Urteil vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - 1 K 85/06

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen eine Anordnung der Heimaufsicht zur angemessenen Betreuung von Heimbewohnern.
Die Klägerin ist Trägerin des ...-Hauses, einer vollstationären Pflegeeinrichtung in Heidelberg. Das Heim hält 100 Pflegeplätze in vier Wohngeschossen mit einer Kapazität von je 25 Betten vor. Je zwei Stockwerke sind zu einer Station zusammengefasst. Das Heim ist in den letzten Jahren stets zu über 90 %, und in großem Umfang mit schwer- und schwerstpflegebedürftigen alten Menschen belegt, von denen nicht wenige demenziell erkrankt sind.
Am 25.03.2002 kam es im ...-Haus zu einer Heimbegehung des Amtes für Öffentliche Ordnung der Beklagten. Dabei wurde neben zahlreichen Einrichtungs- und Betreuungsmängeln festgestellt, dass im Tagdienst je Station in etwa 50 % der Schichten nur eine Fachkraft zur Pflege und Betreuung der Bewohner anwesend war. Unter diesen Voraussetzungen sah die Heimaufsicht eine angemessene pflegerische Versorgung der Bewohner nicht als gesichert an und versuchte deshalb die Klägerin zum Einsatz zusätzlichen Fachpersonals zu veranlassen. Bei einer zweiten Heimbegehung am 20.10.2003 wurde im Hinblick auf eine gravierende Zunahme von Pflegedefiziten wieder ein nicht ausreichender Einsatz von Pflegefachkräften bemängelt. Die Klägerin weigerte sich zuletzt mit Schreiben vom 14.11.2003, den behördlichen Vorstellungen zur Personalbesetzung und zur Arbeitsorganisation in ihrem Haus zu entsprechen, weil sie auf die einer Pflegeeinrichtung von anderer Seite auferlegten finanziellen Zwänge keine Rücksicht nähmen. Die von der Heimaufsicht erbetene Zustimmung zu einer daraufhin erwogenen Anordnung, im Tagdienst die ständige Anwesenheit einer Pflegekraft auf jedem Stockwerk des Heimes vorzuschreiben, wurde vom Sozialhilfeträger wegen befürchteter Vergütungserhöhung abgelehnt.
Mit Bescheid vom 30.12.2003 ordnete die Beklagte an, im ...-Haus ab sofort in jeder Tagschicht (Früh- und Spätdienst) auf jedem Stockwerk des stationären Pflegebereichs mindestens je eine Fachkraft bzw. je Station je zwei Fachkräfte im Sinne von § 6 Heimpersonalverordnung einzusetzen. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei Betrachtung der im Heim der Klägerin festgestellten Mängel zeige sich, dass den Vorgaben des Heimgesetzes wegen der nicht ausreichenden Anzahl von Pflegefachkräften nicht im erforderlichen Umfang genügt werde. Bei Anwesenheit nur einer Fachkraft je Station könnten betreuende Tätigkeiten nicht mehr unter angemessener Beteiligung von Fachkräften wahrgenommen werden. Die getroffene Anordnung sei geeignet und erforderlich, bereits eingetretene Beeinträchtigungen des Wohls der Bewohner zu beseitigen und weitere drohende Beeinträchtigungen abzuwenden. Ein milderes Mittel zur Sicherung einer angemessenen Qualität der Betreuung sei nicht ersichtlich.
Am 09.01.2004 erhob die Klägerin gegen die Anordnung vom 30.12.2003 Widerspruch. Zur Begründung bezog sie sich auf ihre vorherigen Schreiben, in denen sie die festgestellten Mängel weitgehend bestritt und ihrer Überzeugung Ausdruck gab, dass die Bewohner ihres Hauses ordnungsgemäß und angemessen betreut würden. Mit Bescheid vom 11.10.2004 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch als unbegründet zurück. In den Gründen wird ausgeführt, welche Anforderungen von jedem Heim mit pflegebedürftigen Bewohnern erfüllt sein müssten, bestimme sich nach Nr. 4.5 des Kriterienkataloges des Sozialministeriums Baden-Württemberg für die Heimaufsichtsbehörden vom 19.03.2003. Danach müsse im Tagesdienst in jeder Pflegeeinheit mit in der Regel bis zu 25 Bewohnern immer eine Fachkraft ständig anwesend sein. Im ...-Haus müsse von vier Pflegeeinheiten ausgegangen werden, denn pro Stockwerk stünden 25 Pflegeplätze zur Verfügung. Dies rechtfertige die angefochtene Anordnung, wobei es auf die Frage, ob bzw. welche Mängel konkret vorgelegen hätten, nicht ankomme. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 14.10.2004 zugestellt.
