Beschluss vom Verwaltungsgericht Hamburg (15. Kammer) - 15 E 3047/15
Tenor
Der Antrag vom 29. Mai 2015 auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin nach einem Streitwert von 1.200 €.
Gründe
I.
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Die Antragstellerin, eine Rechtsanwältin, begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen eine Fahrtenbuchauflage.
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Am 4. Juli 2014 um 18:05 Uhr überschritt ausweislich des Fahrerfotos ein männlicher Fahrer mit dem auf die Antragstellerin zugelassenen Fahrzeug des Typs Mercedes Benz, amtliches Kennzeichen HH-..., in der Gemarkung E auf der B 209, km 22,475, in Fahrtrichtung Soltau die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 29 km/h. Zulässig waren 80 km/h, festgestellt wurde nach Toleranzabzug eine Geschwindigkeit von 109 km/h.
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Mit Schreiben vom 16. Juli 2014 und Erinnerungsschreiben vom 15. August 2014 forderte der Landkreis Lüneburg die Antragstellerin als Zeugin im Ordnungswidrigkeitsverfahren Az. ... auf, den für die Geschwindigkeitsübertretung verantwortlichen Fahrer ihres Fahrzeugs zu benennen.
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Mit Schreiben vom 26. August 2014 teilte die Antragstellerin dem Landkreis Lüneburg mit, dass sie die Verteidigerin des Fahrzeugführers sei und sich deshalb auf ihr anwaltliches Zeugnisverweigerungsrecht berufe.
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Mit Schreiben vom 3. September 2014 ersuchte der Landkreis Lüneburg die Antragsgegnerin, die Halterin des Kraftfahrzeugs nach dem Fahrer zu befragen.
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Am 5. September 2014 suchte ein Bediensteter des Polizeikommissariats 33 die Meldeanschrift der Antragstellerin auf. Dort waren weder die Antragstellerin noch ein Nachbar anzutreffen. Mit Schreiben vom gleichen Tage lud die Antragsgegnerin zwecks Fahrerermittlung die Antragstellerin für den 11. September 2014 um 10:15 Uhr zur Zeugenvernehmung vor. Die Vorladung blieb erfolglos.
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Am 12. September 2014 begab sich der Bedienstete erneut zur Wohnung der Antragstellerin und traf eine Nachbarin an, die den Fahrer auf dem Foto aber nicht erkannte. Sodann öffnete die Antragstellerin die Tür und bat den Bediensteten herein. Sie berief sich abermals auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht, weil es sich beim Fahrer um einen Mandanten handele, und sagte aus, sie habe die Vorladung vom 5. September 2014 nicht erhalten, da sie ihren Briefkasten nur unregelmäßig leere.
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Am 7. Oktober 2014 stellte der Landkreis Lüneburg das Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den unbekannt gebliebenen Fahrer ein.
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Mit Bescheid vom 21. April 2015, zugestellt am 24. April 2015, ordnete die Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen HH-... oder ein an dessen Stelle verwendetes Fahrzeug ab dem 12. Mai 2015 für einen Zeitraum von 6 Monaten eine Fahrtenbuchauflage an. Für den Fall, dass beim Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs beantragt werde, beginne abweichend hiervon der Zeitraum der Führung des Fahrtenbuches zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft einer ablehnenden Eilentscheidung. Das Fahrtenbuch sei in der 35., 44. und 53. Kalenderwoche des Jahres 2015 beim zuständigen Polizeikommissariat 33 vorzulegen. Zudem wurde für den Fall, dass kein oder kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorgelegt werde, ein Zwangsgeld in Höhe von 500 € festgesetzt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass mit dem Fahrzeug am 4. Juli 2014 die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 80 km/h um 29 km/h, also um mehr als 30 %, überschritten worden sei. Dies stelle einen schwerwiegenden Verstoß gegen der Verkehrssicherheit dienende Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung dar, der eine Fahrtenbuchauflage rechtfertige. Die Feststellung der Identität des verantwortlichen Fahrzeugführers sei den Ermittlungsbehörden nicht möglich gewesen. Weitere Ermittlungen seien von der Polizei nicht zu verlangen. Die Ermittlungen hätten sich an den Aussagen und Einwänden des Betroffenen auszurichten. Die Antragstellerin habe die Pflicht gehabt, an der Fahrerermittlung mitzuwirken. Sie habe jedoch keine Stellungnahme zu dem Verkehrsverstoß abgegeben, die Ansatz für weitere Ermittlungen hätte geben können. Aufgrund ihres Verhaltens sei zu befürchten, dass bei einem erneuten Verkehrsverstoß mit ihrem Fahrzeug der Fahrer wiederum nicht festgestellt werden könne. Um dieses zu vermeiden, sei eine Fahrtenbuchauflage der hier verfügten Dauer ein angemessenes und zumutbares Mittel. Ferner ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung des Bescheides an: Angesichts des erheblichen Gefährdungspotenzials des zu Grunde liegenden Verkehrsverstoßes erscheine es im Interesse der Verkehrssicherheit als nicht sachgerecht, wenn das Fahrtenbuch erst nach Unanfechtbarkeit des Bescheides zu führen wäre. Denn im Interesse der Allgemeinheit und der Gefahrenabwehr für andere Verkehrsteilnehmer sei es unabdingbar, den verantwortlichen Fahrzeugführer unverzüglich ermitteln zu können.
