Urteil vom Verwaltungsgericht Halle (5. Kammer) - 5 A 174/13

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Besoldung.

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Die Klägerin ist Beamtin des Landes Sachsen-Anhalt. Sie ist in der Justizvollzugsanstalt Dessau-Roßlau tätig und war bis zum Ablauf des Mai 2001 in Wechselschicht tätig, wechselte dann den Tätigkeitsbereich in ein Mehrschichtsystem und ist seit dem 1. April 2002 im offenen Vollzug tätig.

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Die Justizvollzugsanstalt Dessau ordnete unter dem 6. Juni 2001 an, ab dem 1. Mai 2001 die Zulage gemäß § 20 Abs. 1 Erschwerniszulageverordnung einzustellen und für den Zeitraum vom 1. Mai 2001 bis zum 31. Mai 2001 die Zulage nach § 20 Abs. 2a Erschwerniszulageverordnung zu zahlen. Der Klägerin wurde eine Kopie der Änderungsanordnung ausgehändigt. Diese Anordnung wurde von der damals zuständigen Bezügestelle des Regierungspräsidiums Dessau so umgesetzt, dass die Zulage gemäß § 20 Abs. 2a Erschwerniszulageverordnung auf Dauer gezahlt wurde.

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Unter dem 18. Dezember 2006 erstellte die JVA Dessau eine weitere Änderungsanordnung. Angeordnet wurde eine Änderung der Besoldungsgruppe auf A 8 BBesO ab dem 1. Dezember 2006. In der Rubrik Zulagen ist in der Änderungsanordnung nichts ausgefüllt. Diese Änderungsanordnung ging bei der Oberfinanzdirektion Magdeburg am 22. Dezember 2006 ein und wurde am 28. Dezember 2006 bearbeitet.

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Nach einer weiteren Änderungsanordnung vom 15. Oktober 2012 war die Besoldungsgruppe ab 1. September 2012 auf A 9 abzuändern. Als Zulage ist nur die allgemeine Stellenzulage aufgeführt. Auf dieser Änderungsanordnung sind die Bearbeitungsvermerken wie folgt ausgefüllt, Eingabe zu Zahlmonat 11/12 und im Bereich Innenrevision geprüft ohne Beanstandungen.

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Mit Änderungsanordnung der Justizvollzugsanstalt Dessau-Roßlau vom 11. Juni 2012 wurde die Einstellung der Zulage § 16/2-1 EZulV LSA ab dem 1. Mai 2012 angeordnet. Aus den Akten ergibt sich hierzu nicht, aus welchem Anlass diese Änderungsanordnung gefertigt wurde. Diese Änderungsanordnung findet sich in der Akte des Beklagten hinter der vorstehenden Änderungsanordnung und sogar hinter Schriftverkehr aus dem Jahre 2013.

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Im Schriftverkehr mit der Oberfinanzdirektion Magdeburg teilte der Leiter der Justizvollzugsanstalt Dessau-Roßlau mit, die Klägerin sei in der Zeit vor dem 1. Juni 2001 im Schichtdienst eingesetzt gewesen, zum 1. Juni 2001 habe sie als Abteilungshelferin im Hafthaus II in die Normalschicht gewechselt. Der Klägerin seien die an die Bezügestelle gereichten Änderungsanordnungen bekannt gegeben worden.

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Die Klägerin wurde zu einer beabsichtigten Rückforderung überzahlter Bezüge angehört, sie nahm Stellung und berief sich unter anderem auf Verjährung.

