Beschluss vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - 6 K 171/09

Tenor

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 15.000,-- EUR festgesetzt.

Der Antrag auf Beiladung des Regionalverbandes Mittlerer Oberrhein, Karlsruhe, wird abgelehnt.

Gründe

 
Der Antrag der Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruches gegen die der Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung vom 19.12.2008 anzuordnen,
ist statthaft (§§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 S. 1, 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB) und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Antragstellerin i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO analog antragsbefugt. Denn sie macht u.a. geltend, die angefochtene Baugenehmigung verstoße gegen die zugunsten der Nachbargemeinden drittschützende Vorschrift des § 34 Abs. 3 BauGB.
Der Antrag ist allerdings nicht begründet. Die nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse der Beigeladenen zu 1) an der Ausnutzung der ihr erteilten Baugenehmigung bereits vor bestands-/rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache das gegenläufige Interesse der Antragstellerin, dass von der angegriffenen Baugenehmigung vorerst kein Gebrauch gemacht werden darf, überwiegt. Denn bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung lässt sich eine offensichtliche Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit der von der Antragstellerin angegriffenen Baugenehmigung nicht feststellen. Nach Auffassung der Kammer spricht jedenfalls keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragstellerin durch die angefochtene Baugenehmigung in subjektiv öffentlichen Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Bei dieser Einschätzung der Erfolgsaussichten des Rechtsstreits in der Hauptsache und unter Berücksichtigung der Folgen, die sich voraussichtlich an die Gewährung bzw. Versagung des beantragten vorläufigen Rechtsschutzes für die Beteiligten knüpfen werden, fällt die Abwägung der gegenläufigen Interessen zu Lasten der Antragstellerin aus.
Das Bauvorhaben der Beigeladenen zu 1) beurteilt sich bauplanungsrechtlich nach § 34 BauGB. Denn für das Vorhaben besteht kein gültiger Bebauungsplan, nachdem der Bebauungsplan „...“ der Beigeladenen zu 2) vom 24.07.2006 mit Normenkontrollurteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 27.09.2007 - 3 S 2875/06 - für unwirksam erklärt wurde (vgl. zur Anwendung von § 34 BauGB auch die Ausführungen in dem den Beteiligten bekannten Beschluss des VGH Bad.-Württ. vom 26.09.2007 - 3 S 1119/07 -, S. 4).
Nach dem im vorliegenden Verfahren bei nur summarischer Prüfung sich ergebenden Erkenntnisstand zeichnet sich nichts dafür ab, dass die von der Antragstellerin angegriffene Baugenehmigung Rechtsvorschriften verletzt, die zumindest auch ihrem Schutz als Nachbargemeinde zu dienen bestimmt sind.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin scheitert die Anwendung von § 34 BauGB im vorliegenden Fall nicht daran, dass die Beigeladene zu 2) es unterlassen hätte, die ihr durch den Regionalplan zugewiesenen Pflichten durch eine Bauleitplanung entsprechend § 1 Abs. 4 BauGB umzusetzen. Denn die Pflicht, zielkonform zu planen, lässt den Anwendungsbereich des § 34 Abs. 1 BauGB unberührt. Ein Vorhaben, das nach dieser Bestimmung zulässig ist, scheitert nicht daran, dass es auf der Grundlage eines an die Ziele der Raumordnung und Landesplanung angepassten Bebauungsplanes nicht genehmigungsfähig wäre. Ihm kann nicht entgegengehalten werden, dass ein Planungsbedarf besteht. Ein etwaiges aus § 1 Abs. 4 BauGB ableitbares Planungserfordernis schlägt bei einem Vorhaben, das nach § 34 BauGB zulässig ist, nicht als Zulassungshindernis durch. Eine Sperrwirkung erzeugen die Ziele der Raumordnung und Landesplanung erst, wenn sie durch einen Bebauungsplan umgesetzt worden sind. Unter welchen Voraussetzungen eine Baugenehmigung zu versagen ist, ergibt sich aus den §§ 29 f. BauGB. Stellt der Gesetzgeber in diesem Regelungszusammenhang nicht darauf ab, dass die Ziele der Raumordnung und Landesplanung zum Tragen kommen, so lässt sich die Wertung, die dem zugrunde liegt, nicht durch einen Rückgriff auf § 1 Abs. 4 BauGB in ihr Gegenteil verkehren (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.02.1993 - 4 C 15/92 -, m.w.N.; vgl. auch VG Frankfurt, Beschl. v. 02.11.2007 - 8 G 2552/07 - ).