Am 09.11.2004 hat sie Klage erhoben. Sie trägt vor, die Behauptung, die ständige Anwesenheit einer Fachkraft auf jeder Etage ihrer Pflegeeinrichtung sei eine Mindestvoraussetzung für den Betrieb ihres Hauses, sei rechtlich nicht haltbar. Die bloße Nichterfüllung der Bedingungen des so genannten Kriterienkatalogs sei nämlich kein Mangel im Sinne des § 17 Abs. 1 HeimG. Es komme vielmehr darauf an, dass die betreuerischen und pflegerischen Tätigkeiten unter angemessener Beteiligung von Fachkräften ausgeübt würden. Hierbei sei jedoch auf das Heim im Ganzen und nicht auf einzelne Teilbereiche abzustellen. Deshalb komme es sehr wohl darauf an, ob tatsächliche Mängel in ihrem Heimbetrieb vorgelegen hätten. Dies würde bestritten. Davon abgesehen wäre die Anordnung eines höheren Fachkräfteeinsatzes nicht geeignet, die behaupteten Mängel zu beseitigen. Es bestehe kein direkter Zusammenhang zwischen der Zahl der eingesetzten Fachkräfte und dem Nichtauftreten pflegerischer oder betreuerischer Mängel. So sehe es auch die Landesregierung von Baden-Württemberg, die im Rahmen einer Initiative zum Bürokratieabbau die Heimpersonalverordnung ändern wolle. Künftig müsse nur noch jede dritte Pflegekraft in den Heimen eine Fachkraft sein. Auch die Anwendung des Kriterienkataloges aus dem Jahr 2002 sei aus fachlicher Sicht nicht mehr gerechtfertigt. Dieser sei von Verwaltungsbeamten erstellt worden und daher nicht als Sachverständigengutachten zu bewerten. Die Anordnung der Beklagten sei auch formell rechtswidrig, denn diese habe keine Versuche unternommen, ein Einvernehmen mit den Pflegekassen zu erzielen, was vom Heimgesetz vorgeschrieben sei, wenn Anordnungen gegenüber den Heimträgern eine Erhöhung der vereinbarten oder festgesetzten Entgelte für die Bewohner zur Folge haben könnten.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 30.12.2003 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 11.10.2004 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
10 
die Klagen abzuweisen.
11 
Sie trägt vor, der zur Begründung ihrer Anordnung herangezogene Kriterienkatalog sei sehr wohl Ausdruck zentral ermittelten Sachverstandes, was auch der VGH Baden-Württemberg nach wie vor bestätige. Auch müsse sehr wohl von Mängeln im Heimbetrieb der Klägerin ausgegangen werden. Sie habe selbst eingeräumt, dass Mängel vorlägen, sie habe sie nur zum Teil konkret bestritten. Die angefochtene Verfügung sei auch geeignet, die Mängel zu beseitigen. Viele der Bereiche, in denen Mängel aufgetreten seien (Wundversorgung, Dekubitus, Risikoeinschätzung, Lagerung, Pflegeplanung, Medikamentenversorgung, Kontrolle der Vitalwerte, Flüssigkeitsbilanz, Grundpflegenachweise) beträfen Maßnahmen, die zum Aufgabenbereich einer Pflegefachkraft gehörten und deren Umsetzung unter ihrer angemessenen Beteiligung erfolgen müsse. Der Heimträger müsse deshalb sicherstellen, dass genügend Fachkräfte eingesetzt würden. Dies sei hier nicht erfolgt. Schließlich entspreche es nicht den Tatsachen, wenn die Klägerin vortrage, dass ein Versuch zur Erzielung des Einvernehmens mit den Pflegekassen nicht unternommen worden sei. Solche Bemühungen erfolgten zum einen gegenüber dem Landeswohlfahrtsverband Baden als auch gegenüber der federführenden Pflegesatzpartei AOK.
12 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Dem Gericht liegen die einschlägigen Akten der Beklagten und des Regierungspräsidiums Karlsruhe vor.

