Beschluss vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - 2 K 1979/19

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ge-gen eine zeitliche und örtliche Beschränkung der von ihr angemeldeten Versamm-lung.
Die Antragstellerin meldete am 26.01.2019 eine Versammlung auf der Gemarkung der Antragsgegnerin zu dem Thema „40 days for life / Lebensrecht ungeborener Kinder“ an. Die Versammlung soll vom 06.03.2019 bis zum 14.04.2019 jeweils von 9:00 Uhr bis 13:00 Uhr gegenüber dem Gebäude der Beratungsstelle pro familia Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung e.V. – im Folgenden: pro familia – in der Form „Tägliches stilles Gebet / Mahnwache“ stattfinden. Die Teilnehmeranzahl wird mit 20 Personen angegeben. Als Kundgebungsmittel sind Plakate vorgesehen.
Die Antragsgegnerin erließ nach Durchführung eines Kooperationsgesprächs mit Verfügung vom 28.02.2019 gegenüber der Antragstellerin eine Auflage (Ziffer 1 der Verfügung). Danach darf die Versammlung während der Beratungszeiten von pro familia (an Werktagen Montag bis Freitag 7.15 – 18 Uhr nur außerhalb direkter Sichtbeziehung zum Gebäudeeingang von pro familia, ... ..., durchgeführt werden. Weiter wurde ausgeführt, die Versammlung sei somit während der vorgenannten Beratungszeiten auf den Gehwegen der ... ... auf der östlichen Straßenseite zwischen der ... und einschließlich dem Gebäude ... ... ..., auf der westlichen Seite zwischen dem ... ... und der beschränkten Ein-/Ausfahrt der Landratsamts-Außenstelle (... ... ...), die sich zwischen Ecke ... und Ecke ... befinde, und auf dem Abschnitt des Gehwegs auf der Südseite des ... ..., von dem aus eine Sichtbeziehung zum Eingang des Gebäudes ... ... bestehe, nicht erlaubt. Die Gehwegbereiche, innerhalb derer die Versammlung während der genannten Beratungszeiten wie beschrieben nicht stattfinden dürfe, seien auf dem als Anlage beigefügten Plan als rote Balken eingezeichnet. Ferner wurde für den Fall einer Zuwiderhandlung unmittelbarer Zwang angedroht (Ziffer 2 der Verfügung) und die sofortige Vollziehung der unter Ziffer 1 genannten Auflage angeordnet (Ziffer 3 der Verfügung).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, bereits 2018 seien im Frühjahr und im Herbst Versammlungen zu demselben Thema in unmittelbarer Nähe zum Gebäude von pro familia in P... angemeldet und unter der Leitung der Antragstellerin durchgeführt worden. Während dieses Zeitraums hätten jeweils auch Versammlungen von pro familia stattgefunden, mit dem Ziel einen ungehinderten Zugang der Schwangeren zur Beratungsstelle zu gewährleisten und somit deren allgemeines Persönlichkeitsrecht zu schützen. Die seinerzeitigen Versammlungen seien friedlich verlaufen, allerdings hätten sich teilweise aufgeheizte Stimmungen und die konträren Positionen der Teilnehmer gezeigt, die sich aus den verschiedenen Auffassungen zur Schwangerschaftskonfliktberatung ergeben. Bei pro familia seien Beschwerden von betroffenen Schwangeren eingegangen. Von Seiten der Beratungsstelle pro familia sei ausgeführt worden, dass die Versammlungsteilnehmer von „40 Days for Life“ den Besucherinnen der Beratungsstelle „als böse empfunden Blicke“ zugeworfen hätten. Ferner seien Besucher der Beratungsstelle gestört, bedrängt und eingeschüchtert worden. Teilnehmer der Versammlung hätten Ratsuchende belästigt und Beschäftigte von pro familia diffamiert. Die zeitlich und örtlich beschränkende Auflage sei erforderlich, weil bei Durchführung der Versammlung am vorgesehenen Ort eine unmittelbare Gefährdung für das der öffentlichen Sicherheit zuzuordnende allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen Frauen bestehe, die die Beratungsstelle von pro familia aufsuchen wollen. Zwar könne sich die Antragstellerin neben dem Versammlungsrecht auch auf das Recht auf Meinungsäußerung und auf die Religionsfreiheit berufen. Im Rahmen der Abwägung der sich gegenüberstehenden Grundrechte sei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frauen Vorrang einzuräumen. Durch die zeitliche und örtliche Beschränkung der Versammlung werde diesen ermöglicht, ohne Bedrängungen und ohne Stigmatisierung durch die Versammlungsteilnehmer die Beratungsstelle aufzusuchen.
Die Antragstellerin hat am 19.03.2019 Widerspruch erhoben und am 20.03.2019 beim Verwaltungsgericht in Karlsruhe um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, der Verfügung sei die Anmeldung einer stillen Gebetsvigil als Versammlung vorausgegangen. Diese Vigil solle in der ... ... 18 - 20 abgehalten werden, das heißt genau auf der gegenüberliegenden Straßenseite der pro familia-Beratungsstelle ... .... Sie setze sich mit der formlosen Gebetsvigil „40 Tage für das Leben“ durch ein friedliches und stilles Gebet vor der pro familia-Beratungsstelle für das Lebensrecht ungeborener Kinder ein. Sie habe langjährige Erfahrungen in der Leitung von privaten Gebetskreisen und auch in der ehrenamtlichen Seelsorge in einer christlichen Kirchengemeinde. Diese Erfahrung präge auch das Wesen der Vigil vor der Beratungsstelle und trage dazu bei, dass sowohl die erste als auch die zweite Vigil 2018 vollkommen friedlich verlaufen seien. Insbesondere hätten sie und die Vigil-Teilnehmerinnen bisher keine Passanten, Besucherinnen der Beratungsstelle oder Mitarbeiter der Beratungsstelle angesprochen oder sich diesen Personengruppen gegenüber aufdringlich, bedrohlich oder beleidigend verhalten. Es sei auch kein Informationsmaterial an Passanten, Besucherinnen oder Mitarbeiter verteilt worden. Eine aktive Ansprache von diesen Personengruppen oder die Übergabe von Informationsmaterial zum Thema Abtreibung sei nicht geplant. Die Gefahrenprognose der Antragsgegnerin beruhe auf bloßen Verdachtsmomenten und Vermutungen.