Die Baugenehmigung verstößt aller Voraussicht nach auch nicht gegen § 34 Abs. 3 BauGB, wie die Antragstellerin weiter geltend macht. Nach dieser Bestimmung dürfen von Vorhaben nach Abs. 1 oder Abs. 2 keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
Bei dem Begriff der schädlichen Auswirkungen handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Ein Vorhaben lässt schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche erwarten, wenn es deren Funktionsfähigkeit so nachhaltig stört, dass sie ihren Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr substantiell wahrnehmen können (BVerwG, Urt. v. 11.10.2007 - 4 C 7.07 -; OVG NW, Urt. v. 01.07.2009 - 10 A 2350/07 -, ). Dem Gesetzgeber kam es mit der Einführung des Abs. 3 in § 34 BauGB maßgeblich darauf an, bei Zulassungsentscheidungen nach § 34 BauGB über die nähere Umgebung hinausgehende Fernwirkungen berücksichtigen und steuern zu können. Um Schutz vor Konkurrenz geht es dabei nicht. Das Gericht hat bei der Anwendung des § 34 Abs. 3 BauGB zur Feststellung der schädlichen Auswirkungen des Vorhabens eine Prognoseentscheidung zu treffen, deren Grundlagen zunächst zu ermitteln sind. Hierbei ist es grundsätzlich Aufgabe des Tatsachengerichts, die Methode zu bestimmen, anhand derer schädliche Auswirkungen prognostisch ermittelt werden, bzw. zu überprüfen, ob die von der Genehmigungsbehörde verwandte Methode zu beanstanden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.10.2007 - 4 C 7/07 -, ). Das Bundesverwaltungsgericht verlangt ferner (vgl. Beschl. v. 17.02.2009 - 4 B 3/09 - ), dass im Rahmen der Prognose des § 34 Abs. 3 BauGB alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles in den Blick zu nehmen sind. Bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben seien insbesondere zu berücksichtigen die Verkaufsfläche des Vorhabens im Vergleich zu den im Versorgungsbereich vorhandenen Verkaufsflächen derselben Branche, die voraussichtliche Umsatzumverteilung und die Entfernung zwischen dem Vorhaben und dem betroffenen zentralen Versorgungsbereich, eine etwaige „Vorschädigung“ des Versorgungsbereiches oder die Gefährdung eines vorhandenen „Magnetbetriebs“, der maßgeblich Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des zentralen Versorgungsbereichs hat (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 11.10.2007 - 4 C 7.07 -, ).
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In Anwendung dieser Grundsätze kann nach der im vorliegenden Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht davon ausgegangen werden, dass von dem geplanten Drogeriefachmarkt mit einer Verkaufsfläche von ca. 600 qm der Firma ... gewichtige bzw. beachtliche negative Auswirkungen auf die Nahversorgungs- oder Zentrenfunktion der Kernstadt der Antragstellerin oder ihres - unterstellten - Nebenzentrums ... ausgehen. Dies ergibt sich für die Kammer bei allen Unsicherheiten, die derartigen Prognosen innewohnen, aus den Ausführungen des von der Beigeladenen zu 1) im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens eingeholten Gutachtens der ... - GMA - vom Juli 2008 in Verbindung mit den ergänzenden Stellungnahmen vom 20.10.2008, 15.12.2008, 13.05.2009 und 08.06.2009.
