Urteil vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - 12 K 3450/16

Tenor

1. Ziffer I.1. des Bescheids des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis vom 11.01.2016 und insoweit der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 05.07.2016 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen tierschutzrechtliche Anordnungen.
Die Klägerin betreibt einen Schlachthof in XXX. Dieser wurde am 24.07.2015 und am 21.08.2015 durch die Veterinärbehörde des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis zusammen mit Tierärzten des Regierungspräsidiums Karlsruhe tierschutzrechtlich routinemäßig überprüft. Mit Schreiben vom 25.09.2015 bemängelte das Landratsamt u.a., dass die Schweine meist zu dritt in eine ca. 9 m² große Betäubungsbucht getrieben und mittels Hirn-Herzdurchströmung betäubt würden. Schweine über 30 kg würden nicht fixiert. Solche Schweine seien aber bei der Elektrobetäubung in Betäubungsfallen oder ähnlichen Einrichtungen einzeln zu fixieren. Für die Beseitigung dieser Mängel setzte das Landratsamt eine Frist bis zum 16.10.2015 und hörte zu einer ansonsten zu erlassenden Anordnung an.
Mit Stellungnahme vom 20.10.2015 legte die Klägerin dar, die Maßgabe, Schweine mit einem Gewicht von über 30 kg in Betäubungsfallen oder ähnlichen Einrichtungen einzeln ruhigzustellen, sei laut Tierschutz-Schlachtverordnung (TierSchlV) gebunden an eine Schlachtmenge von mehr als 20 Großvieheinheiten je Woche. Diese Maßgabe sei willkürlich gewählt und entbehre jeder sachlichen Rechtfertigung. Die ihr bekannten Anlagen zur Betäubung von Schweinen in einer Betäubungsfalle zeigten Schwachstellen, die eine deutliche Verschlechterung des Tierschutzes gegenüber einer Buchtenbetäubung darstellten.Sie sei nicht bereit einen Verordnungstext zu erfüllen, der dem Tierschutz nicht zuträglich sei, dem Sinn der Verordnung entgegenstehe und praxisuntauglich sei.
Mit Verfügung vom 11.01.2016 ordnete das Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis gegenüber der Klägerin an, Schweine mit einem Gewicht über 30 kg bei Anwendung der Elektrobetäubung in Betäubungsfallen oder ähnlichen Einrichtungen einzeln ruhig zu stellen (Ziffer. I.1.). Es führte aus, dass nach § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV Tiere, die durch Anwendung eines mechanischen oder elektrischen Geräts betäubt oder getötet werden sollen, in eine solche Stellung zu bringen seien, dass das Gerät ohne Schwierigkeiten, genau und so lange wie nötig angesetzt und bedient werden könne. Die bisherige Praxis der Klägerin erfülle die Vorgabe der einzelnen Ruhigstellung der Schweine nach § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV nicht. Die Tierschutz-Schlachtverordnung sehe in Schlachtbetrieben mit den Schlachtzahlen, wie sie bei der Klägerin gegeben seien, keine Ausnahmemöglichkeit vor, um von der zwingend geforderten Vereinzelung und Ruhigstellung in einer Betäubungsfalle oder ähnlichen Einrichtung abzusehen. Die Verfügung enthielt zudem den Hinweis, dass es der Klägerin freigestellt werde, einen Plan zur Vereinzelung und Ruhigstellung der Schweine in Betäubungsfallen oder ähnlichen Einrichtungen – ggf. unter Hinzuziehung eines Sachverständigen – vorzulegen.
Am 11.02.2016 legte die Klägerin Widerspruch gegen Ziffer 1. I. der Verfügung vom 11.01.2016 ein. Zur Begründung führte sie an, sie sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die Verfügung sei zu unbestimmt und zudem weder erforderlich noch geeignet und somit nicht angemessen und verhältnismäßig. Laut eines Schreibens des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft an den Bundesverband Vieh und Fleisch vom 06.05.2016 werde eine Überarbeitung der Tierschutz-Schlachtverordnung angestrebt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2016 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch der Klägerin zurück. Gemäß § 16a Abs. 1 Tierschutzgesetz treffe die Behörde die notwendigen Anordnungen zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die notwendigen Anordnungen zur Verhütung künftiger Verstöße. Die praktizierte Elektrobetäubung der Klägerin entspreche im Grundsatz den Betäubungsverfahren gem. Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 i.V.m. der nationalen Tierschutzverordnung, jedoch nicht der national strengeren Vorgabe des § 11 Abs. 1 TierSchlV bezüglich der einzelnen Ruhigstellung. Bei einer Betäubung von Schweinen in Buchten ohne einzelne Fixierung sei grundsätzlich das Risiko von Fehlbetäubungen gegenüber der Einzelfixierung erhöht. So könne die Betäubungszange z.B. aufgrund von Ausweich- und Abwehrbewegungen der Schweine nicht immer an der korrekten Stelle (Ohrgrund bds.) angesetzt werden oder sie könne vorzeitig abrutschen. Um dies zu vermeiden, müssten die Schweine nach der Tierschutz-Schlachtverordnung ab einer bestimmten Schlachtleistung einzeln fixiert werden, um einen sicheren Zangenansatz zu gewährleisten. Zwar seien tierschutzrechtliche Mängel aufgrund fehlender Einzelfixierung bei den Vor-Ort-Kontrollen nicht festgestellt worden. Die Verfügung sei dennoch rechtmäßig. In § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV sei die Einzelfixierung ab einer bestimmten Schlachtleistung zwingend vorgeschrieben, da der Gesetzgeber davon ausgehe, dass bei höherer Schlachtgeschwindigkeit das Risiko für Fehlbetäubungen ansteige. Hierbei handele es sich um eine zwingende rechtliche Vorgabe. Des Weiteren sei die Klägerin angehört worden und die Anordnung sei auch bestimmt genug. Die Mitteilung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft enthalte keine Zusage einer etwaigen Rechtsänderung, sondern kündige lediglich die Prüfung der rechtlichen Vorgabe an. Daher könne dies nicht als Anlass dienen, der Anordnung nicht nachzukommen; ebenso wenig könne es als Anlass für die Behörde dienen, die erforderliche Anordnung nicht zu treffen.
Die Klägerin hat am 20.07.2016 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, dass § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV nicht anwendbar sei, weil die Regelung nicht im Einklang mit europäischem Sekundärrecht stehe. Gemäß Art. 26 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 hätte bei Erlass der nationalen Tierschutz-Schlachtverordnung ein Genehmigungsverfahren durchgeführt werden müssen, da es sich um eine neue Maßnahme handele. Es sei davon auszugehen, dass ein solches nicht durchgeführt worden sei. Selbst wenn man von einer Anwendbarkeit ausginge, sei die Tierschutz-Schlachtverordnung bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen angreifbar. So vermöge die Verordnung durch das Erfordernis von Einzelbetäubungsfallen nicht dem gesetzgeberischen Ziel, der Gewährleistung eines hohen Tierschutzniveaus, gerecht zu werden, da die einzelne Betäubung von Schweinen vor der Schlachtung zu einer stärkeren Belastung der Tiere führe. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sei der Auffassung, dass bei einer Schlachtgeschwindigkeit unter 50 Schweinen pro Stunde keine Vereinzelung aus tierschutzrechtlichen Gründen erforderlich sei. Es werde vernachlässigt, dass Schweine Herdentiere seien und in einer Gruppe besser gelenkt werden könnten. Der Zusammenhalt einer Schweineherde bis zuletzt stelle sicher, dass sich die Tiere bis zur Tötung möglichst arglos und damit ruhig zur Betäubungsanlage bewegten. Ausgeruhte Tiere seien deutlich besser und sicherer (insbesondere auch länger) zu betäuben als aufgeregte Tiere. Eine Aufregung werde dadurch bewirkt, dass die Tiere von der Herde getrennt würden, um in die Betäubungsfalle zu gelangen. Der hierdurch erzeugte Stress wirke sich nicht nur auf das zu vereinzelnde Tier, sondern auch auf die übrige Herde aus. Dies habe zur Folge, dass Tiere, die erst später zur Betäubung gelangten, eine Zeit lang im Zustand der Aufregung verharren müssten. Bei der Nutzung von Betäubungsfallen, in die die Tiere einzeln hineingetrieben werden müssten, sei es grundsätzlich nicht – wie vom Gesetzgeber beabsichtigt – möglich, auf den Einsatz von Triebhilfsmitteln (Elektrotreiber) zu verzichten. Aufgrund der Herdenbezogenheit seien Schweine nicht von sich aus gewillt, den Weg einer Vereinzelung „ohne Hilfe“ zu gehen. Die Vorgabe in § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV diene vor diesem Hintergrund nicht dem Tierschutz, sondern allein der Gewährleistung einer hohen Schlachtzahl. Schließlich verstoße die Regelung gegen Art. 3 GG. Es sei bereits problematisch, inwieweit die Differenzierung danach, wie viele Großvieheinheiten je Woche oder je Jahr geschlachtet würden, ein hinreichender Grund für eine Ungleichbehandlung beinhalte. Unter Tierschutzgesichtspunkten sei die Vereinzelung gerade nicht erklärbar. Die Pflicht zur Errichtung und Installation einer Vereinzelungsanlage führe zu einem erheblichen finanziellen Aufwand, der für einen Schlachthof kleiner Größe schwieriger zu bewältigen sei als für einen großen „Hochgeschwindigkeitsschlachthof“. Da dem Ziel des Tierschutzes durch den jeweiligen Schlachtprozess Rechnung getragen werden könne, sei zweifelhaft, ob die Verpflichtung zur Errichtung einer Vereinzelungsanlage im vorliegenden Fall verhältnismäßig sei. Wenn eine Vorschrift aufgrund fehlenden Ermessensspielraums der Behörde zu zwangsläufigen Ergebnissen führe, spreche viel dafür, dass die Vorschrift insgesamt unverhältnismäßig sei, wenn das durch die Verordnung bezweckte Ergebnis wie im vorliegenden Einzelfall unverhältnismäßig sei. Ausweislich der vom Landratsamt getroffenen Feststellung sei es bei den Kontrollbesuchen zu keinerlei tierschutzrechtlich bedenklichen Betäubungsvorgängen gekommen. Vor diesem Hintergrund erscheine es angezeigt, die Rechtspflicht zur Schaffung einer vereinzelten Ruhigstellung zu überprüfen.
