Urteil vom Verwaltungsgericht Halle (4. Kammer) - 4 A 124/14

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Abwasserabgaben betreffend das Veranlagungsjahr 2010.

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Sie betreibt am Standort A-Stadt eine zentrale Abwasserbehandlungsanlage, in der insbesondere Abwässer aus dem umliegenden Industriepark und aus dem Gebiet des AZV Merseburg gereinigt und sodann in die Saale geleitet werden. Darüber hinaus betreibt sie ein Kanalsystem zur Ableitung von Kühlwasser aus der Abflutung von Kühlkreisläufen in die A..

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Insoweit erteilte ihr das Regierungspräsidium B. unter dem 03. August 2000 eine wasserrechtliche Erlaubnis, die in für das Veranlagungsjahr 2010 relevanter Weise zuletzt durch den 10. Änderungsbescheid des Beklagten vom 23. Dezember 2009 geändert wurde und in der folgende Überwachungswerte festgelegt wurden:

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 Einleit-/Messstelle

 Parameter

 Überwachungswert

 Ablauf Kläranlage (FA-Kanal)

 CSB   

 104 mg/l

        

 Phosphor-gesamt (Pges)

 2 mg/l

        

 Stickstoff-gesamt (Nges)

 35,6 mg/l

        

 AOX   

 1,04 mg/l

        

 Quecksilber

 0,003 mg/l

 RKW F 85
RKW R 152
RKW L 119

 CSB (ohne Einbeziehung der mit dem Einsatzwasser zugeführten Vorbelastung und den Eindickungsfaktoren der Kühlkreisläufe)

 40 mg/l

        

 Phosphor-gesamt (Pges)

 3 mg/l

        

 AOX   

 0,5 mg/l

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Zudem wurde für den Ablauf der Kläranlage eine Jahresschmutzwassermenge von 11.717.814 m³ festgelegt.

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Mit Schreiben vom 15. Dezember 2009, vom 04. März 2010, vom 10. Juni 2010 und vom 14. September 2010 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten jeweils für das nachfolgende Quartal die Einhaltung (geringerer) Überwachungswerte für die Parameter CSB, Phosphor, Stickstoff, AOX und Quecksilber am Ablauf der Kläranlage (FA-Kanal) bzw. für die Parameter CSB und Phosphor an den anderen Messstellen. Zugleich beantragte sie jeweils die Zulassung eines Messprogramms. Mit Bescheiden vom 11. Januar 2010, vom 15. März 2010, vom 15. Juni 2010 und vom 20. September 2010 genehmigte der Beklagte jeweils das beantragte Messprogramm.

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Die Klägerin reichte am 29. März 2011 beim Beklagten die Nachweise der Einhaltung geringerer Werte auf dem amtlichen Vordruck ein und gab jeweils an, dass das Messprogramm entsprechend den Festlegungen des Zulassungsbescheids durchgeführt worden sei. Zudem beantragte sie die Berücksichtigung der Vorbelastung entnommenen Wassers aus der Saale, dessen Gesamtmenge sie mit 20.976.928 m³ angab. Darüber hinaus führte sie an, welcher Teil der Gesamtmenge den Stellen RKW F 85, RKW R 152 und RKW L 119 zuzuordnen sei.

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Mit E-Mail vom 30. März 2011 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass ihr Antrag auf Berücksichtigung der Vorbelastung keine Angaben zu der dem Ablauf der Kläranlage zuzuordnenden entnommenen Wassermenge enthalte und bat um Präzisierung des Antrags.

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Mit Bescheid vom 09. April 2014 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin Abwasserabgaben für das Jahr 2010 wie folgt fest:

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 Einleit-/Messstelle

 Betrag in Euro

 FA-Kanal

 991.342,88

 RKW R 152

 23.866,49

 RKW F 85

 3.731,09

 RKW L 119

 17.221,35

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Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die geringer erklärten Werte mit Ausnahme derjenigen für den Parameter Quecksilber keine Berücksichtigung finden könnten, weil der Nachweis der Einhaltung dieser Werte nicht entsprechend dem jeweils zugelassenen Messprogramm erbracht worden sei. In den Zulassungsbescheiden sei die Verwendung der in der Anlage zu § 3 AbwAG aufgeführten Analysenverfahren zugelassen worden. Es seien jedoch nicht diese Verfahren, sondern lediglich gleichwertige Verfahren im Sinne von § 4 Abs. 2 der Abwasserverordnung bzw. im Rahmen der Eigenüberwachung zugelassene Betriebsmethoden zur Anwendung gelangt. Gleichwertige Verfahren fänden nach dem AQS- Merkblatt A-11 aber für den Vollzug des Abwasserabgabengesetzes keine Anwendung. Das gelte ebenso für Betriebsmethoden. Hinsichtlich des Parameters Quecksilber sei der heraberklärte Wert für das erste Quartal 2010 ebenfalls nicht zu berücksichtigen, da auch dessen Einhaltung nicht mit dem zugelassenen Messprogramm nachgewiesen worden sei. Die Probenahme am 11. März 2010 sei nämlich abweichend von der Zulassung nicht um 13.00 Uhr, sondern um 12.00 Uhr erfolgt. Die Abgabenfestsetzungen seien daher auf der Grundlage der in der wasserrechtlichen Erlaubnis festgelegten Überwachungswerte und der Jahresschmutzwassermenge erfolgt. In Bezug auf die Einleitstellen der Rückkühlwerke seien die Jahresschmutzwassermengen mangels Festlegung in der wasserrechtlichen Erlaubnis anhand der Angaben der Klägerin geschätzt und antragsgemäß die Vorbelastung des entnommenen Wassers in Abzug gebracht worden. Eine Berücksichtigung der Vorbelastung des entnommenen Wassers für die Einleitstelle FA-Kanal habe nicht erfolgen können, da die Klägerin nicht angegeben habe, welche Wassermenge dieser Einleitstelle zuzuordnen sei.