Höchstwert des Grundgesetzes sei die Achtung vor dem Leben und der Schutz des Lebens mit der fundamentalen Menschenwürdegarantie des Art. 1 GG und der Lebensschutzgarantie des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Das Lebensrecht des ungeborenen Kindes sei ein eigenständiges Lebensrecht. Die Schutzpflicht des Staates bestehe auch gegenüber der Mutter. Der Schutzauftrag verpflichte den Staat, den rechtlichen Schutzanspruch des ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewusstsein zu erhalten und zu beleben. Das Grundrecht des ungeborenen Kindes auf Leben werde in dem streitgegenständlichen Bescheid vollkommen ausgeblendet, sodass bereits deshalb eine grob fehlerhafte und offensichtlich rechtswidrige Ermessensentscheidung getroffen worden sei. Die Antragsgegnerin reduziere das ungeborene Kind auf eine „bloße Schwangerschaft“ und ignoriere vollständig das von der Mutter unabhängige Lebensrecht des ungeborenen Kindes. Um den Einsatz für das ungeborene Leben gehe es ihr und den übrigen Vigil-Teilnehmerinnen in erster Linie. Sie berufe sich insbesondere darauf, ihre christliche Überzeugung in friedlicher Ausübung der Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art. 4 GG zu verfolgen. In zweiter Linie gehe es ihr um die Betätigung ihrer Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG und der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG.
Der streitgegenständliche Bescheid stelle im Wesentlichen auf das Versammlungsgrundrecht ab und vernachlässige die Tragweite der Meinungsfreiheit. Der private Einsatz für das ungeborene Leben werde nicht durch das bestehende, ganz wesentlich auf die Beratung der Frau aufbauende gesetzliche Schutzkonzept für das Ungeborene in den §§ 218 ff. StGB, sowie im Schwangerschaftskonfliktgesetz gehindert. Privates Engagement könne den Schutz des Ungeborenen verstärken. Die Belange der schwangeren Frauen sei gleichfalls mit Blick auf das aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG fließende allgemeine Persönlichkeitsrecht zu berücksichtigen. Sie – die Antragstellerin – und die Beterinnen würden vor der Beratungsstelle keine Gehsteigberatung praktizieren.
Es liege kein einziger konkreter Anhaltspunkt dafür vor, dass sie und die Vigil-Teilnehmerinnen schwangere Besucherinnen oder Mitarbeiter der Beratungsstelle angesprochen, gestört, bedrängt, eingeschüchtert oder diffamiert hätten, wie dies von der Antragsgegnerin vorgetragen werde. Vielmehr attestiere die Antragsgegnerin einen vollkommen friedlichen Verlauf der bisherigen Versammlungen. Konkrete Störungen durch die Beterinnen der Vigil seien nicht aktenkundig.
10 
Die Antragsgegnerin gehe davon aus, dass das Persönlichkeitsrecht einer schwangeren Besucherin der Beratungsstelle nur durch Ausschluss des Sichtkontakts zu der Gebetsvigil gewahrt werden könne. Diese Annahme sei jedoch ermessensfehlerhaft und führe zur Rechtswidrigkeit des Bescheids. Eine schwangere Frau habe auf ihrem Weg kein Recht darauf, vor jeglicher Konfrontation mit dem Thema Abtreibung oder vor jeglicher Ansprache darauf verschont zu werden. Sie bewege sich im öffentlichen Raum. Das stille und friedliche Beten auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Beratungsstelle, aber auch ein möglicher Blick seitens der Vigil-Teilnehmer auf die Beratungsstelle und die Besucherinnen könne jedenfalls den ins Feld geführten Innenbereich freier Persönlichkeitsentfaltung einer schwangeren Frau nicht verletzen, weil schon kein aktiver Kontakt stattfinde. Der schwangeren Frau werde keine Diskussion über ihre Schwangerschaft, die hieraus potentiell resultierende Konfliktlage oder das Thema Abtreibung aufgezwungen. Die Beterinnen stünden auf der anderen Straßenseite in einer Entfernung von etwa 10 bis 20 Metern und seien zusätzlich durch die vierspurige stark befahrene und laute Straße von der Beratungsstelle entfernt. Selbst wenn ein Blick tatsächlich ein unangenehmes Gefühl in einer schwangeren Frau auslösen sollte, so könne dies keine größere Eingriffsintensität haben als eine respektvolle und freundliche Ansprache auf die Schwangerschaft. Der Frau werde unmittelbar vor der beabsichtigten Abtreibung mit ihrer bisherigen Entscheidung für die Abtreibung sowie dem Lebensrecht des ungeborenen Kindes konfrontiert und zur näheren Darlegung ihrer Gründe für einen Abbruch veranlasst. Von dieser durchaus intimen Rechenschaft sei eine stille und friedliche Gebetsvigil auf der gegenüberliegenden Straßenseite weit entfernt.
11 
Die Anbindung an die Religionsausübung zeige sich insbesondere in dem Umstand, dass es sich bei der Versammlung im Wesentlichen um eine Gebetsvigil handle und dass sich die Teilnehmer zum stillen Gebet versammelten. Die Verbannung der Vigil aus dem Sichtbereich zur Beratungsstelle stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff und eine schwere Verletzung von Art. 4 GG dar. Ferner könne sie sich auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung nach Art. 5 GG berufen. Durch die stille Anwesenheit vor der pro familia-Beratungsstelle bringe sie ihre Meinung und ihren Standpunkt in der kontrovers diskutierten Abtreibungsfrage zum Ausdruck. Die Versammlungsfreiheit umfasse auch das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeit, Art und Inhalt einer Versammlung. Die von ihr aufgeführten Grundrechte entfalteten ihre volle Wirkung danach erst dann, wenn der Grundrechtsträger selbst entscheide, wie und wo er demonstriere und seine Meinung so äußere, wie sie es für richtig halte.
