Urteil vom Verwaltungsgericht Hamburg (15. Kammer) - 15 K 5050/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen eine uneingeschränkte Einbahnstraßenregelung auch für den Fahrradverkehr.
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Die Straße „K.“ verläuft am Süllberg in Blankenese. Sie liegt in einer Tempo 30 km/h-Zone. Es handelte sich ursprünglich um eine uneingeschränkte Einbahnstraße, die in Fahrtrichtung von der Blankeneser B. zur O. führt. In weiten Teilen ist das Parken am Fahrbahnrand möglich. Im oberen Verlauf steigt das Gelände stark an. Zum Verlauf der Straße wird auf die Dokumentation durch das PK 26 vom 9. April 2014 sowie auf die Ergebnisse des Ortstermins Bezug genommen.
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Mit straßenverkehrsbehördlicher Anordnung vom 4. Juni 2012 ordnete das PK 26 der Beklagten gem. § 45 StVO die Freigabe des Fahrradverkehrs in Gegenrichtung der Einbahnstraße an. Die Anordnung wurde durch Anbringen der entsprechenden (Zusatz-)Beschilderung umgesetzt.
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Mit erneuter straßenverkehrsbehördlicher Anordnung vom 10. Juli 2013 ordnete das PK 26 die Aufhebung der Anordnung vom 4. Juni 2012 an. Die Freigabe für Radfahrer habe sich nicht bewährt. Die Anordnung wurde am 11. Juli 2013 umgesetzt.
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Mit Schreiben vom 12. Juli 2013 legte der Kläger Widerspruch „gegen die Wegordnung des Verkehrszeichen `Radfahrer frei` bzw. Aufhebung der freigegebenen Einbahnstraße K.“ ein.
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Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2013 zurück.
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Mit seiner Klage vom 28. November 2013 wendet sich der Kläger weiter gegen die verkehrsrechtliche Anordnung. Er sei Radfahrer und dürfe die Straße nicht in beiden Richtungen benutzen. Die von der Beklagten angeordnete uneingeschränkte Einbahnregelung sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 StVO und der für die Verwaltung verbindlichen VwV-StVO seien nicht gegeben. Die Beklagte habe keine besonderen örtlichen Verhältnisse im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO dokumentiert. Die Sicherheit von gegenläufigem Radverkehr in echten oder unechten Einbahnstraßen sei bundesweit umfassend erforscht. Die Verkehrssicherheit steige durch eine solche Freigabe, und zwar auch bei bewegter Topographie und parkenden Autos. Hiermit setze sich die Beklagte nicht auseinander. Es fehle an einer sorgfältigen Bestandsaufnahme der Situation und einer darauf aufbauenden Prüfung der angemessenen Maßnahme. Insoweit ergebe die Sachakte lediglich die Behauptung, es sei den Beamten mitgeteilt worden, es komme dort zu starken Gefährdungen, weil die Fahrradfahrer zu spät erkannt würden. Die eigenen Ausführungen und Feststellungen der Beklagten hierzu seien allgemein gehalten. Der rechtliche Ansatz der Beklagten sei zudem unzutreffend. Es gehe nicht um eine Freigabe der Straße. Vielmehr sei das Verbot für den Radverkehrs begründungsbedürftig. Die Beklagte habe zudem ihr Ermessen nicht ausgeübt, insbesondere nicht geprüft, ob andere Maßnahmen ausreichen, um ein Verbot zu vermeiden, unter anderem Markierungslösungen im angeblich gefährlichen Kurvenbereich, aber auch Tempolimits oder die Verkehrszeichen Vz 125 (Achtung Gegenverkehr) oder Vz 308 (Vorrang vor dem Gegenverkehr). Im Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2013 werde schon deutlich, dass die Beklagte zunächst keine hinreichend Sachaufklärung betrieben habe. Aber auch in diesem werde pauschal auf die Parksituation und die Topographie abgestellt. Die behaupteten mehrfachen konkreten Gefährdungen von Radfahrern seien nicht nachgewiesen und vermutlich frei erfunden.
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Der Kläger hat ursprünglich beantragt,
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die uneingeschränkte Einbahnstraßenregelung im Verlauf der Straße „K.“ in der Gestalt des Widerspruchsbescheids J 31 – der Beklagten vom 29. Oktober 2013 aufzuheben,
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sowie
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die Beklagte zu verurteilen, die zur Bekanntgabe der Anordnung aufgestellten Verkehrszeichen zu entfernen.