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Mit Bescheid vom 2. April 2013 forderte die Oberfinanzdirektion Magdeburg für den Zeitraum vom 1. Juni 2001 bis zum 30. April 2012 zuviel gezahlte Bezüge in Höhe von 3.652,91 EUR brutto zurück. Zur Begründung führte die Oberfinanzdirektion Magdeburg im Wesentlichen aus, bei einer Aktenüberprüfung sei eine fehlerhafte Zulagenzahlung festgestellt worden. Die Klägerin habe eine Wechselschichtzulage nach § 20 Abs. 2a EZulV a.F. oder § 16 Abs. 2 Nr. 1 EZulV LSA ausbezahlt bekommen, obwohl sie die Voraussetzungen für die Zulage nicht erfüllt habe. Die Zulage sei bis zum 30. April 2012 damit ohne Rechtsgrund gezahlt worden. Insgesamt sei es zu einer Überzahlung in Höhe von 3.652,91 EUR brutto gekommen. Dieser Rückforderungsanspruch sei nicht verjährt. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginne nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger über diesen Anspruch Bescheid wisse. Erst mit Überprüfung der Akte im Jahre 2012 habe sie – die Oberfinanzdirektion Magdeburg – Kenntnis erlangt, dass die Anweisungen der Personaldienststelle technisch nicht umgesetzt worden seien. Zweifelsfrei habe damit ein Fehler der Bezügestelle vorgelegen. Dennoch könne sich die Klägerin nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Diese Einrede stelle in der gegebenen Fallkonstellation eine unzulässige Rechtsausübung dar. Das ergebe sich aus der von der Klägerin vernachlässigten Pflicht, ihre Besoldungsmitteilungen sorgfältig zu prüfen und sich bei eventuellen Unstimmigkeiten an die Bezügestelle zu wenden. Durch dieses Unterlassen habe die Klägerin es erreicht, dass die Bezügestelle den Sachverhalt nur verzögert habe prüfen können. Demzufolge beginne die Frist erst ab dem 1. Januar 2013 zu laufen. Die Klägerin hafte auch verschärft. Sie hätte nämlich erkennen können und müssen, dass ihr die gezahlte Zulage nicht zustehe. Jedenfalls hätte das die erforderliche sorgfältige Prüfung der Bezügemitteilung ergeben.

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Die Klägerin erhob Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid der Oberfinanzdirektion Magdeburg vom 22. August 2013 wurde der Rückforderungsbetrag auf 2.479,91 EUR ermäßigt und der Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Oberfinanzdirektion Magdeburg im Wesentlichen aus, dass sich die Klägerin für den Überzahlungszeitraum vom 1. Juni 2001 bis zum 31. März 2002 auf die Einrede der Entreicherung berufen könne. In diesem Zeitraum sei das Fehlen des rechtlichen Grundes für die Wechselschichtzulage nicht so offensichtlich gewesen, dass sie die Überzahlung habe erkennen müssen. Sie habe bis März 2002 weiterhin in Wechselschichten gearbeitet und daher Grund für die Annahme gehabt, die Schichtzulage sei korrekt zur Auszahlung gekommen. Der Unterschied zwischen der höheren und der niedrigeren Schichtzulage habe ihr nicht geläufig sein müssen. Für Überzahlungen ab April 2002 sei jedoch eine Berufung auf die Einrede der Entreicherung ausgeschlossen. Sie habe zumindest erkennen müssen, dass der Rechtsgrund für die Zahlung der Schichtzulage gefehlt habe. Ab April 2002 habe die Klägerin nicht mehr im Schichtdienst, sondern als Abteilungsbetreuende im offenen Vollzug gearbeitet. Für diesen Arbeitsplatz sei seit jeher ein Einsatz in Gleitzeit geregelt. Der Unterschied zwischen Schichtdienst (Dienst nach einem Schichtplan) und einem Normaldienst in Gleitzeit sei jedem Landesbediensteten geläufig. Kenntnisse im Besoldungsrecht würden dafür nicht benötigt. Für den Zeitraum April 2002 bis März 2012 sei eine Schichtzulage in Höhe von insgesamt 3.542,73 EUR gezahlt worden, für die ein Wegfall der Bereicherung nicht geltend macht werden könne.