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Die Klägerin hat am 14. Mai 2014 Klage erhoben, mit der sie sich gegen die Nichtberücksichtigung der heraberklärten Werte und der Vorbelastung des entnommenen Wassers wendet. Sie macht im Wesentlichen geltend, der Berechnung der Abwasserabgaben seien mit Ausnahme des für das dritte Quartal erklärten Werts für Phosphor die heraberklärten Werte zugrunde zu legen, da sie deren Einhaltung mit dem zugelassenen Messprogramm nachgewiesen habe. Sie habe insoweit zwar nicht die in der Anlage zu § 3 AbwAG aufgeführten Analysenverfahren angewandt, sondern Küvettentests. Dabei handele es sich aber um Verfahren, mit denen sich vergleichbare Ergebnisse erzielen ließen. Die Vergleichbarkeit der Analysenverfahren werde zudem durch ein Qualitätsmanagementsystem gesichert, was sich auch daran zeige, dass die ermittelten Werte die im Rahmen der behördlichen Überwachung festgestellten Werte teils deutlich überschritten und die jeweiligen Werte im langjährigen Vergleich nahezu deckungsgleich seien. Die Verwendung der angewandten gleichwertigen Analysenverfahren habe der Beklagte auch behördlich zugelassen. Ihre Anträge hätten nämlich auch diese Verfahren zum Gegenstand gehabt. Sie habe zur Antragstellung die vorgeschriebenen amtlichen Vordrucke verwandt, in denen ohne die Möglichkeit der Benennung anderer Verfahren lediglich die Analysenverfahren nach der Anlage zu § 3 AbwAG vorgegeben gewesen seien. Da es jedoch rechtlich zulässig sei, auch gleichwertige Verfahren zum Nachweis der Einhaltung der heraberklärten Werte zu verwenden, was auch der Erlass des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt vom 05. März 2014 bestätige und den Regelungen in anderen Bundesländern entspreche, habe sie darauf vertraut und vertrauen dürfen, dass der Vordruck den rechtlichen Anforderungen genüge und mit seinem vorgegebenen Inhalt nicht hinter dem bestehenden rechtlichen Rahmen zurückbleibe. Unklarheiten gingen insoweit zu Lasten der Behörde. Dem Beklagten seien zudem aus seiner Überwachungstätigkeit die von ihr im Rahmen der Eigenüberwachung angewandten Analysemethoden bekannt, weshalb er ihre Anträge auch dahingehend habe verstehen müssen, dass die Zulassung dieser Methoden beantragt werde. Das gelte insbesondere auch deshalb, weil der Beklagte im Rahmen seiner Überwachung auch nicht allein die in der Anlage zu § 3 AbwAG bestimmten Verfahren anwende, sondern statt des CSB den TOC und statt der Einzelkomponenten des Stickstoffs den gesamten gebundenen Stickstoff bestimme. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Einhaltung des erklärten Werts „entsprechend den Festlegungen des Bescheids für den Überwachungswert“ nachzuweisen sei und die wasserrechtliche Erlaubnis keine spezifischen Vorgaben hinsichtlich der bei der Eigenüberwachung anzuwendenden Analysenverfahren enthalte, sondern vielmehr bestimme, dass die Eigenüberwachung gemäß der Anlage 1 zur Eigenüberwachungsverordnung zu erfolgen habe, die die Anwendung der Küvettentests zulasse. Soweit im zweiten Quartal 2010 einmalig der erklärte Wert für CSB überschritten worden sei, sei dies unbeachtlich, da er nach § 6 Abs. 1 AbwV als eingehalten gelte. Der erklärte Wert für Quecksilber sei auch im ersten Quartal 2010 zu berücksichtigen. Ob die Probennahme am 11. März 2010 wie angegeben um 12.00 Uhr und damit abweichend von dem im Messprogramm benannten Termin um 13.00 Uhr erfolgt sei, könne nicht mehr nachvollzogen werden. Möglicherweise handele es sich nur um einen Schreibfehler. Die zeitliche Abweichung sei unerheblich, da sich die Abwasserparameter aufgrund der technologischen Umstände der Abwasserbehandlungsanlage innerhalb solch kurzer Zeit nicht ändern könnten und sprunghafte Änderungen innerhalb einer Stunde ausgeschlossen seien. Der Messwert entspreche zudem den an den übrigen Probenahmetagen festgestellten. Jedenfalls gelte der Wert nach § 6 Abs. 1 AbwV als eingehalten. Dies treffe auch für die Parameter CSB, Phosphor, Stickstoff und AOX zu. Der Beklagte habe darüber hinaus zu Unrecht die Vorbelastung des der Saale entnommenen Wassers bei der Festsetzung der Abgabe für die Einleitung aus der Kläranlage nicht berücksichtigt. Sie habe den entsprechenden Antrag mit Schreiben vom 25. März 2011 gestellt und von der eingeräumten Möglichkeit der Präzisierung der dieser Einleitstelle zuzuordnenden entnommenen Wassermenge mit Schreiben vom 16. April 2013 Gebrauch gemacht. Nach ihrer Grobbilanz Brauchwasser für das Jahr 2010 seien 404 m³/h aus der Saale entnommenes Wasser der Einleitung über die Kläranlage zuzuordnen und insoweit die Vorbelastung bei der Abgabenberechnung in Abzug zu bringen.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 09. April 2014 aufzuheben, soweit für die Einleitung

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- an der Einleit-/Messstelle FA-Kanal eine Abgabe von mehr als 462.863,52 Euro,

16

- an der Einleit-/Messstelle RKW F 85 eine Abgabe von mehr als 856,60 Euro,

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- an der Einleit-/Messstelle RKW R 152 eine Abgabe von mehr als 6.272,32 Euro und

18

- an der Einleit-/Messstelle RKW L 119 eine Abgabe von mehr als 4.512,11 Euro

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festgesetzt wird.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Abgabenerhebung seien in Bezug auf die Parameter CSB, Phosphor, Stickstoff und AOX nicht die erklärten geringeren Werte zugrunde zu legen, weil die Klägerin die Einhaltung der Werte nicht mit dem jeweils zugelassenen Messprogramm nachgewiesen habe. Die Klägerin habe auf den Vordrucken zur Zulassung des Messprogramms den Nachweis durch Anwendung der Analysenverfahren nach der Anlage zu § 3 AbwAG beantragt. Die Zulassungsbescheide hätten darauf ausdrücklich Bezug genommen und deren Anwendung zur Auflage gemacht. Eine vom Wortlaut der Anträge und der Zulassungsbescheide abweichende Auslegung dahingehend, dass sich diese auch auf gleichwertige Verfahren und Betriebsmethoden nach der Eigenüberwachungsverordnung bezögen, scheide aus. Soweit nach § 4 Abs. 5 Satz 5 AbwAG die Einhaltung des erklärten Werts „entsprechend den Festlegungen des Bescheids für den Überwachungswert“ nachzuweisen sei, mache dies eine behördliche Zulassungsentscheidung nicht entbehrlich, auch wenn die wasserrechtliche Erlaubnis Regelungen zur Anwendung von Analysenverfahren im Rahmen der Eigenüberwachung enthalte. Denn die Vorschrift fordere neben der Bezugnahme auf die Festlegungen des Bescheids für den Überwachungswert ausdrücklich den Nachweis anhand eines behördlich zugelassenen Messprogramms. Ungeachtet dessen habe die Klägerin die Gleichwertigkeit der angewandten Küvettentests nicht nachgewiesen. Soweit es die Heraberklärungen für das erste Quartal 2010 betreffe, seien diese auch deshalb nicht zu berücksichtigen, weil die Klägerin die Probenahmen am 11. März 2010 abweichend von dem beantragten und genehmigten Termin durchgeführt habe. Sie könne sich auch nicht auf die Einhaltensfiktion des § 6 Abs. 1 AbwV berufen, da deren Anwendung voraussetze, dass ein Wert mit dem zugelassenen Messprogramm ermittelt worden sei. Schließlich könne eine Berücksichtigung der Vorbelastung des für die Einleitstelle FA Kanal aus der Saale entnommenen Wassers nicht angerechnet werden, da die Klägerin keinen fristgerechten vollständigen Antrag gestellt habe. Sie habe nämlich die dieser Einleitstelle zuzuordnende Entnahmemenge in ihrem Antrag vom 25. März 2011 nicht angegeben, so dass der Antrag in einem wesentlichen Punkt unvollständig gewesen sei. Die angeforderte Ergänzung des Antrags habe sie nicht vorgenommen. Vielmehr habe sie erstmals im gerichtlichen Verfahren entsprechende Angaben gemacht. Die im Schreiben der Klägerin vom 16. April 2013 angegebene Menge habe sich auf das Jahr 2012 bezogen. Das Schreiben habe die bis zum 31. März 2011 laufende Frist zudem ebenfalls nicht gewahrt.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat im Wesentlichen keinen Erfolg.