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Dieses Gutachten wurde zur Ermittlung der städtebaulichen Auswirkungen des Drogeriefachmarktes der Beigeladenen zu 1) im Auftrag gegeben. Nach den Ausführungen in dem Gutachten liegt das Gebiet der Antragstellerin außerhalb des Einzugsbereichs des genehmigten Vorhabens. Das Stadtgebiet der Antragstellerin und ihr Stadtteil ... seien bei der Festlegung des Einzugsbereichs und bei den erforderlichen Umsatzprognosen nur mit Streuumsätzen berücksichtigt worden, weil zum Zeitpunkt der Berichtsfassung (Juli 2008) der Auswirkungsanalyse bereits bekannt gewesen sei, dass in der Innenstadt der Antragstellerin eine weitere ... entwickelt werde. Es handele sich dabei um eine Filiale mit einer Verkaufsfläche von 600 qm, welche in dem City-Kaufhaus integriert werde. Die Eröffnung sei nach Angaben von ... im September 2009 geplant. Der Standort dieser neuen ... liege im innerstädtischen Hauptgeschäftsbereich, so dass sich für Verbraucher zahlreiche Verbundmöglichkeiten mit weiteren Geschäften ergeben würden. Diese aus der Vielzahl an Einzelhandelsbetrieben, aber auch an Betrieben aus der Gastronomie und aus dem Dienstleistungssektor resultierenden Verbund- und Koppelungsmöglichkeiten fielen im Vergleich zum geplanten Verbundstandort von ... und dem geplanten ... deutlich höher aus. In der Innenstadt der Antragstellerin werde das Angebot bei Drogeriewaren nicht nur durch dm ausgeweitet, sondern auch durch eine Filiale von ... Perspektivisch seien mit ..., der seit Jahren ansässig sei, ... und ... alle führenden Drogeriemärkte in der Innenstadt vertreten. Ferner sei auch die Nähe des E-Centers auf dem Gebiet der Beigeladenen zu 2) zum Stadtteil ... zu sehen. Um an den geplanten Standort von dm in ... zu gelangen, würden Verbraucher aus ... quasi am E-Center direkt vorbeifahren. Auch in diesem sehr leistungsfähigen Verbrauchermarkt (7.700 qm Verkaufsfläche) würden Drogeriewaren geführt. Bedingt durch die Sortimentsbreite und -tiefe würden sich auch an diesem Standort zahlreiche Verbundmöglichkeiten ergeben und eine hohe Einkaufsattraktivität bedingen. Vor diesem Hintergrund seien ... und insbesondere der ... ... nicht zum Einzugsgebiet der geplanten ... in ... gerechnet worden; Verflechtungen mit Verbrauchern aus ..., insbesondere aus dem nahe gelegenen Stadtteil ... seien daher in Form von Streuumsätzen bei der Umsatzberechnung für das Vorhaben berücksichtigt worden (vgl. hierzu insbesondere die ergänzende Stellungnahme der GMA vom 24.04.2009). Weiter geht die GMA davon aus, dass durch das Vorhaben Umsatzeinbußen in ... erzeugt würden, welche deutlich unter der 10 %-Schwelle liegen würden. Der sog. Streuumsatzanteil werde auf eine Größenordnung von 4 bis 5 % (= Umsatz von ca. 0,2 Millionen) geschätzt. Auch für die Kammer ist im vorliegenden Eilverfahren nicht ersichtlich, dass bei einem solchen Umsatzanteil von dem genehmigten Drogeriefachmarkt schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche der Antragstellerin zu erwarten sind, zumal nach der Rechtsprechung hierfür grundsätzlich Umsatzeinbußen oder Kaufkraftabflüsse von mindestens 10 % verlangt werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 26.09.2007 - 3 S 1119/07 -, S. 4 m.w.N.). Dies dürfte nach dem sich derzeit darstellenden Sachstand insbesondere im Hinblick auf Auswirkungen auf die Nahversorgungs- und Zentrenfunktion des - unterstellten - Nebenzentrums ... gelten. Insoweit kommt das Gutachten der GMA zu dem Ergebnis, dass die zur Verfügung stehende Kaufkraft bei Drogeriewaren in ... durch den in der Ortsmitte von ... ansässigen ...-Drogeriefachmarkt mit einer Verkaufsfläche von ca. 160 qm nicht vollständig gebunden werden könne. Die Kaufkraftbindung werde bei Drogeriewaren auf etwa 45 % geschätzt. Von dem Kaufkraftabfluss im Drogeriewarensegment aus ... profitierten umliegende Wettbewerbsstandorte, so in ..., ... und im weiteren Umland (z.B. ...). Für den geplanten ...