12 
Die Antragstellerin beantragt – sachdienlich ausgelegt –,
13 
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 19.03.2019 gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 28.02.2019 insoweit wiederherzustellen, als unter II. A. Ziffer 1 die Versammlung zeitlich und örtlich beschränkt wurde, und hinsichtlich der in der Verfügung enthaltenen Zwangsmittelandrohung anzuordnen.
14 
Die Antragsgegnerin beantragt,
15 
den Antrag abzulehnen.
16 
Zur Begründung verweist sie auf ihre Verfügung und trägt ergänzend vor, pro familia sei die einzige Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle in P.... Schwangere Frauen, die eine Beratungsstelle aufsuchen müssten, um einen straffreien Schwangerschaftsabbruch durchführen zu können, seien daher gezwungen, allein diese Beratungsstelle aufzusuchen. Angesichts der von den schwangeren Frauen zu beachtenden Fristen sei ihnen gegebenenfalls ein weiteres Zuwarten bis zum Ende der Versammlung nicht möglich. Auch mit Blick darauf würden die schwangeren Frauen durch die Abtreibungsgegner psychisch unter Druck gesetzt und eingeschüchtert. Allein das Betreten des Gebäudes der Schwangerschaftskonfliktberatung habe eine stigmatisierende Wirkung. Die örtlichen Gegebenheiten sorgten nicht für eine ausreichende Unterbrechungswirkung; die Versammlungsteilnehmer seien von den betroffenen Frauen weithin wahrnehmbar und würden von diesen genau beobachtet. Auch sei den betroffenen Frauen eine eigene Rechtsverfolgung nicht zumutbar, weil es ihnen einen Verzicht auf die durch § 6 Abs. 2 SchKG gesetzlich gewährleistete Anonymität abverlangen würde. Aus den gleichen Gründen sei es den Frauen ebenso wenig zumutbar, in diesem Verfahren als Zeugen benannt zu werden. Die Vertraulichkeit der Beratung werde durch das Zeugnisverweigerungsrecht und durch die arbeitsvertraglich vereinbarte Schweigepflicht der Berater abgesichert. Dies hindere indessen sie – die Antragsgegnerin – nicht daran, auf die Beschwerden betroffener schwangerer Frauen hinzuweisen, die im Zusammenhang mit früheren Versammlungen geäußert worden seien.
II.
17 
Der Antrag hat keinen Erfolg.
18 
Der Antrag ist zwar zulässig, insbesondere statthaft, nachdem die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet und deshalb der Widerspruch der Antragstellerin gegen die in der Verfügung der Antragsgegnerin vom 28.02.2019 angeordnete zeitliche und örtliche Beschränkung der Versammlung keine aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO entfaltet. Auflagen im Sinne des § 15 VersammlG – wie im vorliegenden Fall – sind selbständige belastende Verwaltungsakte, die deshalb auch isoliert gerichtlich angegriffen werden können (BVerfG, Beschl. v. 21. 03. 2007 - 1 BvR 232/04 -, NVwZ 2007, 1183; Dürig-Friedl, in: Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, § 15 Rn. 75). Wenn auch von dem Veranstalter ein Tun, Dulden oder Unterlassen verlangt wird (BayVGH, Beschl. v. 08.10.1982 - 21 CS 82 A.2271 -, BayVBl. 1983, 54), handelt es sich gleichwohl um keine unselbständigen Nebenbestimmungen zu einem Verwaltungsakt im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, da Versammlungen keiner Erlaubnis bedürfen (BVerfG, Beschl. v. 21. 03. 2007, a.a.O.). Soweit die Androhung unmittelbaren Zwangs in Rede steht, folgt die Statthaftigkeit des Antrags aus § 12 LVwVG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO.
19 
Der auch im Übrigen zulässige Antrag ist jedoch unbegründet.
20 
Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO vom Gericht selbst nach eigenem Ermessen zu treffende Abwägungsentscheidung führt zu dem Ergebnis, dass nach der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Beschränkung überwiegt, weshalb die aufschiebende Wirkung weder hinsichtlich der Versammlungsbeschränkung wiederherzustellen noch hinsichtlich der Androhung unmittelbaren Zwangs anzuordnen ist. Denn die Anordnung des Sofortvollzugs unter II. A. Nr. 3 der Verfügung ist rechtlich nicht zu beanstanden (1.) und die Versammlungsbeschränkung erweist sich voraussichtlich als rechtmäßig (2.). Gleiches gilt für die Androhung unmittelbaren Zwangs (3.). Schließlich besteht auch ein besonderes Vollzugsinteresse (4.).
21 
1. Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs unter II. B. e) der Verfügung der Antragsgegnerin vom 28.02.2019 genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
22 
Die Antragsgegnerin hat insoweit darauf abgestellt, es sei nicht hinzunehmen, dass das gewichtigere Rechtsgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der schwangeren Frau im Fall der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs während dieses Zeitraums unmittelbar beeinträchtigt wird. Diese keineswegs formelhafte Begründung ist, worauf es allein ankommt, in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Mit ihr hat die Antragsgegnerin die Gründe angegeben, die nach ihrer Ansicht im vorliegenden Fall dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts den Vorrang vor dem Interesse der Antragstellerin, einstweilen vom Vollzug der angefochtenen Versammlungsauflage verschont zu bleiben, einräumen. Ob diese Erwägungen rechtlich zutreffend sind, um die Anordnung des Sofortvollzugs materiell-rechtlich zu rechtfertigen, ist für die Einhaltung des formellen Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht von Bedeutung.
23 
2. Die unter II. A. Nr. 1 der Verfügung der Antragsgegnerin vom 28.02.2019 angeordnete zeitliche und örtliche Beschränkung der von der Antragstellerin rechtzeitig angemeldeten, öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel erweist sich voraussichtlich als rechtmäßig.
24 
Art. 8 Abs. 1 GG gewährleistet allen Deutschen das für die politische Willensbildung unverzichtbare Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Grundrecht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden.