Entscheidungsgründe

 
13 
Die Klage ist zulässige, aber nicht begründet.
14 
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 30.12.2003 und der ihn bestätigende Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 11.10.2004 sind rechtmäßig und verletzen deshalb die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Behörde hat ihr zu Recht aufgegeben, in jeder Tagschicht in den beiden Stationen ihres Pflegeheims je zwei Fachkräfte zur Betreuung der Bewohner einzusetzen.
15 
Rechtsgrundlage dieser Anordnung ist § 17 Abs. 1 Satz 1 des Heimgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 05.11.2001 (BGBl. I S. 2970) - HeimG - i. V. m. §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5, 11 Abs. 1 Nr. 2, 3, 5, 7, 9 und 10, Abs. 2 Nr. 2 HeimG sowie §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 1 und 6 Heimpersonalverordnung - HeimPersV -.
16 
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 HeimG können dem Träger eines Heims gegenüber Anordnungen erlassen werden, die zur Beseitigung einer eingetretenen, zur Abwendung einer drohenden Beeinträchtigung oder zur Gefährdung des Wohls der Bewohner, sowie zur Sicherung der Einhaltung der dem Träger gegenüber den Bewohnern obliegenden Pflichten erforderlich sind, wenn festgestellte Mängel nicht abgestellt werden. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt und rechtfertigen die Anordnung der Beklagten.
17 
Die oben genannte Vorschrift dient vorrangig dem Wohl der Heimbewohner, welches das Gesetz schützen, fördern und sicherstellen will. Dieses Wohl definiert sich durch ihre menschliche Würde, ihre Bedürfnisse und ihre Interessen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 HeimG) und bedingt Ansprüche gegenüber dem Träger, insbesondere das Recht auf eine dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse entsprechende Qualität des Wohnens und der Betreuung im Heim (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 HeimG). Zu diesem Zweck stellt vor allem § 11 HeimG Anforderungen an den Betrieb eines Heimes, was in Pflegeheimen insbesondere folgende Pflichten des Trägers und der Leitung beinhaltet:
18 
1. Bei Pflegebedürftigen ist eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenwürde zu gewährleisten (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 HeimG).
19 
2. Eine angemessene Qualität der Betreuung der Heimbewohner ist sicherzustellen, das heißt eine Pflege nach dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 HeimG).
20 
3. Die erforderlichen Hilfen haben sich nach Art und Umfang der Betreuungsbedürftigkeit der Heimbewohner auszurichten (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 HeimG).
21 
4. Für pflegebedürftige Bewohner ist eine Pflegeplanung aufzustellen und deren Umsetzung zu dokumentieren (§ 11 Abs. 1 Nr. 7 HeimG).
22 
5. Die Gesundheit der Bewohner einschließlich ausreichender ärztlicher Betreuung, sachgerechter Verabreichung der benötigten Arzneimittel und der Einhaltung der jeweils einschlägigen Hygieneanforderungen ist zu sichern (§ 11 Abs. 1 Nr. 3, 9 und 10 HeimG).
23 
6. Der Träger hat sicherzustellen, dass die Zahl der Beschäftigten und ihrer persönliche und fachliche Eignung für die von ihnen zu leistende Tätigkeit ausreicht (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 HeimG).
24 
Damit setzt das Gesetz hohe Maßstäbe zum Wohl der Bewohner, die - das ist gerichtsbekannt - von den Pflegeheimen in Deutschland nur sehr unzureichend erfüllt werden. Der vorliegende Fall ist insoweit keine Ausnahme.
25 
Einerseits haben nicht nur die Medizin, speziell die Geriatrie, sondern auch die Pflegewissenschaft einen erfreulichen Stand fachlicher Erkenntnisse erreicht. Sie ermöglichen, dass alte, kranke und behinderte Menschen auch mit starken Einschränkungen in Heimen menschlich betreut und so gepflegt werden können, dass sie sich bei Wahrung echter Lebensqualität wohl fühlen. Andererseits ist in diesem Sinne angemessene Pflege ohne fundierte Ausbildung und umfangreiche Fachkenntnisse des Betreuungspersonals nicht mehr möglich. Ein ganzheitliches Pflegekonzept als Voraussetzung für die Erfüllung hier notwendiger Standards setzt den Einsatz von Fachkräften im Sinne von § 6 HeimPersV voraus. Auch aktivierende Pflege ist von Helfern und ungelernten Beschäftigten nicht zu leisten. Besonders fachkundige Pflege benötigen geriatrisch erkrankte und demenziell eingeschränkte Menschen, denn ihre Betreuung muss in verstärktem Maße pflegerische, medizinische und psycho-soziale Aspekte berücksichtigen.
