es genüge nicht, wenn lediglich an der konkreten Durchführung der Maßnahme, für die die Amtshandlung benötigt werde, ein öffentliches Interesse bestehe oder diese dem Gemeinwohl diene.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die Kammer kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt haben, vgl. § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -.

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Die Klage ist zulässig. Die Klägerin ist insbesondere unter der im Rubrum genannten Bezeichnung klagebefugt iSd. § 42 Abs. 2 VwGO, obgleich die angefochtenen Bescheide in nicht zu beanstandender Weise den Landesbetrieb C.als Adressaten benennen, der seit dem 1. April 2012 als Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt fortgeführt wird (s. RdErl. des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr vom 20. März 2012 - 11-01622 –, MBl. LSA S. 142). Denn nach Art. 90 Abs. 2 GG verwalten die Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften die Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs im Auftrag des Bundes. Die sog. Auftragsverwaltung ist eine Form der Landesverwaltung, bei der die Landesbehörden auch als Landesorgane handeln und nicht zu Bundesorganen werden (vgl. Leibholz/Rinck, Grundgesetz, Stand: Juli 2013, Art. 85 Rdn. 1 mwN.). Nach Ziffer 1.2., 2.1 des vorgenannten Runderlasses nimmt die Landesstraßenbaubehörde für das Land Sachsen-Anhalt alle Aufgaben der Planung, des Baus, der Erhaltung, des Betriebsdienstes und der Verwaltung der Bundesfernstraßen wahr. Dazu gehört auch die dem Bund - der nach unwidersprochenem Vorbringen der Klägerseite Straßenbaulastträger des zur Bundesstraße 100 gehörenden Brückenbauwerkes ist – gemäß §§ 13 Abs. 2, 5 Abs. FStrG diesbezüglich obliegende Unterhaltungspflicht, zu deren Ausübung die streitige Inanspruchnahme der D. Straße erfolgt ist. Es entspricht zwar dem Wesen der Auftragsverwaltung, dass das Land im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben aus der Straßenbaulast sowohl hoheitlich als auch fiskalisch im eigenen Namen tätig wird, klagen und verklagt werden kann. Nach § 7 Abs. 1 der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen (AVVFStr) vom 3. Juli 1951 (Bundesanzeiger Nr. 132) idF. der Zweiten AVVFStr vom 11. Februar 1956 (Beilage zum BAnz Nr. 38), die auf der Grundlage der Art. 85 Abs. 2 Satz 1 und 90 Abs. 2 GG von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen worden sind, tritt das Land jedoch unter der Bezeichnung „Bundesrepublik Deutschland – Bundesstraßenverwaltung“ auf (vgl. BayVGH, Beschluss vom 26. Oktober 1976 – 297 VIII 73 -, zit. nach juris Rdn. 22). Im Prozess steht dann dem Land das Prozessführungsrecht zu, ohne dass es einer rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung bedürfte (vgl. Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, Rdn. 34; vgl. dazu auch ThürOVG, Beschluss vom 23. Februar 2009 – 4 EO 677/08 –, juris).

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Die Klage ist auch begründet.

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Der angefochtene Bescheid erweist sich als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

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Als Rechtsgrundlage der Gebührenerhebung kommt allein §§ 21 Satz 1, 50 Nr. 2 des Straßengesetzes für das Land Sachsen-Anhalt – StrG LSA – iVm. der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Gebühren für die Sondernutzung an Straßen in der Stadt Halle (Saale) (Sondernutzungsgebührensatzung) vom 27. Oktober 2010 – SNGS – in Betracht, die im Amtsblatt der Beklagten vom 24. November 2010 bekannt gemacht worden ist. Durchgreifende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Satzung sind nicht ersichtlich und werden auch von der Klägerin nicht geltend gemacht. Nach den genannten gesetzlichen Vorschriften kann die Gemeinde für Sondernutzungen an ihren gemeindlichen Straßen Sondernutzungsgebühren erheben und diese durch gemeindliche Satzung regeln. Die Beklagte hat von dieser Möglichkeit durch den Erlass der SNGS Gebrauch gemacht und erhebt nach deren § 1 Abs. 1 für die nach § 3 ihrer Satzung über die Sondernutzung an öffentlichen Straßen in der Stadt Halle (Saale) (Sondernutzungssatzung) vom 25. August 2010 – SNS - (Amtsblatt vom 22. September 2010) erlaubnispflichtigen Sondernutzungen Gebühren nach Maßgabe des als Anlage zur Satzung gehörenden Gebührentarifs.