Die Klägerin beantragt,
Ziffer I.1. des Bescheids des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis vom 11.01.2016 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 05.07.2016 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wird vorgetragen, eine neue Maßnahme im Sinne von Art. 26 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009, die der Genehmigung der Kommission bedürfe, liege mit § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV nicht vor. Die Regelung behalte nur die bis zur Überarbeitung der Tierschutz-Schlachtverordnung geltende Regelung aus § 12 Abs. 1 Satz 4 TierSchlV in der Gültigkeit vom 25.04.2006 bis 31.12.2012 bei. Zudem sei es nicht zwingend so, dass eine Vereinzelung zu besonderem Stress führen müsse. Dies sei von der technischen Lösung und insbesondere von der Qualifikation und Motivation des Betäubungspersonals abhängig. In anderen Schlachtbetrieben sei dies beispielsweise durch ein Klappgatter realisiert, mit welchem in einer Gruppe zugetriebene Schweine erst am Ende einzeln abgetrennt und ruhiggestellt würden, ohne dass diese besonderen Stress entwickelten oder dass ein Elektrotreiber zum Einsatz kommen müsse. Vorteil der einzeln ruhiggestellten Schweine sei, dass ein Zangenansatz durch die ausführende Person sicherer, insbesondere gezielter und ohne Abrutschen, erfolgen könne. Potenzielle Fehlerquellen wie Ermüdungserscheinungen des Schlachtpersonals, weniger geübtes Aushilfspersonal oder erhöhte Unruhe der Tiere, könnten eher ausgeglichen werden. Die Folgen einer Fehlbetäubung durch fehlerhaften Elektrozangenansatz seien starke Schmerzen sowie ggf. eine Entblutung ohne vollständige Bewusstseinsausschaltung. Dieses Risiko wiege schwerer als die etwaige größere Unruhe der Schweine durch Vereinzelung. Das Risiko von Fehlbetäubungen nehme mit der Betäubungsgeschwindigkeit zu, weshalb der Verordnungsgeber die einzelne Ruhigstellung für größere Schlachtzahlen festgelegt habe. Der Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers beinhalte, für die Ruhigstellung von Tieren im Schlachtprozess eine von mehreren veterinärmedizinisch geeigneten und verhältnismäßigen Methoden zu bestimmen. Auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz bestehe nicht. Die Regelung einer Schlachtumsatzgrenze sei gerade für den Tierschutz bei größeren Schlachtzahlen erforderlich. Bei Kontrollbesuchen sei es in Einzelfällen zu fehlerhaften Zangenansätzen bei der Schweinebetäubung gekommen, die jeweils von den ausführenden Personen habe korrigiert werden müssen. Es sei wahrscheinlich, dass durch eine einzelne Ruhigstellung der Schweine in einer gut konzipierten Betäubungsfalle oder ähnlichen Einrichtung die Fehlerquote verringert werden könne.
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Nach der mündlichen Verhandlung vom 14.06.2018 hat die Kammer im Einverständnis mit den Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 14.12.2018 hat das Landratsamt das Verfahren wieder angerufen. Das Landratsamt führt aus, das Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft habe mitgeteilt, dass gegenwärtig offen sei, ob und ggf. inwiefern § 11 Abs. 1 TierSchlV geändert werde.
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Das Gericht hat den Fachtierarzt für Tierschutz und für Fleischhygiene M. als Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2019 zu den tierschutzrechtlichen Fragen der Betäubung von Schlachtschweinen angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
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Dem Gericht liegen die Verwaltungsakte der Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis und die Widerspruchsakte des Regierungspräsidiums Karlsruhe vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Die zulässige Klage ist begründet. Ziffer I.1. der Verfügung des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis vom 11.01.2016 und insoweit der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 05.07.2016 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Verfügung hält sich zwar an den Rahmen ihrer Rechtsgrundlage aus § 16a Abs. 1 Satz 1 Tierschutzgesetz (TierSchG) i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 3 Tierschutz-Schlachtverordnung (TierSchlV). § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV als Bezugsnorm der Verfügung ist hingegen wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unanwendbar bzw. nichtig.
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1. Rechtsgrundlage der Verfügung ist § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG. Danach trifft das Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis als nach § 15 Abs. 1 Satz 1 TierSchG, § 1 Nr. 1 Tierschutzzuständigkeitsverordnung i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Mit der Beseitigung festgestellter Verstöße und der Verhütung künftiger Verstöße sind alle Verletzungen von Normen des Tierschutzrechts gemeint. Dazu gehört auch die auf Grundlage des § 4b Abs. 1 Nr. 1b, Nr. 2 i.V.m. § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG erlassene Tierschutz-Schlachtverordnung. Für Schlachthöfe, in denen Schweine in einem Umfang geschlachtet werden, der nach dem in Artikel 17 Absatz 6 Buchstabe c und d der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 festgelegten Umrechnungssatz mehr als 20 Großvieheinheiten je Woche oder mehr als 1 000 Großvieheinheiten je Jahr beträgt, legt § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV fest, dass Schweine mit einem Gewicht von über 30 Kilogramm bei Anwendung der Elektrobetäubung in Betäubungsfallen oder ähnlichen Einrichtungen einzeln ruhiggestellt werden müssen. Erfasst sind damit Schlachthöfe, auf denen pro Woche 100 Schweine über 100 kg (jeweils 0,2 Großvieheinheiten) oder 134 Schweine zwischen 30 kg und 100 kg (jeweils 0,15 Großvieheinheiten) geschlachtet werden.
18 
Der streitgegenständliche Schlachthof der Klägerin übersteigt unstreitig diesen Grenzwert. Im Betrieb der Klägerin werden Schweine über 30 kg zu zweit oder dritt in eine Betäubungsbucht getrieben und betäubt; die von der Verordnung geforderte einzelne Ruhigstellung vor der Betäubung erfolgt aber nicht. Diese Vorgehensweise verstößt gegen den Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV.
19 
Auf Rechtsfolgenebene eröffnet § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG der Behörde kein Entschließungsermessen. Da der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV eindeutig eine einzelne Ruhigstellung verlangt, kam dem Landratsamt auch hinsichtlich des „Wie“ des Einschreitens kein Auswahlermessen zu. Damit ist es im Ergebnis auch unerheblich, ob es bei der Klägerin zu tierschutzrechtlich bedenklichen Betäubungsvorgängen gekommen ist. Denn nach seinem Wortlaut ist § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV zwingend anzuwendendes Recht.
20 
2. Die Kammer ist allerdings davon überzeugt, dass § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV gegen höherrangiges Recht verstößt. Soweit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009 vorliegt, ist die Regelung nicht anzuwenden; soweit sie gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, ist sie nichtig.
21 
a) Über die Verfassungs- und Unionsrechtswidrigkeit des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV kann die Kammer selbst entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht hat nach Art. 100 GG, § 80 BVerfGG ein Verwerfungsmonopol für formelle Gesetze. Für Rechtsverordnungen besteht eine solches Monopol nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. April 1987 - 1 BvL 25/84 -, BVerfGE 75, 166, und vom 1. März 1978 - 1 BvL 20/77 -, BVerfGE 48, 40). § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV ist durch eine Rechtsverordnung erlassen worden. Die Vorschrift wiederholt nicht den Inhalt eines formellen Gesetzes; die verfassungsrechtliche Bewertung des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV entscheidet nicht zugleich über die Verfassungsmäßigkeit eines unmittelbar maßgeblichen formellen Gesetzes. Der Inhalt des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV wird auch nicht von einer Norm des formellen Rechts vorausgesetzt (BVerfG, Beschluss vom 14. April 1987 - 1 BvL 25/84 -, BVerfGE 75, 166). Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht wäre deshalb gemäß Art. 100 GG, § 80 BVerfGG unzulässig.
22 
Hinsichtlich der Prüfung der Unionsrechtswidrigkeit ist die Kammer verpflichtet, nationales Recht, das unionsrechtlichen Bestimmungen widerspricht, unangewendet zu lassen (EuGH, Urteile vom 15.07.1964 - C 6/64 [Costa/ENEL], und vom 09.03.1978 - C 106/77 [Simmenthal II] -, Rn. 21/23; BVerfG, Beschluss vom 06.07.2010 - 2 BvR 2661/06 -, juris; BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.02.2018 - 1 S 1469/17 -, juris Rn. 76).