26 
Auf diesem Hintergrund ist es ausgeschlossen, dass in einem Heim, das wie das ...-Haus in der Mehrzahl mit schwer- und schwerstpflegebedürftigen Menschen belegt ist, im oben dargestellten Sinne angemessen gepflegt wird, wenn in den Tagschichten für bis zu 50 pflegebedürftige Bewohner zeitweise nur eine Pflegefachkraft dienstbereit ist, die zudem noch in verschiedenen Stockwerken tätig sein muss. Dies liegt auf der Hand und bedarf zur Begründung weder der Heranziehung eines Kriterienkatalogs noch einer Feststellung von Gesundheitsschäden der Bewohner. Ob ein betreuungsbedürftiger Heimbewohner menschenwürdig zu seinem eigenen Wohl gepflegt wird, lässt sich ohnehin nur sehr eingeschränkt bei Hausbegehungen durch die Heimaufsicht dokumentieren. Dagegen lässt sich durchaus feststellen, welche sachlichen und persönlichen Mittel mindestens erforderlich sind, um eine Heimbetreuung pflegebedürftiger Menschen in einer Qualität zu ermöglichen, die dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse in der Altenpflege entspricht. Eine einzige Fachkraft in den Tagesschichten für 50 Pflegebedürftige, von denen jeder einzelne in der Stufe I durch eine nicht ausgebildete Kraft einen Betreuungsaufwand von mindestens 90 Minuten, in der Stufe II von mindestens drei Stunden und in der Stufe III von mindestens fünf Stunden im Tagesdurchschnitt benötigt (vgl. § 15 Abs. 3 SGB XI), ist hier mit Sicherheit nicht ausreichend, denn im Heim muss betreuende Tätigkeit zumindest unter angemessener Beteiligung von Fachkräften wahrgenommen werden (§ 5 Abs. 1 Satz 1 HeimPersV).
27 
Die Heimaufsicht der Beklagten hat deshalb im ...-Haus der Klägerin zu Recht als Mangel festgestellt, dass im Tagdienst je Station in etwa 50 % der Schichten nur eine Fachkraft zur Pflege und Betreuung der bis zum 50 pflegebedürftigen Bewohner eingesetzt war. Dabei ist unerheblich, wie umfangreich und erschreckend die dabei ebenfalls festgestellten Beeinträchtigungen der Bewohner durch Versorgungsdefizite gewesen sind. Der Bericht der unabhängigen Pflegefachkraft bei der Heimbegehung am 20.10.2003 spricht jedoch für sich. Über die dort ausgesprochenen Bewertungen mag gestritten werden können, die Zustandsschilderungen in dem Bericht sind jedoch wohl kaum aus der Luft gegriffen.
28 
Die angesichts des festgestellten Mangels unzureichenden Einsatzes von Fachkräften getroffene Anordnung der Beklagten vom 30.12.2003 ist zu Lasten der Klägerin auch nicht unverhältnismäßig hart oder sonst ermessensfehlerhaft ergangen. Der Einsatz einer zweiten Fachkraft in jeder der sich über zwei Stockwerke erstreckenden Stationen geht über das Unerlässliche keineswegs hinaus, es muss nämlich bei bis zu 50 Pflegebedürftigen jederzeit damit gerechnet werden, dass in mehr als einer Betreuungssituation das Fachwissen und die Fähigkeiten einer Helferin oder einer ungelernten Kraft nicht ausreichen. Betriebliche Fortbildungen können hier eine qualifizierte dreijährige Fachausbildung nicht ersetzen. Dabei lässt die angefochtene Anordnung es zu, dass je nach Situation bei Bedarf zeitweise ein Stockwerk ohne Fachkraft ist und beide Pfleger oder Schwestern sich im selben Stockwerk aufhalten.
29 
Die Anordnung vom 30.12.2003 verstößt auch nicht gegen § 5 Abs. 1 Satz 2 HeimPersV, weil etwa die Anordnung die Klägerin bei ihrem Personalschlüssel dazu zwingt, dass mehr als jeder zweite Beschäftigte bei ihr nun eine Fachkraft sein muss. Diese Vorschrift schreibt ein bestimmtes Verhältnis zwischen Fachkräften und sonstigen Beschäftigten als Mindestausstattung für Heime ab fünf pflegebedürftigen Bewohnern vor, ohne einen Personalschlüssel festzusetzen. Auf den konkreten Bedarf eines Heimes an examiniertem Pflegepersonal wird hier nicht abgestellt. Dieser richtet sich nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 HeimG danach, welche Funktionen und Tätigkeiten mit qualifizierter fachlicher Eignung ausgeübt werden müssen, um den Bewohnerinnen und Bewohnern eine nach Art und Umfang ihrer Betreuungsbedürftigkeit angemessene Lebensgestaltung zu ermöglichen und ihnen die erforderlichen Hilfen zu gewähren. Dies lässt sich nicht abstrakt und schematisch bestimmen, wird also durch § 5 Abs. 1 Satz 2 HeimPersV nicht geregelt.
30 
Schließlich kann die Klägerin sich gegen die Anordnung der Beklagten nicht mit dem Argument wehren, Pflegefachkräfte seien für sie zu teuer. Eine zunehmende Beschäftigung von qualifiziertem Personal führe zu einer unerwünschten Vergütungserhöhung, die auch von Sozialhilfeträger nicht mitgetragen werden wolle. Der in diesem Zusammenhang von der Klägerin behauptete Verfahrensmangel wird durch die vorgelegten Behördenakten nicht bestätigt. Im Übrigen ist die nach dem Heimgesetz und der Heimpersonalverordnung notwendige Gewährleistung der pflegerischen Betreuung erfolgsbezogen zu verstehen. Beeinträchtigungen des Wohls von Heimbewohnern könne deshalb nicht hingenommen werden, nur weil der Betreiber zu einer sachgerechten Betreuung aufgrund der Marktsituation kostenmäßig nicht in der Lage ist, er sich verkalkuliert oder finanziell übernommen hat (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.02.1989 - 10 S 2605/88 -).
31 
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
32 
Die Berufung ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO nicht erfüllt sind.
33 
Beschluss
34 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf EUR 5.000,-- festgesetzt.
35 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG verwiesen.

Gründe

 
13 
Die Klage ist zulässige, aber nicht begründet.
14 
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 30.12.2003 und der ihn bestätigende Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 11.10.2004 sind rechtmäßig und verletzen deshalb die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Behörde hat ihr zu Recht aufgegeben, in jeder Tagschicht in den beiden Stationen ihres Pflegeheims je zwei Fachkräfte zur Betreuung der Bewohner einzusetzen.
15 
Rechtsgrundlage dieser Anordnung ist § 17 Abs. 1 Satz 1 des Heimgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 05.11.2001 (BGBl. I S. 2970) - HeimG - i. V. m. §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5, 11 Abs. 1 Nr. 2, 3, 5, 7, 9 und 10, Abs. 2 Nr. 2 HeimG sowie §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 1 und 6 Heimpersonalverordnung - HeimPersV -.
16 
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 HeimG können dem Träger eines Heims gegenüber Anordnungen erlassen werden, die zur Beseitigung einer eingetretenen, zur Abwendung einer drohenden Beeinträchtigung oder zur Gefährdung des Wohls der Bewohner, sowie zur Sicherung der Einhaltung der dem Träger gegenüber den Bewohnern obliegenden Pflichten erforderlich sind, wenn festgestellte Mängel nicht abgestellt werden. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt und rechtfertigen die Anordnung der Beklagten.
17 
Die oben genannte Vorschrift dient vorrangig dem Wohl der Heimbewohner, welches das Gesetz schützen, fördern und sicherstellen will. Dieses Wohl definiert sich durch ihre menschliche Würde, ihre Bedürfnisse und ihre Interessen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 HeimG) und bedingt Ansprüche gegenüber dem Träger, insbesondere das Recht auf eine dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse entsprechende Qualität des Wohnens und der Betreuung im Heim (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 HeimG). Zu diesem Zweck stellt vor allem § 11 HeimG Anforderungen an den Betrieb eines Heimes, was in Pflegeheimen insbesondere folgende Pflichten des Trägers und der Leitung beinhaltet:
18 
1. Bei Pflegebedürftigen ist eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenwürde zu gewährleisten (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 HeimG).
19 
2. Eine angemessene Qualität der Betreuung der Heimbewohner ist sicherzustellen, das heißt eine Pflege nach dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 HeimG).
20 
3. Die erforderlichen Hilfen haben sich nach Art und Umfang der Betreuungsbedürftigkeit der Heimbewohner auszurichten (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 HeimG).
21 
4. Für pflegebedürftige Bewohner ist eine Pflegeplanung aufzustellen und deren Umsetzung zu dokumentieren (§ 11 Abs. 1 Nr. 7 HeimG).
22 
5. Die Gesundheit der Bewohner einschließlich ausreichender ärztlicher Betreuung, sachgerechter Verabreichung der benötigten Arzneimittel und der Einhaltung der jeweils einschlägigen Hygieneanforderungen ist zu sichern (§ 11 Abs. 1 Nr. 3, 9 und 10 HeimG).
23 
6. Der Träger hat sicherzustellen, dass die Zahl der Beschäftigten und ihrer persönliche und fachliche Eignung für die von ihnen zu leistende Tätigkeit ausreicht (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 HeimG).
24 
Damit setzt das Gesetz hohe Maßstäbe zum Wohl der Bewohner, die - das ist gerichtsbekannt - von den Pflegeheimen in Deutschland nur sehr unzureichend erfüllt werden. Der vorliegende Fall ist insoweit keine Ausnahme.
25 
Einerseits haben nicht nur die Medizin, speziell die Geriatrie, sondern auch die Pflegewissenschaft einen erfreulichen Stand fachlicher Erkenntnisse erreicht. Sie ermöglichen, dass alte, kranke und behinderte Menschen auch mit starken Einschränkungen in Heimen menschlich betreut und so gepflegt werden können, dass sie sich bei Wahrung echter Lebensqualität wohl fühlen. Andererseits ist in diesem Sinne angemessene Pflege ohne fundierte Ausbildung und umfangreiche Fachkenntnisse des Betreuungspersonals nicht mehr möglich. Ein ganzheitliches Pflegekonzept als Voraussetzung für die Erfüllung hier notwendiger Standards setzt den Einsatz von Fachkräften im Sinne von § 6 HeimPersV voraus. Auch aktivierende Pflege ist von Helfern und ungelernten Beschäftigten nicht zu leisten. Besonders fachkundige Pflege benötigen geriatrisch erkrankte und demenziell eingeschränkte Menschen, denn ihre Betreuung muss in verstärktem Maße pflegerische, medizinische und psycho-soziale Aspekte berücksichtigen.
26 
Auf diesem Hintergrund ist es ausgeschlossen, dass in einem Heim, das wie das ...-Haus in der Mehrzahl mit schwer- und schwerstpflegebedürftigen Menschen belegt ist, im oben dargestellten Sinne angemessen gepflegt wird, wenn in den Tagschichten für bis zu 50 pflegebedürftige Bewohner zeitweise nur eine Pflegefachkraft dienstbereit ist, die zudem noch in verschiedenen Stockwerken tätig sein muss. Dies liegt auf der Hand und bedarf zur Begründung weder der Heranziehung eines Kriterienkatalogs noch einer Feststellung von Gesundheitsschäden der Bewohner. Ob ein betreuungsbedürftiger Heimbewohner menschenwürdig zu seinem eigenen Wohl gepflegt wird, lässt sich ohnehin nur sehr eingeschränkt bei Hausbegehungen durch die Heimaufsicht dokumentieren. Dagegen lässt sich durchaus feststellen, welche sachlichen und persönlichen Mittel mindestens erforderlich sind, um eine Heimbetreuung pflegebedürftiger Menschen in einer Qualität zu ermöglichen, die dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse in der Altenpflege entspricht. Eine einzige Fachkraft in den Tagesschichten für 50 Pflegebedürftige, von denen jeder einzelne in der Stufe I durch eine nicht ausgebildete Kraft einen Betreuungsaufwand von mindestens 90 Minuten, in der Stufe II von mindestens drei Stunden und in der Stufe III von mindestens fünf Stunden im Tagesdurchschnitt benötigt (vgl. § 15 Abs. 3 SGB XI), ist hier mit Sicherheit nicht ausreichend, denn im Heim muss betreuende Tätigkeit zumindest unter angemessener Beteiligung von Fachkräften wahrgenommen werden (§ 5 Abs. 1 Satz 1 HeimPersV).
27 
Die Heimaufsicht der Beklagten hat deshalb im ...-Haus der Klägerin zu Recht als Mangel festgestellt, dass im Tagdienst je Station in etwa 50 % der Schichten nur eine Fachkraft zur Pflege und Betreuung der bis zum 50 pflegebedürftigen Bewohner eingesetzt war. Dabei ist unerheblich, wie umfangreich und erschreckend die dabei ebenfalls festgestellten Beeinträchtigungen der Bewohner durch Versorgungsdefizite gewesen sind. Der Bericht der unabhängigen Pflegefachkraft bei der Heimbegehung am 20.10.2003 spricht jedoch für sich. Über die dort ausgesprochenen Bewertungen mag gestritten werden können, die Zustandsschilderungen in dem Bericht sind jedoch wohl kaum aus der Luft gegriffen.
28 
Die angesichts des festgestellten Mangels unzureichenden Einsatzes von Fachkräften getroffene Anordnung der Beklagten vom 30.12.2003 ist zu Lasten der Klägerin auch nicht unverhältnismäßig hart oder sonst ermessensfehlerhaft ergangen. Der Einsatz einer zweiten Fachkraft in jeder der sich über zwei Stockwerke erstreckenden Stationen geht über das Unerlässliche keineswegs hinaus, es muss nämlich bei bis zu 50 Pflegebedürftigen jederzeit damit gerechnet werden, dass in mehr als einer Betreuungssituation das Fachwissen und die Fähigkeiten einer Helferin oder einer ungelernten Kraft nicht ausreichen. Betriebliche Fortbildungen können hier eine qualifizierte dreijährige Fachausbildung nicht ersetzen. Dabei lässt die angefochtene Anordnung es zu, dass je nach Situation bei Bedarf zeitweise ein Stockwerk ohne Fachkraft ist und beide Pfleger oder Schwestern sich im selben Stockwerk aufhalten.
29 
Die Anordnung vom 30.12.2003 verstößt auch nicht gegen § 5 Abs. 1 Satz 2 HeimPersV, weil etwa die Anordnung die Klägerin bei ihrem Personalschlüssel dazu zwingt, dass mehr als jeder zweite Beschäftigte bei ihr nun eine Fachkraft sein muss. Diese Vorschrift schreibt ein bestimmtes Verhältnis zwischen Fachkräften und sonstigen Beschäftigten als Mindestausstattung für Heime ab fünf pflegebedürftigen Bewohnern vor, ohne einen Personalschlüssel festzusetzen. Auf den konkreten Bedarf eines Heimes an examiniertem Pflegepersonal wird hier nicht abgestellt. Dieser richtet sich nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 HeimG danach, welche Funktionen und Tätigkeiten mit qualifizierter fachlicher Eignung ausgeübt werden müssen, um den Bewohnerinnen und Bewohnern eine nach Art und Umfang ihrer Betreuungsbedürftigkeit angemessene Lebensgestaltung zu ermöglichen und ihnen die erforderlichen Hilfen zu gewähren. Dies lässt sich nicht abstrakt und schematisch bestimmen, wird also durch § 5 Abs. 1 Satz 2 HeimPersV nicht geregelt.
30 
Schließlich kann die Klägerin sich gegen die Anordnung der Beklagten nicht mit dem Argument wehren, Pflegefachkräfte seien für sie zu teuer. Eine zunehmende Beschäftigung von qualifiziertem Personal führe zu einer unerwünschten Vergütungserhöhung, die auch von Sozialhilfeträger nicht mitgetragen werden wolle. Der in diesem Zusammenhang von der Klägerin behauptete Verfahrensmangel wird durch die vorgelegten Behördenakten nicht bestätigt. Im Übrigen ist die nach dem Heimgesetz und der Heimpersonalverordnung notwendige Gewährleistung der pflegerischen Betreuung erfolgsbezogen zu verstehen. Beeinträchtigungen des Wohls von Heimbewohnern könne deshalb nicht hingenommen werden, nur weil der Betreiber zu einer sachgerechten Betreuung aufgrund der Marktsituation kostenmäßig nicht in der Lage ist, er sich verkalkuliert oder finanziell übernommen hat (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.02.1989 - 10 S 2605/88 -).
31 
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
32 
Die Berufung ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO nicht erfüllt sind.
33 
Beschluss
34 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf EUR 5.000,-- festgesetzt.
35 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG verwiesen.

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