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Am 22. Mai 2015 legte die Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin Widerspruch ein: Der für die Geschwindigkeitsüberschreitung verantwortliche Fahrer sei Herr a gewesen, den sie aufgrund ihrer Eigenschaft als seine Verteidigerin nicht habe benennen können. Insoweit berufe sie sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 S. 1 StPO. Andernfalls hätte sie sich gegenüber ihren Mandanten wegen Verletzung ihrer Pflichten aus dem Mandatsverhältnis haftbar gemacht. Außerdem könne sich der Verdacht des Parteiverrats und der Verletzung von Geheimnissen ergeben. Eine Offenlegung der Person des Fahrzeugführers sei daher nicht in Betracht gekommen. Da sie sich nur rechtmäßig verhalten habe, könne sie nicht mit einer Fahrtenbuchauflage belegt werden.
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Am 29. Mai 2015 hat die Antragstellerin beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. April 2015 wiederherzustellen. Zur Begründung wiederholt sie ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend macht sie geltend, dass ihr Widerspruch leerlaufen würde, wenn die sofortige Vollziehung, an der es jedenfalls kein vorrangiges öffentliches Interesse gebe, nicht ausgesetzt würde.
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Die Antragsgegnerin tritt dem Begehren entgegen und macht geltend: Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechte stünden der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage nicht entgegen, da es sich um eine präventive Maßnahme handele, um künftige Verstöße gegen Vorschriften des Straßenverkehrs zu ahnden und zu verhindern. Die Fahrtenbuchanordnung umgehe weder das Zeugnisverweigerungsrecht, noch höhle es dieses aus, da ein Zeugnisverweigerungsrecht im Ordnungswidrigkeitsverfahren respektiert werde. Im Übrigen erstrecke sich das Zeugnisverweigerungsrecht einer Rechtsanwältin gar nicht auf ihre private Sphäre, der die Nutzungsüberlassung ihres Fahrzeugs an einen Dritten zuzuordnen sei.
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Hierauf erwidert die Antragstellerin, dass sie nicht ihr privates Fahrzeug an einen Dritten überlassen habe. Vielmehr habe es sich um das betriebliche Fahrzeug gehandelt, dass ihre Anwaltskanzlei zur ständigen Nutzung an einen Mitarbeiter im Rahmen seines Arbeitsvertrages überlassen habe. Das Zeugnisverweigerungsrecht erstrecke sich hier eindeutig auf den Namen des Fahrzeugführers, da ihm dieser in Ausübung ihrer anwaltlichen Tätigkeit bekannt geworden sei. Als sie den betroffenen Mitarbeiter nach Eingang des Zeugenfragebogens auf den Vorgang angesprochen habe, habe dieser sie beauftragt, ihn in dem eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahren zu vertreten. Diesen Auftrag habe sie angenommen, so dass sie bezüglich seiner Person als Täter der Ordnungswidrigkeit der anwaltlichen Schweigepflicht unterliege. Im Übrigen erscheine es als unzulässig, dass bei einem Dienstfahrzeug, das ausdrücklich nur von einem Mitarbeiter genutzt werde, die Fahrtenbuchauflage gegenüber dem Halter verhängt werde. Ihr Mitarbeiter sei auch berechtigt, das Fahrzeug für private Fahrten zu nutzen. Hiernach könne sie jedoch nicht fragen, da dies eine unzulässige Ausspähung der Privatangelegenheiten des Mitarbeiters wäre und damit einen Verstoß gegen den Datenschutz und das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit des Mitarbeiters darstelle. Im Übrigen sei durch nichts erwiesen, dass ein Fahrtenbuch tatsächlich Gefahren vom Straßenverkehr abwenden könne.
II.
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Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, hat aber sowohl hinsichtlich der Fahrtenbuchauflage (unten 1.) als auch hinsichtlich der Zwangsgeldfestsetzung (unten 2.) in der Sache keinen Erfolg.
