Urteil vom Verwaltungsgericht Hamburg (17. Kammer) - 17 K 6197/18

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass seine Mitgliedschaft bei der beklagten Ärztekammer Hamburg nicht am 10.06.2019 geendet hat. Hilfsweise begehrt er, die Beklagte zu verpflichten, ihm einen Arztausweis auszustellen.

2

Der Kläger ist approbierter Arzt. Er war bis zum ... 2006 im Universitätsklinikum E... angestellt und aufgrund dieser Tätigkeit Pflichtmitglied der Beklagten. Am .. 2007 teilte er der Beklagten mit, dass er seit dem ... 2007 in den USA als Arzt tätig sei. Im ... 2007 beantragte er - nach den Bestimmungen der damals gültigen Hauptsatzung der Beklagten - die freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten, die seither ununterbrochen besteht. Im Jahr 2009 zog der Kläger - nach zwischenzeitlicher kurzfristiger Rückkehr nach Deutschland - endgültig in die USA. Den Arztberuf hat der Kläger in den USA seither nicht mehr ausgeübt. ...

3

Am 11.06.2017 trat die neue Hauptsatzung der Beklagten vom 05.09.2016 in Kraft, in der in § 4 die Mitgliedschaft bei der Beklagten wie folgt geregelt ist:

4

(1) Mitglieder der Ärztekammer sind alle Berufsangehörigen, die in Hamburg

5

1. ihren Beruf ausüben oder
2. ihre Hauptwohnung im Sinne des Melderechts haben, es sei denn, dass sie Mitglied einer anderen Heilberufekammer im Bundesgebiet sind.

6

Die ärztliche Berufsausübung im Sinne dieser Satzung umfasst jede Tätigkeit, bei der im Medizinstudium erworbene Fachkenntnisse vorausgesetzt, angewendet oder mitverwendet werden.

(2) ...

7

(3) Kammermitglieder, die ihren Beruf nicht ausüben, aber dazu berechtigt sind, sind auf Antrag von der Mitgliedschaft zu befreien. Kammermitglieder, die ihren Beruf auch außerhalb der Freien und Hansestadt Hamburg ausüben und deshalb einer anderen berufsständischen Kammer im Bundesgebiet angehören, können auf Antrag von der Mitgliedschaft befreit werden, wenn der Anteil der ärztlichen Tätigkeit, der in der Freien und Hansestadt Hamburg ausgeübt wird, weniger als 20% ihres gesamten ärztlichen Tätigkeitsumfanges beträgt.

8

(4) Berufsangehörige können im unmittelbaren Anschluss an eine Mitgliedschaft auf Antrag eine freiwillige Mitgliedschaft in der Ärztekammer begründen, wenn sie

9

1. ihren Beruf außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausüben und dort ihre Hauptwohnung haben,
2. ihren Beruf wegen Berufsunfähigkeit oder aus Altersgründen nicht mehr ausüben und ihre Hauptwohnung außerhalb des Geltungsbereichs dieser Satzung haben.

10

Im Falle der Nr. 1 endet die freiwillige Mitgliedschaft zwei Jahre nach Wegzug in das Ausland.

(5) ...

(6) ...

11

Am 27.07.2017 teilte die Beklagte dem Kläger per E-Mail mit, dass seine freiwillige Mitgliedschaft mit Ablauf des 10.06.2019 enden werde. Am 11.06.2017 sei ihre neue Hauptsatzung in Kraft getreten. Diese sehe in § 4 Abs. 4 vor, dass eine freiwillige Mitgliedschaft, die bei Wegzug in das Ausland begründet werde, spätestens 2 Jahre nach dem Wegzug ende. Im Falle des Klägers ende die Mitgliedschaft damit zwei Jahre nach Inkrafttreten der neuen Hauptsatzung.

12

Nach ausführlicher Korrespondenz zwischen dem Kläger und der Beklagten über die Möglichkeit einer Weiterführung der freiwilligen Mitgliedschaft bat der Kläger die Beklagte über seine Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 21.06.2019, ihm zu bestätigen, dass seine Mitgliedschaft bei der Beklagten über den 10.06.2019 hinaus bestehen werde.

13

Mit Schreiben vom 08.08.2018 teilte die Beklagte dem Kläger erneut mit, dass seine Mitgliedschaft mit Ablauf des 10.06.2019 enden werde. Aufgrund von § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 i.V.m. S. 2 ihrer neuen Hauptsatzung ende die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers zwei Jahre nach Inkrafttreten der Hauptsatzung, also am 10.06.2019. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 08.08.2018 verwiesen.

14

Mit Schreiben vom 28.08.2018 führte der Kläger aus, dass er die Rechtsauffassung der Beklagten nicht teilen könne. Es könne nicht sein, dass ihm die Mitgliedschaft bei der Beklagten nicht offenstehe, während sie anderen Personengruppen, die ebenfalls den Arztberuf nicht (mehr) ausübten, nämlich Berufsangehörigen, die ihre Hauptwohnung in Hamburg haben oder die ihren Beruf wegen Berufsunfähigkeit oder aus Altersgründen nicht mehr ausüben, offenstehe. Darin liege eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Im Übrigen gehe es ihm letztlich gar nicht um die Mitgliedschaft bei der Beklagten, sondern lediglich um den Arztausweis, der an die Mitgliedschaft bei der Beklagten gebunden sei. Er könne laut Auskunft der Apothekenkammer seine Approbation als Arzt nur mit dem Arztausweis nachweisen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 28.08.2018 verwiesen.

15

Am 06.12.2018 hat der Kläger Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft seine gegenüber der Beklagten vorgerichtlich geäußerten (Rechts-)Ansichten. Die neue Hauptsatzung benachteilige ihn gegenüber seinen arbeitenden und nichtarbeitenden Kollegen im In- und Ausland unangemessen. Er werde insbesondere anders behandelt als andere Ruhestandsmitglieder. Die Beklagte habe mit ihm genauso viel oder wenig zu tun wie mit allen anderen Ruhestandsmitgliedern, bei denen die Berufsaufsicht in den Hintergrund und die Teilhabe an den Leistungen der Beklagten in den Vordergrund trete. Die einzige Leistung, die er in Anspruch nehme, sei der Arztausweis. Er könne sich nicht mehr als Arzt ausweisen und bei seinen Besuchen in Hamburg in der Apotheke keine Medikamente zum Eigenbedarf erwerben, da in der Apotheke lediglich der Arztausweis als Identitätsnachweis akzeptiert werde, nicht aber seine Approbationsurkunde. Er befürchte schließlich im Falle der Beendigung seiner Mitgliedschaft bei der Beklagten Auswirkungen auf seine Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Beklagten, die an die Mitgliedschaft bei der Beklagten geknüpft sei.

16

Der Kläger beantragt sinngemäß,

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festzustellen, dass seine Mitgliedschaft in der Ärztekammer Hamburg nicht am 10.06.2019 geendet hat.

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Hilfsweise beantragt der Kläger,

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die Beklagte zu verpflichten, ihm einen Arztausweis auch über den 10.06.2019 hinaus auszustellen.

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Die Beklagte beantragt,

21

die Klage abzuweisen.