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Die Rückforderungsansprüche ab dem 1. April 2002 seien nicht verjährt. Solche Rückforderungsansprüche verjährten gemäß § 195 BGB nach drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginne mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 BGB). Die Bezügestelle habe erstmals am 2. Januar 2013 erfahren, dass der Klägerin die Wechselschichtzulage unberechtigt gezahlt worden war. Die Zahlung der Wechselschichtzulage sei von der Personalstelle angeordnet worden. Es habe für die Bezügestelle keine Hinweise darauf gegeben, dass die Klägerin während dieser Zeiten im Normaldienst gearbeitet habe. Auf die Kenntnis der personalführenden Stelle komme es nicht an. Die Unkenntnis der Bezügestelle beruhe nicht auf grober Fahrlässigkeit, denn aufgrund der Zuständigkeitsverteilung sei die Bezügestelle darauf angewiesen, dass ihr die personalführenden Stellen einzelne, für die Besoldung der Bediensteten bedeutsame Informationen zutreffend mitteilten. Eine Überprüfung der mitgeteilten Informationen auf ihre Richtigkeit sei weder vorgesehen noch bestünden hierfür die personellen Kapazitäten. Die Einrichtung eines umfassenden Kontrollsystems wäre auch aus verwaltungsökonomischen Gründen nicht zu rechtfertigen. Aus Gründen der Billigkeit werde aufgrund des verwaltungsinternen Fehlers 30 % erlassen. Nach Abzug dieser 30 % ergebe sich der zurückfordernde Betrag von 2.479,91 EUR. Die Oberfinanzdirektion Magdeburg wäre bereit, ohne Offenlegung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse den Rückzahlungsbetrag so zu stunden, dass dieser in zehn Monatsraten zu begleichen wäre.

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Eine Bekanntgabe oder Zustellung des Widerspruchsbescheides lässt sich nicht nachweisen.

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Die Klägerin hat am 26. September 2013 beim erkennenden Gericht Klage erhoben. Sie trägt im Wesentlichen vor, sie sei entreichert. Es handele sich um einen geringfügigen monatlichen Betrag, bei dem nach Erlasslage eine Entreicherung vermutet werde. Sie hafte auch nicht verschärft. Sie habe keine Ausbildung im Besoldungsrecht. Die Überzahlung habe ihr auch nicht auffallen müssen. Sie arbeite zwar jetzt im Normaldienst. Gleichwohl sei die Arbeitszeit schichtähnlich in bestimmten Bändern zu erbringen. Das habe so große Ähnlichkeit mit einem Schichtsystem, dass sie deshalb kein Misstrauen hätte schöpfen müssen.

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Im Übrigen berufe sie sich auf Verjährung. Die Überzahlung hätte von der Oberfinanzdirektion Magdeburg erkannt werden müssen.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Oberfinanzdirektion Magdeburg vom 2. April 2013 und deren Widerspruchsbescheid vom 22. August 2013 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er verteidigt den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vortrages der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange begründet, im Übrigen unbegründet. Der angefochtene Bescheid und der Widerspruchsbescheid sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, soweit mehr als 601,33 EUR brutto zurückgefordert werden. Im Übrigen sind der Bescheid und der Widerspruchsbescheid rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten.

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Rechtlicher Anknüpfungspunkt für die Rückforderung ist § 13 Abs. 1 Satz 1 des Landesbesoldungsgesetzes vom 8. Februar 2011 (GVBl. S. 68) - LBesG LSA -, seither nicht geändert. § 13 Abs. 1 Satz 1 LBesG LSA sieht vor, dass sich die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung richtet, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Satz 2 dieser Vorschrift bestimmt, dass es der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes gleichsteht, wenn der Mangel so offensichtlich ist, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen, während Satz 3 es ermöglicht, aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise von der Rückforderung abzusehen.

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Die Klägerin ist überzahlt worden, weil ihr im Zeitraum vom 1. Juni 2001 bis zum 30. April 2012 die große Wechselschichtzulage gezahlt worden ist, obwohl sie hierauf keinen Anspruch mehr hatte. Ihr stand – was sie auch nicht in Abrede stellt – die Wechselschichtzulage nicht zu, weil sie seit Ende Mai 2001 nicht mehr im justizvollzugsüblichen Wechselschichtdienst eingesetzt wurde, seit April 2002 sogar im Normaldienst.