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1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrtenbuchauflage ist formell rechtmäßig (unten a.). Auch überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs (unten b.).
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a. Die Antragsgegnerin hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrtenbuchauflage den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechend begründet. Angesichts des Gewichts des zugrunde liegenden Verkehrsverstoßes und der Gefahren, die von solchen – mangels Ermittlung des Fahrzeugführers nicht sanktionierten – Verstößen für die Sicherheit des Straßenverkehrs und die körperliche Unversehrtheit der Verkehrsteilnehmer ausgehen, musste die Antragsgegnerin nicht stärker auf die Umstände des konkreten Einzelfalls eingehen (vgl. entsprechend OVG Hamburg, Beschluss vom 22.5.2013, 4 Bs 122/13; vgl. ähnlich BayVGH, Beschluss vom 30.8.2011, 11 CS 11.1548, juris Rn. 36 ff.).
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b. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich veranlassten summarischen Prüfung überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse der Antragstellerin daran, bis auf weiteres kein Fahrtenbuch führen zu müssen. Die angefochtene Fahrtenbuchauflage ist aller Voraussicht nach rechtmäßig (unten aa.). Zudem besteht ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrtenbuchauflage (unten bb.).
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aa. Die angegriffene Verfügung wird aller Voraussicht nach im Hauptsacheverfahren Bestand haben.
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Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, ist eine Maßnahme zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs. Mit ihr soll in Ergänzung der Zulassungs- und Kennzeichnungspflicht dafür Sorge getragen werden, dass anders als in dem Fall, der Anlass zur Auferlegung eines Fahrtenbuchs gegeben hat, künftig die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich ist (vgl. grundlegend bereits BVerwG, Urteil vom 23.4.1971, VII C 66.70, juris Rn. 12). Sofern die Antragstellerin demgegenüber Zweifel daran äußert, dass eine Fahrtenbuchauflage die Verkehrssicherheit steigern könne, hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Grundsatzentscheidung vom 7. Dezember 1981 (2 BvR 1172/81, NJW 1982, 568, juris Rn. 5) solche als abwegig erachtet, da die Vorlage eines Fahrtenbuches regelmäßig den verantwortlichen Fahrer ausweisen könne. Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 31a StVZO hatte das Gericht entsprechend keine Bedenken (BVerfG a. a. O., juris Rn. 2 ff.).
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aaa. Die Antragstellerin war zum Zeitpunkt des hier maßgeblichen Verkehrsverstoßes unstreitig und unzweifelhaft Halterin des Fahrzeugs, mit dem am 4. Juli 2014 eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften begangen wurde. Nach Abzug des Toleranzwertes ergab sich ausweislich des Messprotokolls und des Beweisfotos der Geschwindigkeitsmessanlage eine Überschreitung der dort außerhalb geschlossener Ortschaften zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 29 km/h.
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bbb. Die Feststellung des damaligen Fahrzeugführers war innerhalb der Verjährungsfrist nicht möglich. Die in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO geforderte Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers ist anzunehmen, wenn die Polizei nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie hierfür angemessene und zumutbare Maßnahmen ergriffen hat (vgl. m. w. N. z. B. BVerwG, Urteil vom 17.12.1982, BVerwG 7 C 3/80, VRS 64, 466 ff., juris Rn. 7). Dies war hier der Fall:
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Zu den notwendigen angemessenen und zumutbaren Ermittlungsmaßnahmen gehört zunächst grundsätzlich die unverzügliche, d.h. regelmäßig innerhalb von zwei Wochen erfolgende Benachrichtigung des Fahrzeughalters von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung, damit der Halter die Frage, wer das Fahrzeug zur Tatzeit geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.6.1987, 7 B 139/87, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 17, juris Rn. 2). Diese Frist dürfte hier eingehalten worden sein. Zudem hatte sie für die Ermittlung des verantwortlichen Fahrers keinerlei Bedeutung, da dieser der Antragstellerin bekannt war (vgl. grundlegend BVerwG, Beschluss vom 23.12.1996, 11 B 84/96, juris Rn. 3; OVG Hamburg, Beschluss vom 30.4.2013, 4 Bf 122/12.Z).
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Nicht nur die Polizei, sondern auch der Fahrzeughalter hat an der Aufklärung des mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes soweit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar ist. Zu seinen Obliegenheiten gehört es insbesondere, dass er den ihm bekannten oder auf einem vorgelegten Fahrerfoto erkannten Fahrzeugführer benennt oder zumindest den möglichen Täterkreis eingegrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.11.2005, 8 A 280/05, juris Rn. 25; BayVGH, Beschluss vom 6.5.2010, 11 ZB 09.2947, juris Rn. 3).