23 
b) Dass die Regelung formell unwirksam sei, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. § 4b Satz 1 Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 i.V.m. § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG als Rechtsgrundlage ermächtigt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft für die Zwecke des §§ 4 und 4 a TierSchG (Töten und Schlachten) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmte Tötungsarten und Betäubungsverfahren näher zu regeln, vorzuschreiben, zuzulassen oder zu verbieten, um sicherzustellen, dass den Tieren nicht mehr als unvermeidbare Schmerzen zugefügt werden.
24 
c) § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV verstößt aber gegen das Erfordernis des Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009, Tiere bei und vor der Tötung von jedem vermeidbaren Schmerz, Stress und Leiden zu verschonen.
25 
Die Gesamtschau der Regelungen in Art. 20a GG sowie Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009 erfordert ein hohes Tierschutzniveau. Dieses ist einfachgesetzlich in § 1 Satz 1, Satz 2, § 4a Abs. 1 TierSchG konkretisiert. Nach Art. 20a GG schützt der Staat auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. Das darin niedergelegte Staatsziel des Tierschutzes schließt es nicht aus, dass für die Herstellung von Lebensmitteln Tiere getötet werden. Allerdings verlangt die Verfassung, dass die dabei zugefügten Leiden auf das unbedingt erforderliche Minimum reduziert werden (Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand 15.11.2018, Art. 20a Rn. 26). Der Zweck des Tierschutzgesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen (§ 1 Satz 1 TierSchG). Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen (§ 1 Satz 2 TierSchG). Die Tötung von Tieren zur Herstellung von Lebensmitteln ist ein vernünftiger Grund in diesem Sinne. In Konkretisierung von § 1 Satz 2 TierSchG bestimmt § 4a Abs. 1 TierSchG, dass ein warmblütiges Tier nur geschlachtet werden darf, wenn es vor Beginn des Blutentzugs zum Zweck des Schlachtens betäubt worden ist. Mit Betäubung ist hier die Totalbetäubung, d.h. die Ausschaltung des Wahrnehmungs- und Empfindungsvermögens gemeint, also die Herbeiführung und Aufrechterhaltung eines Zustandes vollständiger Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit. Eine nur partielle Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit reicht nicht aus. Gegen § 4a Abs. 1 TierSchG wird auch verstoßen, wenn das Tier sein Wahrnehmungs- und Empfindungsvermögen vor dem Eintritt des Todes zumindest teilweise wiedererlangt (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 4 Rn. 4 m.w.N., § 4a Rn. 2).
26 
Diese mitgliedstaatlichen Bestimmungen stimmen mit den allgemeinen Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 überein. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 1099/2009 werden Tiere nur nach einer Betäubung im Einklang mit den Verfahren und den speziellen Anforderungen in Bezug auf die Anwendung dieser Verfahren gemäß Anhang I getötet. Zu diesen verordnungskonformen Betäubungsverfahren zählt der Unionsgesetzgeber auch die Elektrobetäubung bei Schweinen durch Kopf- oder durch Ganzkörperdurchströmung (Anhang I Tabelle 1 Nr. 1, 2). Gemäß Art. 2 Buchst. f VO (EG) 1099/2009 bezeichnet der Ausdruck „Betäubung“ jedes bewusst eingesetzte Verfahren, das ein Tier ohne Schmerzen in eine Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit versetzt, einschließlich jedes Verfahrens, das zum sofortigen Tod führt. Die Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit muss bis zum Tod des Tieres anhalten (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) 1099/2009). Außerdem bestimmt Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009, dass Tiere bei der Tötung und damit zusammenhängenden Tätigkeiten von jedem vermeidbaren Schmerz, Stress und Leiden verschont werden. Zu den damit verbundenen Tätigkeiten zählen u.a. die Betäubung und auch die Ruhigstellung (Art. 2 Buchst. b VO (EG) 1099/2009). Als Ruhigstellung definiert Art. 2 Buchst. p VO (EG) 1099/2009 die Anwendung eines Verfahrens zur Einschränkung der Bewegungsfähigkeit, um den Tieren vermeidbare Schmerzen, Angst oder Aufregung zu ersparen, so dass diese wirksam betäubt bzw. getötet werden können. Dem Unionsgesetzgeber ist bewusst, dass bestimmte Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Tötung Stress auslösen können sowie dass jedes Betäubungsverfahren Nachteile hat (Erwägungsgrund 2 Satz 2 VO (EG) 1099/2009). Die Unternehmer und die an der Tötung Beteiligten sollten unter Beachtung bewährter Verfahren und der von der Verordnung erlaubten Methoden die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um Schmerzen zu vermeiden und den Stress und das Leiden für die Tiere beim Schlachten und bei der Tötung so gering wie möglich zu halten (Erwägungsgrund 2 Satz 3 VO (EG) 1099/2009). Nach Erwägungsgrund 2 Satz 4 VO (EG) 1099/2009 sollten Schmerzen, Stress oder Leiden als vermeidbar gelten, wenn ein Unternehmer oder eine an der Tötung von Tieren beteiligte Person gegen diese Verordnung verstößt oder erlaubte Verfahren einsetzt, sich aber keine Gedanken darüber macht, ob diese dem Stand der Wissenschaft entsprechen, und dadurch fahrlässig oder vorsätzlich Schmerzen, Stress oder Leiden für die Tiere verursacht.
27 
Zwar verpflichten die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 regelmäßig nur den jeweiligen Unternehmer. Da es sich aber um sekundäres Unionsrecht handelt, das gestützt auf das Prinzip der loyalen Zusammenarbeit aus Art. 4 Abs. 3 EUV zur unionsrechtskonformen Auslegung verpflichtet, ist auch der nationale Verordnungsgeber an die unionsrechtlichen Vorgaben gebunden.
28 
In Zusammenfassung dieser vom höherrangigen Recht vorgegebenen Anforderungen darf der mitgliedstaatliche Verordnungsgeber nur solche Betäubungsverfahren nach § 4b Satz 1 Nr. 1 Buchst. b TierSchG näher ausgestalten, die sicher zur vollständigen Betäubung führen, ohne dass das Tier vor Todeseintritt das Wahrnehmungs- und Empfindungsvermögen zurückerlangt und ohne dass das Tier vermeidbarem Schmerz, Stress und Leiden ausgesetzt wird.
29 
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV zu beanstanden und muss deswegen unangewendet bleiben. Die darin geforderte einzelne Ruhigstellung bei Anwendung der Elektrobetäubung steht zur Überzeugung des Gerichts nicht im Einklang mit dem ausgeführten Rechtsrahmen. Diese hat den Nachteil, dass das zu betäubende Schwein durch die Vereinzelung und die Fixierung einem vermeidbaren Stress ausgesetzt wird. Da die Buchtenbetäubung ohne Einzelfixierung nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung einen solchen Nachteil nicht aufweist, wenn sie in Betrieben durchgeführt wird, die eine bestimmte Schlachtgeschwindigkeit nicht überschreiten, und dennoch sicher zur Betäubung des Tieres führt, verstößt § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV gegen Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009 und muss insoweit unangewendet bleiben. Nach den überzeugenden Ausführungen des in der mündlichen Verhandlung angehörten Sachverständigen verursacht eine Vereinzelung des Schweins aus der Kleinstgruppe einen hohen Stress, zusätzlich zur ohnehin mit dem Transport zum Schlachthof und dem Treiben in die Betäubungsbucht verbundenen Aufregung. Schweine als Rottentiere widersetzten sich grundsätzlich jeglicher Vereinzelung. Es sei ausgesprochen schwierig, ein Schwein einzeln irgendwohin zu bringen. Solle das Schwein dann auch noch in eine Fixierungseinrichtung getrieben werden, erhöhten sich die Schwierigkeiten. Denn eine mechanische Fixierung sei dem Schwein grundsätzlich fremd; es könne darauf mit alarmierenden Lauten bzw. Warnrufen reagieren, die zudem die anderen in der Bucht befindlichen Schweine aufregen könnten. Es entstehe auch bei den nicht fixierten Schweinen, die sich normalerweise in Schrittgeschwindigkeit bewegten und nun möglicherweise rennen würden, eine Unruhe. Das erschwere das spätere Treiben der anderen Schweine in die Vereinzelungseinrichtung und könne dabei ggf. den Einsatz eines Elektrotreibers erforderlich machen.
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Diese Ausführungen des Sachverständigen stimmen auch mit den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen überein. Nach den Ausführungen der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V. seien Schweine wegen ihrem geringen Herzgewicht und dem Bewegungsmangel bei der Aufzucht besonders stressanfällig. Da sie soziale Tiere seien, ließen sie sich fast nur in der Gruppe treiben (vgl. Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V., Merkblatt Nr. 89, Tierschutzgerechtes Schlachten von Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen, Dezember 2015, S. 8, 10, 12). Zudem sei die Effektivität der Betäubung umso besser, je ruhiger die Tiere vor der Betäubung seien (Beratungs- und Schulungsinstitut für Tierschutz bei Transport und Schlachtung [bsi Schwarzenbek], Gute fachliche Praxis der tierschutzgerechten Schlachtung von Rind und Schwein, Stand April 2013, S. 37).
