Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 196.976,19 EUR nebst Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2016 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
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| Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Rückerstattung von Erstattungszahlungen für Aufwendungen der Kinder- und Jugendhilfe zugunsten der Geschwister L. und M. |
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| Sie gewährte für das am 23.10.1998 geborene Kind M. ab dem 15.05.2006 Hilfe zur Erziehung in Form der Tagespflege gemäß § 32 SGB VIII und ab dem 17.08.2006 Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung gemäß § 34 SGB VIII. Für das am 02.08.1996 geborene Kind L. gewährte sie seit dem 20.11.2006 Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung gemäß § 34 SGB VIII im Kinder- und Jugenddorf .... Zu Beginn der jeweiligen Hilfegewährung waren beide Elternteile der Geschwister sorgeberechtigt. Die Kindsmutter hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich der Klägerin, der Kindsvater in Mönchengladbach. Die Kinder hatten vor Beginn der jeweiligen Leistung ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei der Kindsmutter. |
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| Mit Beschluss vom 22.12.2006 entzog das Amtsgericht ... den Eltern das Sorgerecht für beide Kinder zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig und mit Beschluss vom 08.02.2007 endgültig und übertrug das Sorgerecht dem Jugendamt der Klägerin. |
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| Ab dem 16.05.2007 erhielt M. Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII bei einer Pflegefamilie im Landkreis .... |
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| Am 10.06.2007 verzog die Kindsmutter in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Mit Beschluss vom 25.06.2007 bestellte das Amtsgericht ... das Jugendamt des Landkreises ... zum neuen Vormund für M. |
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| Mit Schreiben vom 27.06.2007 bat die Klägerin den Beklagten um Übernahme des Jugendhilfefalls L. in seine Zuständigkeit. Zur Begründung führte sie aus, die Zuständigkeit richte sich gemäß § 86 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 SGB VIII nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Kindsmutter, die am 10.06.2007 in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten gezogen sei. Mit Schreiben vom 30.07.2007 bat die Klägerin den Beklagten auch um Übernahme des Jugendhilfefalls M. in seine Zuständigkeit und machte Erstattungsansprüche für die seit dem 10.06.2007 entstandenen Kosten geltend. |
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| Mit Schreiben vom 23.10.2010 und 08.11.2007 erkannte der Beklagte seine örtliche Zuständigkeit gemäß § 86 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 SGB VIII im Jugendhilfefall L. an und übernahm diesen ab dem 01.12.2007 in die eigene Sachbearbeitung. Ferner sicherte er der Klägerin in diesem Fall die Kostenerstattung gemäß § 89c SGB VIII für die Zeit vom 10.06.2007 bis zum 30.11.2007 zu. Mit weiterem Schreiben vom 09.11.2007 erkannte der Beklagte gegenüber der Klägerin auch die örtliche Zuständigkeit gemäß § 86 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 SGB VIII für das Kind M. an, erklärte die Übernahme des Jugendhilfefalls in die eigene Sachbearbeitung zum 01.12.2007 und sicherte der Klägerin die Kostenerstattung gemäß 89c SGB VIII für den Zeitraum vom 10.06.2007 bis zum 30.11.2007 zu. |
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| Am 01.08.2009 übernahm der Landkreis ... den Jugendhilfefall M. gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII in die eigene Zuständigkeit. |