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Die Beklagte hob mit „Widerspruchsbescheid“ vom 11. März 2014 ihren Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2013 auf. Der Widerspruch werde neu beschieden, da das Ermessen nicht in hinreichendem Maße ausgeübt worden sei. Das Verfahren sei damit erledigt. Der Kläger teilte mit, an der Klage festzuhalten. Die Sache sei nicht erledigt.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es handele sich um eine Einbahn- und Wohnstraße in einer 30 km/h-Zone mit Bebauung, Kleingewerbe und einem Schulweg zur O.. Sie habe eine Länge von etwa 700 m. Zu Beginn sei das Befahren im Zweirichtungsverkehr möglich. Die Einbahnstraßenregelung beginne nach etwa 50 m. Die Straße sei kurvenreich und durch die Hanglage gebe es Steigungen und Gefälle. Die Fahrbahnbreite sei unregelmäßig zwischen 2,20 m und 5,60 m. Ab Hausnummer 32 steige die Straße an. Es folge eine S-Kurve. Im Verlauf der Straße hinter Hausnummer 36 werde die Straße auf einer Strecke von ca. 110 m sehr schmal (2,20 m). Links befinde sich ein Gehweg, rechts eine Stützmauer, die ein Ausweichen nicht möglich mache. Beidseitig seien Gefahrzeichen Kinder mit dem Zusatzzeichen Schule angebracht. Das Verkehrsaufkommen sei einer Wohnstraße entsprechend gering. Die durchschnittlich gefahrene Geschwindigkeit habe bei einer Erhebung im März 2014 21 km/h betragen. Es habe im Jahr 2013 sechs Unfälle im ruhenden Verkehr gegeben, alle ohne Fahrradbeteiligung. Die Voraussetzungen für eine Nichtzulassung des Radverkehrs seien gegeben. Es bestehe eine qualifizierte Gefahrenlage. Dabei sei nicht vorausgesetzt, dass sich der Schaden bereits realisiert habe. Gem. VwV-StVO Nr. IV zu Vz 220 könne Radverkehr in Gegenrichtung zugelassen werden, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht mehr als 30 km/h sei und wenn eine ausreichende Begegnungsbreite vorhanden sei. Ausgenommen seien kurze Engstellen. Die Verkehrsführung müsse übersichtlich sein. Gegebenenfalls müsse ein Schutzraum für den Radverkehrsort angelegt werden, wo es orts- und verkehrsbezogen erforderlich sei. Die Gefahrenlage bestehe vor allem im etwa 110 m langen Bereich der Steigung bei kurviger Strecke. Hier sei zu befürchten, dass bergab fahrende Radfahrer den entgegenkommenden Fahrzeugen nicht ausweichen können. Die Verkehrsteilnehmer könnten sich hier erst spät erkennen. Für ein schnelles Ausweichen fehle aber gerade hier der Raum. Die Anordnung sei auch verhältnismäßig. Gleich geeignete mildere Mittel seien nicht ersichtlich. Dies gelte insbesondere für ein vom Kläger angeregtes Hinweisschild. Die Rechtsgüter der Allgemeinheit überwögen auch die Einschränkung der Handlungsfreiheit des Klägers.
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Der Kläger hat auch nach dem erneuten Widerspruchsbescheid an seiner Klage festgehalten. Es gebe keine Engstelle von 2,20 m, schon gar nicht über eine Länge von 110 m. Die schmalste Stelle betrage 2,50 m und sei nur etwa 20 m lang, also etwa so lang wie ein Lkw. Kurven und Enge begründeten keine qualifizierte Gefahrenlage. Beides sei im Übrigen typisch für Blankenese.
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Der Kläger beantragt nunmehr,
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die uneingeschränkte Einbahnstraßenregelung im Verlauf der Straße „K.“ in der Gestalt des Widerspruchsbescheides J 31 – vom 28. Mai 2014 aufzuheben,
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sowie,
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die Beklagte zu verurteilen, die zur Bekanntgabe der Anordnung aufgestellten Verkehrszeichen zu entfernen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Freigabe für den Fahrradverkehr sei zunächst vom Schreibtisch aus veranlasst worden, ohne die konkreten Verhältnisse vor Ort zu überprüfen. Das sei dann nachgeholt worden, als es Beschwerden und Hinweise von Anwohnern gegeben habe. Im Übrigen bezieht sich die Beklagte auf ihren (zweiten) Widerspruchsbescheid.
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Die Gegebenheiten vor Ort sind im Rahmen der mündlichen Verhandlung an Ort und Stelle am 21. Juli 2015 in Augenschein genommen worden. Insoweit wird auf das Protokoll der Sitzung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).
I.
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Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig. Gegenstand der Anfechtungsklage ist die erneut eingerichtete uneingeschränkte Einbahnstraßenregelung unter Ausschluss des Fahrradverkehrs in Gegenrichtung. Der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt, selbst von dieser Verkehrsregelung betroffen zu sein. Von seiner nah gelegenen Wohnung könnte er die Straße nutzen, um Richtung Ortskern beispielsweise zum Kino zu gelangen. Mit der (aufhebenden) Anordnung vom 10. Juli 2013 hat die Beklagte letztlich erneut eine uneingeschränkte Einbahnstraßenregelung getroffen, gegen die sich der Kläger im Wege der Anfechtungsklage zur Wehr setzen kann, jedenfalls soweit er davon als Fahrradfahrer in Gegenrichtung der Einbahnstraße betroffen ist.
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Die Klage richtet sich im Ergebnis gegen die straßenverkehrsbehördliche Anordnung, wie sie ihre Gestalt im Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2014 gefunden hat. Die zwischenzeitliche Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2013 hat nach zutreffender Ansicht des Klägers zunächst nicht zur Erledigung des Rechtsstreits geführt, da hierdurch noch nicht über den Widerspruch des Klägers entschieden worden war. Vielmehr war die Entscheidung darüber wieder offen. Erst mit dem (zweiten) Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2014 war das Vorverfahren (erneut) abgeschlossen und der Gegenstand der Anfechtungsklage damit bestimmt.
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Die Leistungsklage ist grundsätzlich statthaft, um einen möglichen Folgenbeseitigungsanspruch bei einer rechtswidrigen Beschilderung durchzusetzen. Der Antrag kann gem. § 88 VwGO auf den Hinweis des Gerichts und die entsprechende Erklärung der Klägerseite so ausgelegt werden, dass die Beklagte im Falle des Obsiegens verurteilt werden soll, die Beschilderung entsprechend dem Ausspruch des Gerichts anzupassen.
II.
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Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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Die straßenverkehrsbehördliche Anordnung vom 10. Juli 2013 ist in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2014 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) (1.). Der Kläger hat daher auch keinen Folgenbeseitigungsanspruch (2.).
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1. Die angefochtene verkehrsbehördliche Anordnung ist rechtmäßig. Sie beruht auf § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 Satz 1 und Satz 2 StVO. Danach können Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs (nur) angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der zu schützenden Rechtsgüter erheblich übersteigt. Diese Voraussetzungen sind hier nach der Überzeugung des Gerichts gegeben. Es besteht eine besondere Gefahrenlage (a), auf welche die Beklagte im Ergebnis ohne Rechtsfehler durch die (Wieder-)Einrichtung einer uneingeschränkten Einbahnstraßenregelung reagieren konnte (b). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der VwV-StVO (c).
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a) Entgegen der Ansicht des Klägers ist auf einer Teilstrecke der Straße „K.“ ein Fahrradverkehr in Gegenrichtung nicht ohne ein erhebliches, besonderes Risiko möglich. Auf einer kurzen Strecke ist es – ebenfalls entgegen der Ansicht des Klägers – nicht gewährleistet, dass sich Fahrzeuge und Radfahrer überhaupt begegnen können, ohne dass zumindest der Fahrzeugführer des Kraftfahrzeugs gegen seine Rücksichts- und Sorgfaltspflichten verstoßen würde. Dies zeigte sich im Rahmen des Ortstermins, wo der Kläger auf seinem Fahrrad zwei Pkw passieren ließ. Der erkennbar irritierte Fahrer des ersten Fahrzeugs konnte ebenso wie der Fahrer des zweiten Pkw einen Sicherheitsabstand nicht einhalten. In Schrittgeschwindigkeit fuhren die Pkw am Kläger vorbei, der sich auf den Gehweg neigte, damit überhaupt genug Raum für die Fahrzeuge war. Insoweit kommt es auf die genauen Abmessungen der Straße bzw. der Fahrbahn an dieser Stelle auch nicht an. Es zeigte sich anschaulich, unter welchen Umständen sich hier ein Pkw und ein Radfahrer begegnen können. Ob dies allein die Anordnung der Beklagten tragen könnte, bedarf keiner Entscheidung. Maßgeblich ist, dass auch aus Sicht des Gerichts eine erhebliche Unfallgefahr bestehen würde, die jedenfalls deutlich über das allgemeine Risiko hinausgeht, und die eine erhebliche Gesundheitsgefahr für die weniger geschützten Radfahrer begründen würde. Diese ist nicht dadurch wiederlegt, dass es in der Vergangenheit nicht zu einem Unfall gekommen ist. Es liegt im Wesen von Risiken, dass diese sich nicht stets oder regelmäßig in Schadensfällen realisieren. Die Unfallgefahr ergibt sich nach der Überzeugung des Gerichts nach der Inaugenscheinnahme der besonderen örtlichen Verhältnisse aus mehreren Faktoren: Über eine Strecke von 50 m bis 100 m ist die Straße so schmal, dass sich Fahrradfahrer und entgegenkommende Fahrzeuge entweder überhaupt nicht oder nur unter Verletzung der Abstandspflichten oder nur bei großer gegenseitiger Rücksicht und Sorgfalt begegnen können. Dies wird beiden Verkehrsteilnehmern jedoch wenn nicht unmöglich gemacht, so doch erheblich erschwert, weil die Sicht in diesem Bereich durch mindestens eine s-förmige Kurve stark eingeschränkt und teilweise vollständig genommen ist. Beide sind also der Gefahr ausgesetzt, dass ihnen plötzlich jemand entgegen kommt. Die Situation wird durch das erhebliche Gefälle noch verschärft. Zum einen wird dadurch die Sicht insbesondere des bergauf fahrenden Fahrzeugführers noch weiter eingeschränkt. Zum anderen muss damit gerechnet werden, dass weniger besonnene Fahrradfahrer durch das Gefälle übermäßig beschleunigen.
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Die gegenteilige Ansicht des Klägers begründet letztlich keine vernünftigen Zweifel an der dargelegten Überzeugung. So kommt es insbesondere nicht darauf an, ob sich der Kläger selbst – und seiner Familie – zutraut, die Straße in Gegenrichtung zu befahren. Die Beklagte und auch das erkennende Gericht müssen den durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer in den Blick nehmen und dürfen nicht auf besonders besonnene oder geschickte Teilnehmer hoffen. Es kann auch beispielsweise mit Blick auf Kinder, denen weniger als Erwachsenen ein vorausschauendes Fahrverhalten zugetraut werden darf, nicht darauf bauen, dass die Eltern ihnen einen gefährlichen Weg verbieten. Es ist Aufgabe der Verkehrsbehörden, die notwendigen Verkehrsregeln für einen hinreichend sicheren Straßenverkehr aufzustellen. Auch können allgemeine Studien zu Erfahrungen mit dem Fahrradverkehr in Einbahnstraßen letztlich keinen Aufschluss über die Gefahrenbewertung im konkreten örtlichen Einzelfall geben. Das Gericht hat insoweit darauf hingewiesen, welche Stelle durch die unterschiedlichen Faktoren als besonders gefährlich erscheinen könnte. Allgemeine Erfahrungssätze spielen aus Sicht des Gerichts insoweit keine Rolle.
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b) Die Anordnung ist auch ermessensfehlerhaft und verhältnismäßig. Die vom Kläger wohl zutreffend gerügte Begründung der ursprünglichen Anordnung und des ersten Widerspruchsbescheides ist mit der erneuten Widerspruchsentscheidung und den ergänzenden Erwägungen im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nicht zu beanstanden. Die Beklagte geht im Wesentlichen von einem zutreffenden Sachverhalt aus. Die örtlichen Gegebenheiten wurden bereits in der Fotodokumentation zum zweiten Widerspruchsbescheid umfassend wiedergegeben. Soweit die Fahrbahnbreite über eine bestimmte Strecke im Streit stand – und zwischen den Beteiligten wohl immer noch unterschiedlich bewertet wird – kommt es hierauf nicht tragend an. Maßgeblich ist die erhöhte Gefahr durch den Streckenverlauf im oberen Abschnitt. Über dessen objektive Eigenheiten dürfte spätestens nach dem Ortstermin im Wesentlichen Einigkeit herrschen, auch wenn die Messungen unterschiedlich ausfielen.