25 
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 VersammlG, der gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG als Bundesrecht fort gilt (vgl. hierzu Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Aufl. 2016, S. 613), da Baden-Württemberg nach Aufhebung der Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG a. F. kein eigenes Landesversammlungsgesetz erlassen hat, kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
26 
Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm sind allerdings im Lichte des Grundrechts aus Art. 8 Abs. 1 GG auszulegen. Unter Berücksichtigung der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit im demokratischen Gemeinwesen setzt ihre Beschränkung, wenn grundrechtlich geschützte Rechtsgüter betroffen sind, die Herstellung einer praktischen Konkordanz zwischen diesen voraus. Das Prinzip der praktischen Konkordanz besagt, dass verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter bei Kollisionen einander so zuzuordnen sind, dass allen in dem jeweils notwendigen Umfang Grenzen gezogen sind, alle aber auch optimal wirksam bleiben. Kollidierende Grundrechtspositionen sind hierfür in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.01.1958 - 1 BvR 400/51 -, BVerfGE 7, 198; Beschl. v. 11.04.2018 - 1 BvR 3080/09 -, NVwZ 2018, 813). Sind grundrechtlich geschützte Rechtsgüter gefährdet, so sind beim Erlass von Auflagen an die Gefahrenprognose hohe Anforderungen zu stellen. Sie ist auf konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte zu stützen; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 -, NVwZ 2013, 570). Demzufolge hat die Versammlungsfreiheit nur dann zurückzutreten, wenn eine Abwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechts ergibt, dass dies zum Schutz anderer mindestens gleichwertige Rechtsgüter notwendig ist (BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315; Beschl. v. 05.09.2003 - 1 BvQ 32/03 -, NVwZ 2004, 90).
27 
Nach Maßgabe dieser Grundsätze begegnet die zeitliche und örtliche Beschränkung der Versammlung in der angefochtenen Verfügung der Antragsgegnerin nach derzeitiger Erkenntnis voraussichtlich keinen rechtlichen Bedenken.
28 
a) Die Antragsgegnerin hat die von der Antragstellerin angemeldete Veranstaltung zu Recht als eine Versammlung im Sinne des § 15 i.V.m. § 14 VersammlG und Art. 8 GG gewertet und deshalb die Versammlungsauflage zutreffend auf § 15 Abs. 1 VersammlG gestützt.
29 
Eine Versammlung wird dadurch charakterisiert, dass eine Personenmehrheit durch einen gemeinsamen Zweck inhaltlich verbunden ist. Das Grundrecht schützt die Freiheit der Versammlung als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit beruht auf ihrer Bedeutung für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in der freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes. Für die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 8 Abs. 1 GG reicht es wegen seines Bezugs auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrer kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. Vorausgesetzt ist vielmehr zusätzlich, dass die Zusammenkunft auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92; Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 -, NJW 2001, 2459; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 12.06.2010 - 1 S 349/10 -, VBlBW 2010, 468; Urt. v. 11.10.2012 - 1 S 36/12 -, KirchE 60, 183).
30 
Nach Maßgabe dessen handelt es sich bei dem Vorhaben der Antragstellerin um eine dem grundrechtlichen Schutz des Art. 8 GG unterfallende Versammlung. Die Antragstellerin will – zusammen mit weiteren, zahlenmäßig einer Versammlung genügenden Teilnehmern – mit ihrem Vorhaben im Rahmen der Versammlung für den Schutz des ungeborenen Kindes und gegen Schwangerschaftsabbrüche sowie gegen das in der Bundesrepublik Deutschland geltende Recht, unter bestimmten, gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen Schwangerschaftsabbrüche straffrei durchführen zu können, sowie gegen das Schwangerschaftsberatungskonzept nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz (vom 27.07.1992, BGBl. I S. 139 – SchKG) eintreten und diese Meinung durch die Versammlung nach außen dokumentieren.
31 
b) Die Antragsgegnerin hat ferner mit zutreffenden Erwägungen eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bejaht. Denn die Versammlung führt in ihrer beabsichtigten konkreten Gestaltung zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts insbesondere derjenigen Frauen, die sich in einer Schwangerschaftskonfliktsituation befinden und deshalb die Schwangerschaftsberatungsstelle von pro familia aufsuchen wollen.
32 
aa) Eine unmittelbar Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung liegt vor, wenn eine konkrete Sachlage vorliegt, die nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge den Eintritt eines Schadens mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lässt und daher bei ungehindertem Geschehensablauf zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007 - 1 BvR 2793/04 -, NVwZ 2008, 671 zu den verfassungsrechtliche Grenzen beschränkender Verfügungen [Auflagen] gem. § 15 Abs. 1 VersammlG; Dürig-Friedl, in: Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, § 15 Rn. 53).
33 
bb) Unmittelbar bedeutet nicht gegenwärtig im Sinne einer zeitlichen Nähe. Dies folgt bereits daraus, dass die Entscheidung der Versammlungsbehörde über Maßnahmen gegen die Versammlung so rechtzeitig vor dem geplanten Beginn erfolgen soll, dass Rechtsmittel gegen den Verwaltungsakt noch möglich sind. Notwendig ist daher eine Prognose über ein zukünftiges Geschehen, das möglicherweise erst in einigen Wochen stattfindet. Dies wird in § 15 Abs. 1 VersammlG durch die Formulierung klargestellt, dass die Gefahr bei Durchführung bestehen und erst dann gegenwärtig sein muss, während für die Entscheidung auf deren Zeitpunkt und auf die zu diesem Zeitpunkt erkennbaren Umstände abzustellen ist.
34 
Die Unmittelbarkeit der Gefahr ist deshalb bereits dann gegeben, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Schaden eintritt (BVerfG, Beschl. v. 21.04.1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, 834). Die bloße Möglichkeit oder Vermutung eines solchen Schadenseintritts ohne ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte genügt nicht, auch wenn dieser erfahrungsgemäß naheliegend ist (BVerfG, Beschl. v. 04.09.2009 - 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, 141). Zwischen dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab und der Größe des Schadens besteht eine Wechselwirkung. Je größer und folgenschwerer der drohende Schaden ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit seines Eintritts.
35 
cc) Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 15 Abs. 1 VersammlG umfasst die Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen; dazu gehört neben Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Vermögen (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233, 241/81 -, BVerfGE 69, 315) auch das durch Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 22.02.1995 - 1 S 3184/94 -, VBlBW 1995, 282; Urt. v. 08.05.2008 - 1 S 2914/07 -, VBlBW 2008, 375; Urt. v. 11.10.2012 - 1 S 36/12 -, KirchE 60, 183).