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Die Überzahlung ist aber mit dem angefochtenen Bescheid und dem Widerspruchsbescheid nur teilweise rechtmäßig zurückgefordert worden. Die Klägerin ist zwar nach § 13 Abs. 1 Satz 1 LBesG LSA zur Rückzahlung verpflichtet und sie kann sich nicht auf Entreicherung berufen (dazu nachstehend 1.). Die bis zum 31. Dezember 2009 entstandenen Rückforderungsansprüche können gegenüber der Klägerin aber nicht mehr durchgesetzt werden, weil Verjährung eingetreten ist und die Klägerin ausdrücklich diese Einrede erhebt (dazu nachstehend 2.). Die nach § 13 Abs. 1 Satz 3 LBesG LSA zu treffende Ermessensentscheidung ist im Übrigen hier nicht zu beanstanden (dazu nachstehend 3.).

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1. Die Klägerin wurde für den Zeitraum vom 1. Juni 2001 bis zum 30. April 2012 überzahlt. Sie hat eine Erschwerniszulage, die so genannte Wechselschichtzulage, erhalten, obwohl ihr diese nicht zustand. Die Klägerin hat nach ihren Angaben die zuviel gezahlten Bezüge im Rahmen der normalen Lebensführung verbraucht. Das ist bei den relativ geringen Beträgen, hier zwischen 21,59 DM und 30,68 EUR monatlicher Überzahlung über einen längeren Zeitraum auch ohne weitere Beweiserhebung anzunehmen. Insgesamt verfügte die Klägerin mit ihren Nettobezügen inklusive der Überzahlung über keinen Betrag, der auf so gute wirtschaftliche Verhältnisse hinweist, dass auch bei kleinen Überzahlungen eher von einer Vermögensbildung als von einem Verbrauch für den Lebensunterhalt ausgegangen werden kann.

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Die Klägerin kann sich aber auf die eingetretene Entreicherung nicht berufen, weil der Mangel zumindest ab April 2002 offensichtlich im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 2 LBesG LSA war. Nach dieser Vorschrift steht der Kenntnis des Bereicherungsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches im Falle einer Besoldungsüberzahlung die grob fahrlässige Unkenntnis gleich. Eine grob fahrlässige Unkenntnis ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzunehmen, wenn der Empfänger die Überzahlung nur deshalb nicht bemerkt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat oder – mit anderen Worten – er den Fehler etwa durch Nachdenken oder logische Schlussfolgerungen hätte erkennen müssen. Letztlich ist das Fehlen des Rechtsgrundes für die Zahlung dann offensichtlich, wenn die Überzahlung für den Empfänger ohne Weiteres erkennbar ist (vgl. hierzu und zum Vorstehenden BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 – BVerwG 2 C 15.10 – juris Rn. 16 m.w.N.). Zu den Sorgfaltspflichten des Beamten gehört es auch, die Besoldungsmitteilungen bei besoldungsrelevanten Änderungen im dienstlichen oder persönlichen Bereich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. Offensichtlichkeit im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 2 LBesG LSA liegt vor, wenn dem Beamten aufgrund seiner Kenntnisse auffallen muss, dass die ausgewiesenen Beträge nicht stimmen können (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 17). Dieser Rechtsprechung schließt sich die Kammer an.

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Anhand dieser Grundsätze ist Offensichtlichkeit zu bejahen. Der Klägerin war positiv bekannt, dass sie einen anderen Dienstposten übertragen bekommen hatte. Gleichzeitig kannte sie die von ihr nunmehr wahrzunehmenden Arbeitszeiten. Grundlage der neuen Arbeitszeit war die Normalarbeitszeit mit Gleitzeit und kein Dienst rund um die Uhr in Wechselschichten. Es gab auch keine feste Dienstzeiteinteilung mit der für diese Wechselschichten charakteristischen Abdeckung aller Wochentage rund um die Uhr. Vielmehr war für die Betreuung von Freigängern nur ein gewisses Zeitfenster vorgesehen. Dem kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die Arbeitszeit in der Praxis in Bändern während des Tages absolviert wurde und damit die Klägerin schichtähnlich eingesetzt worden ist. Denn eine solche Tätigkeit in Bändern unterscheidet sich signifikant von dem im Justizvollzug üblichen Wechselschichtsystem. Bei einer solchen Veränderung musste es auch der Klägerin klar geworden sein, dass sich hier besoldungsrechtlich eine Veränderung hätte ergeben müssen. Die zu erwartende Absenkung der monatlichen Bezüge ist aber nicht eingetreten. Hinzu kommt noch die Erläuterung des Zahlbetrages als Schichtzulage. Auch das wäre bei der gebotenen Prüfung ins Auge gestochen, weil eine Schichtzulage ohne das Absolvieren von Schichten völlig unplausibel ist.