-Drogeriefachmarkt würden Nachfrageverflechtungen mit Verbrauchern aus dem Stadtteil ... in Form von Streuumsätzen bei der Umsatzberechnung berücksichtigt. Im Fall von ... bedeute dies, dass ein Teil der Kaufkraftströme, die ohnehin im Drogeriewarensegment aus ... abflößen, an den geplanten Standort in ... umgelenkt würden. Insofern seien Umverteilungswirkungen des geplanten ...-Drogeriefachmarktes in ... zu Lasten der ... in ... nicht anzunehmen. Eine Bestandsgefährdung der ... in ... sei durch das Vorhaben in ... nicht zu erwarten (vgl. insbesondere die ergänzende Stellungnahme der GMA v. 15.12.2008). Auch die Kammer geht angesichts der Kaufkraftbindung von lediglich ca. 42 % des in ... ansässigen Drogeriemarktes davon aus, dass dieser lediglich den größten Teil des kurzfristigen Bedarfs der Einwohner dieses Ortsteils abdeckt. Angesichts dessen ist auch aus Sicht der Kammer nicht zu erwarten, dass sich der geplante Drogeriefachmarkt mit einer Verkaufsfläche von ca. 600 qm auf diesen auf den „kleinen Einkauf zwischendurch“ ausgerichteten Drogeriemarkt im Stadtteil ... auswirken wird. Vielmehr geht die Kammer davon aus, dass durch den geplanten ...-Markt der nicht an den Stadtteil ... gebundene, sondern schon bisher an andere Wettbewerbsstandorte abfließende Teil der Kaufkraft von ca. 55 % umgelenkt wird, indem andere Wettbewerbsbetriebe, insbesondere die ...-Filialen in ... und in ... Umsätze an den geplanten Standort in ... abgeben werden. Die vor allem geltend gemachte erhebliche Schwächung des Drogeriemarkts ..., der nach Ausführungen der Antragstellerin für den Versorgungsbereich des Nebenzentrums ... maßgeblich sei, ist daher für die Kammer nicht nachvollziehbar.
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Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist eine schädliche Auswirkung i.S.v. § 34 Abs. 3 BauGB auch nicht darin zu sehen, dass durch ein Vorhaben zwar keine Kaufkraft abgezogen wird, aber eine vorhandene geringe Kaufkraftbindung verstärkt bzw. zumindest zementiert wird. Dies gilt um so mehr, als vorliegend nicht einmal dargelegt wurde, dass konkrete Planungsabsichten zur Beseitigung der geringen Kaufkraftbindung bei Drogeriewaren in ... seitens der Antragstellerin überhaupt bestehen, die durch das genehmigte Vorhaben beeinträchtigt werden könnten. Im Gegenteil ist zu berücksichtigen, dass die Eröffnung eines ...-Drogeriemarktes im September 2009 in der Innenstadt der Antragstellerin zu der geltend gemachten Zementierung der geringen Kaufkraftbindung in ... beitragen dürfte.
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Die Kammer hält es im vorliegenden Eilverfahren bei nur möglicher summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage für gerechtfertigt, ihrer Prognoseentscheidung das Gutachten der GMA zugrunde zu legen und unter Berücksichtigung der in diesem gemachten Ausführungen von keinen schädlichen Auswirkungen des geplanten Drogeriefachmarkts auf zentrale Versorgungsbereiche der Antragstellerin auszugehen. Die Kammer sieht keine Veranlassung, wegen der von der Antragstellerin aufgeworfenen Grundsatzfragen zu der Methodik zur Ermittlung von Aussagen über zu erwartende Kaufkraftabschlüsse die Entscheidung darüber, ob die hier streitige Baugenehmigung die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt, ins Hauptsacheverfahren zu verlagern. Es ist grundsätzlich Aufgabe des Tatsachengerichts, die Methode zu bestimmen, anhand derer ein voraussichtlicher Kaufkraftabschluss prognostisch ermittelt wird, bzw. zu überprüfen, ob die von der Genehmigungsbehörde verwandte Methode zu beanstanden ist. Entwickelt das Gericht andere Kriterien, als sie in der Praxis gängige Verwendung finden, ist das hinzunehmen, wenn die Wahl der Kriterien nicht von einem Rechtsirrtum infiziert ist, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt oder sonst zu einer schlechthin ungeeigneten Ermittlungsmethode führt (BVerwG, Urt. v. 11.10.2007 - 4 C 7/07 - ). Dies dürfte vorliegend aller Voraussicht nach nicht der Fall sein.