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| Mit Schreiben vom 18.08.2011, das der Klägerin am 22.08.2011 zuging, teilte der Beklagte der Klägerin mit, nach den Maßgaben des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2010 (- 5 C 17.09 -, juris) sei sie trotz des Umzugs der Kindsmutter in seinen Zuständigkeitsbereich zum 10.06.2007 gemäß § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII für die Jugendhilfefälle M. und L. örtlich zuständig geblieben. Es werde deshalb beantragt, dass sie die Jugendhilfefälle zum nächstmöglichen Zeitpunkt wieder in ihre Zuständigkeit übernehme. Die Kostenanerkenntnisse für den Zeitraum vom 10.06.2007 bis zum 30.11.2007 würden widerrufen. Im Fall M. werde die Klägerin aufgefordert, die zu Unrecht geleisteten Jugendhilfekosten gemäß § 112 SGB X für den Zeitraum vom 10.06.2007 bis zum 30.11.2007 in Höhe von 9.253,05 EUR zu erstatten. Darüber hinaus sei im Fall der M. der im Zeitraum vom 01.12.2007 bis zum 31.07.2009 geleistete Jugendhilfeaufwand in Höhe von 32.198,36 EUR zu erstatten. Bezüglich L. würden die zu Unrecht erstatteten Jugendhilfeaufwendungen für den Zeitraum vom 10.06.2007 bis zum 30.11.2007 in Höhe von 20.099,80 Euro zurückgefordert. Ferner werde der in der Zeit vom 01.12.2007 bis zum 31.08.2011 geleistete Jugendhilfeaufwand in Höhe von 166.119,48 EUR geltend gemacht. |
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| Mit Schreiben vom 06.02.2012 erkannte die Klägerin ihre Kostenerstattungspflicht im Hilfefall L. ab dem 10.06.2007 und im Fall M. für die Zeit vom 10.06.2007 bis zum 30.11.2007 an und sicherte dem Beklagten die Rückübernahme des Hilfefalls L. in die eigene Sachbearbeitung zu. Unter dem 17.02.2012 überwies sie dem Beklagten die für M. geforderten 9.253,90 EUR für den Zeitraum vom 10.06.2007 bis zum 30.11.2007. |
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| Mit Schreiben vom 20.03.2012 erweiterte der Beklagte seinen Rückforderungsanspruch bezüglich L. auf den Zeitraum vom 01.09.2011 bis zum 31.12.2011 und bezifferte die Forderung für den gesamten Zeitraum vom 10.06.2007 bis 31.12.2011 auf insgesamt 201.775,73 EUR. |
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| Zum 23.03.2012 überwies die Klägerin dem Beklagten für L. die geforderte Summe von insgesamt 201.775,73 EUR und erklärte mit Schreiben vom 24.04.2012 die Übernahme dieses Falles in die eigene Sachbearbeitung zum 01.06.2012. |
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| Mit Schreiben vom 10.08.2012 erkannte die Klägerin ihre Kostenerstattungspflicht auch bezüglich M. für den Zeitraum vom 01.12.2007 bis zum 31.07.2009 in Höhe von insgesamt 32.198,36 EUR an, wies allerdings darauf hin, dass sie sich wegen einer ungeklärten Rechtslage in beiden Jugendhilfefällen eine Rückforderung vorbehalte. Zum 01.09.2012 überwies sie den geforderten Betrag in Höhe von 32.198,36 EUR an den Beklagten. |
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| Im Hinblick auf die Änderung des § 86 Abs. 5 SGB VIII zum 01.01.2014 (durch das Kinder- und Jugendhilfeverwaltungsvereinfachungsgesetz - KJVVG - vom 29.08.2013, BGBl. I S. 3464) bat die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 14.02.2014 um Übernahme des Jugendhilfefalls L. in seine Zuständigkeit sowie um Anerkennung seiner Kostenerstattungspflicht gemäß § 89c SGB VIII ab dem 01.01.2014. Darüber hinaus erklärte sie, sie werde ihre Kostenerstattungspflicht im Fall von M. gemäß § 89a SGB VIII gegenüber dem Landkreis ... zurücknehmen. Der Beklagte erkannte daraufhin mit Schreiben vom 24.02.2014 und 17.04.2014 seine örtliche Zuständigkeit in beiden Fällen an und erklärte die Übernahme des Falles L. in seine Sachbearbeitung zum 01.05.2014 sowie im Fall von M. die Bereitschaft zur Kostenerstattung ab dem 01.01.2014. |
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| Mit Schreiben vom 11.05.2016 forderte die Klägerin den Beklagten zur Rückerstattung eines Betrags in Höhe von insgesamt 196.976,19 EUR gemäß § 112 SGB X auf. Die Rückerstattungsforderung bezog sich im Jugendhilfefall L. auf den Zeitraum vom 01.12.2007 bis zum 21.08.2011 und belief sich auf 164.777,83 EUR. Im Fall M. bezog sich die geltend gemachte Rückerstattungsforderung auf den Zeitraum vom 01.12.2007 bis zum 31.07.2009 und belief sich auf 32.198,36 EUR. Zur Begründung führte die Klägerin im Wesentlichen aus, die von ihr am 23.03.2012 und 01.09.2012 gezahlten Erstattungen seien zu Unrecht erfolgt, da die Voraussetzungen des § 105 Abs. 3 SGB X nicht vorgelegen hätten. Denn ihr sei erst mit Zugang des Schreibens des Beklagten vom 18.08.2011 am 22.08.2011 bekannt geworden, dass die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung in den streitgegenständlichen Hilfefällen vorgelegen hätten. Da sie als abgebender Jugendhilfeträger nach der Abgabe der Fälle zum 01.12.2007 keine Informationen über diese mehr erhalten habe, sei mit der Fallabgabe auch ihre Kenntnis entfallen. |