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Sie ist, soweit sie sich auf die Abgabenfestsetzungen für die Einleitungen aus den Rückkühlwerken (RKW F 85, RKW R 152, RKW L 112) bezieht, teilweise begründet (dazu I.). Die gegen die Abgabenfestsetzung für die Einleitung aus der Kläranlage (FA-Kanal) gerichtete Klage ist dagegen unbegründet (dazu II.).

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I. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit damit für die Einleitungen aus den Rückkühlwerken (RKW F 85, RKW R 152 und RKW L 112) Abgaben von mehr als 2.034,75 Euro, von mehr als 13.530,17 Euro bzw. von mehr als 9.754,84 Euro festgesetzt werden. Im Übrigen sind die diesbezüglichen Abgabenfestsetzungen rechtmäßig.

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Rechtliche Grundlage der Abgabenerhebung für die vorgenannten Abwassereinleitungen aus dem von der Klägerin betriebenen Kanalsystem in die Saale sind die §§ 1, 3 Abs. 1, 4 Abs. 1, 3 und 5, 6 Abs. 1, 9 Abs. 1, 4 und 5 des Abwasserabgabengesetzes (AbwAG) i.V.m. der Anlage zu § 3 AbwAG in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2005 (BGBl. I. S. 114), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 11. August 2010 (BGBl. I S. 1163). Danach ist von demjenigen, der Abwasser in ein Gewässer einleitet, eine Abgabe zu entrichten, die sich nach der Schädlichkeit des Abwassers richtet, die sich unter Zugrundelegung der oxidierbaren Stoffe (CSB), des Phosphors, des Stickstoffs, der organischen Halogenverbindungen (AOX), der Metalle Quecksilber, Cadmium, Chrom, Nickel, Blei, Kupfer und ihrer Verbindungen sowie der Giftigkeit des Abwassers gegenüber Fischeiern nach der Anlage zum Abwasserabgabengesetz in Schadeinheiten bestimmt, für die wiederum die Festlegungen des die Abwassereinleitung zulassenden Bescheids maßgeblich sind. Soweit die zur Ermittlung der Schadeinheiten erforderlichen Festlegungen nicht in einem Bescheid nach § 4 Abs. 1 AbwAG enthalten sind, hat der Einleiter spätestens einen Monat vor Beginn des Veranlagungszeitraums gegenüber der zuständigen Behörde zu erklären, welche für die Ermittlung der Schadeinheiten maßgebenden Überwachungswerte er im Veranlagungszeitraum einhalten wird (§ 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG). Kommt der Einleiter dieser Verpflichtung nicht nach, ist der Ermittlung der Zahl der Schadeinheiten jeweils das höchste Messergebnis aus der behördlichen Überwachung zugrunde zu legen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG).

27

Danach ist der Bemessung der unstreitig dem Grunde nach von der Klägerin als Abwassereinleiterin zu entrichtenden Abgaben hinsichtlich des Parameters CSB das höchste Messergebnis der behördlichen Überwachung im Veranlagungsjahr 2010 zugrunde zu legen. Im Hinblick auf die fehlende behördliche Schätzung der der Klägerin nach § 4 Abs. 3 AbwAG nicht zuzurechnenden Vorbelastung stellt sich die Ermittlung der auf den Parameter CSB entfallenden Abgaben jedoch insgesamt als rechtsfehlerhaft dar (dazu 1.). Hinsichtlich der Parameter Phosphor und AOX hat der Beklagte die Abgaben dagegen zutreffend anhand der in der wasserrechtlichen Erlaubnis des Regierungspräsidiums Halle vom 03. August 2000 in der Fassung des 10. Änderungsbescheids des Beklagten vom 23. Dezember 2009 festgelegten Überwachungswerte und der geschätzten Jahresschmutzwassermenge unter Abzug der Vorbelastung des den Einleitstellen zuzuordnenden entnommenen Wassers mit insgesamt 2.034,75 Euro (RKW F 85), 13.530,17 Euro (RKW R 152) bzw. 9.754,84 Euro (RKW L 112) ermittelt und festgesetzt (dazu 2.).

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1. In Bezug auf den Parameter CSB ist das höchste Messergebnis der behördlichen Überwachung im Veranlagungsjahr 2010 maßgeblich (d.), weil es an einem die erforderlichen Festlegungen enthaltenden Bescheid nach § 4 Abs. 1 AbwAG mangelt (a.), eine Erklärung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG nicht vorliegt (b.) und für die Heranziehung heraberklärter Werte im Rahmen des § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG kein Raum ist (c.).

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a. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AbwAG errechnet sich die der Ermittlung der Zahl der Schadeinheiten zugrunde zu legende Schadstofffracht außer bei Niederschlagswasser und bei Kleineinleitungen nach den Festlegungen des die Abwassereinleitung zulassenden Bescheids. Das gilt jedoch nur dann, wenn der Bescheid hinsichtlich der maßgeblichen Schadstoffparameter den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 AbwAG entspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2002 – BVerwG 9 C 4.01 – Juris Rn. 19). Nach dieser Vorschrift hat der Bescheid mindestens für die in der Anlage zu § 3 unter den Nummer 1 bis 5 genannten Schadstoffe und Schadstoffgruppen die in einem bestimmten Zeitraum im Abwasser einzuhaltende Konzentration zu begrenzen (Überwachungswerte). Da § 4 Abs. 1 Satz 2 AbwAG uneingeschränkt auf die Anlage zu § 3 AbwAG verweist, genügt ein Bescheid dessen Anforderungen nur dann, wenn er mit den Regelungen der Anlage zu § 3 AbwAG in Einklang steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. April 2005 – BVerwG 9 C 4.04 – Juris Rn. 29 und Urteil vom 15. Januar 2002 – BVerwG 9 C 4.01 – a.a.O.). Diese bestimmt neben den bewerteten Schadstoffen und Schadstoffgruppen auch die anzuwendenden Verfahren zur Bestimmung der Schädlichkeit des Abwassers. Insoweit regelt Abs. 1 Satz 3 der Anlage zu § 3 AbwAG, dass den Festlegungen der (in Satz 1 enthaltenen) Tabelle die Verfahren zur Bestimmung der Schädlichkeit des Abwassers nach den angegebenen Nummern in der Anlage „Analysen- und Messverfahren“ zur Abwasserverordnung (AbwV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juni 2004 (BGBl. I S. 1108, 2625) zugrunde liegen.