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Die Antragstellerin hat sich insoweit bis zum Eintritt der Verjährung der Ordnungswidrigkeit auf ihr anwaltliches Zeugnisverweigerungsrecht berufen (§ 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO). Sofern – wovon in diesem Eilverfahren zu Gunsten der Antragstellerin ausgegangen wird – es zutrifft, dass der verantwortliche Fahrer sie nach Bekanntwerden seiner Ordnungswidrigkeit als Rechtsanwältin mandatiert hat, unterliegt dies Zeugnisverweigerungsrecht keinen Bedenken.
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Die Ermittlungsbehörde muss durch sachgerechten und rationellen Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen treffen, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg versprechen. Dabei können sich Art und Umfang der Tätigkeit an den Angaben des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab oder bezeichnet er absichtlich einen falschen Fahrzeugführer, so ist es der Polizei grundsätzlich nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende weitere Ermittlungen zu betreiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.1982, BVerwG 7 C 3/80, juris Rn. 7; m.w.N. OVG Hamburg, Beschluss vom 30.4.2013, 4 Bf 122/12.Z; vgl. auch Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 31a StVZO Rn. 5). Es besteht mithin eine Wechselwirkung zwischen der erbrachten Mitwirkung des Fahrzeughalters und der Ermittlungspflicht der Behörde.
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Die Antragsgegnerin hat, hieran gemessen, nicht zu wenig Ermittlungsaufwand geleistet. Nachdem die Antragstellerin sich auf ihr anwaltliches Zeugnisverweigerungsrecht berufen hatte und auch ihre Nachbarn den verantwortlichen Fahrer nicht identifiziert hatten, waren weitere Erfolg versprechende und zumutbare Erkenntnisquellen nicht ersichtlich. Insbesondere waren auch keine Ermittlungen in der Rechtsanwaltskanzlei der Antragstellerin erforderlich, da Rechtsanwälte aufgrund von § 2 Abs. 4 und 5 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) ihre Mitarbeiter zur Verschwiegenheit verpflichten müssen, so dass nicht zu erwarten war, dass diese Aussagen über den verantwortlichen Fahrer gemacht hätten.
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ccc. Das ihr durch § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO eingeräumte Ermessen hat die Antragsgegnerin fehlerfrei ausgeübt, § 114 Satz 1 VwGO.
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(a) Insbesondere war es nicht ermessensfehlerhaft, dass die Antragsgegnerin hier nicht von einer Fahrtenbuchauflage abgesehen hat, weil die Antragstellerin Rechtsanwältin ist und deshalb den besonderen Schutz von Berufsgeheimnisträgern genießt, insbesondere nach § 43a Abs. 2 BRAO einer anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegt und nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO im Rahmen ihrer anwaltlichen Tätigkeit ein Zeugnisverweigerungsrecht geltend machen kann.
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Der Halter eines Kraftfahrzeuges, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wurde, ist rechtlich nicht gehindert, von einem etwaigen Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht im Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren Gebrauch zu machen; er muss dann allerdings die Auflage in Kauf nehmen, ein Fahrtenbuch zu führen, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Ein „doppeltes Recht", nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht (vgl. grundlegend BVerwG, Beschluss vom 22.6.1995, 11 B 7/95, juris Rn. 3 f.; im Anschluss daran z.B. OVG Hamburg, Beschluss vom 8.3.2012, 4 Bs 12/12; vgl. ferner m. w. N. aus der Rechtsprechung Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 31a StVZO Rn. 7). Es widerspräche dem Zweck des § 31a StVZO, nämlich der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu dienen.
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Dies gilt auch für Rechtsanwälte, obwohl diese nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zur Verschwiegenheit haben. Die anwaltliche Betätigung eines Fahrzeughalters steht der Führung und Vorlage eines Fahrtenbuchs nicht entgegen, so dass ein Rechtsanwalt, der sich vor die Alternative gestellt sieht, den Namen eines Mandanten preiszugeben oder aber ein Fahrtenbuch zu führen, nicht in eine unlösbare Konfliktsituation gedrängt wird.
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Durch die Vorlage eines Fahrtenbuchs werden Rechtsanwälte nicht gezwungen, ihre aus § 43a BRAO folgende Verschwiegenheitspflicht zu verletzen.