31 
Der Beklagten-Vertreter, der Leiter des Veterinäramts des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis, hat die Ausführungen des Sachverständigen lediglich insoweit ergänzt, als dass eine Einzeltierfixierung nicht zwingend zu Schreien der Schweine führe; dies sei zwar möglich, oft bleibe es aber auch ruhig. Im Übrigen hat sich der Beklagte den Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung aber vollumfänglich angeschlossen.
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Es ist nicht ersichtlich, dass die soeben beschriebenen Nachteile durch die Vorteile der Einzelfixierung grundsätzlich aufgewogen werden. Zwar kommt dem Verordnungsgeber bei der Ausfüllung der Ermächtigungsgrundlage ein gewisser Gestaltungsspielraum zu. Dieser ist aber vorliegend überschritten, da die vom Verordnungsgeber gezogenen Grenze von 20 Großvieheinheiten pro Woche willkürlich ist (dazu sogleich) und in diesem Bereich die Buchtenbetäubung ebenso sicher zur Betäubung der Schweine führen kann wie die Betäubung in einer Einzelfixierungseinrichtung. Die Buchtenbetäubung in diesem Grenzbereich verstößt mithin nicht gegen Art. 4 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009, während die Einzelfixierung zu vermeidbarem Stress und Leiden bei den zu betäubenden Tieren führt und somit - wie ausgeführt - gegen Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009 verstößt.
33 
Bei der manuellen elektrischen Betäubung von Schweinen ist besonders wichtig, die Tiere so ruhigzustellen, dass die Elektrozange ohne zwischenzeitliche Unterbrechung an die Ansatzpunkte am Kopf angesetzt werden kann. Dies gilt insbesondere bei der Betäubung ohne Einzelfixierung (vgl. auch Scientific Panel on Animal Health and Welfare, Opinion on a request from the Commission related to welfare aspects oft he main systems of stunning and killing the main commercial species of animals, The EFSA Journal (2004), 45, S. 12). Denn eine fehlerhafte Betäubung hat zur Folge, dass die Tiere ihr Wahrnehmungs- und Empfindungsvermögen nicht vollständig verlieren. Die Tiere fallen nach ca. einer Sekunde um, dabei kann die Zange abrutschen, was dazu führt, dass die Mindeststromflusszeit unterbrochen bzw. nicht erreicht wird. Das Tier ist dann zwar durch den stattgefundenen kurzen Stromfluss immobilisiert, aber nicht oder nicht ausreichend betäubt. Wird in diesem Falle die Zange in den Brust-Rücken-Bereich umgesetzt, so führt das nur zu einer hochgradig schmerzhaften Durchströmung, aber nicht zu einer Betäubung. Ein weiterer Risikofaktor ist, dass die Betäubungszange aufgrund von Flucht- und Abwehrbewegungen nicht an den richtigen Stellen angesetzt wird. Eine fehlerhafte bzw. zu kurze Durchströmung immobilisiert zwar die Schweine. Allerdings bleibt die Fehlbetäubung unentdeckt, weil das Tier selbst bei fortdauernder Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit keine eindeutigen Schmerzäußerungen mehr zeigen kann. In einem solchen Fall läge ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009 vor, weil die Schweine nicht vollständig wahrnehmungs- und empfindungslos sind. Dieses Fehlbetäubungsrisiko bei hohen Durchlaufzahlen und fehlender Einzelfixierung will § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV eindämmen (vgl. zum Ganzen Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, EU-Tierschlacht-VO Einf. Rn. 2, 5 m.w.N.). Die vereinzelte Ruhigstellung führt zwar regelmäßig sicher zur (vollständigen) Betäubung des Tieres, da sich am fixierten Tier die Betäubungszange besser ansetzen lässt. Entscheidend ist aber letztlich nach den fundierten und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, denen sich die Kammer anschließt, der Faktor Mensch. Der jeweilige Betäuber könne den Betäubungsvorgang auch bei der Buchtenbetäubung in Betrieben von Durchlaufzahlen unterhalb von 100 Schweinen pro Stunde erfolgreich ausführen. Zwar sei der Ansatzbereich am Schweinekopf mit ca. 10 cm relativ klein. Ein guter Betäuber nähere sich dem jeweiligen Schwein von hinten und begrenze dessen Fluchtradius seitlich mit seinen Beinen und rückwärtig durch seine Gummischürze. Dadurch komme es zu einer leicht beweglichen Einengung. Bei dieser Vorgehensweise sei der Zangenansatz auch bei einem nicht einzeln ruhiggestellten Schwein erfolgreich, denn es komme zu keiner zusätzlichen Stressreaktion des Tiers. Das Schwein sei relativ ruhig und werde direkt in den Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit versetzt. Mangels Fluchtreaktion des Schweins könne die Zange dann auch korrekt angesetzt werden. Damit senke sich das Risiko einer Fehlbetäubung, so dass auch die Buchtenbetäubung in kleineren Betrieben sicher zur Betäubung des Tiers führe. Die anderen Schweine würden nicht in Aufregung versetzt, weil das betäubte Tier nicht alarmierend quieken könne. Erst ab einer Schlachtleistung von 100 Schweinen pro Stunde – so auch die Empfehlungen nach Untersuchungen des Beratungs- und Schulungsinstituts für Tierschutz bei Transport und Schlachtung (bsi Schwarzenbek) – sei eine einzelne Ruhigstellung erforderlich. Denn dann stünde nach den Ausführungen des Sachverständigen für jedes Tier weniger als eine Minute für die Betäubung und die Schlachtung zur Verfügung. Dies rufe einen Zeitdruck hervor, der Unruhe in die Betäubungsbucht hineinbringe. In einer Betäubungsbucht ohne Fixierungseinrichtung müsse dann ständig nachgetrieben werden. Dabei erhöhe sich folglich das Risiko eines suboptimalen Zangenansatzes und das Fehlbetäubungsrisiko. Dies sei aber bei einer geringeren Schlachtgeschwindigkeit nicht gegeben. Bei einer Schlachtgeschwindigkeit bis zu 60-100 Schweinen pro Stunde überwögen die Vorteile der Buchtenbetäubung ohne Einzelfixierung gegenüber denjenigen der Einzelruhigstellung.
34 
Dies zusammenfassend verstößt § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV gegen Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009. Denn die geforderte Einzelruhigstellung führt bei einer niedrigeren Schlachtgeschwindigkeit zu vermeidbarem Stress und Leiden, obwohl mit der Buchtenbetäubung eine Methode zur Verfügung steht, die ebenfalls sicher zur Betäubung der Schweine führen kann und damit Art. 4 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009 gerecht wird. Folge dieses Verstoßes gegen Unionsrecht ist, dass die untergesetzliche Norm nicht angewendet werden darf (EuGH, Urteile vom 15.07.1964 - C 6/64 [Costa/ENEL], und vom 09.03.1978 - C 106/77 [Simmenthal II] -, Rn. 21/23).
35 
d) Die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV verstößt danach auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG und ist insoweit nichtig. Der Gleichheitssatz verbietet, dass wesentlich Gleiches ungleich, nicht dagegen, dass wesentlich Ungleiches entsprechend der bestehenden Ungleichheit ungleich behandelt wird. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen für den Gesetzgeber unterschiedliche Grenzen, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 24.01.2012 - 1 BvL 21/11 -, BVerfGE 130, 131 und vom 21.06.2011 - 1 BvR 2035/07 -, BVerfGE 129, 49). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen.
36 
Der Verordnungsgeber unterscheidet Schlachthöfe danach, ob sie die Grenze des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV überschreiten und knüpft daran die Pflicht zur Einzelruhigstellung. Dieser Ungleichbehandlung fehlt ein sachlicher Grund. Zwar wäre eine grundsätzliche Differenzierung anhand der Schlachtgeschwindigkeit nicht zu beanstanden. Allerdings fehlt dem vom Verordnungsgeber gewählten Schlachtumfang pro Woche bzw. pro Jahr ein hinreichender Bezug zur Schlachtgeschwindigkeit. Die gezogene Grenze von 20 Großvieheinheiten pro Woche bzw. 1.000 Großvieheinheiten pro Jahr basiert nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen auch auf keiner wissenschaftlichen Evidenz, ist tierschutzfachlich nicht sinnvoll und mithin willkürlich gewählt.