36 
Dieses in Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht dient dem Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre und der Erhaltung ihrer Grundbedingungen, die sich durch die traditionellen konkreten Freiheitsgarantien nicht abschließend erfassen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.11.1998 - 1 BvR 1531/96 -, BVerfGE 99, 185; Beschl. v. 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98 -, BVerfGE 114, 339; Urt. v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 -, BVerfGE 120, 274). Im Sinne eines Schutzes vor Indiskretion hat hiernach jedermann grundsätzlich das Recht ungestört zu bleiben. Dem Einzelnen wird ein Innenbereich freier Persönlichkeitsentfaltung garantiert, in dem er „sich selbst besitzt“ und in den er sich frei von jeder staatlichen Kontrolle und sonstiger Beeinträchtigung zurückziehen kann (BVerfG, Beschl. v. 16.07.1969 - 1 BvL 19/63 -, BVerfGE 27, 1 m.w.N.; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 149). Diese Privatsphäre umfasst zum einen Rückzugsräume im Wortsinne, aber auch Themen der engeren Lebensführung, „deren öffentliche Erörterung als peinlich oder zumindest unschicklich empfunden wird“ (Di Fabio, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 11.10.2012 - 1 S 36/12 -, ESVGH 63,189). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein wesentliches Rechtsgut von Verfassungsrang (BVerfG, Beschl. v. 28.01.2019 - 1 BvR 1738/16 -, juris).
37 
(1) Die Schwangerschaft ist der durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Privatsphäre der schwangeren Frau zuzuordnen.
38 
Insbesondere in der Frühphase der Schwangerschaft, in der diese noch nicht äußerlich erkennbar ist, entscheidet die Frau darüber, die Schwangerschaft publik zu machen oder geheim zu halten. Der Schutz der Privatsphäre ist umso intensiver, je näher der Sachbereich der Intimsphäre steht. Gerade das erste Drittel der Schwangerschaft, in dem sich die überwiegende Mehrzahl der Frauen befinden dürfte, die eine Schwangerschaftsberatungsstelle aufsuchen, weist eine große Nähe zur Intimsphäre auf, so dass für die Prognose der Gefährdungslage im Sinne des § 15 Abs. 1 VersammlG auch dann ein sehr hohes Schutzniveau für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zugrunde zu legen ist, wenn man die Schwangerschaft nicht sogar pauschal der Intimsphäre der Frau zuordnet (so noch BVerfG, Urt. v. 25.02.1975 - 1 BvF 1/74 u.a. [Schwangerschaftsabbruch I] -, BVerfGE 39, 1). In der Frühphase der Schwangerschaft befinden sich die meisten Frauen in einer besonderen seelischen Lage, in der es in Einzelfällen zu schweren Konfliktsituationen kommt. Diesen Schwangerschaftskonflikt erlebt die Frau als höchstpersönlichen Konflikt. Die Umstände erheblichen Gewichts, die einer Frau das Austragen eines Kindes bis zur Unzumutbarkeit erschweren können, bestimmen sich nicht nur nach objektiven Komponenten, sondern auch nach ihren physischen und psychischen Befindlichkeiten und Eigenschaften (BVerfG, Urt. v. 28.05.1993 - 2 BvF 2/90 u.a. [Schwangerschaftsabbruch II] -, BVerfGE 88, 203). Die emotionalen Konflikte und persönlichen Lebensumstände, die Frauen in dieser Phase über einen Schwangerschaftsabbruch nachdenken lassen, berühren regelmäßig ebenfalls die Privatsphäre der Frau, unter anderem ihre Beziehung zum Vater des Kindes, ihre weitere Lebensplanung und die Beziehung zu dem in ihr wachsenden Kind (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 11.10.2012 - 1 S 36/12 -, KirchE 60, 189).
39 
Nach den Angaben der Antragstellerin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes soll die Versammlung auf dem Gehsteig stattfinden, der – getrennt durch die ... ... – dem Gebäude der nach § 219 Abs. 2 StGB und §§ 5, 6 und 9 SchKG anerkannten Schwangerschaftsberatungsstelle pro familia gegenüberliegt. Der Gebäudeeingang von pro familia befindet sich gleichfalls an der ... .... Zwar spricht die Antragstellerin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes von Vigilen. Vigilen sind nach dem Verständnis der katholischen Liturgie Gebetswachen in den Abendstunden nach Einbruch der Dämmerung vor besonderen Festtagen zur Vorbereitung auf die Eucharistiefeier. Sollte die Antragstellerin daher Nachtwachen durchführen wollen, stünde dem die angefochtene Verfügung der Antragsgegnerin nicht entgegen. In der Anmeldung der Versammlung werden jedoch Mahnwachen von 9:00 Uhr bis 13:00 Uhr angekündigt. Von letzterem ausgehend hat die Antragsgegnerin voraussichtlich zu Recht zum Schutz der allgemeinen Persönlichkeitsrechte der die Beratungsstelle von pro familia aufsuchenden schwangeren Frauen die zeitliche und örtliche Beschränkung der konkret angemeldeten Versammlung ausgesprochen.