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Dem entspricht die der Einleitung aus den Rückkühlwerken im Jahr 2010 zugrunde liegende wasserrechtliche Erlaubnis des Regierungspräsidiums Halle vom 03. August 2000 in der Fassung des 10. Änderungsbescheids des Beklagten vom 23. Dezember 2009 für den Parameter CSB nicht. Diese legt unter Ziffer I. 3.2.2 i.V.m. Ziffer II.1.2 insoweit einen Überwachungswert von 40 mg/l „ohne Einbeziehung der mit dem Einsatzwasser zugeführten Vorbelastung und den Eindickungsfaktoren der Kühlkreisläufe“ fest und bestimmt, dass die Vorbelastung zu messen und nachzuweisen ist. Die Nichtberücksichtigung der Vorbelastung entnommenen Wassers und von Eindickungsfaktoren ist jedoch (anders als etwa die Nichtberücksichtigung der Belastung des Abwassers durch Chlorid und Sulfat bei der Bestimmung der Fischgiftigkeit bzw. der Giftigkeit gegenüber Fischeiern in Abschnitt II 4. i.V.m. Nr. 504 bzw. Nr. 505 der Anlage zu § 4 AbwV in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung) in den Verfahren zur Bestimmung der Schädlichkeit des Abwassers in der Anlage zu § 4 AbwV nicht vorgesehen. Vielmehr ist, wenn das aus einem Gewässer unmittelbar entnommene Wasser vor seinem Gebrauch bereits eine Schädlichkeit nach § 3 Abs. 1 AbwAG (Vorbelastung) aufweist, nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AbwAG auf Antrag des Abgabepflichtigen die Vorbelastung für die in § 3 Abs. 1 AbwAG genannten Schadstoffe und Schadstoffgruppen zu schätzen und ihm die geschätzte Vorbelastung nicht zuzurechnen. Die Nichtzurechnung der Vorbelastung unmittelbar entnommenen Wassers erfolgt danach ausschließlich auf Antrag des Abgabepflichtigen und schmutzfrachtbezogen über eine Gutschrift in Schadeinheiten und kann nicht Teil der Festlegung eines Überwachungswerts gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AbwAG sein.

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Soweit nach Teil B Absatz 4 des Anhangs 31 zur AbwV in der wasserrechtlichen Zulassung die Schadstofffracht je Parameter, die in dem Wasser bei der Entnahme aus einem Gewässer vorhanden war (Vorbelastung), berücksichtigt werden kann, soweit die entnommene Fracht bei der Einleitung in das Gewässer noch vorhanden ist, ist dem dadurch Rechnung zu tragen, dass die Vorbelastung auf die betroffene Anforderung aus dem Anhang aufgeschlagen, d.h. der Überwachungswert entsprechend erhöht wird (vgl. Merkblatt Nr. 4.5/31 des Bayrischen Landesamts für Umwelt, Ziffer 4.2.1 https://www.lfu.bayern.de/wasser/merkblattsammlung/teil4_oberirdische_gewaesser/doc/nr_452_31.pdf). Dagegen lässt sich auf diese Regelung die Festlegung eines abgabenrechtlich wirksamen Überwachungswerts, der die Vorbelastung entnommenen Wassers ausblendet, nicht stützen. In diesem Falle fehlt es – ebenso wie im Falle, dass in der wasserrechtlichen Erlaubnis ein gleichwertiges Verfahren nach § 4 Abs. 2 AbwV anstatt eines Verfahrens nach der Anlage zu § 3 AbwAG festgesetzt wurde – an einer Festlegung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AbwAG (vgl. auch Köhler/Meyer, AbwAG, 2. Auflage 2006, § 4 Rn. 44 f.) Im Hinblick darauf macht der Beklagte auch ohne Erfolg geltend, die Festlegung des Überwachungswerts für den Parameter CSB unter Ziffer I. 3.2.2 der der Klägerin erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis sei bestandskräftig.

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b. An einer der Ermittlung der Schadeinheiten zugrunde zu legenden Erklärung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG fehlt es ebenfalls. Insbesondere können die Erklärungen der Klägerin über die Einhaltung geringerer Werte nach § 4 Abs. 5 AbwAG nicht in solche nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG umgedeutet werden. Für eine Umdeutung ist kein Raum, wenn hierdurch für den Betroffenen ungünstigere Rechtsfolgen eintreten. Solche Wirkungen würden sich aber bei einer Umdeutung einer Erklärung nach § 4 Abs. 5 AbwAG in eine solche nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG daraus ergeben, dass der Betroffene damit dem Sanktionssystem des § 4 Abs. 4 AbwAG ausgesetzt wäre, das im Falle einer Erklärung nach § 4 Abs. 5 AbwAG gerade nicht eingreift (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 6 AbwAG) (BVerwG, Urteil vom 20. April 2005 – BVerwG 9 C 4.04 – Juris Rn. 31).

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c. Fehlt es mithin sowohl an einem wirksamen Überwachungswert nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AbwAG als auch an einer Erklärung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG, scheidet eine Bemessung der Abgaben auf der Grundlage eines heraberklärten Werts nach § 4 Abs. 5 AbwAG von vornherein aus. Denn die Anwendbarkeit der Norm ist an das Vorliegen eines – durch Bescheid festgelegten oder aber erklärten – Werts geknüpft. Fehlt es daran, kommt naturgemäß auch eine Erklärung geringerer Werte nach § 4 Abs. 5 AbwAG nicht in Betracht. Zwar wird in § 6 Abs. 2 AbwAG eine entsprechende Anwendung des § 4 Absätze 2 bis 5 AbwAG angeordnet. Dies gilt jedoch nur insoweit, als die in Bezug genommenen Regelungen auf die verschiedenen Fälle des § 6 Abs. 1 AbwAG übertragen werden können. Dabei hat der Gesetzgeber in erster Linie an die Berücksichtigung bei den nach Satz 1 der Vorschrift erklärten Werten gedacht. Denn dadurch wird das Bescheidsystem simuliert. Dagegen ist im Falle des § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG mangels Anknüpfungspunkts für eine Heraberklärung eine solche nicht möglich (BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2002 – BVerwG 9 C 4.01 – Juris Rn. 25 f.; Zöllner in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG und AbwAG, Stand: 09/2014, § 6 AbwAG Rn. 26 m.w.N.).

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d. Ist demnach auf das höchste Messergebnis der behördlichen Überwachung im Veranlagungsjahr 2010 abzustellen, erweisen sich die vom Beklagten ermittelten, auf den Parameter CSB entfallenden Abgabenbeträge insgesamt als fehlerhaft.

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Zwar errechnen sich ausgehend von den höchsten behördlichen Messergebnissen von 28 mg/l (16. Februar 2010, RKW F 85), 25 mg/l (23. März 2010, RKW R 152) bzw. 26 mg/l (01. Februar 2010, RKW L 112) und den geschätzten Jahresschmutzwassermengen von 118.491 m³ (RKW F 85), 772.012 m³ (RKW R 152) bzw. 521.550 m³ (RKW L 119) insoweit Schadeinheiten von 66,36 SE (RKW F 85), 386,01 SE (RKW R 152) und 271,21 SE (RKW L 112). Auf diese Schadeinheiten ist jedoch die der Klägerin nicht zuzurechnende, durch den Beklagten zu schätzende Vorbelastung des den Rückkühlwerken zuzuordnenden aus der Saale unmittelbar entnommenen Wassers anzurechnen, da die Klägerin dies unstreitig fristgerecht beantragt und die für eine Schätzung erforderlichen Angaben gemacht hat. Eine entsprechende Schätzung hat der Beklagte jedoch – ausgehend von seiner Annahme, dass der von ihm in Ansatz gebrachte Überwachungswert bereits um die Vorbelastung gemindert sei – nicht vorgenommen. Fehlt es aber an einer der Behörde vorbehaltenen Schätzung im Rahmen der Abgabenermittlung, weil die Behörde den ihr insoweit zustehenden Beurteilungsspielraum nicht erkannt hat, ist die Abgabenermittlung insoweit rechtswidrig und kann nicht Grundlage einer Abgabenfestsetzung sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2002 – BVerwG 9 C 4.01 – Juris Rn. 36).

36

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass unter Zugrundelegung der vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft ermittelten mittleren Schadstoffkonzentration der Saale für den Parameter CSB von 20,866667 mg/l (Stellungnahme vom 27. Mai 2011, S. 223 Beiakte A) und der den Rückkühlwerken zuzuordnenden, von der Klägerin angegebenen und vom Beklagten im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Jahresschmutzwassermengen die CSB-Schmutzfracht des entnommenen Wassers diejenige der Einleitung übersteigt und daher der Parameter CSB nicht abgaberelevant ist. In Schadeinheiten ausgedrückt belief sich die Vorbelastung danach nämlich auf 191,04 SE (RKW F 85), 812,99 SE (RKW R 152) bzw. 593,09 SE (RKW L 119).

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2. Der Abgabenberechnung für die Parameter Phosphor und AOX hat der Beklagte zutreffend nicht die von der Klägerin erklärten geringeren Werte zugrunde gelegt.

38

Erklärt der Einleiter gegenüber der zuständigen Behörde, dass er im Veranlagungszeitraum während eines bestimmten Zeitraums, der nicht kürzer als drei Monate sein darf, einen niedrigeren Wert als den im Bescheid nach Absatz 1 festgelegten Überwachungswert einhalten wird, so ist die Zahl der Schadeinheiten gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 AbwAG für diesen Zeitraum nach dem erklärten Wert zu ermitteln. Die Abweichung muss mindestens 20 vom Hundert betragen. Die Erklärung, in der die Umstände darzulegen sind, auf denen sie beruht, ist mindestens zwei Wochen vor dem beantragten Zeitraum abzugeben (§ 4 Abs. 5 Sätze 2 und 3 AbwAG). Die Einhaltung des erklärten Werts ist entsprechend den Festlegungen des Bescheids für den Überwachungswert durch ein behördlich zugelassenes Messprogramm nachzuweisen; die Messergebnisse der behördlichen Überwachung sind in die Auswertung des Messprogramms mit einzubeziehen. Wird die Einhaltung des erklärten Wertes nicht nachgewiesen oder ergibt die behördliche Überwachung, dass ein nach Absatz 1 der Abgabenberechnung zugrunde zu legender Überwachungswert oder eine Festlegung nach Absatz 4 Satz 6 nicht eingehalten ist oder nicht als eingehalten gilt, finden die Absätze 1 bis 4 Anwendung (§ 4 Abs. 5 Sätze 5 und 6 AbwAG).

39

Nach diesen Regelungen setzt die Bemessung der Abwasserabgabe nach der Heraberklärung des Einleiters den Nachweis der Einhaltung der erklärten Werte anhand des behördlich zugelassenen Messprogramms (unter Einbeziehung der behördlichen Überwachungsergebnisse) voraus. Einen derartigen Nachweis hat die Klägerin nicht erbracht, da sie den Nachweis der Einhaltung der hinsichtlich der Parameter Phosphor und AOX erklärten Werte nicht unter Anwendung des vom Beklagten zugelassenen Messprogramms geführt hat.

40

Der Beklagte hat mit Bescheiden vom 11. Januar 2010, vom 15. März 2010, vom 15. Juni 2010 und vom 20. September 2010 für die einzelnen Quartale des Jahres 2010 das von der Klägerin auf den landeseinheitlichen Vordrucken jeweils beantragte Messprogramm antragsgemäß zugelassen und insoweit die Seiten 1 und 2 des Vordrucks zu Bestandteilen der Zulassungsbescheide erklärt (Ziffer 2 der Zulassungsbescheide) sowie nochmals ausdrücklich auf die Nummern 1 bis 5 der Seite 2 des Vordrucks Bezug genommen. In den Zulassungsbescheiden heißt es insoweit unter Ziffer 4:

41

„Das Messprogramm wird, wie unter Nr. 1 bis 5, Seite 2/3, des Vordrucks 5 beantragt, genehmigt.“

42

Nummer 4 des Vordrucks lautet wiederum:

43

„4. Analysenverfahren

44

Die Analysen werden nach den in der Anlage zu § 3 des AbwAG aufgeführten Verfahren durchgeführt“.

45

Damit sind Gegenstand des vom Beklagten jeweils zugelassenen Messprogramms ausschließlich die Analysenverfahren geworden, die in der Anlage zu § 3 AbwAG aufgeführt sind.

46

Die Zulassungsbescheide können nicht dahingehend ausgelegt werden, dass auch andere vergleichbare oder gleichwertige Verfahren im Sinne des § 4 Abs. 2 AbwV im Rahmen des Messprogramms zugelassen werden. Der Regelungsgehalt des Bescheids bestimmt sich nach dem objektiven Empfängerhorizont, d.h. danach, wie die behördliche Entscheidung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – BVerwG 3 C 7.13 – Juris Rn. 18). Bei objektiver Betrachtung aus der Sicht der Klägerin können die Zulassungsbescheide aber einzig dahin verstanden werden, dass nur die in der Anlage zu § 3 AbwAG benannten Analysenverfahren innerhalb des Messprogramms zugelassen werden. Durch die ausdrückliche Bezugnahme auf Nr. 4 der Seite 2 des landeseinheitlichen Vordrucks, unter der allein die vorgenannten und gerade keine anderen vergleichbaren oder gleichwertigen Verfahren aufgeführt sind, und die bei der Antragstellung durch die Klägerin insoweit auch nicht abgeändert oder um weitere Verfahren ergänzt worden ist, ist klar und eindeutig bestimmt, dass nur die genannten Verfahren von der behördlichen Zulassung erfasst werden. Unklarheiten des von der Klägerin verwendeten und von den Zulassungsbescheiden des Beklagten in Bezug genommenen Vordrucks, die eine andere Auslegung zu Lasten des Beklagten rechtfertigten, liegen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor. Der Vordruck sieht vielmehr unmissverständlich ausschließlich die Verwendung der in der Anlage zu § 3 des AbwAG aufgeführten Analysenverfahren vor. Dies beruhte auf der damaligen Rechtsauffassung des Beklagten, dass auch im Rahmen des § 4 Abs. 5 AbwAG allein diese Analysenverfahren Anwendung finden könnten. Vor diesem Hintergrund und mit Blick darauf, dass auch im Rahmen des Ordnungsrechts die Verwendung gleichwertiger statt der in § 4 Abs. 1 AbwV aufgeführten Analysen- und Messverfahren eine ausdrückliche Regelung in der wasserrechtlichen Erlaubnis erfordert (§ 4 Abs. 2 AbwV), und die gleichwertigen Verfahren nicht schon allein wegen ihrer „Gleichwertigkeit“ angewandt werden können, scheidet nach dem objektiven Empfängerhorizont eine andere Auslegung als die dargestellte aus. Dass im Rahmen der (ordnungsrechtlichen) Eigenüberwachung nach der Eigenüberwachungsverordnung vom 25. Oktober 2010 (GVBl. LSA S. 526) auch andere Mess- und Analysenverfahren Anwendung finden können und von der Klägerin mit Kenntnis des Beklagten angewandt werden, ändert an dem gefundenen Ergebnis nichts, weil nicht die (ordnungsrechtliche) Eigenüberwachung nach der Eigenüberwachungsverordnung in Rede steht, sondern ein abgabenrechtlich relevanter Nachweis der Einhaltung geringer erklärter Werte, der an die Durchführung eines gesondert von der Behörde zuzulassenden Messprogramms geknüpft ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestand angesichts der unzweideutigen exakten Aufführung der Analysenverfahren in den von den Zulassungsbescheiden in Bezug genommenen Vordrucken auch keine Aufklärungs- oder Beratungspflicht hinsichtlich der im Rahmen der Messprogramme zugelassenen Analysenverfahren.