37 
aa) Es findet sich für die vom Verordnungsgeber gewählte Differenzierung anhand der Schlachtmenge kein sachlich einleuchtender Grund. Zur Begründung des früheren § 12 TierSchlV – dem heutigen § 11 – im Verordnungsentwurf vom 07.11.1996 hat das damalige Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ausgeführt, die streitgegenständliche Vorschrift diene der Umsetzung der Nummer 3 des Anhangs B der Richtlinie 93/119/EG. Danach sind Tiere, die durch mechanische oder elektrische Betäubungsgeräte am Kopf betäubt oder getötet werden, in eine solche Lage oder Stellung zu bringen, dass das Gerät problemlos, exakt und so lange wie nötig angesetzt und bedient werden kann. Nach der Begründung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sei es bei der manuellen elektrischen Betäubung von Schweinen besonders wichtig, das Tier so ruhigzustellen, dass die Elektrozange ohne zwischenzeitliche Unterbrechungen eng an die Ansatzpunkte am Kopf angedrückt werden könne. Besonders in Betrieben, in denen die betäubende Person eine große Zahl von Schweinen hintereinander zu betäuben habe, sei es daher erforderlich, die Tiere in geeigneten Einrichtungen, also Betäubungsfallen, Restrainern oder anderen geeigneten Einrichtungen, einzeln ruhigzustellen (BR-Drucks. 835/96, S. 38). § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV wird dem vom Verordnungsgeber angestrebten Zweck, das Fehlbetäubungsrisiko nicht unvertretbar hoch ansteigen zu lassen, durch die gewählte Umsatzzahl pro Woche bzw. pro Jahr in willkürlicher Weise nicht ausreichend gerecht. Der Verordnungsgeber sieht die Gefahr von Fehlbetäubungen insbesondere in der Überlastung des einzelnen Betäubers wegen der großen Anzahl zu schlachtender Schweine. Dem vom Verordnungsgeber gewählten Parameter fehlt aber die für die Belastungsbeurteilung und damit für die Gefahr von Fehlbetäubungen erforderliche Feindifferenzierung. Denn die Norm nimmt nicht in den Blick, an wie vielen Tagen pro Woche oder Jahr geschlachtet wird. So ist es denkbar, dass ein Betrieb mehrere Stunden an fünf Tagen pro Woche schlachtet. Dabei kann der Grenzwert des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV überschritten werden, obwohl je Tier ein ausreichender Zeitraum zur Verfügung steht, der auch bei fehlender Einzelfixierung ein sicheres Betäuben erlaubt. In diesem Fall kommt es gerade nicht zu einer Überlastung des betäubenden Personals. Maßgeblich ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen daher die Schlachtgeschwindigkeit pro Stunde ggf. unter Berücksichtigung der Schlachtdauer pro Schlachttag. Denn mit dieser kann der Faktor Mensch, nämlich dessen Belastung und Konzentrationsfähigkeit, z.B. durch Ermüdungserscheinungen oder Zeitdruck, besser in die Tierschutzüberlegungen einbezogen werden. Dies entspricht auch der von dem Institut bsi Schwarzenbek gewählten Einheit der Schlachtgeschwindigkeit. Dabei übersieht die Kammer nicht, dass ab Erreichen einer bestimmten Schlachtgeschwindigkeit die einzelne Ruhigstellung erforderlich sein wird, um das Risiko von Fehlbetäubungen auf das notwendige Maß zu beschränken. Denn wenn beispielsweise bei einer Schlachtleistung von 100 Tieren pro Stunde je Tier nur 0,6 Minuten für die Betäubung und Schlachtung zur Verfügung stehen, entsteht auch durch das erforderliche Nachtreiben eine Unruhe, die den Betäubungserfolg ernsthaft gefährdet. Dieser Gedanke kommt aber in der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV nicht hinreichend zum Ausdruck.
38 
Eine sachliche Rechtfertigung ist auch nicht Art. 17 Abs. 6 Buchst. c und d VO (EG) 1099/2009 zu entnehmen, auf den sich § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV bezieht. Die dort für Schweine mit unterschiedlichem Lebendgewicht festgelegten Standardmaßeinheiten dienen dazu, festzulegen, ob in einem Schlachthof ein Tierschutzbeauftragter erforderlich ist. Dabei ist die jährliche Schlachtleistung von 1.000 Großvieheinheiten entscheidend. Für den hier vorliegenden Fall trifft die Regelung keine Aussage.
39 
bb) Aus Erwägungsgrund 2 Satz 4 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009 folgt, dass der nationale Verordnungsgeber sich zumindest ansatzweise einer wissenschaftlichen Evidenz im Rahmen der Festlegung der Schlachtumfanggrenze des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV bedienen muss. Nach Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009 werden die Tiere bei der Tötung und damit zusammenhängenden Tätigkeiten von jedem vermeidbaren Schmerz, Stress und Leiden verschont. Den unbestimmten Rechtsbegriff des vermeidbaren Stresses und Leidens konkretisiert Erwägungsgrund 2 Satz 4 VO (EG) 1099/2009. Danach sollten Stress und Leiden als vermeidbar gelten, wenn ein Unternehmer u.a. erlaubte Verfahren einsetzt, sich aber keine Gedanken darüber macht, ob diese dem Stand der Wissenschaft entsprechen, und dadurch fahrlässig Stress oder Leiden bei den Tieren verursacht. § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV zwingt kleinere Schlachtbetriebe, sehenden Auges gegen Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009 zu verstoßen, weil sie sich keine Gedanken über den Stand der Wissenschaft machen dürfen bzw. müssen. Gleichzeitig ist es ihnen verwehrt, im Rahmen der Elektrobetäubung solche Verfahren einzusetzen, die dem Stand der Wissenschaft eher entsprechen als die geforderte Einzelfixierung. Da auch der nationale Verordnungsgeber an die Unionsverordnung gebunden ist, müsste dieser im Umkehrschluss aus Erwägungsgrund 2 Satz 4 VO (EG) 1099/2009 zu erkennen geben, dass die Anforderung des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV dem Stand der Wissenschaft entspricht. Zwar ist § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV von dem Gedanken getragen, dass ab einer gewissen Schlachtzahl das Risiko von Fehlbetäubungen bei nicht einzeln ruhiggestellten Schweinen unvertretbar hoch ansteigt (BR-Drucks. 835/96, S. 38; dazu Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 11 TierSchlV Rn. 2). Eine wissenschaftlich begründete Evidenz, dass dies ab einem Schlachtumfang von 20 Großvieheinheiten pro Woche der Fall ist, fehlt aber. Solche Erwägungen finden sich nicht in der Begründung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zum Verordnungsentwurf vom 01.11.2012 (BR-Drucks. 672/12, S. 37). Es existieren auch keine wissenschaftlichen Erhebungen darüber, in welchem Verhältnis das Fehlbetäubungsrisiko bei Buchtenbetäubungen zu dem bei der Einzelfixierungsbetäubung steht. Insbesondere lässt sich den Veröffentlichungen der EFSA keine derartige Quantifizierung entnehmen (Scientific Panel on Animal Health and Welfare, Opinion on a request from the Commission related to welfare aspects oft he main systems of stunning and killing the main commercial species of animals, The EFSA Journal (2004), 45). Auch die in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage angeführte Studie der EFSA differenziert nur zwischen handgeführten elektrischen Betäubungsanlagen und automatischen Anlagen (BT-Drucks. 71/10021, S. 5).
40 
cc) Nach alledem verstößt § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da er eine sachliche Rechtfertigung für die Differenzierung anhand des Schlachtumfangs vermissen lässt und sich zudem nicht auf eine wissenschaftliche Evidenz berufen kann; die Regelung ist somit nichtig.
41 
e) Ob § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV daneben mangels Kenntnisgabe und Genehmigung gegen Art. 26 Abs. 3 UAbs. 1, 2 VO (EG) 1099/2009 verstößt, kann im Übrigen dahinstehen.
42 
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
43 
Die Kammer sieht keinen Anlass, die Entscheidung wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
44 
Die Berufung ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
45 
B E S C H L U S S
46 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1, 2 GKG auf EUR 5.000,- festgesetzt.
47 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

16 
I. Die zulässige Klage ist begründet. Ziffer I.1. der Verfügung des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis vom 11.01.2016 und insoweit der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 05.07.2016 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Verfügung hält sich zwar an den Rahmen ihrer Rechtsgrundlage aus § 16a Abs. 1 Satz 1 Tierschutzgesetz (TierSchG) i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 3 Tierschutz-Schlachtverordnung (TierSchlV). § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV als Bezugsnorm der Verfügung ist hingegen wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unanwendbar bzw. nichtig.
17 
1. Rechtsgrundlage der Verfügung ist § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG. Danach trifft das Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis als nach § 15 Abs. 1 Satz 1 TierSchG, § 1 Nr. 1 Tierschutzzuständigkeitsverordnung i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Mit der Beseitigung festgestellter Verstöße und der Verhütung künftiger Verstöße sind alle Verletzungen von Normen des Tierschutzrechts gemeint. Dazu gehört auch die auf Grundlage des § 4b Abs. 1 Nr. 1b, Nr. 2 i.V.m. § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG erlassene Tierschutz-Schlachtverordnung. Für Schlachthöfe, in denen Schweine in einem Umfang geschlachtet werden, der nach dem in Artikel 17 Absatz 6 Buchstabe c und d der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 festgelegten Umrechnungssatz mehr als 20 Großvieheinheiten je Woche oder mehr als 1 000 Großvieheinheiten je Jahr beträgt, legt § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV fest, dass Schweine mit einem Gewicht von über 30 Kilogramm bei Anwendung der Elektrobetäubung in Betäubungsfallen oder ähnlichen Einrichtungen einzeln ruhiggestellt werden müssen. Erfasst sind damit Schlachthöfe, auf denen pro Woche 100 Schweine über 100 kg (jeweils 0,2 Großvieheinheiten) oder 134 Schweine zwischen 30 kg und 100 kg (jeweils 0,15 Großvieheinheiten) geschlachtet werden.
18 
Der streitgegenständliche Schlachthof der Klägerin übersteigt unstreitig diesen Grenzwert. Im Betrieb der Klägerin werden Schweine über 30 kg zu zweit oder dritt in eine Betäubungsbucht getrieben und betäubt; die von der Verordnung geforderte einzelne Ruhigstellung vor der Betäubung erfolgt aber nicht. Diese Vorgehensweise verstößt gegen den Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV.