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Die Anordnung ist auch nicht unverhältnismäßig. Die Beklagte war nicht verpflichtet, jedes erdenkliche Mittel auszuschöpfen, um den Fahrradverkehr in Gegenrichtung zu ermöglichen. Nach Art und Lage der Dinge drängen sich keine den Kläger weniger belastenden und gleichzeitig vergleichbar effektiv wirkenden Maßnahmen auf, die der Beklagten als Verkehrsbehörde zustünden. Aufklärungsmaßnahmen durch Verteilen von Handzetteln scheiden allein deswegen aus, weil die Straße für den allgemeinen Verkehr eröffnet ist, also kein geschlossener Kreis von möglichen Verkehrsteilnehmern hierdurch erreicht werden könnte. Auch eine weitere Reduzierung des Höchsttempos für die Kraftfahrzeuge würde die Unfallgefahr nicht erkennbar in erheblicher Weise weiter reduzieren. Soweit der Kläger anregt, Anwohner könnten verpflichtet werden, ihre Hecken zurückzuschneiden, ist schon nicht erkennbar, welche Bereiche hierdurch besser einsehbar würden. Das entscheidende Sichthindernis wird von einer Steinmauer gebildet. Soweit der Kläger anregt, eine Fahrradstraße oder eine Spielstraße einzurichten, geht dies über den Gegenstand des Widerspruchs- und Klageverfahrens hinaus. Dieser beschränkt sich ausgehend von der angefochtenen Anordnung auf den Ausschluss des Fahrradverkehrs. Die Beklagte war dadurch nicht veranlasst, umfassende planerische Erwägungen anzustellen, welche die Verkehrsfunktion der Straße grundlegend ändern würde. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte solche Maßnahmen nicht geprüft hat.
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c) Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich auch nichts anderes aus der VwV-StVO, ohne dass es einer Klärung bedürfte, welche Bindungswirkung von dieser ausgeht. Aus Ziffer IV. zu Zeichen 220 ergeben sich einschränkende Voraussetzungen, unter denen Radverkehr in Gegenrichtung zugelassen werden „kann“. Eine Verpflichtung ergäbe sich daraus somit nicht. Auch dies kann aber offen bleiben, weil die dort genannten Bedingungen auch nach Ansicht des Gerichts nicht erfüllt sind. Über eine nicht unerhebliche Strecke fehlt eine „ausreichende Begegnungsbreite“. Diese ist nicht schon dann gegeben, wenn Pkw und Radfahrer irgendwie aneinander vorbeikommen. Sie setzt eine Begegnung unter Wahrung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes voraus. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass in diesem Zusammenhang auf das allgemein übliche Maß an Rücksicht und Vorsorge durch Einhaltung eines Sicherheitsabstandes verzichtet werden könnte. Zudem ist die Verkehrsführung im Streckenverlauf hier nicht „übersichtlich“. Auch insoweit gelten mindestens die allgemeinen Maßstäbe. Dass bergab fahrende Radfahrer im richtigen Moment herauffahrende Fahrzeuge vor Einfahrt in den kurvigen Bereich durch die Bäume erspähen können, bevor sich der Sichtkontakt wieder verliert, macht den Streckenverlauf nicht „übersichtlich“, sondern – Gegenteil – in gefährlicher Weise unübersichtlich, gerade weil der Sichtkontakt wegen der Stützmauer wieder unterbrochen wird.
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2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Änderung der Beschilderung zur Bekanntgabe der angefochtenen verkehrsbehördlichen Anordnung. Der insoweit allein in Betracht kommende Folgenbeseitigungsanspruch ist bereits deswegen nicht gegeben, weil die verkehrsbehördliche Anordnung rechtmäßig ist (s.o. unter 1.).
III.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 1 VwGO bzw. § 167 Abs. 2 und Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
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Referenzen
- § 45 Abs. 9 StVO 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 113 1x
- VwGO § 167 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- § 45 StVO 1x (nicht zugeordnet)
- § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 Satz 1 und Satz 2 StVO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 88 1x