47

Soweit die Klägerin darauf verweist, dass nach § 4 Abs. 5 Satz 5 AbwAG die Einhaltung des erklärten Werts „entsprechend den Festlegungen des Bescheids für den Überwachungswert“ nachzuweisen sei und in der wasserrechtlichen Erlaubnis des Regierungspräsidiums Halle vom 03. August 2000 auf die Anlage 1 zur Eigenüberwachungsverordnung Bezug genommen werde, macht dies zum einen die gesonderte behördliche Zulassung des Messprogramms nicht entbehrlich. Zum anderen handelt es sich bei den Regelungen der wasserrechtlichen Erlaubnis zur Eigenüberwachung nicht um Festlegungen des Bescheids für den Überwachungswert. Darunter sind nämlich die abgabenrechtlichen und nicht die ordnungsrechtlichen Festlegungen zu verstehen. § 4 Abs. 5 Satz 5 AbwAG knüpft insoweit an § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AbwAG an, wonach sich die Ermittlung der Zahl der Schadeinheiten nach den „Festlegungen des die Abwassereinleitung zulassenden Bescheids“ errechnet und der Bescheid hierzu mindestens die näher definierten Überwachungswerte festzulegen hat.

48

Dass im Rahmen der staatlichen Überwachung der Parameter CSB und Stickstoff (als Summe der Einzelbestimmungen aus Nitratstickstoff, Nitritstickstoff und Ammoniumstickstoff) abweichend von der Anlage zu § 3 AbwAG auch die Verfahren zur Bestimmung des organisch gebundenen Sauerstoffs (TOC) und des gesamten gebundenen Stickstoffs (TNb) nach Nr. 305 bzw. Nr. 306 der Anlage zu § 4 AbwV Anwendung finden, gründet darin, dass nach § 6 Abs. 3 AbwV ein in der wasserrechtlichen Zulassung festgesetzter Wert für den Chemischen Sauerstoffbedarf (CSB) unter Beachtung von Absatz 1 auch dann als eingehalten gilt, wenn der vierfache Wert des gesamten organisch gebundenen Sauerstoffs (TOC), bestimmt in Milligramm je Liter, diesen Wert nicht überschreitet, bzw. dass nach Teil C Abs. 1 Nr. 2 des Anhangs 22 zur AbwV der festgesetzte Wert für Stickstoff als Summe von Ammonium-, Nitrit- und Nitratstickstoff auch als eingehalten gilt, wenn er, bestimmt als „gesamter gebundener Stickstoff (TNb)“ eingehalten wird. Aus diesen die Auswertung von Ersatzparametern betreffenden speziellen Einhaltensfiktionsregelungen für die Parameter CSB und Stickstoff – die zum behördlichen Nachweis der Überschreitung der Überwachungswerte nicht herangezogen werden können – lässt sich aber nichts dafür gewinnen, dass der Klägerin der Nachweis der Einhaltung der heraberklärten Werte auch durch andere – vergleichbare bzw. gleichwertige – Analysen- und Messverfahren nachgelassen ist.

49

Die sonach seitens des Beklagten zugelassenen, in der Anlage zu § 3 des AbwAG benannte Analysenverfahren für die Parameter Phosphor und AOX hat die Klägerin jedoch unstreitig nicht angewandt und daher den Nachweis der Einhaltung der heraberklärten Werte nicht anhand des zugelassenen Messprogramms geführt.

50

Dass sich mit den von der Klägerin angewandten Küvettentests nach ihrem Vortrag gleichwertige Ergebnisse erzielen lassen und diese als Betriebsmethoden nach dem Erlass des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt vom 05. März 2014 (MBl. LSA S. 125) grundsätzlich Gegenstand eines zuzulassenden Messprogramms sein können, ist unerheblich. Maßgeblich ist nach der das Abwasserabgabenrecht beherrschenden Formstrenge allein, ob der Nachweis der Einhaltung der heraberklärten Werte mit dem behördlich zugelassenen Messprogramm geführt worden ist. Daher ist es auch nicht von Belang, ob durch die Anwendung des zugelassenen Verfahrens im konkreten Einzelfall ein anderes Ergebnis zu erwarten gewesen wäre oder dies ausgeschlossen werden kann. Nicht anders verhielte es sich auch im umgekehrten Fall, wenn die behördliche Überwachung unter Anwendung lediglich eines gleichwertigen Verfahrens eine Überwachungswertüberschreitung ergäbe. Auch in diesem Falle wäre das behördliche Ergebnis unabhängig davon nicht verwertbar, ob im konkreten Fall die Einhaltung des maßgeblichen Wertes auch bei Verwendung der Analysenverfahren nach der Anlage zu § 3 AbwAG ausgeschlossen werden könnte. Ebenso scheidet die Veranlagung nach den heraberklärten Werten aus, wenn die Erklärungsfrist nach § 4 Abs. 5 Satz 3 AbwAG nicht eingehalten worden ist, oder die Umstände, auf denen die Erklärung beruht, nicht dargelegt wurden. Auch in diesen Fällen führt allein der formale Mangel unabhängig von einem materiellen Nachweis zur Unbeachtlichkeit der Heraberklärung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 05. Januar 1999 – BVerwG 8 B 153/98 – Juris Rn. 5; VG Bayreuth, Urteil vom 29. April 2015 – B 4 K 14.45 – Juris Rn. 28, 30).

51

II. Soweit der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid eine Abwasserabgabe für die Einleitung aus der Kläranlage (FA-Kanal) in Höhe von 991.342,88 festgesetzt hat, ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

52

Der Beklagte hat die Abwasserabgabe zutreffend auf der Grundlage der §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 5, 9 Abs. 1, 4 und 5 AbwAG nach den in der der Klägerin erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis des Regierungspräsidiums Halle vom 03. August 2000 in der Fassung des 10. Änderungsbescheids des Beklagten vom 23. Dezember 2009 festgelegten Überwachungswerten und der Jahresschmutzwassermenge festgesetzt bzw. hinsichtlich des Parameters Quecksilber für das zweite bis vierte Quartal 2010 die heraberklärten Werte der Klägerin zugrunde gelegt.

53

Eine weitergehende Berücksichtigung der seitens der Klägerin erklärten geringeren Werte ist weder bezüglich der Parameter CSB, Phosphor, Stickstoff und AOX (dazu 1.) noch in Bezug auf den Parameter Quecksilber (dazu 2.) gerechtfertigt. Auch scheidet eine Nichtzurechnung der Vorbelastung des der Saale entnommenen und dem Ablauf der Kläranlage zuzuordnenden Wassers aus (dazu 3.).

54

1. Die erklärten Werte für die Parameter CSB, Phosphor, Stickstoff und AOX sind der Abgabenberechnung nicht zugrunde zu legen, weil die Klägerin zum Nachweis ihrer Einhaltung nicht die in der Anlage zu § 3 des AbwAG aufgeführten Analysenverfahren angewandt und daher den Nachweis der Einhaltung der Werte nicht mit dem jeweils zugelassenen Messprogramm geführt hat. Insoweit wird auf die Ausführungen unter I.2. Bezug genommen, die entsprechend gelten.

55

2. Ebenso wenig hat die Klägerin die Einhaltung des erklärten Werts für den Parameter Quecksilber im ersten Quartal 2010 mit dem zugelassenen Messprogramm nachgewiesen. Nach dem vom Beklagten antragsgemäß mit Bescheid vom 11. Januar 2011 zugelassenen Messprogramm waren fünf Probenahmen zu verschiedenen Tageszeiten durchzuführen, wobei eine Probenahme auf den 11. März 2010 um 13.00 Uhr entfiel. Ausweislich der unter dem 25. März 2011 eingereichten Unterlagen der Klägerin wurde eine Probenahme jedoch nicht zu diesem Termin, sondern am 11. März 2010 um 12.00 Uhr durchgeführt.

56

Für die Behauptung, es handele sich möglicherweise um einen Schreibfehler, ist die Klägerin einen Beweis schuldig geblieben. Hiergegen spricht zudem der Umstand, dass der Termin der Probenahme auch für alle anderen überwachten Messstellen angegeben wurde.

57

Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand, die zeitliche Abweichung vom Probenahmetermin um eine Stunde sei vernachlässigbar, weil sich die Abwasserparameter aufgrund der technologischen Umstände der Abwasserbehandlungsanlage innerhalb so kurzer Zeit nicht ändern könnten. Wird eine Probenahme nicht zu dem zugelassenen Zeitpunkt, sondern abweichend davon zu einem – und sei es auch nur um eine Stunde – früheren Zeitpunkt durchgeführt, ist der Nachweis der Einhaltung der erklärten Werte mit dem behördlich zugelassenen Messprogramm nicht geführt. Ob die Probenahme zu dem zugelassenen Termin ein anderes Ergebnis hätte erwarten lassen oder ob dies ausgeschlossen werden kann, ist ebenso wie in den Fällen, in denen ein anderes als das zugelassene Analysenverfahren verwendet wird, unerheblich.

58

Die Nachweisführung an das beantragte und antragsgemäß behördlich zugelassene Messprogramm zu knüpfen ist weder unangemessen noch unzumutbar und daher entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht unverhältnismäßig.

59

Die Klägerin kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass der erklärte Wert jedenfalls als eingehalten gelte. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwV, der – soweit ersichtlich – nach einhelliger Auffassung in Schrifttum und Rechtsprechung auch für den heraberklärten Wert heranzuziehen ist (Köhler/Meyer, AbwAG, 2. Auflage 2006, § 4 Rn. 401; OVG Münster, Beschluss vom 04. Juni 2008 – 9 A 1175/08 – Juris Rn. 3), gilt ein nach der Verordnung festgesetzter Wert als eingehalten, wenn er zwar nach dem Ergebnis einer Überprüfung im Rahmen der staatlichen Überwachung nicht eingehalten ist, jedoch die Ergebnisse dieser und der vier vorausgegangenen staatlichen Überprüfungen in vier Fällen jeweils den maßgebenden Wert nicht überschreiten und kein Ergebnis den Wert um mehr als 100 Prozent übersteigt. Im Rahmen des § 4 Abs. 5 AbwAG sind dabei die behördlichen Messergebnisse einzubeziehen (§ 4 Abs. 5 Satz 5 2. Halbsatz AbwAG) und nur die Werte im jeweiligen Erklärungszeitraum zu berücksichtigen (Köhler/Meyer, AbwAG, 2. Auflage 2006, § 4 Rn. 401; OVG Münster, Beschluss vom 04. Juni 2008 – 9 A 1175/08 – Juris Rn. 5).

60

Diese sog. 4 aus 5 – Regel betrifft die Bewertung ordnungsgemäß ermittelter Daten im Rahmen der staatlichen Überwachung bzw. im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 AbwAG innerhalb des zugelassenen Messprogramms und setzt die Ermittlung des erklärten Werts durch das behördlich zugelassene Messprogramm voraus. Nur für den Fall, dass das Messprogramm entsprechend der behördlichen Zulassung durchgeführt wurde, kann ein insoweit ermittelter Wert, der über dem erklärten Wert liegt, nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwV als eingehalten gelten. Fehlt es dagegen an der ordnungsgemäßen Durchführung des zugelassenen Messprogramms, ist für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwV kein Raum (Köhler/Meyer, AbwAG, 2. Auflage 2006, § 4 Rn. 401). Ist ein nach dem Messprogramm zu ermittelnder, verwertbarer Wert nicht vorhanden – etwa weil nicht die zugelassenen Analysenmethoden verwendet wurden oder weil die Messung nicht zu dem vorgeschriebenen Termin erfolgte – lässt insbesondere nicht feststellen, ob der einzuhaltende erklärte Wert um mehr als 100 Prozent überschritten wurde, was aber Voraussetzung für die Einhaltensfiktion des § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwV ist.

61

3. Der Beklagte hat schließlich die Vorbelastung des der Saale entnommenen Wassers im Rahmen der Berechnung der Abgabe zu Recht unberücksichtigt gelassen, weil die Klägerin die insoweit notwendigen Angaben zur Schätzung der Vorbelastung gegenüber dem Beklagten nicht innerhalb der Erklärungsfrist gemacht hat.