19 
Auf Rechtsfolgenebene eröffnet § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG der Behörde kein Entschließungsermessen. Da der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV eindeutig eine einzelne Ruhigstellung verlangt, kam dem Landratsamt auch hinsichtlich des „Wie“ des Einschreitens kein Auswahlermessen zu. Damit ist es im Ergebnis auch unerheblich, ob es bei der Klägerin zu tierschutzrechtlich bedenklichen Betäubungsvorgängen gekommen ist. Denn nach seinem Wortlaut ist § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV zwingend anzuwendendes Recht.
20 
2. Die Kammer ist allerdings davon überzeugt, dass § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV gegen höherrangiges Recht verstößt. Soweit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009 vorliegt, ist die Regelung nicht anzuwenden; soweit sie gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, ist sie nichtig.
21 
a) Über die Verfassungs- und Unionsrechtswidrigkeit des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV kann die Kammer selbst entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht hat nach Art. 100 GG, § 80 BVerfGG ein Verwerfungsmonopol für formelle Gesetze. Für Rechtsverordnungen besteht eine solches Monopol nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. April 1987 - 1 BvL 25/84 -, BVerfGE 75, 166, und vom 1. März 1978 - 1 BvL 20/77 -, BVerfGE 48, 40). § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV ist durch eine Rechtsverordnung erlassen worden. Die Vorschrift wiederholt nicht den Inhalt eines formellen Gesetzes; die verfassungsrechtliche Bewertung des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV entscheidet nicht zugleich über die Verfassungsmäßigkeit eines unmittelbar maßgeblichen formellen Gesetzes. Der Inhalt des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV wird auch nicht von einer Norm des formellen Rechts vorausgesetzt (BVerfG, Beschluss vom 14. April 1987 - 1 BvL 25/84 -, BVerfGE 75, 166). Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht wäre deshalb gemäß Art. 100 GG, § 80 BVerfGG unzulässig.
22 
Hinsichtlich der Prüfung der Unionsrechtswidrigkeit ist die Kammer verpflichtet, nationales Recht, das unionsrechtlichen Bestimmungen widerspricht, unangewendet zu lassen (EuGH, Urteile vom 15.07.1964 - C 6/64 [Costa/ENEL], und vom 09.03.1978 - C 106/77 [Simmenthal II] -, Rn. 21/23; BVerfG, Beschluss vom 06.07.2010 - 2 BvR 2661/06 -, juris; BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.02.2018 - 1 S 1469/17 -, juris Rn. 76).
23 
b) Dass die Regelung formell unwirksam sei, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. § 4b Satz 1 Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 i.V.m. § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG als Rechtsgrundlage ermächtigt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft für die Zwecke des §§ 4 und 4 a TierSchG (Töten und Schlachten) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmte Tötungsarten und Betäubungsverfahren näher zu regeln, vorzuschreiben, zuzulassen oder zu verbieten, um sicherzustellen, dass den Tieren nicht mehr als unvermeidbare Schmerzen zugefügt werden.
24 
c) § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV verstößt aber gegen das Erfordernis des Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009, Tiere bei und vor der Tötung von jedem vermeidbaren Schmerz, Stress und Leiden zu verschonen.
25 
Die Gesamtschau der Regelungen in Art. 20a GG sowie Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009 erfordert ein hohes Tierschutzniveau. Dieses ist einfachgesetzlich in § 1 Satz 1, Satz 2, § 4a Abs. 1 TierSchG konkretisiert. Nach Art. 20a GG schützt der Staat auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. Das darin niedergelegte Staatsziel des Tierschutzes schließt es nicht aus, dass für die Herstellung von Lebensmitteln Tiere getötet werden. Allerdings verlangt die Verfassung, dass die dabei zugefügten Leiden auf das unbedingt erforderliche Minimum reduziert werden (Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand 15.11.2018, Art. 20a Rn. 26). Der Zweck des Tierschutzgesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen (§ 1 Satz 1 TierSchG). Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen (§ 1 Satz 2 TierSchG). Die Tötung von Tieren zur Herstellung von Lebensmitteln ist ein vernünftiger Grund in diesem Sinne. In Konkretisierung von § 1 Satz 2 TierSchG bestimmt § 4a Abs. 1 TierSchG, dass ein warmblütiges Tier nur geschlachtet werden darf, wenn es vor Beginn des Blutentzugs zum Zweck des Schlachtens betäubt worden ist. Mit Betäubung ist hier die Totalbetäubung, d.h. die Ausschaltung des Wahrnehmungs- und Empfindungsvermögens gemeint, also die Herbeiführung und Aufrechterhaltung eines Zustandes vollständiger Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit. Eine nur partielle Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit reicht nicht aus. Gegen § 4a Abs. 1 TierSchG wird auch verstoßen, wenn das Tier sein Wahrnehmungs- und Empfindungsvermögen vor dem Eintritt des Todes zumindest teilweise wiedererlangt (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 4 Rn. 4 m.w.N., § 4a Rn. 2).
26 
Diese mitgliedstaatlichen Bestimmungen stimmen mit den allgemeinen Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 überein. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 1099/2009 werden Tiere nur nach einer Betäubung im Einklang mit den Verfahren und den speziellen Anforderungen in Bezug auf die Anwendung dieser Verfahren gemäß Anhang I getötet. Zu diesen verordnungskonformen Betäubungsverfahren zählt der Unionsgesetzgeber auch die Elektrobetäubung bei Schweinen durch Kopf- oder durch Ganzkörperdurchströmung (Anhang I Tabelle 1 Nr. 1, 2). Gemäß Art. 2 Buchst. f VO (EG) 1099/2009 bezeichnet der Ausdruck „Betäubung“ jedes bewusst eingesetzte Verfahren, das ein Tier ohne Schmerzen in eine Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit versetzt, einschließlich jedes Verfahrens, das zum sofortigen Tod führt. Die Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit muss bis zum Tod des Tieres anhalten (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) 1099/2009). Außerdem bestimmt Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009, dass Tiere bei der Tötung und damit zusammenhängenden Tätigkeiten von jedem vermeidbaren Schmerz, Stress und Leiden verschont werden. Zu den damit verbundenen Tätigkeiten zählen u.a. die Betäubung und auch die Ruhigstellung (Art. 2 Buchst. b VO (EG) 1099/2009). Als Ruhigstellung definiert Art. 2 Buchst. p VO (EG) 1099/2009 die Anwendung eines Verfahrens zur Einschränkung der Bewegungsfähigkeit, um den Tieren vermeidbare Schmerzen, Angst oder Aufregung zu ersparen, so dass diese wirksam betäubt bzw. getötet werden können. Dem Unionsgesetzgeber ist bewusst, dass bestimmte Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Tötung Stress auslösen können sowie dass jedes Betäubungsverfahren Nachteile hat (Erwägungsgrund 2 Satz 2 VO (EG) 1099/2009). Die Unternehmer und die an der Tötung Beteiligten sollten unter Beachtung bewährter Verfahren und der von der Verordnung erlaubten Methoden die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um Schmerzen zu vermeiden und den Stress und das Leiden für die Tiere beim Schlachten und bei der Tötung so gering wie möglich zu halten (Erwägungsgrund 2 Satz 3 VO (EG) 1099/2009). Nach Erwägungsgrund 2 Satz 4 VO (EG) 1099/2009 sollten Schmerzen, Stress oder Leiden als vermeidbar gelten, wenn ein Unternehmer oder eine an der Tötung von Tieren beteiligte Person gegen diese Verordnung verstößt oder erlaubte Verfahren einsetzt, sich aber keine Gedanken darüber macht, ob diese dem Stand der Wissenschaft entsprechen, und dadurch fahrlässig oder vorsätzlich Schmerzen, Stress oder Leiden für die Tiere verursacht.
27 
Zwar verpflichten die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 regelmäßig nur den jeweiligen Unternehmer. Da es sich aber um sekundäres Unionsrecht handelt, das gestützt auf das Prinzip der loyalen Zusammenarbeit aus Art. 4 Abs. 3 EUV zur unionsrechtskonformen Auslegung verpflichtet, ist auch der nationale Verordnungsgeber an die unionsrechtlichen Vorgaben gebunden.
28 
In Zusammenfassung dieser vom höherrangigen Recht vorgegebenen Anforderungen darf der mitgliedstaatliche Verordnungsgeber nur solche Betäubungsverfahren nach § 4b Satz 1 Nr. 1 Buchst. b TierSchG näher ausgestalten, die sicher zur vollständigen Betäubung führen, ohne dass das Tier vor Todeseintritt das Wahrnehmungs- und Empfindungsvermögen zurückerlangt und ohne dass das Tier vermeidbarem Schmerz, Stress und Leiden ausgesetzt wird.