28

Zudem hatte die Klägerin eine Kopie der Änderungsanordnung erhalten. Die sich daraus ergebende Absenkung der Bezüge ab Juni 2002 ist aber ausgeblieben. Auch das hätte der Klägerin ohne Weiteres auffallen müssen.

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2. Die bis zum 31. Dezember 2009 entstandenen Rückforderungsansprüche sind jedoch verjährt. Der Rückforderungsanspruch des § 13 Abs. 1 Satz 1 LBesG verjährt nach drei Jahren in analoger Anwendung des § 195 BGB. Die Verjährung beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem 1. der Anspruch entstanden ist und 2. der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Beide Voraussetzungen sind für die bis zum 31. Dezember 2009 entstandenen Rückforderungsansprüche erfüllt. Dies ist exemplarisch für den Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Überzahlung für den Monat Dezember 2009 zu zeigen. Die Überzahlung der Wechselschichtzulage für den Monat Dezember 2009 erfolgte mit den Bezügen zeitnah vor dem 1. Dezember 2009. Ein Rückzahlungsanspruch stand dem Land Sachsen-Anhalt aber nur zu, soweit die Klägerin in diesem Monat nicht die Voraussetzungen für die Wechselschichtzulage materiell erfüllte, also nur dann, wenn die Klägerin in diesem Monat nicht in Wechselschichten tätig werden würde. Endgültig fest stand das jedenfalls mit Ablauf des 31. Dezember 2012 und spätestens zu diesem Zeitpunkt entstand auch der Rückforderungsanspruch.

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Das allein genügt aber noch nicht, denn der Oberfinanzdirektion Magdeburg muss zum 31. Dezember 2009 entweder dieser Rückforderungsanspruch bekannt gewesen oder aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sein. Zumindest Letzteres ist hier der Fall. Es genügt – wie sich aus dem Wortlaut des § 199 Abs. 1 BGB ergibt – die grob fahrlässige Unkenntnis der Umstände, aus denen sich der Rückforderungsanspruch als solcher herleitet. Eine rechtliche Wertung, insbesondere die rechtliche Erkenntnis, dass der Anspruch gegeben ist, ist dagegen nicht erforderlich. Solche Umstände sind hier festzustellen. Zwar hat die Oberfinanzdirektion Magdeburg als Bezügestelle keine positive Kenntnis, ob die Klägerin einen Dienstposten versieht, der Anspruch auf die Wechselschichtzulage auslöst oder ob das nicht der Fall ist. Bei dieser Kenntnis kann hier aber nicht stehen geblieben werden. Denn für die Oberfinanzdirektion Magdeburg als Bezügestelle gab es in ihren Akten und den von der Personalstelle eingereichten Anordnungen keinen Hinweis, der einen solchen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Wechselschichtzulage andeutete. Die Überzahlung hat insoweit ihre Ursache nicht in einer unterbliebenen oder fehlerhaften Anordnung der personalführenden Stelle, sondern in einer fehlerhaften Verarbeitung der von der Personalstelle getroffenen richtigen Anordnungen. In der Anordnung der Personalstelle vom 6. Juni 2001 war die Zahlung der Wechselschichtzulage nur für den Monat Mai 2001 angeordnet. Diese Anordnung ist fehlerhaft umgesetzt worden. Statt nur für den Mai 2001 ist eine Wechselschichtzulage ab dem Mai 2001 eingegeben und gezahlt worden. Schon das ist ein grober Fehler, weil es jedem Kundigen einleuchten muss, dass eine für einen Monat angeordnete Zahlung nicht auf Dauer gewährt werden darf. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist das auch nicht ein Fehler, der als leichte Fahrlässigkeit ohne Gewicht bei dieser Prüfung bleiben muss. Hier gilt nämlich der Grundsatz, dass an eine Bezügestelle bei der Abarbeitung der zugewiesenen Aufgaben keine geringeren Anforderungen gestellt werden können, als an den Beamten bei der Prüfung seiner Besoldungsmitteilung. Vorliegend kann offen bleiben, ob allein dieser Umsetzungsfehler aus dem Jahre 2001 bereits die in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gemeinte Obliegenheitsverletzung ist, obwohl hierfür schon vieles spricht. Ebenso kann dahingestellt bleiben, welche rechtlichen Folgen sich aus dem Vortrag des Beklagten, ihm sei es aus Kosten- und Effizienzgründen nicht zuzumuten, ein Kontrollsystem einzurichten, mit dem solche fehlerhaften Bearbeitungen in Besoldungsfragen aufgedeckt werden können, ergeben. Ein vollständiger Verzicht auf Kontrollmaßnahmen über mehr als zehn Jahre ist für sich gesehen schon eine grob fahrlässige Verletzung der eigenen Obliegenheiten. Auch wenn ein solcher Verzicht anhand der Aktenlage nicht belegbar ist, muss das bei jeder Verschuldensprüfung eingestellt werden. Jedenfalls aber führt ein solcher Verzicht auf Kontrollen weder zu einer Steigerung der Anforderungen bei dem einzelnen Beamten noch vermag das dem Beklagten mehr Rechte einzuräumen.