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Die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht bezieht sich auf alles, was dem Rechtsanwalt gerade in Ausübung seines Berufs als Anwalt bekannt geworden ist (BVerwG, Urteil vom 13.12.2011, 8 C 24/10, juris Rn. 21). Hintergrund des Schutzes anwaltlicher Verschwiegenheit ist der Umstand, dass es dem Rechtsanwalt als berufenem unabhängigem Berater obliegt, seinem Mandanten umfassend beizustehen. Voraussetzung für die Erfüllung dieser Aufgabe ist, dass zwischen Anwalt und Mandant ein Vertrauensverhältnis besteht. Integrität, Zuverlässigkeit und Verschwiegenheit des Anwalts sind die Grundbedingungen dafür, dass dieses Vertrauen entstehen kann (BVerfG, Urteil vom 30.3.2004, 2 BvR 1520/01, BVerfGE 110, 26 ff., juris Rn. 101; BVerwG, Urteil vom 13.12.2011, 8 C 24/10, juris Rn. 28).
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Die Pflicht des Rechtsanwalts zur Verschwiegenheit gilt nicht ausnahmslos. Neben spezialgesetzlich geregelten Ausnahmen im Sinne von § 2 Abs. 3 BORA sind Ausnahmen auch dann zugelassen, wenn sie ihre Grundlage in einer allgemeinen, nicht berufsspezifischen Regelung finden, die das Gesetz jedermann oder einer nicht nach dem Beruf abgegrenzten Gruppe auferlegt. Diese Auskunftspflichten treffen grundsätzlich auch Rechtsanwälte (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2011, 8 C 24/10, juris Rn. 25). Hierzu gehört auch die Verpflichtung zur Führung und Vorlage eines Fahrtenbuchs. Dieser stehen keine hinreichend gewichtigen Gründe entgegen:
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Sofern ein Rechtsanwalt sein privates Kraftfahrzeug an Dritte verleiht, betrifft dieses ohnehin nicht seine Tätigkeit als Rechtsanwalt, so dass die Führung eines Fahrtenbuchs schon aus diesem Grund nicht die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht berühren kann (vgl. dazu VG Köln, Urteil vom 8.10.2010, 18 K 3922/10, juris Rn. 27).
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Selbst wenn ein Rechtsanwalt sein Fahrzeug einem Mandanten überlässt und deshalb dessen Namen als verantwortlichen Fahrzeugführer in seinem Fahrtenbuch notieren muss, berührt dies die anwaltliche Verschwiegenheit nicht. Vertrauensbedürftig ist zwar bereits die Tatsache, dass ein Mandant überhaupt anwaltlichen Rat sucht. Das Fahrtenbuch verlangt jedoch keine Angabe zum Verhältnis zwischen dem Halter und dem Fahrzeugführer. Und allein der aus dem Fahrtenbuch ersichtliche Umstand, dass ein Dritter ein Fahrzeug eines Rechtsanwalts führt oder geführt hat, besagt nichts darüber, ob ein Mandatsverhältnis besteht oder bestanden hat (VG Köln a. a. O., juris Rn. 35). Denn üblicherweise nutzen Angehörige oder Mitarbeiter das Fahrzeug eines Rechtsanwalts. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mandant des Rechtsanwalts mit dessen Fahrzeug im Straßenverkehr auffällt, dürfte hingegen äußerst gering sein.
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Auch wenn ein Rechtsanwalt - was hier geltend gemacht wird - ein auf ihn zugelassenes Fahrzeug dauerhaft einem Mitarbeiter der Kanzlei überlässt, berührt die Eintragung dieser Person in einem Fahrtenbuch nicht die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht. Anknüpfungspunkt der Eintragung ist hier lediglich der Umstand, dass der verantwortliche Fahrer in einem Arbeitsverhältnis zum Rechtsanwalt steht und in diesem Rahmen das Kanzleifahrzeug benutzen darf. Die Fahrtenbucheintragung betrifft damit nicht unmittelbar die durch die Verschwiegenheitspflicht geschützte anwaltliche Tätigkeit des Fahrzeughalters, sondern seine Rolle als Arbeitgeber, hinsichtlich derer er sich nicht von anderen Berufsgruppen unterscheidet.