29 
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV zu beanstanden und muss deswegen unangewendet bleiben. Die darin geforderte einzelne Ruhigstellung bei Anwendung der Elektrobetäubung steht zur Überzeugung des Gerichts nicht im Einklang mit dem ausgeführten Rechtsrahmen. Diese hat den Nachteil, dass das zu betäubende Schwein durch die Vereinzelung und die Fixierung einem vermeidbaren Stress ausgesetzt wird. Da die Buchtenbetäubung ohne Einzelfixierung nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung einen solchen Nachteil nicht aufweist, wenn sie in Betrieben durchgeführt wird, die eine bestimmte Schlachtgeschwindigkeit nicht überschreiten, und dennoch sicher zur Betäubung des Tieres führt, verstößt § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV gegen Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009 und muss insoweit unangewendet bleiben. Nach den überzeugenden Ausführungen des in der mündlichen Verhandlung angehörten Sachverständigen verursacht eine Vereinzelung des Schweins aus der Kleinstgruppe einen hohen Stress, zusätzlich zur ohnehin mit dem Transport zum Schlachthof und dem Treiben in die Betäubungsbucht verbundenen Aufregung. Schweine als Rottentiere widersetzten sich grundsätzlich jeglicher Vereinzelung. Es sei ausgesprochen schwierig, ein Schwein einzeln irgendwohin zu bringen. Solle das Schwein dann auch noch in eine Fixierungseinrichtung getrieben werden, erhöhten sich die Schwierigkeiten. Denn eine mechanische Fixierung sei dem Schwein grundsätzlich fremd; es könne darauf mit alarmierenden Lauten bzw. Warnrufen reagieren, die zudem die anderen in der Bucht befindlichen Schweine aufregen könnten. Es entstehe auch bei den nicht fixierten Schweinen, die sich normalerweise in Schrittgeschwindigkeit bewegten und nun möglicherweise rennen würden, eine Unruhe. Das erschwere das spätere Treiben der anderen Schweine in die Vereinzelungseinrichtung und könne dabei ggf. den Einsatz eines Elektrotreibers erforderlich machen.
30 
Diese Ausführungen des Sachverständigen stimmen auch mit den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen überein. Nach den Ausführungen der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V. seien Schweine wegen ihrem geringen Herzgewicht und dem Bewegungsmangel bei der Aufzucht besonders stressanfällig. Da sie soziale Tiere seien, ließen sie sich fast nur in der Gruppe treiben (vgl. Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V., Merkblatt Nr. 89, Tierschutzgerechtes Schlachten von Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen, Dezember 2015, S. 8, 10, 12). Zudem sei die Effektivität der Betäubung umso besser, je ruhiger die Tiere vor der Betäubung seien (Beratungs- und Schulungsinstitut für Tierschutz bei Transport und Schlachtung [bsi Schwarzenbek], Gute fachliche Praxis der tierschutzgerechten Schlachtung von Rind und Schwein, Stand April 2013, S. 37).
31 
Der Beklagten-Vertreter, der Leiter des Veterinäramts des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis, hat die Ausführungen des Sachverständigen lediglich insoweit ergänzt, als dass eine Einzeltierfixierung nicht zwingend zu Schreien der Schweine führe; dies sei zwar möglich, oft bleibe es aber auch ruhig. Im Übrigen hat sich der Beklagte den Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung aber vollumfänglich angeschlossen.
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Es ist nicht ersichtlich, dass die soeben beschriebenen Nachteile durch die Vorteile der Einzelfixierung grundsätzlich aufgewogen werden. Zwar kommt dem Verordnungsgeber bei der Ausfüllung der Ermächtigungsgrundlage ein gewisser Gestaltungsspielraum zu. Dieser ist aber vorliegend überschritten, da die vom Verordnungsgeber gezogenen Grenze von 20 Großvieheinheiten pro Woche willkürlich ist (dazu sogleich) und in diesem Bereich die Buchtenbetäubung ebenso sicher zur Betäubung der Schweine führen kann wie die Betäubung in einer Einzelfixierungseinrichtung. Die Buchtenbetäubung in diesem Grenzbereich verstößt mithin nicht gegen Art. 4 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009, während die Einzelfixierung zu vermeidbarem Stress und Leiden bei den zu betäubenden Tieren führt und somit - wie ausgeführt - gegen Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009 verstößt.
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Bei der manuellen elektrischen Betäubung von Schweinen ist besonders wichtig, die Tiere so ruhigzustellen, dass die Elektrozange ohne zwischenzeitliche Unterbrechung an die Ansatzpunkte am Kopf angesetzt werden kann. Dies gilt insbesondere bei der Betäubung ohne Einzelfixierung (vgl. auch Scientific Panel on Animal Health and Welfare, Opinion on a request from the Commission related to welfare aspects oft he main systems of stunning and killing the main commercial species of animals, The EFSA Journal (2004), 45, S. 12). Denn eine fehlerhafte Betäubung hat zur Folge, dass die Tiere ihr Wahrnehmungs- und Empfindungsvermögen nicht vollständig verlieren. Die Tiere fallen nach ca. einer Sekunde um, dabei kann die Zange abrutschen, was dazu führt, dass die Mindeststromflusszeit unterbrochen bzw. nicht erreicht wird. Das Tier ist dann zwar durch den stattgefundenen kurzen Stromfluss immobilisiert, aber nicht oder nicht ausreichend betäubt. Wird in diesem Falle die Zange in den Brust-Rücken-Bereich umgesetzt, so führt das nur zu einer hochgradig schmerzhaften Durchströmung, aber nicht zu einer Betäubung. Ein weiterer Risikofaktor ist, dass die Betäubungszange aufgrund von Flucht- und Abwehrbewegungen nicht an den richtigen Stellen angesetzt wird. Eine fehlerhafte bzw. zu kurze Durchströmung immobilisiert zwar die Schweine. Allerdings bleibt die Fehlbetäubung unentdeckt, weil das Tier selbst bei fortdauernder Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit keine eindeutigen Schmerzäußerungen mehr zeigen kann. In einem solchen Fall läge ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009 vor, weil die Schweine nicht vollständig wahrnehmungs- und empfindungslos sind. Dieses Fehlbetäubungsrisiko bei hohen Durchlaufzahlen und fehlender Einzelfixierung will § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV eindämmen (vgl. zum Ganzen Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, EU-Tierschlacht-VO Einf. Rn. 2, 5 m.w.N.). Die vereinzelte Ruhigstellung führt zwar regelmäßig sicher zur (vollständigen) Betäubung des Tieres, da sich am fixierten Tier die Betäubungszange besser ansetzen lässt. Entscheidend ist aber letztlich nach den fundierten und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, denen sich die Kammer anschließt, der Faktor Mensch. Der jeweilige Betäuber könne den Betäubungsvorgang auch bei der Buchtenbetäubung in Betrieben von Durchlaufzahlen unterhalb von 100 Schweinen pro Stunde erfolgreich ausführen. Zwar sei der Ansatzbereich am Schweinekopf mit ca. 10 cm relativ klein. Ein guter Betäuber nähere sich dem jeweiligen Schwein von hinten und begrenze dessen Fluchtradius seitlich mit seinen Beinen und rückwärtig durch seine Gummischürze. Dadurch komme es zu einer leicht beweglichen Einengung. Bei dieser Vorgehensweise sei der Zangenansatz auch bei einem nicht einzeln ruhiggestellten Schwein erfolgreich, denn es komme zu keiner zusätzlichen Stressreaktion des Tiers. Das Schwein sei relativ ruhig und werde direkt in den Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit versetzt. Mangels Fluchtreaktion des Schweins könne die Zange dann auch korrekt angesetzt werden. Damit senke sich das Risiko einer Fehlbetäubung, so dass auch die Buchtenbetäubung in kleineren Betrieben sicher zur Betäubung des Tiers führe. Die anderen Schweine würden nicht in Aufregung versetzt, weil das betäubte Tier nicht alarmierend quieken könne. Erst ab einer Schlachtleistung von 100 Schweinen pro Stunde – so auch die Empfehlungen nach Untersuchungen des Beratungs- und Schulungsinstituts für Tierschutz bei Transport und Schlachtung (bsi Schwarzenbek) – sei eine einzelne Ruhigstellung erforderlich. Denn dann stünde nach den Ausführungen des Sachverständigen für jedes Tier weniger als eine Minute für die Betäubung und die Schlachtung zur Verfügung. Dies rufe einen Zeitdruck hervor, der Unruhe in die Betäubungsbucht hineinbringe. In einer Betäubungsbucht ohne Fixierungseinrichtung müsse dann ständig nachgetrieben werden. Dabei erhöhe sich folglich das Risiko eines suboptimalen Zangenansatzes und das Fehlbetäubungsrisiko. Dies sei aber bei einer geringeren Schlachtgeschwindigkeit nicht gegeben. Bei einer Schlachtgeschwindigkeit bis zu 60-100 Schweinen pro Stunde überwögen die Vorteile der Buchtenbetäubung ohne Einzelfixierung gegenüber denjenigen der Einzelruhigstellung.
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Dies zusammenfassend verstößt § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV gegen Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009. Denn die geforderte Einzelruhigstellung führt bei einer niedrigeren Schlachtgeschwindigkeit zu vermeidbarem Stress und Leiden, obwohl mit der Buchtenbetäubung eine Methode zur Verfügung steht, die ebenfalls sicher zur Betäubung der Schweine führen kann und damit Art. 4 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009 gerecht wird. Folge dieses Verstoßes gegen Unionsrecht ist, dass die untergesetzliche Norm nicht angewendet werden darf (EuGH, Urteile vom 15.07.1964 - C 6/64 [Costa/ENEL], und vom 09.03.1978 - C 106/77 [Simmenthal II] -, Rn. 21/23).