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Die Kammer hält das Gutachten der GMA, das die Umsatzprognose nach dem sog. „Marktanteilskonzept“ berechnet, bei dem das relevante Kaufkraftvolumen im Einzugsgebiet und die mögliche Kaufkraftabschöpfung (= Marktanteil) gegenübergestellt werden, für nachvollziehbar und schlüssig. Die im vorliegenden Verfahren von der Antragstellerin vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen des Büros ... vom 25.03.2009 und vom 02.06.2009 sind für das Gericht nicht geeignet, die gutachterlichen Ausführungen der GMA derart in Zweifel zu ziehen, dass eine endgültige Klärung nur im Hauptsacheverfahren erfolgen kann. Das von ... angewandte sog. „Gravitationsmodell“, das Informationen wie Zeit-, Distanz-Werte und Wettbewerbskennziffern zu einer entsprechenden Kaufkraft- und Umsatzverteilung verarbeitet, beruht ebenso wie das Marktanteilskonzept auf einer Reihe von Annahmen und Einschätzungen, wie z.B. der Umsatz der ansässigen Wettbewerbsbetriebe und der Umsatz eines Vorhabens. Auch ist unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien für die Beurteilung von schädlichen Auswirkungen i.S.d. § 34 Abs. 3 BauGB (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.10.2007, a.a.O.) nicht davon auszugehen, dass der hierfür anzustellenden Prognose immer eine “Worst-Case Betrachtung“ zugrunde gelegt werden muss, wie das Büro ... wohl der Auffassung ist. Dass die GMA bei ihrer Begutachtung angesichts der konkreten örtlichen Gegebenheiten, nämlich der Größe und Lage des geplanten ... und der umgebenden Angebote des gleichen Sortiments, insbesondere des ... in der Innenstadt der Antragstellerin selbst, von einer im Gegensatz zu sonstigen ... unterdurchschnittlichen Flächenproduktivität und damit nach ... von einem zu niedrigen Planumsatz ausgeht, ist für die Kammer nachvollziehbar und dürfte nicht zu beanstanden sein. Denn dadurch dürfte gewährleistet sein, dass auch die konkreten Verhältnisse im Einzugsbereich des geplanten Vorhabens Berücksichtigung finden. Dies dürfte im Hinblick darauf, dass bei der Prognoseentscheidung, ob schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten sind, alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles in den Blick zu nehmen sind, gerechtfertigt sein. Auch sonst beschränken sich die gutachterlichen Stellungnahmen von ... im Wesentlichen auf eine Kritik an der Erstellung des GMA-Gutachtens, untermauern jedoch nicht mit substantiiertem Material die von der Antragstellerin vertretene Position, der geplante ... habe schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche der Antragstellerin. Prognostisch mit Blick auf das genehmigte Vorhaben - und nur darauf kommt es vorliegend an - bleibt ... vage und unbestimmt. Für die Kammer ist nicht nachvollziehbar, wie in dessen gutachterlicher Stellungnahme vom 25.03.2009 auf Grund der konkreten Verhältnisse vor Ort transparent und konkret eine Umsatzverdrängung durch den geplanten ... von „relativ“ 50,4 % für das sonstige Gebiet der Antragstellerin sowie bezogen auf ... von „relativ“ 51,6 % und darüber hinaus von „absolut“ 1,9 bzw. 0,3 errechnet werden konnte. Auch dürften insoweit sämtliche im Drogeriewarensortiment nicht genutzten Kaufkraftpotenziale der Antragstellerin vollständig dem geplanten ... zugeschrieben worden sein. Eine Berücksichtigung der bereits angeführten vorhandenen und geplanten Einkaufsmöglichkeiten im Stadtzentrum der Antragstellerin dürfte nicht erfolgt sein. Ebenso dürfte wohl nicht berücksichtigt worden sein, dass, wie ebenfalls bereits ausgeführt, Umverteilungswirkungen der genehmigten ... nicht zu Lasten der ... in ..., sondern vielmehr zu Lasten umliegender Wettbewerbsstandorte, insbesondere der ... in ... zugunsten des geplanten neuen Standorts in ... anzunehmen sind, wie im Übrigen auch durch die Filiale in ... zugunsten des dortigen Standorts.