40 
Aufgrund der vorgehend beschriebenen Konfliktsituation hat die schwangere Frau, die eine anerkannte Schwangerschaftsberatungsstelle aufsucht, ein aus ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht fließendes Recht darauf, diese ohne „Spießrutenlauf“ (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 08.06.2010 - 1 BvR 1745/06 -, NJW 2011, 47) durch eine über mehrere Wochen dauernde, blockadeartige Versammlung von Abtreibungsgegnern, die in unmittelbare Nähe zum Eingang der Beratungsstelle stattfinden soll, zu erreichen. Zwar beinhaltet die Versammlungsfreiheit auch ein Selbstbestimmungsrecht über den Ort der Veranstaltung, insbesondere diesen mit dem Ziel auszuwählen, das der Versammlung zugrundeliegende Anliegen auch mit Blick auf einen bestimmten Ort so öffentlichkeitswirksam wie möglich kundzutun. Im vorliegenden Fall ist der Versammlungsort aber gerade darauf ausgerichtet, einen bestimmten Adressaten – nämlich die schwangere Frau in ihrer Konfliktsituation und im Zustand hoher Verletzlichkeit – einer Anprangerung und Stigmatisierung auszusetzen – und dies über mehrere Wochen hinweg. Zwar wird in der Anmeldung eine Teilnehmerzahl von 20 angegeben. Da es sich aber um eine öffentliche Versammlung handelt, kann sich diese indessen jederzeit erhöhen, was insbesondere mit Blick auf die Versammlungsdauer von 40 Tagen nicht fernliegend ist. Angesichts der geplanten Dauer der Versammlung kommt ferner hinzu, dass die betroffenen schwangeren Frauen auch nicht einfach abwarten können, bis die Versammlung vorbei ist. Denn Frauen können nur innerhalb der ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft drei Tage nach einer Schwangerschaftskonfliktberatung straffrei die Abtreibung vornehmen lassen. Ferner findet sich neben pro familia in P... nach den Erkenntnissen im Ver-fahren des einstweiligen Rechtsschutzes lediglich eine weitere staatlich anerkannte Schwangerschaftsberatungsstelle. Damit besteht für schwangere Frauen, die für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch aufgrund ihrer persönlichen Situation eine Schwangerschaftskonfliktberatung innerhalb eines entsprechenden Zeitraums in Anspruch nehmen müssen, mit Blick auf die Versammlungsdauer nur eine sehr begrenzte Ausweichmöglichkeit. Es kann weiterhin auch nicht angenommen werden, dass die zweite Beratungsstelle in der Versammlungszeit unbegrenzt Bera-tungstermine anbieten kann. Zudem ist ferner zu bedenken, dass sich ein Teil der ratsuchenden Frauen aus persönlichen Gründen bevorzugt an eine Beratungsstelle ohne konfessionellen Hintergrund – wie pro familia – wenden will.
41 
Das Gericht zweifelt auch nicht an dem Vorbringen der Antragsgegnerin, dass schwangere Frauen, die die Beratungsstelle von pro familia während der Versammlungen im Jahre 2018 aufsuchten, sich der Stigmatisierung und Anprangerung durch die Versammlungsteilnehmer ausgesetzt fühlten und dies gegenüber den Beratern geäußert haben. Dass hierüber keine schriftlichen Aussagen der Frauen vorliegen, ist der Wahrung der Anonymität der betroffenen Frauen geschuldet. Das Gericht sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben der Antragsgegnerin, die auf Mitteilungen von pro familia zurückgehen, nicht der Wahrheit entsprechen. Vor diesem Hintergrund hat das Versammlungsrecht im hier vorliegenden konkreten Fall gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der schwangeren Frau als Schutzgut des Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG zurückzutreten und ist deshalb die zeitliche und örtliche Beschränkung der Versammlung mit Art. 8 Abs. 1 GG vereinbar.
42 
(2) Diese vorangehend beschriebenen Auswirkungen der beabsichtigten Versammlung und des darin zum Ausdruck kommenden Meinungsprogramms sind umso weniger hinzunehmen, als damit nicht nur das Persönlichkeitsrecht der besonders schutzwürdigen schwangeren Frau unmittelbar und in erheblicher Weise gezielt verletzt wird. Denn mit der über mehrere Wochen geplanten, blockadeartigen Versammlung von Abtreibungsgegnern in unmittelbare Nähe zum Eingang der Beratungsstelle würde – wie von der Versammlung und dem darin bekundeten Meinungsprogramm auch gewollt – ferner auch das Beratungskonzept des Schwangerschaftskonfliktgesetzes nachhaltig beeinträchtigt.
43 
Kernstück dieses Gesetzes, welches der Erfüllung der dem Staat obliegenden Schutzpflicht für das ungeborene Leben dient (vgl. zum Schutz des Lebens als Schutzgut der öffentlichen Sicherheit Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 1 Rn. 50 m.w.N.), ist das darin ausgestaltete Beratungskonzept nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz (siehe im Einzelnen §§ 5 ff. SchKG), mit dem sich die von der Antragstellerin in unmittelbarem zeitlichem und räumlichem Zusammenhang auf 40 Tage angesetzte Versammlung vor der Schwangerschaftsberatungsstelle pro familia nicht verträgt.
44 
Die gesetzliche Normierung der Schwangerschaftskonfliktberatung entstand im Zusammenhang mit der Reform der Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs und dem dabei eingeführten Beratungskonzept gemäß §§ 218a, 219 StGB. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu ausgeführt, das gesetzgeberische Konzept für den Schutz des ungeborenen Lebens, das in der Frühphase der Schwangerschaft in einem Schwangerschaftskonflikt den Schwerpunkt auf die Beratung der schwangeren Frau legt, um sie für das Austragen des Kindes zu gewinnen, sei verfassungsgemäß (Urt. v. 28.05.1993 - 2 BvF 2/90 u.a. -, BVerfGE 88, 203). Das Beratungsverfahren erhalte mit der Verlagerung des Schwerpunkts der Schutzgewährung auf präventiven Schutz durch Beratung eine zentrale Bedeutung für den Lebensschutz (BVerfG, Urt. v. 28.05.1993 - 2 BvF 2/90 u.a. -, a.a.O. S. 281). Dem Inhalt der Beratung komme dabei besondere Bedeutung zu, vor allem müsse sich die Beratung von dem Bemühen leiten lassen, die Frau zur Fortsetzung ihrer Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen. Dieser notwendige Inhalt der Beratung bestimme auch die Regelung ihrer Durchführung. Die Beratungsstellen treffe angesichts der Komplexität der erforderlichen Beratung eine besondere Verantwortlichkeit bei der Umsetzung des Beratungskonzepts im Sinn des § 219 StGB und der §§ 5 ff. SchKG. Der Staat müsse aufgrund seiner Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Beratungskonzepts neben der Anerkennung der Beratungsstellen auch - auf gesetzlicher Grundlage - die Möglichkeiten zur wirksamen Überwachung der Beratungsstellen regeln (BVerfG, Urt. v. 28.05.1993 - 2 BvF 2/90 u.a. -, a.a.O. S. 288; vgl. zu dem Beratungskonzept insbesondere VG Freiburg, Beschl. v. 04.03.2011 - 4 K 314/11 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 10.06.2011 - 1 S 915/11 -, VBlBW 2011, 468). Eine Schwangerschaftskonfliktberatung umfasst grundsätzlich eine Konfliktklärung hinsichtlich der emotionalen, seelischen, partnerschaftlichen und lebensplanerischen Aspekte von Elternschaft bzw. eines Schwangerschaftsabbruchs, Informationen über staatliche und andere Sozialleistungen, medizinische Aufklärung hinsichtlich eines operativen oder medikamentösen Eingriffs und über Kosten und Finanzierung eines Schwangerschaftsabbruchs sowie eine Erläuterung der Rechtsgrundlagen.