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d) Die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV verstößt danach auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG und ist insoweit nichtig. Der Gleichheitssatz verbietet, dass wesentlich Gleiches ungleich, nicht dagegen, dass wesentlich Ungleiches entsprechend der bestehenden Ungleichheit ungleich behandelt wird. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen für den Gesetzgeber unterschiedliche Grenzen, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 24.01.2012 - 1 BvL 21/11 -, BVerfGE 130, 131 und vom 21.06.2011 - 1 BvR 2035/07 -, BVerfGE 129, 49). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen.
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Der Verordnungsgeber unterscheidet Schlachthöfe danach, ob sie die Grenze des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV überschreiten und knüpft daran die Pflicht zur Einzelruhigstellung. Dieser Ungleichbehandlung fehlt ein sachlicher Grund. Zwar wäre eine grundsätzliche Differenzierung anhand der Schlachtgeschwindigkeit nicht zu beanstanden. Allerdings fehlt dem vom Verordnungsgeber gewählten Schlachtumfang pro Woche bzw. pro Jahr ein hinreichender Bezug zur Schlachtgeschwindigkeit. Die gezogene Grenze von 20 Großvieheinheiten pro Woche bzw. 1.000 Großvieheinheiten pro Jahr basiert nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen auch auf keiner wissenschaftlichen Evidenz, ist tierschutzfachlich nicht sinnvoll und mithin willkürlich gewählt.
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aa) Es findet sich für die vom Verordnungsgeber gewählte Differenzierung anhand der Schlachtmenge kein sachlich einleuchtender Grund. Zur Begründung des früheren § 12 TierSchlV – dem heutigen § 11 – im Verordnungsentwurf vom 07.11.1996 hat das damalige Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ausgeführt, die streitgegenständliche Vorschrift diene der Umsetzung der Nummer 3 des Anhangs B der Richtlinie 93/119/EG. Danach sind Tiere, die durch mechanische oder elektrische Betäubungsgeräte am Kopf betäubt oder getötet werden, in eine solche Lage oder Stellung zu bringen, dass das Gerät problemlos, exakt und so lange wie nötig angesetzt und bedient werden kann. Nach der Begründung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sei es bei der manuellen elektrischen Betäubung von Schweinen besonders wichtig, das Tier so ruhigzustellen, dass die Elektrozange ohne zwischenzeitliche Unterbrechungen eng an die Ansatzpunkte am Kopf angedrückt werden könne. Besonders in Betrieben, in denen die betäubende Person eine große Zahl von Schweinen hintereinander zu betäuben habe, sei es daher erforderlich, die Tiere in geeigneten Einrichtungen, also Betäubungsfallen, Restrainern oder anderen geeigneten Einrichtungen, einzeln ruhigzustellen (BR-Drucks. 835/96, S. 38). § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV wird dem vom Verordnungsgeber angestrebten Zweck, das Fehlbetäubungsrisiko nicht unvertretbar hoch ansteigen zu lassen, durch die gewählte Umsatzzahl pro Woche bzw. pro Jahr in willkürlicher Weise nicht ausreichend gerecht. Der Verordnungsgeber sieht die Gefahr von Fehlbetäubungen insbesondere in der Überlastung des einzelnen Betäubers wegen der großen Anzahl zu schlachtender Schweine. Dem vom Verordnungsgeber gewählten Parameter fehlt aber die für die Belastungsbeurteilung und damit für die Gefahr von Fehlbetäubungen erforderliche Feindifferenzierung. Denn die Norm nimmt nicht in den Blick, an wie vielen Tagen pro Woche oder Jahr geschlachtet wird. So ist es denkbar, dass ein Betrieb mehrere Stunden an fünf Tagen pro Woche schlachtet. Dabei kann der Grenzwert des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV überschritten werden, obwohl je Tier ein ausreichender Zeitraum zur Verfügung steht, der auch bei fehlender Einzelfixierung ein sicheres Betäuben erlaubt. In diesem Fall kommt es gerade nicht zu einer Überlastung des betäubenden Personals. Maßgeblich ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen daher die Schlachtgeschwindigkeit pro Stunde ggf. unter Berücksichtigung der Schlachtdauer pro Schlachttag. Denn mit dieser kann der Faktor Mensch, nämlich dessen Belastung und Konzentrationsfähigkeit, z.B. durch Ermüdungserscheinungen oder Zeitdruck, besser in die Tierschutzüberlegungen einbezogen werden. Dies entspricht auch der von dem Institut bsi Schwarzenbek gewählten Einheit der Schlachtgeschwindigkeit. Dabei übersieht die Kammer nicht, dass ab Erreichen einer bestimmten Schlachtgeschwindigkeit die einzelne Ruhigstellung erforderlich sein wird, um das Risiko von Fehlbetäubungen auf das notwendige Maß zu beschränken. Denn wenn beispielsweise bei einer Schlachtleistung von 100 Tieren pro Stunde je Tier nur 0,6 Minuten für die Betäubung und Schlachtung zur Verfügung stehen, entsteht auch durch das erforderliche Nachtreiben eine Unruhe, die den Betäubungserfolg ernsthaft gefährdet. Dieser Gedanke kommt aber in der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV nicht hinreichend zum Ausdruck.
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Eine sachliche Rechtfertigung ist auch nicht Art. 17 Abs. 6 Buchst. c und d VO (EG) 1099/2009 zu entnehmen, auf den sich § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV bezieht. Die dort für Schweine mit unterschiedlichem Lebendgewicht festgelegten Standardmaßeinheiten dienen dazu, festzulegen, ob in einem Schlachthof ein Tierschutzbeauftragter erforderlich ist. Dabei ist die jährliche Schlachtleistung von 1.000 Großvieheinheiten entscheidend. Für den hier vorliegenden Fall trifft die Regelung keine Aussage.
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bb) Aus Erwägungsgrund 2 Satz 4 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009 folgt, dass der nationale Verordnungsgeber sich zumindest ansatzweise einer wissenschaftlichen Evidenz im Rahmen der Festlegung der Schlachtumfanggrenze des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV bedienen muss. Nach Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009 werden die Tiere bei der Tötung und damit zusammenhängenden Tätigkeiten von jedem vermeidbaren Schmerz, Stress und Leiden verschont. Den unbestimmten Rechtsbegriff des vermeidbaren Stresses und Leidens konkretisiert Erwägungsgrund 2 Satz 4 VO (EG) 1099/2009. Danach sollten Stress und Leiden als vermeidbar gelten, wenn ein Unternehmer u.a. erlaubte Verfahren einsetzt, sich aber keine Gedanken darüber macht, ob diese dem Stand der Wissenschaft entsprechen, und dadurch fahrlässig Stress oder Leiden bei den Tieren verursacht. § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV zwingt kleinere Schlachtbetriebe, sehenden Auges gegen Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 1099/2009 zu verstoßen, weil sie sich keine Gedanken über den Stand der Wissenschaft machen dürfen bzw. müssen. Gleichzeitig ist es ihnen verwehrt, im Rahmen der Elektrobetäubung solche Verfahren einzusetzen, die dem Stand der Wissenschaft eher entsprechen als die geforderte Einzelfixierung. Da auch der nationale Verordnungsgeber an die Unionsverordnung gebunden ist, müsste dieser im Umkehrschluss aus Erwägungsgrund 2 Satz 4 VO (EG) 1099/2009 zu erkennen geben, dass die Anforderung des § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV dem Stand der Wissenschaft entspricht. Zwar ist § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV von dem Gedanken getragen, dass ab einer gewissen Schlachtzahl das Risiko von Fehlbetäubungen bei nicht einzeln ruhiggestellten Schweinen unvertretbar hoch ansteigt (BR-Drucks. 835/96, S. 38; dazu Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 11 TierSchlV Rn. 2). Eine wissenschaftlich begründete Evidenz, dass dies ab einem Schlachtumfang von 20 Großvieheinheiten pro Woche der Fall ist, fehlt aber. Solche Erwägungen finden sich nicht in der Begründung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zum Verordnungsentwurf vom 01.11.2012 (BR-Drucks. 672/12, S. 37). Es existieren auch keine wissenschaftlichen Erhebungen darüber, in welchem Verhältnis das Fehlbetäubungsrisiko bei Buchtenbetäubungen zu dem bei der Einzelfixierungsbetäubung steht. Insbesondere lässt sich den Veröffentlichungen der EFSA keine derartige Quantifizierung entnehmen (Scientific Panel on Animal Health and Welfare, Opinion on a request from the Commission related to welfare aspects oft he main systems of stunning and killing the main commercial species of animals, The EFSA Journal (2004), 45). Auch die in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage angeführte Studie der EFSA differenziert nur zwischen handgeführten elektrischen Betäubungsanlagen und automatischen Anlagen (BT-Drucks. 71/10021, S. 5).
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cc) Nach alledem verstößt § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da er eine sachliche Rechtfertigung für die Differenzierung anhand des Schlachtumfangs vermissen lässt und sich zudem nicht auf eine wissenschaftliche Evidenz berufen kann; die Regelung ist somit nichtig.
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e) Ob § 11 Abs. 1 Satz 3 TierSchlV daneben mangels Kenntnisgabe und Genehmigung gegen Art. 26 Abs. 3 UAbs. 1, 2 VO (EG) 1099/2009 verstößt, kann im Übrigen dahinstehen.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Kammer sieht keinen Anlass, die Entscheidung wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
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Die Berufung ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
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B E S C H L U S S
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Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1, 2 GKG auf EUR 5.000,- festgesetzt.
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Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

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