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| Der Beklagte lehnte die Rückerstattung am 07.12.2016 telefonisch ab. |
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| Die Klägerin hat daraufhin am 14.12.2016 Klage erhoben. Sie macht zusammengefasst geltend, sie habe einen Rückerstattungsanspruch gegen den Beklagten aus § 112 SGB X. Denn die am 23.03.2012 und 01.09.2012 erfolgten Erstattungszahlungen seien zu Unrecht erfolgt, da der Beklagte gegen sie keinen Kostenerstattungsanspruch gemäß § 105 SGB X gehabt habe. Zwar sei sie in den betreffenden Zeiträumen für die Jugendhilfeleistungen örtlich zuständig gewesen und der Beklagte habe die Leistungen als unzuständiger Träger erbracht. Ihr sei jedoch gemäß § 105 Abs. 3 SGB X erst ab dem 22.08.2011 aufgrund des an diesem Tag zugegangenen Schreibens des Beklagten vom 18.08.2011 bekannt gewesen, dass dieser die streitgegenständlichen Jugendhilfeleistungen in den betreffenden Zeiträumen als unzuständiger Träger erbracht habe. Dem Beklagten stehe deshalb erst ab dem 22.08.2011 ein Erstattungsanspruch zu. § 105 Abs. 3 SGB X verlange eine positive Kenntnis des erstattungspflichtigen Trägers, Kennenmüssen oder eine grob fahrlässige Unkenntnis reichten insoweit nicht aus. Der jeweilige Träger der Jugendhilfe solle davor geschützt werden, wegen Aufwendungen in Anspruch genommen zu werden, bei denen ihm nicht bekannt gewesen sei, dass die Voraussetzungen für seine Leistungspflicht vorgelegen hätten. Erforderlich sei das Wissen des in Anspruch genommenen Jugendhilfeträgers, dass sowohl eine Hilfebedürftigkeit als auch die tatsächlichen Voraussetzungen für die eigene Leistungspflicht vorlägen, während die rechtsirrige Meinung, ein anderes Jugendamt sei zuständig, insoweit unerheblich sei. Demnach komme es auf eine abstrakte Kenntnis des Hilfefalls nicht an. Vielmehr müsse dem erstattungspflichtigen Träger der Jugendhilfe konkret mitgeteilt oder bewusst werden, dass die Voraussetzungen für die eigene Leistungspflicht im Einzelfall gegeben seien. Im vorliegenden Fall sei von einer solchen positiven Kenntnis in den streitgegenständlichen Zeiträumen nicht auszugehen. Zwar sei sie ursprünglich als örtlich zuständiger Träger mit den Jugendhilfefällen L. und M. befasst gewesen, so dass zu Beginn der Leistungen die erforderliche positive Kenntnis über das Vorliegen der Voraussetzungen der Leistungspflicht bestanden habe. Am 01.12.2007 habe sie die Fälle jedoch an den Beklagten abgegeben und die dazugehörigen Akten in der Annahme geschlossen, dass die Hilfefälle für sie erledigt seien. Dieser Fallabschluss werde auch durch die aktenmäßige Abschlussverfügung deutlich. Danach sei nicht nur eine EDV-Einstellung zum 01.12.2007 erfolgt, sondern es seien auch Einstellungsmitteilungen an Dritte versandt worden, in denen darauf hingewiesen worden sei, dass nunmehr der Beklagte für die Hilfefälle örtlich zuständig sei. Ab dem Zeitpunkt der Fallübernahme durch den Beklagten habe ihr das (positive) Wissen über das Bestehen der Voraussetzungen für die eigene Leistungspflicht gefehlt. So habe auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 17.10.2000 (- 22 A 387/97 -) entschieden, dass der Verlust der Kenntnis einer sozialhilferechtlich notwendigen Maßnahme dann eintrete, wenn der Sozialhilfeträger davon ausgehe, dass nunmehr - aus welchem Grund auch immer - ein anderer Leistungsträger eingetreten sei. Gerade im Bereich der Jugendhilfe, in dem bei Hilfen für Minderjährige keine Fixierung der Zuständigkeit an einen bestimmten Träger für die Dauer des Hilfebedarfs gegeben sei, sondern die Zuständigkeit ständigen Wechseln unterworfen sei, bedürfe es der konkreten Kenntnis der aktuellen Leistungsvoraussetzungen. Bei dem nach § 105 Abs. 3 SGB X maßgeblichen Hilfebedarf handele es sich um einen konkreten Bedarf. Es könne nicht darauf abgestellt werden, ob dem Träger der Jugendhilfe allgemein bekannt gewesen sei, dass ein in Umfang und Höhe ungewisser Bedarf bestanden habe, sondern er müsse Kenntnis