45 
Pro familia P... ist eine anerkannte Beratungsstelle nach § 219 Abs. 2 StGB und §§ 5, 6 und 9 SchKG, die eine Schwangerschaftskonfliktberatung nach § 218a Abs. 1 StGB durchführen und eine Beratungsbescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 StGB als weitere Voraussetzung für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch (§ 218a Abs. 1 Nr. 1 StGB) ausstellen kann (siehe hierzu Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Schwangerschaftsberatung § 218 – Informationen über das Schwangerschaftskonfliktgesetz und gesetzliche Regelungen im Kontext des § 218 Strafgesetzbuch, 9. Aufl., August 2014).
46 
Auch mit Blick auf dieses dem Schutz des ungeborenen Lebens dienenden normativen Beratungskonzept ist die angefochtene Beschränkung des Versammlungsorts und die noch ortsnahe Verlagerung weg von der unmittelbaren Nähe der nach § 9 SchKG anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle gerechtfertigt.
47 
c) Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der die Schwangerschaftsberatungsstelle aufsuchenden Frauen ist auch nicht durch andere – als Art. 8 GG – betroffene Grundrechte der Antragstellerin gerechtfertigt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht findet seine Schranken in den kollidierenden Grundrechten Dritter, hier der Meinungs- und Religionsfreiheit der Antragstellerin. Umgekehrt sind auch die Grundrechte der Antragstellerin in gleicher Weise beschränkt. Es ist daher – wie bereits eingangs dargestellt  – eine Abwägung vorzunehmen, die im Wege praktischer Konkordanz allen Grundrechten zu jeweils bestmöglicher Wirkung und Geltung verhilft (vgl. nur BVerfG, Urt. v. 15.01.1958 - 1 BvR 400/51 -, BVerfGE 7, 198 – stRspr.).
48 
aa) Die Antragsgegnerin ist zutreffend davon ausgegangen, dass es die durch Art. 5 Abs. 1 GG / Art. 10 EMRK geschützte Meinungsfreiheit der Antragstellerin nicht gebietet, ihre angemeldete Versammlung ohne die angefochtene Beschränkung durchzuführen.
49 
Die Antragsgegnerin hat zu Recht angenommen, dass der personelle Schutzbereich der durch Art. 5 Abs. 1 GG / Art. 10 EMRK geschützten Meinungsfreiheit zugunsten der Antragstellerin und der von ihr angemeldeten Versammlung und die von der Verfügung erfassten Äußerungen und Verhaltensweisen auch in sachlicher Hinsicht den Schutz der Meinungsfreiheit beanspruchen können. Denn Art. 5 Abs. 1 GG umfasst in seiner Ausprägung als Meinungsäußerungs- und -verbreitungsfreiheit jede Art und Weise der Äußerung, das (fragende und behauptende) Ansprechen ebenso wie die Äußerung in Bild und Schrift sowie Tätigkeiten, die als Mittel des geistigen Meinungskampfes die Wirkung der Äußerung verstärken sollen, und damit sämtliche der hier im Streit stehenden Verhaltensweisen.
50 
Auch das Gericht misst der Meinungsfreiheit der Antragstellerin ein bedeutendes Gewicht bei. Das Recht, eine Meinung äußern zu dürfen, ist Teil des in der Menschenwürde wurzelnden elementaren Rechts auf Denkfreiheit und damit in einem gewissen Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.01.1958 - 1 BvR 400/51 -, BVerfGE 7, 198). Ungeachtet ihrer Ausprägung als privat-individuelles Entfaltungsrecht ist die Meinungsfreiheit auch für den Prozess politischer Öffentlichkeit im demokratischen Verfassungsstaat von schlechthin grundlegender Bedeutung. Denn das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der das Lebenselement des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaats ist (so schon BVerfG, Urt. v. 17.08.1956 - 1 BvB 2/51 -, BVerfGE 5, 85). Als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft ist es eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt (BVerfG, Urt. v. 15.01.1958, a.a.O.). Im Blick auf ihre konstituierende Funktion ist besonders die Mindermeinung, die für falsch gehaltene Auffassung, das Anders-Denken von Bedeutung. Nur die freie öffentliche Diskussion über Gegenstände von allgemeiner Bedeutung, zu denen die Debatte um den Schutz des ungeborenen Lebens zweifelsohne zu rechnen ist, sichert die freie Bildung der öffentlichen Meinung, die sich im freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat notwendig pluralistisch im Widerstreit verschiedener und aus verschiedenen Motiven vertretener, aber jedenfalls in Freiheit vorgetragener Auffassungen vollzieht (anschaulich Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Rn. 10). Insoweit sind dem gesellschaftspolitischen „Mainstream“ widersprechende, im Wortsinne „anstößige“ Meinungsäußerungen von besonderem Wert.
51 
Die Meinungsfreiheit umfasst – das liegt gerade in ihrem soeben dargestellten Zweck begründet – auch das Recht, selbst zu bestimmen, wo und wann die Meinungskundgabe erfolgt, zumal an Orten, an denen ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist. Denn der öffentliche Straßenraum ist das natürliche und geschichtlich leitbildprägende Forum, auf dem Bürger ihre Anliegen besonders wirksam in die Öffentlichkeit tragen und hierüber die Kommunikation anstoßen können (so im Zusammenhang mit der Versammlungsfreiheit: BVerfG, Urt. v. 23.11.2010 - 1 BvR 699/06 [Fraport] -, BVerfGE 128, 226). Auch die Auswahl des Meinungsadressaten obliegt prinzipiell dem Meinenden. Er bestimmt, wen er mit seiner Meinungsäußerung konfrontieren will. Der von der Meinungskundgabe thematisch Betroffene muss die Meinung grundsätzlich ebenso „aushalten“ wie der Meinungslose und der Desinteressierte, wobei Kehrseite der Meinungsäußerungsfreiheit die selbstverständliche Freiheit des Einzelnen ist, von Meinungen anderer verschont zu bleiben und ihnen auszuweichen. Art. 5 Abs. 1 GG schützt auch bei Themen von besonderem öffentlichen Interesse keine Tätigkeiten, mit denen Anderen eine bestimmte Meinung aufgedrängt werden soll (BVerfG, Beschl. v. 08.06.2010 - 1 BvR 1745/06 -, NJW 2011, 47).