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Die fehlerhafte Zahlung der Wechselschichtzulage hätte zumindest bei der Bearbeitung der Änderungsanordnung der Personalstelle vom 18. Dezember 2006 bemerkt werden müssen. In dieser Änderungsanordnung ist von einer Wechselschichtzulage nicht die Rede. Das hätte ein Anstoß sein müssen zu überprüfen, ob die gezahlten Zulagen mit den vorliegenden Anordnungen übereinstimmen. Zumindest hätte das Anlass geboten, einen Blick auf die letzte Änderungsanordnung der Personalstelle zu werfen, woraus sich die unberechtigte Zahlung der Wechselschichtzulage in formeller Weise unmittelbar ergeben hätte.

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Unabhängig davon sind die Rückforderungsansprüche, die bis zum 31. März 2003 entstanden sind, auch auf dem am Boden der Rechtsansicht des Beklagten zur Verjährung verjährt, weil Rückforderungen auf Besoldung auch ohne Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an verjähren (§ 199 Abs. 4 BGB).

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3. Die Billigkeitsentscheidung der Oberfinanzdirektion Magdeburg im Widerspruchsbescheid leidet an keinem nach § 114 VwGO als Rechtsfehler zu beanstandenden Ermessensfehler.

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Nach § 13 Abs. 1 Satz 3 LBesG LSA kann aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise von der Rückforderung abgesehen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezweckt eine Billigkeitsentscheidung nach § 13 Abs. 1 Satz 3 LBesG LSA, eine allen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung zu ermöglichen. Sie ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben und stellt eine sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung dar, so dass sie vor Allem in Fällen der verschärften Haftung von Bedeutung ist. Dabei ist zwar nicht die gesamte Rechtsbeziehung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern es ist auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Beamten abzustellen (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 24). Bei der Billigkeitsentscheidung ist von besonderer Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. Ein Mitverschulden der Behörde an der Überzahlung ist in die Ermessenentscheidung einzubeziehen (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 25).

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Deshalb ist aus Gründen der Billigkeit in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. Der Beamte, der nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt hat, muss besser stehen als der Beamte, der die Überzahlung allein zu verantworten hat. Das Bundesverwaltungsgericht geht in solchen Fällen von einer regelmäßigen Angemessenheit eines Absehens von der Rückforderung in der Größenordnung von 30 % des überzahlten Betrages aus (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 26). Bei Hinzutreten weiterer Umstände, etwa besonderer wirtschaftlicher Probleme des Beamten, kann nach dieser Rechtsprechung auch eine darüber hinausgehende Ermäßigung des Rückforderungsbetrages in Betracht kommen. Auch insoweit schließt sich das erkennende Gericht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an. Außerdem entspricht es in der Regel der Billigkeit, bei wiederkehrenden Überzahlungen in jeweils geringer Höhe über einen längeren Zeitraum Ratenzahlungen einzuräumen, die dem Überzahlungszeitraum entsprechen. Die Festlegungen sind im Bescheid zu treffen; eine bloße Bereitschaft, später Ratenzahlungen zu vereinbaren, genügt nicht. Der Billigkeit entspricht es auch, dass sich Dienstherr und Beamter über die Modalitäten der Rückzahlung zu verständigen suchen (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 28).