 

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Die im Zusammenhang mit der von bzw. auf Veranlassung der Klägerin durchgeführten Brückenreparatur erfolgte Aufstellung von Gerüsten und weiteren Arbeitsmitteln im Bereich der E. Straße stellt unstreitig eine Nutzung des öffentlichen Straßenlandes über den Gemeingebrauch hinaus dar und damit eine dem Grunde nach gebührenpflichtige Sondernutzung (vgl. §§ 18 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 Satz 1 StrG LSA).

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Die Klägerin kommt grundsätzlich auch als Gebührenschuldnerin in Betracht. Dabei ist unerheblich, dass sie selbst keine Sondernutzungserlaubnis beantragt hat und auch der Antrag der Firma F.GmbH vom 25. November 2011 – entgegen den Ausführungen der Beklagten – weder in ihrem Namen noch unter Offenlegung eines wie auch immer gearteten Auftragsverhältnisses gestellt wurde, und auch eine dem Schriftformerfordernis unterliegende Übernahme der Gebührenschuld nach § 3 Abs. 1 Buchst. c) SNGS für die antragstellende Firma nicht vorliegt. Denn bei der Sondernutzungsgebühr handelt es sich um eine echte Benutzungsgebühr, die eine Gegenleistung für die Inanspruchnahme der Straße über den Gemeingebrauch hinaus darstellt. Die Gebühr wird nicht für die Erteilung der Erlaubnis, sondern die Tatsache der Sondernutzung geschuldet (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juni 1978 – 7 C 5/78 -, zit. nach juris Rdn. 19 und Urteil vom 21. Oktober 1970 - IV C 38.69 -, zit. nach juris Rdn. 20; VG Leipzig, Urteil vom 1. Februar 1999 - 6 K 213/97 -, zit. nach juris Rdn. 19; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Aufl. 2010, Rdn. 406, 408). Die Gebührenpflicht der Klägerin folgt hier aus § 3 Abs. 1 Buchst. a) letzte Alternative SNGS. Danach ist – in Einklang mit den vorgenannten Erwägungen - neben dem Antragsteller und dem Sondernutzer auch derjenige Gebührenschuldner, der die Sondernutzung in seinem Namen ausüben lässt, also mittelbarer Nutzer ist. Davon kann ausgegangen werden, wenn er die rechtliche Befugnis besitzt, auf das Verhalten des Dritten umfassend Einfluss zu nehmen, gewissermaßen ein Direktions- und Kontrollrecht hat (vgl. Sauthoff, aaO., Rdn. 360). Eine Gebührenpflicht dem Grunde nach stellt die Klägerin im gerichtlichen Verfahren – anders als in ihrer Widerspruchsbegründung – nicht mehr in Abrede. Sie verweist vielmehr darauf, dass sie mit der Durchführung der Bauarbeiten durch das von ihr beauftragte Bauunternehmen die ihr obliegende Pflicht zur Unterhaltung von Bundesstraßen aus § 3 Abs. 1 FStrG, § 10 Abs. 1 StrG LSA wahrgenommen habe. Zudem ist die Klägerin auch Inhaberin einer diesbezüglichen Sondernutzungserlaubnis vom 15. März 2012, die die Beklagte ihr auf den Einwand der bauausführenden Firma hin erteilt hat, und die von der Klägerin auch nicht beanstandet worden ist.

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Die Klägerin kann sich demgegenüber allerdings nicht erfolgreich auf eine Gebührenfreiheit nach § 2 Abs. 1 des Verwaltungskostengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt – VwKostG LSA – oder einen Anspruch auf Gebührenbefreiung nach Abs. 2 der Vorschrift berufen. Denn das Verwaltungskostengesetz kommt vorliegend nicht zur Anwendung, weil es gemäß seinem § 1 Abs. 1, Abs. 3 die Erhebung von Kosten (Gebühren und Auslagen) für Amtshandlungen betrifft. Zwar können auch im Bereich der straßenrechtlichen Sondernutzung – neben den Benutzungsgebühren für den Sondergebrauch als solchen – grundsätzlich auch Verwaltungsgebühren für die Amtshandlung – nämlich den Erlass des Erlaubnisbescheides – nach Maßgabe landesgesetzlicher oder im Wege kommunaler Satzung erlassener Gebührenordnungen erhoben werden (vgl. Kodal, aaO., Kap. 27 Rdn. 19). Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin jedoch ausschließlich eine Benutzungsgebühr festgesetzt; unter den im Bescheidformular vorgedruckten Kostenpositionen „Verwaltungsgebühr“ und „Auslagen (Porto)“ sind keine Beträge aufgeführt; solche werden von der Beklagten auch nicht gefordert.