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Soweit die Antragstellerin weiter der Auffassung ist, es komme auch im Rahmen des § 34 Abs. 3 BauGB auf die agglomerierten Auswirkungen der am geplanten Standort in der Umgebung liegenden Lebensmittelmärkte und des geplanten ... an, was zu erheblich stärkeren Einwirkungen führe, dürfte sich daraus keine andere Beurteilung ergeben. Zum einen werden seitens der Antragstellerin solche Auswirkungen lediglich behauptet, ohne dass diese Behauptung nachvollziehbar und schlüssig belegt würde. Für die Kammer ist angesichts der konkreten Verhältnisse vor Ort nicht erkennbar, dass auch bei einer „kumulierenden Betrachtungsweise“ durch den nicht großflächigen ... schädliche Auswirkungen auf den zentralen Versorgungsbereich der Antragstellerin zu erwarten sind. Dies gilt umso mehr, als sich die Feststellung, ob ein Vorhaben agglomerierte Auswirkungen hat, nicht durch eine bloße Addierung der Verkaufsfläche des geplanten Vorhabens mit den Verkaufsflächen der bereits vorhandenen Einzelhandelsbetriebe treffen lassen dürfte, ohne auch nach den angebotenen Sortimenten in den jeweiligen Einzelhandelsbetrieben zu differenzieren.
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Auch im Hinblick auf § 2 Abs. 2 S. 2 BauGB wird die Antragstellerin das Vorhaben aller Voraussicht nach nicht abwenden können. Hiernach können sich benachbarte Gemeinden im Rahmen der Pflicht zur Abstimmung ihrer Bauleitpläne auch auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche berufen. § 2 Abs. 2 S. 2 BauGB setzt insoweit voraus, dass von dem konkret genehmigten Einzelvorhaben unmittelbar negative Auswirkungen gewichtiger Art auf städtebauliche Belange der Antragstellerin ausgehen. Insoweit verlangt § 2 Abs. 2 S. 2 BauGB Anforderungen mindestens gleicher Intensität, wie sie die Vorschrift des § 34 Abs. 3 BauGB verlangt, deren Voraussetzungen vorliegend, wie dargelegt, nicht gegeben sind (vgl. hierzu auch die Ausführungen in dem den Beteiligten bekannten Beschluss des VGH Bad.-Württ. vom 26.09.2007 - 3 S 1119/07 -, S. 3 f.).
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Nach alledem dürfte nach der hier gebotenen nur möglichen summarischen Prüfung jedenfalls keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass die von der Antragstellerin angefochtene Baugenehmigung deren Rechte verletzt. Bei dieser Einschätzung der Sach- und Rechtslage räumt die Kammer auch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Folgen einer stattgebenden bzw. ablehnenden Entscheidung im vorliegenden Verfahren dem Interesse der Beigeladenen zu 1) an der sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung den Vorrang ein. Bei den Folgen für die Antragstellerin ist zu berücksichtigen, dass die von ihr befürchteten Nachteile nicht schon mit Vollendung des Bauvorhabens eintreten würden, sondern erst mit der tatsächlichen Aufnahme der genehmigten Nutzung, die im Falle einer Aufhebung der Baugenehmigung im Hauptsacheverfahren untersagt werden könnte. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf das durch die dargelegte Einschätzung der Sach- und Rechtslage begründete Gewicht des Interesses am Sofortvollzug wiegen die im Hinblick auf die Investitionsmaßnahme und wirtschaftlichen Dispositionen der Beigeladenen zu 1) zu erwartenden Nachteile bei einem bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren hinausgeschobenen Baubeginn deutlich schwerer als die Belange der Antragstellerin.
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Der Antrag war somit mit der Kostenfolge aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO abzulehnen; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG (vgl. Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit v. 07./08.07.2004, Nr. 9.7.2).
19 
Der Antrag auf Beiladung des Regionalverbandes Mittlerer Oberrhein war abzulehnen. Dass dessen rechtliche Interessen durch die vorliegende gerichtliche Entscheidung berührt sein können, ist für das Gericht nicht ersichtlich. Zum einen räumt § 22 LPlG den Regionalverbänden eine eingeschränkte Klagebefugnis nur gegen Verwaltungsakte ein, die die Errichtung, Erweiterung oder wesentliche Nutzungsänderung eines Einkaufszentrums, eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes oder eines sonstigen großflächigen Handelsbetriebs betreffen. Gegenstand der vorliegenden streitbefindlichen Baugenehmigung ist jedoch kein großflächiger Einzelhandelsbetrieb. Zudem hat der Regionalverband Mittlerer Oberrhein im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens nach Erhalt der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme der GMA vom 15.12.2008 der Erteilung der Baugenehmigung an die Beigeladene zu 1) nicht mehr widersprochen.

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