52 
Die Antragstellerin will mit ihrem Vorhaben im Rahmen der Versammlung für den Schutz des ungeborenen Kindes und gegen Schwangerschaftsabbrüche allgemein sowie gegen das in der Bundesrepublik Deutschland geltende Recht, unter bestimmten gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen Schwangerschaftsabbrüche straffrei durchführen zu können, und gegen das Schwangerschaftsberatungskonzept nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz eintreten und diese Meinung durch die Versammlung kollektiv äußern. Nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen sollen hierbei auch Plakate zur Anwendung kommen, über dessen Inhalt indessen keine Kenntnis besteht. Dessen ungeachtet ist festzustellen, dass das Vorhaben der Antragstellerin im Rahmen der Versammlung über eine (bloße) Meinungskundgabe hinausgeht. Denn durch die Wahl des Versammlungsortes soll nicht nur eine Meinung kundgetan werden, sondern es soll gerade ein bestimmter Adressat – nämlich Frauen, die eine Schwangerschaftsberatungsstelle aufsuchen – getroffen und auf diese durch den konkreten Standort, der hier bewusst als Mittel zum Zweck eingesetzt wird, eingewirkt werden. Gerade durch den ausgewählten Versammlungsort wird den wegen ihrer Verletzlichkeit infolge der Konfliktsituation in besonderer Weise betroffenen Frauen eine bestimmte Meinung aufgedrängt, der sie sich in dieser konkreten Situation nicht entziehen können, wenn sie die Beratungsstelle aufsuchen wollen. Die ... ..., in der die Versammlung stattfinden soll, müssen die schwangeren Frauen notwendigerweise passieren, um die Beratungsstelle von pro familia zu erreichen. Sie haben daher keine Möglichkeit, der gerade sie persönlich treffenden aktiven Meinungsäußerung insbesondere auch aufgrund der einer „Blockade“ gleichenden Versammlung vor der Beratungsstelle auszuweichen. In diesem Zusammenhang misst das Gericht dem Umstand ganz besondere Bedeutung zu, dass die Versammlung sich nicht nur auf einen oder nur wenige Tage beschränkt, sondern mit den angestrebten 40 Tagen einen außergewöhnlich langen Zeitraum betrifft, damit in gewisser Weise ein dauerhaftes Ausgesetztsein der betroffenen Frauen bewirkt und deshalb die angestrebte „Blockadewirkung“ eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt.
53 
bb) Die durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Antragstellerin gebietet es ebenfalls nicht, den in der Verfügung untersagten Verhaltensweisen Vorrang vor dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frauen einzuräumen.
54 
Der personelle Schutzbereich der durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit dürfte vorliegend gleichfalls zugunsten der Antragstellerin eröffnet sein, da es nicht um die Glaubensfreiheit als Denkfreiheit geht, sondern rede- und handlungsorientierte Ausprägungen der Glaubensfreiheit in Rede stehen (vgl. Kokott, in: Sachs, GG, 6. Aufl., Art. 4 Rn. 9 m.w.N.). Die Beschränkung hinsichtlich der Auswahl des Versammlungsortes berührt auch in sachlicher Hinsicht den Schutz der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit. Die Bekenntnisfreiheit ist die Freiheit, religiöse und weltanschauliche Überzeugungen kundzutun. Sie ist eine grundrechtlich verselbständigte, besonders privilegierte Form der Kommunikation; nach überwiegender Auffassung handelt es sich um einen Spezialfall der Meinungsfreiheit (vgl. Kokott, a.a.O. Rn. 32). Die Antragstellerin beruft sich zur Begründung der angemeldeten Versammlung und des darin zum Ausdruck kommenden Meinungsprogramms auch auf ihre religiöse Überzeugung, die einen uneingeschränkten Schutz des ungeborenen Kindes vorsieht und deshalb den Abbruch von Schwangerschaften nicht gestattet.
55 
Gerät Art. 4 GG in Kollision mit einer anderen Verfassungsnorm, so ist gleichfalls eine dem Prinzip der Konkordanz verpflichtete Abwägung erforderlich (vgl. u.a. BVerfG, Beschl. v. 19.10.1971 - 1 BvR 387/65 -, BVerfGE 32, 98; Beschl. v. 16.10.1979 - 1 BvR 697/70 u.a. -, BVerfGE 52, 223; BVerwG, Urt. v. 21.12.2000 - 3 C 20.00 -, BVerwGE 112, 314). Die danach vorzunehmende Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der von der 40tägigen Versammlung betroffenen Frauen führt zu einem Überwiegen der Grundrechte letzterer. Insoweit gilt das vorgehend unter aa) Ausgeführte entsprechend.
56 
d) Andere Gründe, die die zeitliche und örtliche Beschränkung der Versammlung als mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar erscheinen lassen, liegen nicht vor.
57 
3. Die Androhung des unmittelbaren Zwangs nach §§ 19 Abs. 1 Nr. 3, 20 Abs. 1 bis 3 und 26 LVwVG begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
58 
4. Das besondere Vollziehungsinteresse ergibt sich daraus, dass sich die Beschränkung im Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig erweisen wird und es bei dieser Sachlage nicht vertretbar erscheint, den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Vielzahl betroffener Frauen bis zum Eintritt der Bestands- oder Rechtskraft der Verfügung zurücktreten zu lassen.
59 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
60 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 45.4 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Da die Sache im Ergebnis vorweggenommen wird, sieht das Gericht für eine Halbierung des Streitwerts nach Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs keinen Anlass.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen