Beschluss vom Verwaltungsgericht Hannover (12. Kammer) - 12 B 5559/21

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

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Den Antrag,

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dass die gleichzeitig erhobene Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23.08.2021 betreffend

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1. Ausreise des Antragstellers

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2. Androhung der Abschiebung

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aufschiebende Wirkung erhält,

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legt die Einzelrichterin nach seinem erkennbaren Begehren gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage 12 A 5556/21 gegen die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 23.08.2021 aus.

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Der so verstandene Antrag ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet (nachfolgend unter I. und II.). Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wäre ebenfalls erfolglos geblieben (nachfolgend unter III.).

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I. 1. Hinsichtlich der Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 unstatthaft. Die Statthaftigkeit eines Eilantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO setzt voraus, dass die Ablehnung eines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die Beendigung einer gesetzlichen Erlaubnis- oder Duldungsfiktion nach § 81 Abs. 3 AufenthG oder einer Fiktion des Fortbestandes des bisherigen Aufenthaltstitels nach § 81 Abs. 4 AufenthG bewirkt hat. Denn nur dann kann eine gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht entfallen lassen. Im Falle des Antragstellers ist keine Fiktionswirkung eingetreten. Zwar gilt gemäß § 81 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AufenthG der Aufenthalt eines Ausländers, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt. Die Antragsteller befand sich aber weder zum Zeitpunkt der Antragstellung noch vorher rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bedurfte gemäß § 4 Abs. 1 AufenthG eines Aufenthaltstitels. Die Befreiung von Drittstaatsangehörigen, die wie der Antragsteller Inhaber eins gültigen, von einem der Mitgliedsstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, von der Visumspflicht nach § 15 AufenthV i.V.m. Art. 21 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens betrifft nur Kurzaufenthalte, die 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen nicht überschreiten. Für längerfristige Aufenthalte müssen auch sie gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ein nationales Visum einholen. Eine Ausnahme nach §§ 39 Nr. 6 i.V.m. § 40 Abs. 3 Satz 2 AufenthV war nicht gegeben. Danach kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn er einen von einem anderen Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitel besitzt und auf Grund dieses Aufenthaltstitels berechtigt ist, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt sind. Der Aufenthaltstitel ist innerhalb von 90 Tagen nach der Einreise zu beantragen. Der Antragsteller, ein nigerianischer Staatsangehöriger, ist zwar im Besitz eines langfristigen Aufenthaltstitels des Königreichs Spanien. Er hat den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aber unstreitig erst mehr als 90 Tage nach seiner Einreise gestellt. Denn er ist am 15.10.2019 nach Deutschland eingereist und hat erstmalig am 30.01.2020 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt. Sein Vorbringen, er habe den Antrag pandemiebedingt nicht rechtzeitig stellen können, ist nicht nachvollziehbar. Die Antragsgegnerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es im betreffenden Zeitraum noch keine Einschränkungen zur Eindämmung der Verbreitung von Covid 19 gab. Zudem lagen die Anspruchsvoraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht vor, da der Lebensunterhalt des Antragstellers entgegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht gesichert war. Die von ihm begehrte Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG berechtigt nach § 38a Abs. 3 Satz 1 AufenthG zur Ausübung einer Beschäftigung, wenn die Bundesagentur für Arbeit der Ausübung der Beschäftigung nach § 39 Abs. 3 AufenthG zugestimmt hat. Für das vom Antragsteller vorgelegte Beschäftigungsangebot des Personalhauses B-Stadt als Hilfskraft hat die Bundesagentur für Arbeit die Zustimmung jedoch zu Recht versagt. Die Zustimmung nach § 39 AufenthG ist gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu versagen, wenn der Ausländer als Leiharbeitnehmer (§ 1 Abs. 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes) tätig werden will. Diese Zustimmungsversagung dient verschiedenen Zwecken: So ist sie einerseits auf Stabilität und Kontrolle des Arbeitsmarktes gerichtet, andererseits auf den sozialen Schutz des ausländischen Arbeitnehmers. Auch stellt sie die Durchführung der Vorrangprüfung für einen bestimmten Arbeitsplatz sicher, die bei einem Einsatz des Ausländers als Leiharbeiter an wechselnden Arbeitsplätzen nicht möglich ist (vgl. Sußmann/Nusser in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 40 Rn. 3 m.w.N.). Ob die Vorschrift in Fällen der unbeschränkten Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung einschränkend auszulegen ist (vgl. dazu Sußmann/Nusser ebenda), kann offenbleiben, da es sich bei der hier erforderlichen erstmaligen Zustimmung nach § 38a Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht um eine unbeschränkte Zustimmung handelt. Die Tätigkeit, die der Antragsteller beim D. anstrebte, war unzweifelhaft eine Tätigkeit als Leiharbeitnehmer. Das D. hatte auf dem Formular der Bundeagentur für Arbeit angekreuzt, dass der Arbeitnehmer an Dritte überlassen werden soll.