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Eine Gebührenfreiheit der Klägerin folgt auch nicht zwangsläufig aus dem Umstand, dass die Inanspruchnahme von Teilen der G. Straße zur Instandsetzung der diese überquerenden Brücke – und damit zur Erfüllung einer ihr obliegenden Aufgabe - erforderlich war. Denn es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach kommunale Träger öffentlicher Gewalt „ihren“ öffentlichen Straßenraum zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben stets unentgeltlich zur Verfügung zu stellen hätten. Soweit – anders als hier - bereichsspezifische Sonderregelungen kraft Gesetzes bestimmte Sondernutzungsrechte an kommunalem Straßengrund einräumen (vgl. etwa § 68 TKG bzw. § 3 Abs. 3 PostG a.F.), kann aus diesen punktuellen, differenzierten Regelungen gerade nicht auf einen allgemeinen, ungeschriebenen Grundsatz zurückgeschlossen werden. Daher kann mit dieser Begründung auch nicht der Erlass der Gebühr beansprucht werden. (vgl. NdsOVG, Beschluss vom 11. Juni 1998 – 12 L 1777/98 -, zit. nach juris Rdn. 20; Sauthoff, aaO., Rdn. 416 unter Verweis auf VGH München, Urteil vom 9. November 1999 – 8 B 99.850 -, zit. nach juris).

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Der angefochtene Bescheid erweist sich allerdings gleichwohl als rechtswidrig, weil die Beklagte das ihr nach § 6 Abs. 1 SNGS zukommende Ermessen verkannt und sich zu der streitigen Gebührenerhebung verpflichtet gesehen hat. Die Gemeinden können ungeachtet des Fehlens eines (gebundenen) Befreiungs- oder Erlassanspruchs eine Gebührenfreiheit für den Fall vorsehen, dass die Sondernutzung „ausschließlich“ oder „überwiegend“ im öffentlichen Interesse erfolgt. In solchen Fällen lässt sich die Annahme rechtfertigen, dass die Allgemeinheit der in Anspruch genommenen Leistung - d.h. der Einschränkung des Gemeingebrauchs - näher steht als der (potenzielle) Gebührenschuldner und dass dementsprechend auch der Wert der Nutzung für die Allgemeinheit höher anzusetzen ist als derjenige für den Gebührenschuldner (vgl. BayVGH, Urteil vom 9. November 1999, aaO., Rdn. 23). Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte mit der letztgenannten Satzungsregelung Gebrauch gemacht, derzufolge von der Erhebung einer Gebühr ganz oder teilweise abgesehen werden kann, wenn an der Sondernutzung ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht. Nur wenn ein solches „überwiegendes öffentliches Interesse“ fehlt, bedarf es folglich keiner Abwägungsentscheidung der Beklagten, da dann bereits der Ermessensspielraum der Regelung nicht eröffnet wäre.

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Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen die Voraussetzungen des satzungsmäßigen Gebührenbefreiungstatbestandes jedoch vor. Die Instandsetzung der Brücke, mit der die Klägerin die ihr aus der Straßenbaulast für die B100 erwachsende Unterhaltungspflichten erfüllt hat, steht ersichtlich im öffentlichen Interesse. Dies stellt auch die Beklagte nicht in Abrede. Sie kann hiergegen auch nicht erfolgreich einwenden, dass die konkrete Sondernutzung der Berliner Straße lediglich in der Straßensperrung bestehe, die ihrerseits nicht im Interesse der Allgemeinheit liege, während die Unterhaltungsmaßnahme als solche nur den Anlass für die Sondernutzung darstelle, so dass diese der Allgemeinheit daher allenfalls mittelbar zugute komme. Zum einen trifft dies rein tatsächlich nicht zu. Denn die Sondernutzung besteht nicht allein in der Sperrung der Straße, sondern auch in der Durchführung der Baumaßnahme selbst, in deren Rahmen sowohl Kräne und Maschinen als auch ein Gerüst aufgestellt werden mussten, um Arbeiten von der H. Straße aus durchführen zu können. Dem trägt auch die von der Beklagten erteilte Sondernutzungserlaubnis vom 15. März 2012 Rechnung, in der die „Art der Sondernutzung“ u.a. mit „Instandsetzung Brückenbauwerk BW 170“ bezeichnet wird.