62

Gemäß § 9 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt zum Abwasserabgabengesetz vom 25. Juni 1992 (GVBl. LSA S. 580) in der im Jahr 2010 geltenden Fassung der Änderung durch das Gesetz vom 20. Dezember 2005 (GVBl. LSA S. 769) – AG AbwAG – hat der Abgabepflichtige der zuständigen Wasserbehörde in den nicht von Absatz 1 (Niederschlagswassereinleitungen und Kleineinleitungen) erfassten Fällen die zur Ermittlung der Zahl der Schadeinheiten erforderlichen Angaben zu machen und die dazugehörigen Unterlagen einzureichen (Abgabeerklärung). Die Erklärungen und Unterlagen sind nach § 9 Abs. 3 AG AbwAG bis spätestens zum 31. März des dem Veranlagungsjahr folgenden Kalenderjahr vorzulegen. Diese Regelungen erfassen die Fälle der Minderung der Schadeinheiten bei Nachklärteichen (§ 3 Abs. 3 AbwAG, § 2 AG AbwAG), des Nachweises der heraberklärten Werte (§ 4 Abs. 5 AbwAG) und die hier streitige Anrechnung der Vorbelastung nach § 4 Abs. 3 AbwAG, die nach dieser Norm auf Antrag des Abgabepflichtigen für die in § 3 Abs. 1 AbwAG genannten Schadstoffe und Schadstoffgruppen zu schätzen und ihm nicht zuzurechnen ist, wenn das aus einem Gewässer unmittelbar entnommene Wasser vor seinem Gebrauch bereits eine Schädlichkeit nach § 3 Abs. 1 AbwAG aufweist. Insoweit hat der Landesgesetzgeber von der bundesrechtlichen Ermächtigung nach § 11 Abs. 3 AbwAG Gebrauch gemacht, wonach die Länder bestimmen können, dass der Abgabepflichtige auch in anderen Fällen als denen der Niederschlagswasser- und Kleineinleitungen die Zahl der Schadeinheiten des Abwassers zu berechnen, die für eine Schätzung erforderlichen Angaben zu machen und die dazugehörigen Unterlagen der zuständigen Behörde vorzulegen hat.

63

Danach oblag es der Klägerin – um für das Veranlagungsjahr 2010 die Nichtzurechnung der geschätzten Vorbelastung zu erreichen – bis zum 31. März 2011 beim Beklagten einen entsprechenden Antrag zu stellen und die zur Schätzung der Vorbelastung erforderlichen Angaben zu machen.

64

Dem ist sie jedoch nicht nachgekommen. Sie hat zwar am 29. März 2011 beim Beklagten die Nichtzurechnung der Vorbelastung aus der Saale unmittelbar entnommenen Wassers beantragt und insoweit die insgesamt entnommene Wassermenge von knapp 21 Mio. m³ mitgeteilt. Sie hat jedoch – anders als für die Einleitstellen RKW F 85, RKW R 152 und RKW L 119 – nicht angegeben, welcher Teil der entnommenen Gesamtwassermenge dem Ablauf der Kläranlage (Einleitstelle FA-Kanal) zuzuordnen ist. Auf den entsprechenden Hinweis und die Bitte des Beklagten um Ergänzung der Angaben in der Mail vom 30. März 2011 hat die Klägerin nicht reagiert, sondern erstmals im gerichtlichen Verfahren mitgeteilt, dass auf den Ablauf der Kläranlage eine Wassermenge von 404 m³/h (entspricht einer Jahresmenge von 3,539 Mio. m³) entfalle.

65

Die auf die jeweilige Einleiststelle entfallende Wasserentnahmemenge gehört zu den zwingenden Angaben, die zur Schätzung der dem Abgabepflichtigen nicht zuzurechnenden Vorbelastung an Schmutzfracht und insoweit zur Ermittlung der Zahl der Schadeinheiten erforderlich sind und ohne die eine Schätzung der Vorbelastung mangels hinreichender Schätzungsgrundlage ausscheidet.

66

Die Bestimmung des § 4 Abs. 3 Satz 1 AbwAG hat den erkennbaren Zweck zu verhindern, dass der Abgabenpflichtige eine Abwasserabgabe auch in Bezug auf eine solche Belastung des Wassers zahlt, die er vor dem Gebrauch des Wassers bereits vorgefunden hat, und ist Ausdruck des Verursacherprinzips. Sie ist ihrem Sinn und Zweck nach (einschränkend) dahin auszulegen, dass eine Nichtzurechnung der Vorbelastung nur erfolgt, soweit sich die im entnommenen Wasser enthaltene Schmutzfracht nach dem Betriebsablauf noch im wiedereingeleiteten Wasser wiederfinden kann (OVG B-Stadt-Brandenburg, Beschluss vom 26. März 2012 – OVG 9 N 38.11 – Juris Rn. 10, 13, 14). Wird ein Teil des entnommenen Wassers mitsamt Schmutzfracht an einen Dritten weitergereicht, kann daher nur eine anteilige Nichtzurechnung der Vorbelastung erfolgen. Dasselbe gilt, soweit die im entnommenen Wasser enthaltene Schmutzfracht über mehrere Einleitstellen des Abgabepflichtigen einem Gewässer wieder zugeführt wird. Auch insoweit kann nicht die gesamte entnommene Wassermenge im Rahmen der Schätzung der Vorbelastung und deren Nichtzurechnung für jede Einleitstelle in vollem Umfang, sondern nur anteilig Berücksichtigung finden. Daher bedarf es in diesen Fällen der Angabe der der jeweiligen Einleitstelle zuzuordnenden Menge des unmittelbar entnommenen Wassers.

67

Da die Klägerin bis zum 31. März 2011 keine Angaben zu der dem Ablauf der Kläranlage zuzuordnenden Menge des aus der Saale entnommenen Wassers gemacht und dem Beklagten die notwendige Schätzungsgrundlage nicht geliefert hat, hat der Beklagte zu Recht von einer Nichtzurechnung der Vorbelastung abgesehen. Die Frist des § 9 Abs. 3 AG AbwAG dient dem effektiven Verwaltungsvollzug im Massengeschäft der Abgabenerhebung. Dieser Zweck lässt sich hinsichtlich der in § 9 Abs. 2 AG AbwAG geregelten Fälle nur dann erreichen, wenn die nicht fristgerecht eingereichten Erklärungen und Unterlagen unberücksichtigt bleiben (so nunmehr ausdrücklich § 9 Abs. 5 Satz 1 AG AbwAG in der seit dem 28. März 2013 geltenden Fassung des Gesetzes vom 21. März 2013 (GVBl. S. 116). Die von § 9 Abs. 2 AG AbwAG erfassten Fälle sind nämlich dadurch gekennzeichnet, dass sie eine Abgabenminderung zum Gegenstand haben, zu deren Geltendmachung die Abgabepflichtigen nicht verpflichtet sind. Vielmehr steht es den Abgabepflichtigen frei, ob sie von der „Vergünstigung“ Gebrauch machen oder nicht. Daher droht ihnen bei Versäumnis der Frist des § 9 Abs. 3 AG AbwAG weder ein Zwangsmittel- noch ein Ordnungswidrigkeitsverfahren oder die Festsetzung von Verspätungszuschlägen (vgl. §§ 14 Abs. 1 Nr. 1, 11 Abs. 1 Nr. 3 AG AbwAG i.V.m. § 152 Abs. 1 bis 3 AO), wie dies in den Fällen des § 9 Abs. 1 AG AbwAG der Fall ist. Könnten die Abgabeerklärungen nach § 9 Abs. 2 AG AbwAG auch noch nach Ablauf der Frist des § 9 Abs. 3 AG AbwAG eingereicht werden, liefe diese Frist und auch die Regelung des § 9 Abs. 5 AG AbwAG, die eine Verlängerung der Frist nur unter besonderen Voraussetzungen in einzelnen Fällen ermöglicht, leer und hätte keinerlei Bedeutung.

68

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.


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