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2. Soweit die Klage sich gegen die Abschiebungsandrohung richtet, ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft, weil diese gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 64 Abs. 4 Satz 1 NPOG sofort vollziehbar ist.

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II. Soweit der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig ist, ist er unbegründet. Das Verwaltungsgericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen, wenn das Interesse des betroffenen Ausländers, von einem Vollzug der Verfügung vorläufig verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse an der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit überwiegt. Bei dieser Interessenabwägung kommt der Erfolgsaussicht der Klage im Hauptsacheverfahren maßgebliche Bedeutung zu. Hier wird sich die Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 23.08.2021 nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich als rechtmäßig erweisen. Sie entspricht den gesetzlichen Anforderungen aus §§ 58, 59 AufenthG. Der Antragsteller war und ist nach § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig, da er die erforderliche Aufenthaltserlaubnis nicht besitzt. Die Ausreisefrist von 30 Tagen schöpft das Höchstmaß aus § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG aus.

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III. Das Gericht hat davon abgesehen, auf die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 123 Abs. 1 VwGO hinzuweise, weil ein Antrag, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, die Abschiebung des Antragstellers bis zur Entscheidung des Gerichts über die Klage gegen den Bescheid vom 23.08.2021 vorübergehend auszusetzen, erfolglos geblieben wäre.

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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dazu muss der Antragsteller gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft machen, dass ihm der in der Hauptsache verfolgte Anspruch zusteht (Anordnungsanspruch) und dass die begehrte Anordnung zur Sicherung seiner Rechtsverwirklichung erforderlich ist (Anordnungsgrund). Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Aussetzung seiner Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG glaubhaft gemacht. Danach ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Dem Antragsteller steht kein Anspruch auf eine Verfahrensduldung zu (nachfolgend unter 1.), und seine Abschiebung ist auch nicht aus anderen Gründen unmöglich (nachfolgend unter 2.).

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1. Für die Dauer eines Erteilungsverfahrens für eine Aufenthaltserlaubnis kann ausnahmsweise durch eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO eine Aussetzung der Abschiebung erwirkt werden, wenn nur so sichergestellt werden kann, dass eine ausländerrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zugutekommt. Ob dies bei einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG grundsätzlich in Betracht kommt, bedarf keiner Entscheidung (vgl. zu Konstellationen für eine Verfahrensduldung Nds. OVG, Bschl. v. 25.04.2019 – 13 ME 86/19 –, juris Rn. 4 m.w.N.). Denn der Antragsteller hat offensichtlich keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG. Nach wie vor erfüllt er nicht die allgemeine Erteilungsvoraussetzung aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, wonach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in der Regel voraussetzt, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Die von ihm vorgelegten Arbeitsplatzangebote sind gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht zustimmungsfähig, weil es sich um Leiharbeit handelt (vgl. zu diesem Ausschlussgrund oben unter I.1). Dies gilt sowohl für das erneut eingebrachte Beschäftigungsverhältnis beim D. als auch für die Stelle bei der E.. Beide Arbeitgeber haben in den Formularen der Bundesagentur für Arbeit angegeben, dass der Antragsteller als Leiharbeitnehmer an Dritte überlassen werden soll. Bei der E. ergibt sich dies zusätzlich aus dem vorgelegten Arbeitsvertrag vom 08.02.2021. Dementsprechend hat die Bundesagentur für Arbeit auch für die Beschäftigung bei der E. die Zustimmung versagt. Darüber hinaus ist am 26.09.2021 die Geltungsdauer des Passes des Antragstellers abgelaufen, so dass er die Passpflicht aus § 3 AufenthG nicht mehr erfüllt und es daher auch an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung aus § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG fehlt.

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2. Anhaltspunkte für eine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung des Antragstellers aus anderen Gründen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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V. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 1.5 i.V.m. Nr. 8.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NordÖR 2014, 11).

 


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