von der konkret berechenbaren Hilfebedürftigkeit der Betroffenen haben (vgl. VG Aachen, Urteil vom 03.02.2004 - 2 K 71/02 -). Von einem Fortbestehen der Kenntnis sei hier nicht auszugehen, da der Beklagte sie nicht über den Fortgang der Hilfefälle informiert habe. Für sie habe wegen der Übernahme der Zuständigkeit durch den Beklagten auch keine Veranlassung bestanden, die Jugendhilfefälle weiter zu verfolgen. Gegen eine positive Kenntnis vom Fortbestand der Leistungspflicht spreche auch, dass unmittelbar nach der Fallabgabe verschiedene Umstände hätten eingetreten sein können, die zu einem Wegfall ihrer Leistungspflicht hätten führen können, etwa ein Wegfall der Hilfebedürftigkeit der Kinder, z.B. wegen Stabilisierung der familiären Verhältnisse und Rückkehr zu einem familiären Zusammenleben mit einem Elternteil, eines Versterbens der Kinder oder einer Rückübertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil mit der Folge eines Zuständigkeitswechsels. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass sie die Jugendhilfe für die beiden Kinder vor der Abgabe der Fälle an den Beklagten nur circa ein Jahr lang gewährt habe, so dass zum Zeitpunkt der Abgabe noch keine langjährigen Erfahrungen in diesen Jugendhilfefällen vorgelegen hätten und deren Entwicklung mithin noch völlig ungewiss gewesen sei. Im vorliegenden Fall sei die erforderliche Kenntnis auch nicht für einen gewissen Zeitraum nach der Abgabe der Fälle an den Beklagten zu fingieren. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 05.10.2015 - 12 A 1450/14 -) sei es für den Wegfall der Kenntnis nach Fallabgabe gerade nicht erforderlich, dass der den Hilfefall abgebende Jugendhilfeträger positive Kenntnis von Umständen erhalte, die die Leistungspflicht entfallen ließen. Ein derartiges Erfordernis würde § 105 Abs. 3 SGB X in Fällen, in denen sich zwei Jugendhilfeträger gegenüberstünden, nahezu leerlaufen lassen. |
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| den Beklagten zu verurteilen, die am 23.03.2012 für den Zeitraum vom 01.12.2007 bis zum 21.08.2011 für die Hilfen zur Erziehung bezüglich des Kindes L. geleistete Erstattungszahlung in Höhe von insgesamt 164.777,83 EUR und die am 01.09.2012 für den Zeitraum vom 01.12.2007 bis zum 31.07.2009 für die Hilfen zur Erziehung bezüglich des Kindes M. geleistete Erstattungszahlung in Höhe von insgesamt 32.198,36 EUR zurückzuerstatten und für diese Beträge Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2016 zu zahlen. |
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| Er trägt zusammengefasst vor, der Klägerin stehe der geltend gemachte Erstattungsanspruch aus § 112 SGB X nicht zu. Denn die ursprüngliche Erstattung durch die Klägerin sei nicht zu Unrecht erfolgt. Der Klägerin seien die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht in den streitgegenständlichen Zeiträumen im Sinne des § 105 Abs. 3 SGB X bekannt gewesen. Wie sie selbst eingeräumt habe, komme es auf eine irrige Rechtsmeinung insoweit nicht an. Vielmehr genüge es für eine Kenntnis des Sozialleistungsträgers, wenn dieser, wie hier die Klägerin, in der Vergangenheit selbst Leistungen an den Hilfeempfänger erbracht habe. Die Fallabgabe habe nicht zu einem Wegfall der Kenntnis der Klägerin von der eigenen Leistungspflicht geführt. § 105 SGB X wäre ansonsten bei irriger Fallabgabe regelmäßig unanwendbar, obwohl gerade in einem solchen Fall die frühere Befassung des Leistungsträgers mit dem Hilfefall für eine Kenntnis der tatsächlichen Umstände spreche. Die Klägerin habe keinen Grund zu der Annahme gehabt, dass die Hilfeleistung nach der Fallabgabe nicht mehr fortgeführt werden würde. Soweit sie ausführe, nach der Fallabgabe hätten verschiedene Umstände eingetreten sein können, welche die Leistungspflicht hätten entfallen lassen, führt dies nicht zum Wegfall der maßgeblichen Kenntnis von der Leistungspflicht. Denn diese könne nur durch die positive Kenntnis von dem Wegfall derselben beseitigt werden, nicht aber durch das Bestehen einer völlig unsicheren theoretischen Möglichkeit sich ändernder Fallkonstellationen. So wie die Anforderungen an eine Kenntnis der Leistungspflicht hoch seien, seien dies auch die Anforderungen an den Wegfall der Kenntnis. So habe