22

Der Kläger habe auf der Grundlage von § 4 Abs. 4 ihrer neuen Hauptsatzung keinen Anspruch auf eine fortbestehende freiwillige Mitgliedschaft. Die neue Hauptsatzung gelte auch für den Kläger; auf eine Übergangsbestimmung sei bewusst verzichtet worden. Der Kläger erfülle weder die Voraussetzungen von § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 i.V.m. S. 2 der Hauptsatzung noch die Voraussetzungen von § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 der Hauptsatzung. Die beiden Regelungen hätten einen sachlichen Hintergrund. Die Regelung in § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 i.V.m. S. 2 der Hauptsatzung solle Kammermitgliedern, die nur vorübergehend im Ausland ihren Beruf ausübten, z.B. im Rahmen von Bundeswehreinsätzen, humanitären Einsätzen oder zum Zwecke der Weiterbildung, wiederholte An- und Abmeldungen ersparen. Die Regelung in § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 der Hauptsatzung solle es Mitgliedern, die langjährig im Kammerbezirk tätig gewesen seien, aber außerhalb Hamburgs wohnten, bei Aufgabe ihrer beruflichen Tätigkeit (aus Altersgründen oder wegen Berufsunfähigkeit) ermöglichen, weiterhin Mitglied der Beklagten, der sie näher stünden als der kraft Wohnsitz für sie zuständigen Kammer, zu bleiben. Die Beschränkung auf diese beiden Fallgestaltungen habe ihren Grund im Zweck der Pflichtmitgliedschaft, der zum einen darauf gerichtet sei, die Erfüllung der Berufspflichten der Kammermitglieder zu überwachen und zum anderen dazu diene, die Mitglieder an den Leistungen, die sich aus den weiteren gesetzlichen Aufgaben der Beklagten ergäben, teilhaben zu lassen. Bei Mitgliedern, die sich dauerhaft im Ausland aufhielten, gehe dieser Zweck ins Leere. Aus diesem Grund sei bei der Neufassung der Hauptsatzung beschlossen worden, die Möglichkeit der freiwilligen Mitgliedschaft im Falle des Auslandsaufenthalts auf zwei Jahre zu begrenzen. Mit Blick auf die im Ruhestand befindlichen bzw. die berufsunfähigen Mitglieder sei eine solche Beschränkung hingegen nicht für notwendig erachtet worden, da anders als im Fall der im Ausland lebenden Mitglieder nicht beide Zwecke, sondern nur der Zweck der Überwachung der Berufspflichten in den Hintergrund trete, wohingegen die Teilhabe an den Leistungen der Beklagten nach wie vor von Bedeutung für diese Personengruppe sei.

23

Das Fortbestehen der freiwilligen Mitgliedschaft sei auch nicht aufgrund der vom Kläger angeführten Nachteile erforderlich. Im Falle der Beendigung der Mitgliedschaft in der Ärztekammer könne der Kläger weiterhin freiwillig Mitglied im Versorgungswerk bleiben. Der Arztausweis sei zwar an die Mitgliedschaft in der Ärztekammer gebunden. Dem Arztausweis komme im Hinblick auf die Arzteigenschaft jedoch lediglich eine deklaratorische Bedeutung zu. Zur Legitimation gegenüber Apothekern genüge die Approbationsurkunde.

Entscheidungsgründe

I.

24

Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter anstelle der Kammer (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).

II.

25

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1.

26

Der Hauptantrag, mit dem der Kläger die Feststellung begehrt, dass seine Mitgliedschaft bei der Beklagten zum 10.06.2019 nicht geendet hat, bleibt ohne Erfolg.

27

Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft bei der Beklagten nach der Hauptsatzung der Beklagten vom 05.09.2016 (im Folgenden: Hauptsatzung) nicht (hierzu a)). Die Regelungen der (neuen) Hauptsatzung zur Mitgliedschaft bei der Beklagten sind auf den Kläger auch anwendbar (hierzu b)). Sie stehen ferner mit höherrangigem Recht in Einklang (hierzu c)).

a)

28

Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft bei der Beklagten nach § 4 Abs. 1 S. 1 der Hauptsatzung der Beklagten vom 05.09.2016 nicht. Nach dieser Vorschrift sind Mitglieder der Beklagten alle Berufsangehörigen, die in Hamburg ihren Beruf ausüben (Nr. 1) oder ihre Hauptwohnung im Sinne des Melderechts in Hamburg haben, es sei denn, dass sie Mitglied einer anderen Heilberufekammer im Bundesgebiet sind (Nr. 2). Der Kläger übt in Hamburg weder seinen Beruf aus noch hat er eine Wohnung in Hamburg.

29

Der Kläger erfüllt ferner nicht die Voraussetzungen für eine freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten nach § 4 Abs. 4 der Hauptsatzung. Nach § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, S. 2 der Hauptsatzung können Berufsangehörige im unmittelbaren Anschluss an eine Mitgliedschaft auf Antrag eine freiwillige Mitgliedschaft begründen, wenn sie ihren Beruf außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausüben und dort ihre Hauptwohnung haben, wobei in diesem Fall die freiwillige Mitgliedschaft zwei Jahre nach Wegzug in das Ausland endet. Nach § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 der Hauptsatzung können Berufsangehörige im unmittelbaren Anschluss an eine Mitgliedschaft auf Antrag eine freiwillige Mitgliedschaft darüber hinaus begründen, wenn sie ihren Beruf wegen Berufsunfähigkeit oder aus Altersgründen nicht mehr ausüben und ihre Hauptwohnung außerhalb des Geltungsbereichs der Satzung der Beklagten haben. Der Kläger erfüllt keine der beiden Alternativen. Der Kläger übt seinen Beruf derzeit nicht aus, wobei dies weder wegen Berufsunfähigkeit noch aus Altersgründen geschieht.

b)

30

Die Regelungen zur Mitgliedschaft in § 4 Abs. 1 und 4 der neuen Hauptsatzung sind auf den Kläger, der bereits seit 2007 freiwilliges Mitglied der Beklagten ist, anwendbar. Eine explizite Übergangsregelung, die dies festlegt, fehlt zwar. Die Beklagtenvertreterin, die die Satzungsänderung laut ihren Aussagen in der mündlichen Verhandlung in ihrer Eigenschaft als Mitarbeiterin der Beklagten maßgeblich vorbereitet hat, hat jedoch nachvollziehbar erläutert, dass der Beklagten bei der Satzungsänderung gerade Altfälle wie die des Klägers vor Augen standen; man habe insbesondere (auch) Berufsangehörige von der Mitgliedschaft ausschließen wollen, die seit Jahren im Ausland lebten, keinen Bezug mehr zu der Beklagten hätten und hinsichtlich derer eine Berufsaufsicht nicht sinnvoll ausgeübt werden könne. Das Fehlen einer Übergangsregelung stellt sich vor diesem Hintergrund als ein bewusster Verzicht auf eine Übergangsregelung dar (vgl. BSG, Urt. v. 04.09.2013, B 10 EG 6/12 R, juris, Rn. 35; FG Köln, Urt. v. 28.03.2012, 7 K 199/09, juris, Rn. 41).

c)

31

Die Regelungen in § 4 Abs. 1 und 4 der Hauptsatzung stehen in Einklang mit höherrangigem Recht. § 4 Abs. 1 der Hauptsatzung entspricht § 2 Abs. 1 S. 1 HmbKGH. § 4 Abs. 4 der Hauptsatzung beruht auf § 2 Abs. 3 HmbKGH, wonach die Beklagte in ihrer Hauptsatzung Regelungen über eine freiwillige Mitgliedschaft treffen kann, insbesondere für Berufsangehörige, die ihren Beruf außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausüben und dort ihre Hauptwohnung haben.

32

Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der genannten Regelungen der Hauptsatzung und derjenigen des Hamburgischen Heilberufekammergesetzes hat das erkennende Gericht nicht. Insbesondere stehen die Regelungen im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG.

33

Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfG, Beschl. v. 15.12.2015, 2 BvL 1/12, juris, Rn. 93). Differenzierungen sind damit nicht ausgeschlossen, bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (BVerfG, ebenda). Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (BVerfG, ebenda).

34

Nach diesen Maßstäben sind die vom Gesetz- und Satzungsgeber vorgenommenen Differenzierungen in § 2 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 3 HmbKGH, § 4 Abs. 1 und 4 der Hauptsatzung nicht zu beanstanden. Insbesondere wird der Kläger nicht im Verhältnis zu anderen Personen, die ebenfalls ihren Beruf nicht (mehr) ausüben, nicht in sachlich nicht gerechtfertigter Weise benachteiligt.

35

Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass an den sachlichen Grund für eine Differenzierung im vorliegenden Fall keine hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Der Gesetz- und Verordnungsgeber darf bei der Bestimmung, wer freiwilliges Mitglied der Beklagten sein kann, Gruppen bilden und dabei in weitem Maße typisierend und pauschalisierend vorgehen; er muss nicht den Besonderheiten jedes Einzelfalls Rechnung tragen (vgl. allgemein zur Pauschalisierungs- und Typisierungsbefugnis OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 25.10.2012, OVG 1 B 98.10, juris, Rn. 28 m.w.N.). Die Personengruppe, der der Kläger angehört - Berufsangehörige, die die Freie und Hansestadt aufgrund eigenverantwortlicher Entscheidung verlassen haben -, ist zudem dadurch gekennzeichnet, dass das Ende der Mitgliedschaft auf eben dieser eigenverantwortlichen Entscheidung beruht. Dies gilt trotz der Tatsache, dass die neue Hauptsatzung erst 2016 verabschiedet wurde, auch für den Kläger, dem es jederzeit freisteht, seinen Wohnsitz wieder nach Hamburg zu verlegen und hier seine ärztliche Tätigkeit wieder aufzunehmen. Dieser Umstand rechtfertigt eine weniger strenge Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als in denjenigen Fällen, in denen die Betroffenen das Fortbestehen ihrer Mitgliedschaft nicht selbst beeinflussen können, z.B. in den Fällen der Aufgabe der Berufstätigkeit wegen Berufsunfähigkeit oder aus Altersgründen, § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 der Hauptsatzung (vgl. zu diesem verhaltensbezogenen Differenzierungskriterium BVerfG, Urt. v. 02.03.1999, 1 BvL 2/91, juris, Rn. 82). Ferner ist zu berücksichtigen, dass die durch den Gesetz- und Satzungsgeber vorgenommenen Differenzierungen sich nicht den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten (unveräußerlichen) Merkmalen annähern (vgl. zu diesem Kriterium BVerfG, aaO, Rn. 81). Die Ungleichbehandlung der Personengruppe, der der Kläger angehört, wirkt sich schließlich auch nicht stark auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten aus (vgl. zu diesem Kriterium wiederum BVerfG, ebenda). Durch die Beendigung der Mitgliedschaft bei der Beklagten werden Angehörige dieser Personengruppe nicht gehindert, anderorts im In- oder Ausland ihren Beruf auszuüben oder - sofern sie die Voraussetzungen hierfür erfüllen - Mitglied einer anderen Ärztekammer im In- oder Ausland zu werden, um an deren Leistungen teilzuhaben.

36

Die vom Kläger mit einem Ende seiner freiwilligen Mitgliedschaft in Verbindung gebrachten Nachteile rechtfertigen keine andere Beurteilung.

37

Soweit der Kläger im Falle der Beendigung seiner Mitgliedschaft bei der Beklagten Nachteile im Hinblick auf seine Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Beklagten befürchtet, vermag das Gericht dies nicht nachzuvollziehen. Der Kläger hat gemäß § 8 Abs. 1 des Versorgungsstatuts der Beklagten die Möglichkeit, nach der Beendigung der Mitgliedschaft bei der Beklagten freiwillig Mitglied im Versorgungswerk zu bleiben.

38

Soweit der Kläger vorträgt, dass er ohne seinen Arztausweis, der an seine Mitgliedschaft bei der Beklagten geknüpft sei, in Apotheken keine Arzneimittel für den Eigenbedarf nach § 4 Abs. 2 der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) erwerben könne, so dürfte dies in rechtlicher Hinsicht unzutreffend sein. Unabhängig davon, ob der Kläger, der nicht berufstätig ist, überhaupt in den Anwendungsbereich von § 4 Abs. 2 AMVV fällt - dieser nimmt auf eine „verschreibende Person“ Bezug, die nach der Vorstellung des Verordnungsgebers in einer Praxis oder Klinik arbeitet (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMVV) - , sieht § 4 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 2 AMVV lediglich vor, dass der Apotheker sich über die Identität der verschreibenden Person Gewissheit zu verschaffen hat. Weder die Vorschrift noch deren Begründung (BR-Drucks. 322/06) lassen erkennen, dass die Identität nur mit dem Arztausweis nachgewiesen werden kann. In Betracht kommt zum Beispiel ebenfalls, ggf. kumulativ, die Vorlage der Approbationsurkunde (im Original), eines von der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz ausgestellten certificate of good standing (siehe hierzu https://www.hamburg.de/behoerdenfinder/hamburg/11357587) sowie eines amtlichen Ausweises.

39

Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass aufgrund der von ihm und der Beklagtenvertreterin mit der Hamburger Apothekerkammer geführten Korrespondenz anzunehmen ist, dass Apotheken bundesweit in der Praxis nur den Arztausweis als Identitätsnachweis gelten lassen. Die hierfür gegebene Begründung, dass das Fehlen eines Arztausweises einen hinreichenden Verdacht auf Arzneimittelmissbrauch im Sinne von § 17 Abs. 8 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) begründe, ist indes rechtlich nicht haltbar. Es ist dem Kläger möglich, sein (ggf. bestehendes) Recht auf Abgabe von Arzneimitteln nach § 4 Abs. 2 AMVV ggf. gegenüber einzelnen Apothekern durchzusetzen, auch wenn dies sicherlich beschwerlich ist. Hierauf kommt es für die Frage der Prüfungsintensität letztlich aber auch nicht an. Selbst wenn man den Arztausweis in der Praxis als conditio sine qua non für den Erhalt von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nach § 4 Abs. 2 AMVV ansehen sollte, würde dies nicht dazu führen, dass ein strenger Prüfungsmaßstab im Hinblick auf die geltend gemachte Ungleichbehandlung angelegt werden müsste. Aus dem klägerischen Vortrag ergibt sich, dass die Mitgliedschaft bei der Beklagten für ihn nur von Bedeutung ist, um weiterhin mithilfe seines Arztausweises verschreibungspflichtige Medikamente bei seinen Besuchen in Deutschland nach § 4 Abs. 2 AMVV erwerben zu können. Es ist jedoch weder Haupt- noch Nebenzweck der Mitgliedschaft bei der Beklagten, Ärzten zu ermöglichen, Arzneimittel für den Eigenbedarf nach § 4 Abs. 2 AMVV erwerben zu können. Die Regelung des § 4 Abs. 2 AMVV stellt eine Privilegierung für Ärzte dar, die von Verfassungs wegen nicht gefordert ist und die eine Mitgliedschaft bei der Beklagten nicht voraussetzt. Dem Kläger ist es ohne weiteres möglich und zumutbar, seine Arzneimittel wie jeder andere Bürger auf dem „gewöhnlichen Wege“ zu beschaffen.

40

Dies vorangestellt, erweisen sich die vom Gesetz- und Satzungsgeber vorgenommenen Differenzierungen als sachlich gerechtfertigt. Im Einzelnen:

41

aa) Der Kläger wird nicht gegenüber anderen Berufsangehörigen, die ihren Beruf nicht (mehr) ausüben und ihre Hauptwohnung in Hamburg haben, unangemessen benachteiligt. Zwar sind Berufsangehörige, die ihren Beruf nicht (mehr) ausüben und ihre Hauptwohnung in Hamburg haben, nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 der Hauptsatzung grundsätzlich Pflichtmitglied der Beklagten (zur Befreiungsmöglichkeit siehe § 4 Abs. 3 der Hauptsatzung). Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung liegt jedoch vor. Bei einer typisierenden und pauschalisierenden Betrachtungsweise ist die Annahme gerechtfertigt, dass Berufsangehörige, die in Hamburg wohnen, unabhängig von der Frage, ob sie ihren Beruf ausüben oder nicht, ein Interesse oder zumindest ein größeres Interesse als nicht in Hamburg lebende Berufsangehörige daran haben, an den Leistungen der Beklagten teilzuhaben. Zudem ist der Beklagten die Überwachung solcher Berufspflichten, die nicht allein für berufstätige Ärzte gelten, bei in Hamburg lebenden Kammermitgliedern ohne weiteres möglich, während dies bei außerhalb Hamburgs oder sogar im Ausland lebenden Berufsangehörigen nicht ohne weiteres möglich ist.

42

bb) Der Kläger wird ferner nicht gegenüber Berufsangehörigen unangemessen benachteiligt, die im Anschluss an eine (Pflicht-)Mitgliedschaft bei der Beklagten bei einer Berufsausübung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland für einen Zeitraum von zwei Jahren (freiwilliges) Mitglied der Beklagten bleiben können. Auch hier liegt ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung vor. Die Beklagtenvertreterin hat schriftsätzlich und ergänzend in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass diese Regelung dazu dient, Kammermitgliedern, die sich zum Zwecke der Berufsausübung vorübergehend im Ausland aufhalten, z.B. im Rahmen von Auslandseinsätzen für die Bundeswehr oder humanitären Einsätzen oder zum Zwecke der Weiterbildung, wiederholte An- und Abmeldungen zu ersparen. Dies ist ein sachlich einleuchtender Grund. Bei einer typisierenden und pauschalisierenden Betrachtung kann davon ausgegangen werden, dass Berufsangehörige, die sich nur vorübergehend im Ausland aufhalten - anders als Berufsangehörige, die längere Zeit oder sogar dauerhaft im Ausland leben - weiterhin ein Interesse daran haben, an den Leistungen der Beklagten teilzuhaben. Ferner ist die durch den Auslandsaufenthalt hervorgerufene erschwerte Überwachung der Berufspflichten im Falle eines nur vorübergehenden Auslandsaufenthalts eher hinzunehmen als im Falle eines längerfristigen oder endgültigen Auslandsaufenthalts. Die Beklagtenvertreterin hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass die Beklagte auf dauerhaft im Ausland lebende Berufsangehörige letztlich überhaupt keinen Zugriff mehr hat und eine Berufsaufsicht mangels hinreichender Informationen nicht möglich ist. Dies ist im Fall von Kammermitgliedern, die sich nur vorübergehend im Ausland aufhalten und in den Kammerbezirk der Beklagten zurückkehren, anders. Zwar mag die Überwachung der Berufspflichten auch während eines kurzfristigen Auslandsaufenthalts erschwert sein; angesichts der Kurzfristigkeit des Auslandsaufenthalts ist es jedoch ohne weiteres vertretbar, dies hinzunehmen, zumal einige Berufspflichten, wie etwa die Fortbildungspflicht (vgl. § 4 der Berufsordnung der Beklagten), von einem kurzfristigen Auslandsaufenthalt ohnehin nicht spürbar tangiert werden dürfen.

43

Schließlich hat die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass es Fälle gebe bzw. gegeben habe, in denen im Ausland lebende Kammermitglieder ihre Kammerbeiträge (zu Unrecht) nicht gezahlt hätten, wobei es in diesen Fällen praktisch unmöglich gewesen sei, die Beiträge (mit Zwang) beizutreiben. Auch vor diesem Hintergrund besteht ein berechtigtes Interesse der Beklagten, die freiwillige Mitgliedschaft für längerfristig im Ausland lebende Berufsangehörige, die bei einer typisierenden Betrachtung keine enge Verbundenheit zu der Beklagten mehr haben und deren Leistungen nicht in Anspruch nehmen, zu begrenzen.

44

cc) Schließlich wird der Kläger nicht gegenüber Berufsangehörigen unangemessen benachteiligt, die im Anschluss an eine (Pflicht-)Mitgliedschaft bei der Beklagten (freiwilliges) Mitglied der Beklagten bleiben können, wenn sie ihren Beruf wegen Berufsunfähigkeit oder aus Altersgründen nicht mehr ausüben können und ihren Hauptwohnsitz außerhalb des Geltungsbereichs der Satzung der Beklagten haben. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung liegt vor. Die Beklagtenvertreterin hat in der mündlichen Verhandlung den Sinn und Zweck der Vorschrift nachvollziehbar dargelegt. Die Vorschrift trägt den Besonderheiten des Stadtstaats Rechnung. Nach den plausiblen Angaben der Beklagtenvertreterin gibt es eine nicht unerhebliche Anzahl an Kammermitgliedern, die ihren Beruf zeitlebens in Hamburg ausgeübt haben und dementsprechend zeitlebens Mitglied der Beklagten waren (vgl. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 der Hauptsatzung), ihre Hauptwohnung jedoch im Umland von Hamburg, z.B. in Schleswig-Holstein, haben. Diese Kammermitglieder würden im Falle der Berufsaufgabe wegen Berufsunfähigkeit oder aus Altersgründen ohne die Regelung in § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 der Hauptsatzung keine Möglichkeit mehr haben, Mitglied der Beklagten zu bleiben. Sie würden stattdessen kraft ihres Wohnsitzes Mitglied einer benachbarten Ärztekammer werden (vgl. etwa § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des schleswig-holsteinischen Gesetzes über die Kammern und die Berufsgerichtsbarkeit für die Heilberufe). Der Wunsch, diesen Kammermitgliedern, die über einen langen Zeitraum eine Verbindung zu „ihrer“ Kammer aufgebaut und sich dort möglicherweise sogar berufspolitisch betätigt haben, weiterhin eine Mitgliedschaft und die Teilhabe an den Leistungen der Beklagten zu ermöglichen, ist nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass bei Kammermitgliedern, die ihren Beruf wegen Berufsunfähigkeit oder aus Altersgründen aufgegeben haben, die Überwachung der Berufspflichten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 HmbKGH) in den Hintergrund tritt, weil der Beruf nicht mehr ausgeübt wird und bei einer typisierenden und pauschalisierenden Betrachtung davon ausgegangen werden kann, dass dieser auch in Zukunft nicht mehr ausgeübt werden wird. Beim Kläger tritt die Überwachung der Berufspflichten zwar auch in den Hintergrund, da dieser seinen Beruf derzeit nicht ausübt. Anders als die in § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 der Hauptsatzung genannten Personen könnte er seinen Beruf, da er weder berufsunfähig ist noch ein Alter erreicht hat, das eine Aufgabe der Berufsausübung aus Altersgründen rechtfertigen könnte, jedoch jederzeit wieder aufnehmen, mit der Folge, dass die Beklagte die Einhaltung der Berufspflichten durch den im Ausland lebenden Kläger überwachen müsste. Die Beklagtenvertreterin hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass dies für sie praktisch unmöglich bzw. mit großen Schwierigkeiten verbunden wäre.

2.

45

Auch der Hilfsantrag, mit dem der Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihm einen Arztausweis über den 10.06.2019 hinaus auszustellen, bleibt ohne Erfolg. Der von der Beklagten ausgestellte Arztausweis ist ein Mitgliedsausweis, der bescheinigt, dass die genannte Person ein Mitglied der Beklagten ist (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 9 HmbKGH; siehe auch den Vordruck in der Sachakte der Beklagten). Da der Kläger kein Mitglied der Beklagten (mehr) ist, kann ihm dementsprechend kein Arztausweis ausgestellt werden.

III.

46

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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