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Die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht, die Teil der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit der Berufsausübung ist (BVerwG, Urteil vom 13.12.2011, 8 C 24/10, juris Rn. 28), dürfte deshalb nur dann berührt werden können, wenn der Fahrer des ihm vom Anwalt überlassenen Kraftfahrzeugs unerkannt eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat damit begeht und hinsichtlich dieser anschließend den Fahrzeughalter als Verteidiger beauftragt. Für diesen Fall geriete die Pflicht des Anwalts, das Fahrtenbuch ordnungsgemäß zu führen und bei Bedarf vorzulegen, in Widerstreit mit seiner Verschwiegenheitspflicht, da er seinen Mandanten nicht ohne dessen Einwilligung als Täter preisgeben darf. Entsprechend könnte er sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen, da Zeugen berechtigt sind, die Vorlage von Urkunden zu verweigern, aus denen sich durch ihr Zeugnisverweigerungsrecht geschützte Tatsachen ergeben (vgl. für ein Fahrtenbuch entsprechend zum Steuerrecht BFH, Urteil vom 14.5.2002, IX R 31/00, juris Rn. 16), wie diese nach § 97 Abs. 1 StPO auch vor Beschlagnahme geschützt sind.
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Auf der Hand liegt, dass dieser weit reichende prospektive Schutz der anwaltlichen Verschwiegenheit einen Anreiz dafür schaffen könnte, eine Verschwiegenheitspflicht im Konfliktfall erst zu begründen oder sogar nur zu behaupten, dass der betroffene Fahrer den Fahrzeughalter als Anwalt beauftragt hat, damit der Anwalt weder eine belastende Zeugenaussage machen noch das Fahrtenbuch vorlegen muss. Fahrtenbuchauflagen gegenüber Rechtsanwälten würden jedoch ihre Funktion einbüßen, wenn Anwälte sich ihrer Vorlagepflicht ohne weiteres dadurch entziehen könnten, dass sie geltend machen, sie könnten das Fahrtenbuch nicht vorlegen, weil dort ein Mandant notiert sei, der mit ihrem Fahrzeug einen Verkehrsverstoß begangen habe. Eine ganze Berufsgruppe könnte sich auf diese Weise dem Instrumentarium der Fahrtenbuchauflage entziehen.
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Ein solches widerspräche dem Sinn und Zweck des § 31a StVZO, einer Vorschrift, die legitime Gründe des allgemeinen Wohls verfolgt und deshalb grundsätzlich geeignet ist, auch das Grundrecht des Rechtsanwalts auf freie Berufsausübung einzuschränken (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2011, 8 C 24/10, juris Rn. 31). Die Pflicht zur Führung und Vorlage eines Fahrtenbuchs auch durch Rechtsanwälte ist in gleicher Weise geeignet und erforderlich wie bei anderen Kraftfahrzeughaltern. Sie greift auch nicht unangemessen in das Grundrecht des Rechtsanwalts auf freie Berufsausübung ein, da es einem Rechtsanwalt ohne weiteres zumutbar ist, auf das Mandat eines Fahrers, der mit seinem Fahrzeug einen Verkehrsverstoß begangen hat, zu verzichten, weil dieses einen unvereinbaren Konflikt zwischen der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht und der Pflicht zur Vorlage eines ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuches verursachen würde. Personen, denen er sein Fahrzeug überlassen will, kann und muss er darüber unterrichten, dass bei einem etwaigen Verkehrsverstoß ihr Name aus dem Fahrtenbuch bekannt wird und dass sie dies auch nicht durch ein Verteidigermandat verhindern können. Die hieraus folgende Einschränkung ihrer freien Anwaltswahl (§ 3 Abs. 3 BRAO) müssen die verantwortlichen Fahrzeugführer aus Gründen des allgemeinen Wohls hinnehmen.
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(b) Sofern sich die Antragstellerin dagegen wendet, dass der Fahrzeughalter auch bei einem Dienstfahrzeug, das ausschließlich von einem Mitarbeiter genutzt werde, ein Fahrtenbuch führen müsse und hierbei das Privatleben des Mitarbeiters kontrollieren könne, findet diese Besorgnis bereits in den gesetzlichen Vorgaben keine Grundlage. Denn § 31a Abs. 2 StVZO erlaubt die Führung des Fahrtenbuchs auch durch einen Beauftragten des Fahrzeughalters. Entsprechend wird der Antragstellerin mit Bescheid vom 21. April 2015 auch nur auferlegt, das Fahrtenbuch persönlich oder durch eine beauftragte Person beim zuständigen Polizeikommissariat vorzulegen. Mithin kann die Antragstellerin die Führung und die Vorlage des Fahrtenbuchs allein dem Mitarbeiter überlassen, dem sie auch ihr Fahrzeug zur ausschließlichen Nutzung gibt.
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Bei der Antragstellerin verbleibt lediglich die Verantwortung dafür, dass das Fahrtenbuch ordnungsgemäß geführt und auch zur Kontrolle vorgelegt wird. Hierfür ist es jedoch regelmäßig nicht erforderlich, dass sie selbst das Fahrtenbuch kontrolliert und damit Kenntnis von seinem Inhalt erhält. Sofern dem Mitarbeiter die durch das von ihm selbst provozierte Fahrtenbuch mögliche Offenlegung privater Daten nicht behagt, muss er fortan auf die private Nutzung des Fahrzeugs verzichten.