36

Die von der Oberfinanzdirektion Magdeburg getroffene Billigkeitsentscheidung genügt diesen Anforderungen noch. Sie erkennt das Verschulden der Oberfinanzdirektion Magdeburg und den im Behördenbereich begangenen Fehler. Die Überzahlung ist darauf zurückzuführen, dass die Bezügestelle die ordnungsgemäße Änderungsanordnung der Personalstelle nicht umgesetzt hat, bei ihr kein Kontrollsystem eingerichtet ist, das in der Lage ist, solche Fehler zu erkennen und auch die sich aus den eingegangenen Änderungsanordnungen ergebende Anstöße, die Auszahlungen mit der Besoldungsakte zu vergleichen, zu keiner Überprüfung geführt hat. Das allein würde einen höheren Erlass als 30 % rechtfertigen. In der Abwägung ist aber auch zu berücksichtigen, dass auch das Verschulden der Klägerin das in solchen Fällen übliche Maß deutlich übersteigt. Sie hat nämlich nicht nur – wie im Regelfall – grob fahrlässig eine in der Besoldungsmitteilung ausgewiesene und ohne weiteres erkennbare Überzahlung übersehen, sondern auch noch die sich aus der Bekanntgabe der Änderungsanordnung ergebenden Folgen ignoriert, wobei auch letzteres ebenfalls den Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit begründet. Auch der Umfang der aufgrund der Einrede der Bereicherung endgültig bei der Klägerin verbleibende Überzahlung ist in die Abwägung einzubeziehen. Da sich hier besonders schwerwiegendes Verschulden auf beiden Seiten gegenübersteht und ein teilweiser Ausgleich durch das Institut der Verjährung erfolgt ist, ergeben sich insgesamt keine besonderen Umstände, die vorliegend eine Abweichung von dem Regelerlass von 30 % gebieten würden.

37

Auch die angebotene Ratenzahlung genügt noch den Anforderungen. Zwar geht das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 26. April 2012 bei längerfristigen Überzahlungen davon aus, dass es in der Regel der Billigkeit entspricht, über einen längeren Zeitraum Ratenzahlungen einzuräumen und der längere Zeitraum dem Überzahlungszeitraum entsprechen müsse. Dem entspricht die Billigkeitsentscheidung nicht in vollem Umfange. Bei dem Umfang des Rückforderungsbetrages von bis zu 160,00 EUR im Monat, den der Beklagte im Rahmen der Stundung angeboten hat, vermag die Kammer gleichwohl keinen Ermessensfehler zu erkennen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – keine Anhaltspunkte für wirtschaftliche Probleme der Klägerin erkennbar sind und der Bruttorückforderungsbetrag weniger als 10 % des monatlichen Auszahlungsbetrages der Besoldung beträgt. Die Höhe der Ratenzahlung muss sich aufgrund der Teilaufhebung des Rückforderungsbescheides nicht ermäßigen, dagegen ist die Zahl der zu erbringenden Raten selbstverständlich deutlich zu senken.

38

Nach alledem ist die Klägerin nämlich nur noch verpflichtet, einen Betrag in Höhe von brutto 601,33 EUR zurückzuzahlen. Im Jahre 2010 und 2011 ist je eine Überzahlung von 368,16 EUR angefallen, im Jahre 2012 von 122,72 EUR. Das ergibt insgesamt eine Überzahlung in diesen drei Jahren von 859,04 EUR. Wendet man darauf die 30 % Erlass an, so verbleibt ein Betrag von 601,33 EUR.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.


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