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Zum anderen verkennt die Beklagte, die sich zur Begründung ihrer Auffassung auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt zu § 2 Abs. 2 VwKostG LSA beruft, dass dieser eine gänzlich andere Fallgestaltung zugrunde liegt. Während die vorliegend streitige Sondernutzung unmittelbar mit der im öffentlichen Interesse liegenden Tätigkeit der Klägerin einhergeht, betreffen die von der Beklagten zitierten Entscheidungen (Beschluss vom 23. September 2010 – 2 L 9/10 -, veröffentlicht in juris und Urteil vom 14. Februar 2013 – 2 L 114/11 -) Kosten für eine Amtshandlung, die im Vorfeld einer im öffentlichen Interesse stehenden Maßnahme erforderlich wurde, nämlich die Erteilung einer Genehmigung; zu dieser Amtshandlung hatte die als Gebührenschuldner in Anspruch genommene Behörde durch Stellung eines Antrags Anlass gegeben. Das OVG Sachsen-Anhalt vertritt die Auffassung, dass in der die Gebührenpflicht auslösenden Antragstellung keine Ausübung hoheitlicher Gewalt liege, die eine gebührenrechtliche Privilegierung rechtfertigen könnte. Vielmehr nehme die Behörde, wenn die Amtshandlung im Erlass eines Verwaltungsaktes nach Antragstellung bestehe, keine andere Rolle ein als eine Privatperson, die gerade keine Gebührenfreiheit genießt. Entscheidend abzustellen sei auf den Antrag, der lediglich eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung darstelle, und nicht auf das Vorhaben, zu dessen Verwirklichung die beantragte Erlaubnis benötigt werde (vgl. Beschluss vom 23. September 2010 [Erteilung einer Baugenehmigung], aaO., Rdn. 4; Urteil vom 14. Februar 2013 [Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis im Rahmen eines Planfeststellungsbeschlusses], aaO., S. 15 f. d.UA; vgl. auch den Beschluss vom 18. Januar 2013 [Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsverordnung] – 3 L 694/1 -, zit. nach juris Rdn. 6 und Beschluss vom 6. Juli 2011 [Baumfällgenehmigung] – 2 L 54/10 -, zit. nach juris Rdn. 5).

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Im hier zugrunde liegenden Fall geht es jedoch nicht um eine Gebührenerhebung für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis durch die Beklagte, sondern um die Gebühr für die Sondernutzung selbst. Diese bildet nicht den Ausgleich für eine Leistung der Beklagten. Vielmehr soll sie die durch die Sondernutzung eintretende Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs kompensieren. Dementsprechend ist Sinn und Zweck der Befreiung, denjenigen, der zwar den Gemeingebrauch beeinträchtigt, dessen Tätigkeit aber gleichwohl dem Gemeinwohl dient, von dieser Gebühr zu befreien (vgl. VG Minden, Urteil vom 6. Februar 2013 – 3 K 790/11 -, zit. nach juris Rdn. 42).

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Nach alledem ist von einem „überwiegenden“ öffentlichen Interesse im Sinne des § 6 Abs. 1 SNGS auszugehen. Dieser sieht anders als § 2 Abs. 2 VwKostG LSA nicht vor, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse daran bestehen muss, von der Gebührenerhebung abzusehen (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. Februar 2013, aaO., S. 18 f. d.UA; VG Dessau, Urteile vom 30. Oktober 1996 – A 1 K 2/96 -, NVwZ- RR 1998, 213 und Urteil vom 31. März 2006 – 1 A 286/05 DE -, Bl. 4 d.UA). Es bedarf vielmehr eines Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sondernutzung gegenüber dem Eigeninteresse des Sondernutzers. Hiervon kann in solchen Fällen ausgegangen werden, in denen ein erwerbswirtschaftliches Interesse des Sondernutzers entweder nicht ersichtlich oder zumindest deutlich in den Hintergrund gerückt ist. Nimmt dieser dagegen als Privatperson bzw. wie eine Privatperson am Marktgeschehen teil und unterscheidet sich die (lediglich auch) im öffentlichen Interesse liegende Tätigkeit nicht von anderen gewerblichen Tätigkeiten mit der Absicht der Gewinnerzielung, besteht kein Anlass für eine gebührenrechtliche Privilegierung (vgl. VG Minden, aaO. Rdn. 52; zur Aufstellung von Wertstoffsammelcontainern im öffentlichen Straßenraum: NdsOVG, Beschluss vom 11. Juni 1998, aaO., Rdn. 66 und BayVGH, Urteil vom 9. November 1999, aaO., Rdn. 29). So liegt der Fall vorliegend aber nicht. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die Sondernutzung der Berliner Straße zur Ausführung der Reparaturmaßnahmen an der Brücke vollumfänglich der Allgemeinheit zugute kommt und ihr daraus weder finanzielle Gewinne noch sonstige, ihrem persönlichen Interesse dienenden Vorteile erwachsen und die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Gebührenbefreiung nach § 6 Abs. 1 SNGS daher gegeben sind.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung – ZPO -.


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