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(c) Die angeordnete Fahrtenbuchauflage verstößt ferner nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Sie stellt ein geeignetes Mittel dar, um den Zweck zu erreichen, bei erneuten mit dem Fahrzeug begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten den verantwortlichen Fahrzeugführer zügig und zweifelsfrei zu ermitteln. Ein schonenderes, gleich geeignetes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks ist nicht ersichtlich.
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Auch die Dauer der Fahrtenbuchauflage von 6 Monaten erweist sich als angemessen. Sie ist entsprechend dem Gewicht der zugrunde liegenden Ordnungswidrigkeit zu bemessen. Für die Beurteilung der Schwere eines Verkehrsverstoßes darf sich die Behörde an den in Anlage 13 zur FeV geregelten Punktzahlen orientieren (vgl. m. w. N. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 31 a StVZO Rn. 8). Die Geschwindigkeitsüberschreitung von im vorliegenden Fall 29 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften wäre im Verkehrs-Zentralregister mit einem Punkt zu bewerten gewesen (vgl. Ziffer 3.2.2 der Anlage 13 zu § 40 FeV und Nr. 11.3.5 des Bußgeldkatalogs). Bereits bei einer solchen sicherheitsrelevanten Verkehrsordnungswidrigkeit, die mit einem Punkt bewertet wird, sieht die Rechtsprechung seit langem regelmäßig eine Fahrtenbuchauflage als gerechtfertigt an (vgl. m.w.N. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 31 a StVZO Rn. 8 m.w.N; BayVGH, Beschluss vom 12.3.2014, 11 CS 14.176, juris Rn. 10; BVerwG, Beschluss vom 9.9.1999, 3 B 94/99, NZV 2000, 386, juris Rn. 2). Da seit Mai 2014 eine Fahrerlaubnis bereits bei Vorliegen von 8 Punkten und nicht mehr, wie bisher, erst bei 18 Punkten zu entziehen ist (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG), hat der nach neuem Recht vergebene Punkt inzwischen sogar deutlich an Gewicht gewonnen. Der Nachweis einer konkreten Gefährdung ist bei einem derartigen nicht unwesentlichen Verstoß, der sich jedenfalls verkehrsgefährdend hätte auswirken können, für die Annahme der Verhältnismäßigkeit der Anordnung der Fahrtenbuchauflage und ihrer Dauer nicht erforderlich (vgl. m.w.N. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 31 a StVZO Rn. 8).
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Hinsichtlich der Dauer einer Fahrtenbuchauflage wird in der Rechtsprechung auch bei einem erstmaligen Verstoß bei nur mit einem Punkt bewerteten Geschwindigkeitsüberschreitungen von 20 km/h ein Zeitraum von 12 Monaten durchweg für noch verhältnismäßig gehalten (vgl. jew. m. w. N. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 31 a StVZO Rn. 8; BayVGH, Beschluss vom 5.7.2007, 11 ZB 05.3290, juris Rn. 8). Bei einer Fahrtenbuchauflage von nur einem halben Jahr, wie sie hier verhängt wurde, bestehen deshalb keine Bedenken. Ein noch kürzerer Zeitraum wäre nicht mehr hinreichend, um den Zweck der Fahrtenbuchauflage zu erfüllen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.5.1995, 11 C 12/94, BVerwGE 98, 227 ff., juris Rn. 12).
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ddd. Die angegriffene Verfügung ist auch nicht insoweit zu beanstanden, als sie sich auf ein mögliches Ersatzfahrzeug bezieht. Dies folgt aus § 31 a Abs. 1 StVZO.
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eee. Auch die Aufforderung, das Fahrtenbuch zu den insoweit näher bestimmten Kalenderwochen bei der örtlich zuständigen Polizeiwache vorzulegen oder durch eine beauftragte Person vorlegen zu lassen, ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage hierfür ist § 31a Abs. 3 Buchst. a StVZO.
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bb. Es besteht schließlich auch ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der nicht bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Fahrtenbuchauflage (vgl. dazu grundlegend VG Hamburg, Beschluss vom 9.1.2012, 15 E 2913/11, bestätigt durch OVG Hamburg, Beschluss vom 8.3.2012, 4 Bs 12/12; entsprechend auch OVG Hamburg, Beschluss vom 22.5.2013, 4 Bs 122/13). Von einem solchen Interesse kann aufgrund des besonderen gefahrenabwehrrechtlichen Zwecks der Fahrtenbuchauflage ausgegangen werden, auch wenn es dadurch in der Regel bereits mit dem allgemeinen Erlassinteresse übereinstimmen wird (vgl. Saarl. OVG, Beschluss vom 4.5.2015, 1 B 66/15, juris Rn. 3). Denn die Fahrtenbuchauflage soll zum einen garantieren, dass zukünftige Verkehrsverstöße während der Dauer der Fahrtenbuchauflage geahndet werden können. Zum anderen soll sie darauf hinwirken, dass solche Verstöße künftig unterbleiben, weil es sich positiv auf die Verkehrsdisziplin eines Fahrzeugführers auswirkt, wenn er damit rechnen muss, wegen der aufgrund des Fahrtenbuchs feststellbaren Fahreridentität für jeden Verkehrsverstoß zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 6.3.2008, 11 CS 07.3451, juris Rn. 17 sowie eingehend VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.11.1997, 10 S 2113/97, juris Rn. 4 ff.). Deshalb ist es wichtig, dass das Fahrtenbuch tatsächlich unmittelbar nach Erlass des entsprechenden Bescheids und nicht erst nach dessen möglicherweise erst Jahre später eintretenden Bestandskraft zu führen ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 6.3.2008, 11 CS 07.3451, juris Rn. 17).
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Die im Eilverfahren gebotene Abwägung darf sich somit – neben der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchauflage – ausnahmsweise auf die Prüfung beschränken, ob wegen der besonderen Umstände des Falles die sofortige Vollziehung im Einzelfall weniger dringlich als im Normalfall ist (vgl. Saarl. OVG, Beschluss vom 4.5.2015, 1 B 66/15, juris Rn. 3; BayVGH, Beschluss vom 6.3.2008, 11 CS 07.3451, juris Rn. 17). Dies ist hier nicht der Fall. Vielmehr rechtfertigt der Umstand, dass mit einem Fahrzeug der Antragstellerin ein erheblicher Geschwindigkeitsverstoß begangen wurde und sie sodann im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Verteidigung des Fahrers übernahm, um sich auf ihr anwaltliches Zeugnisverweigerungsrecht berufen zu können, sogar in besonderem Maße die sofortige Vollziehung der Fahrtenbuchauflage, um eine baldige Wiederholung dieser im Ergebnis erfolgreichen Aktion zu verhindern.
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2. Auch hinsichtlich der Festsetzung des Zwangsgelds überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das Suspensivinteresse der Antragstellerin, so dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs insoweit nicht anzuordnen war. Bei der Festsetzung des Zwangsgeldes handelt es sich um einen Akt der Verwaltungsvollstreckung, in Bezug auf den Rechtsbehelfe von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung haben (§ 29 Abs. 1 HmbVwVG). Besondere Gründe, von dieser Regel hier abzuweichen, gibt es nicht. Denn die zusammen mit der für sofort vollziehbar erklärten Vorlageverpflichtung erfolgte Festsetzung des Zwangsgelds in Höhe von 500 € war auf der Rechtsgrundlage von § 14 HmbVwVG aller Voraussicht nach ebenfalls rechtmäßig.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
- 51
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG. Dabei ist der Streitwert der Eilsache mit der Hälfte des in der Hauptsache anzunehmenden Streitwerts (nach Ziff. 46.13 des Streitwertkatalogs 400 € x 6 = 2.400 €) festzusetzen. Die gleichzeitige Festsetzung des Zwangsgelds ist eine unselbständige, den Streitwert nicht erhöhende Regelung.
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Referenzen
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- 11 B 84/96 1x (nicht zugeordnet)
- 15 E 2913/11 1x (nicht zugeordnet)
- BRAO § 43a Grundpflichten 2x
- 7 B 139/87 1x (nicht zugeordnet)
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- § 40 FeV 1x (nicht zugeordnet)
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- § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO 3x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- 4 Bs 12/12 2x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 B 66/15 1x
- § 31a Abs. 2 StVZO 1x (nicht zugeordnet)
- 10 S 2113/97 1x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 31 a StVZO 4x (nicht zugeordnet)
- 1 B 66/15 1x (nicht zugeordnet)
- § 29 Abs. 1 HmbVwVG 1x (nicht zugeordnet)
- 8 C 24/10 5x (nicht zugeordnet)
- StPO § 53 Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger 3x
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- VwGO § 114 1x
- 2 BvR 1520/01 1x (nicht zugeordnet)
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- StVG § 4 Fahreignungs-Bewertungssystem 1x