das Verwaltungsgericht Augsburg in seinem Urteil vom 29.11.2011 - Au 3 K 10.1016 - eine Kenntnis nach Fallabgabe „ohne weiteres“ angenommen, da der betreffende Träger den Jugendhilfefall aus eigener Sachbearbeitung gekannt habe und nicht davon auszugehen gewesen sei, dass der Fall sich nach Übernahme durch einen anderen Träger erledigt habe. Auch in den vorliegenden Fällen habe die Klägerin keinen Grund zu der Annahme gehabt, dass die Hilfeleistung nach der Fallabgabe nicht mehr weitergeführt werden würde. Anhaltspunkte hierfür habe es nicht gegeben. Die von der Klägerin in Bezug genommene Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 05.10.2015 - 12 A 1450/14 -) sei nicht zu teilen, da diese zur Folge hätte, dass ein übernehmender Jugendhilfe- bzw. Sozialhilfeträger, um eine rechtswidrige Kostenlast zu vermeiden, den abgebenden Träger bzw. sogar den ursprünglich zuständigen Sachbearbeiter in regelmäßigen Abständen über den Fortgang des Hilfefalls unterrichten müsste. Ungeachtet der fehlenden Praktikabilität dieses Ergebnisses sei eine solche stetige Übermittlung von Daten an den abgebenden Jugendhilfeträger nicht mit dem Sozialdatenschutz nach §§ 67e ff. SGB X vereinbar. |
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| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der beigezogenen Behördenakten der Klägerin (10 Bände), des Beklagten (6 Bände) und des Landkreises ... (1 Band) verwiesen. |
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| Das Gericht konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO). |
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| Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rückerstattung der am 23.03.2012 für den Zeitraum vom 01.12.2007 bis zum 21.08.2011 bezüglich des Kindes L. geleisteten Erstattungszahlung in Höhe von insgesamt 164.777,83 EUR und der am 01.09.2012 für den Zeitraum vom 01.12.2007 bis zum 31.07.2009 bezüglich des Kindes M. geleisteten Erstattungszahlung in Höhe von insgesamt 32.198,36 EUR (dazu 1.). Der Klägerin steht auch der geltend gemachte Anspruch auf Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2016 zu (dazu 2.). |
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| 1. Rechtsgrundlage für den Rückerstattungsanspruch der Klägerin ist § 112 SGB X, der über § 37 SGB I auch auf Erstattungsansprüche nach dem SGB VIII Anwendung findet (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.05.2011 - 5 C 4.10 -, juris; OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 06.06.2008 - 12 A 576/07 -, juris; Becker in: Hauck/Noftz, SGB, 06/14, § 112 SGB X Rn. 7). Danach sind die im Rahmen einer Kostenerstattung gezahlten Beträge zurückzuerstatten, soweit die Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Eine Erstattung ist dann zu Unrecht erfolgt, wenn der in Rede stehende Erstattungsanspruch entweder von Anfang an gar nicht bzw. nicht in voller Höhe bestand oder zu einem späteren Zeitpunkt ganz oder teilweise weggefallen ist (LSG Bad.-Württ., Urteil vom 30.09.2014 - L 11 KR 2398/13 - juris Rn. 18; Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 112 Rn. 25; Becker in: Hauck/Noftz, SGB, 06/14, § 112 SGB X Rn. 20). |
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| Im vorliegenden Fall sind die von der Klägerin geleisteten Erstattungen bezüglich des Kindes L. für den Zeitraum vom 01.12.2007 bis zum 21.08.2011 und bezüglich des Kindes M. für den Zeitraum vom 01.12.2007 bis zum 31.07.2009 ohne Rechtsgrund und damit zu Unrecht erfolgt. Denn der Beklagte hatte gegen die Klägerin insoweit keinen Kostenerstattungsanspruch. |
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| Zwar war die Klägerin bezüglich der Kinder L. und M. in den streitgegenständlichen Zeiträumen örtlich zuständiger Jugendhilfeträger und damit dem Grundsatz nach gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X zur Erstattung der vom Beklagten in diesen Fällen aufgewandten Kosten der Jugendhilfe verpflichtet (dazu a). Einem Erstattungsanspruch des Beklagten stand aber nach § 105 Abs. 3 SGB X entgegen, dass der Klägerin in den betreffenden Zeiträumen nicht bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen (dazu b). |
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| a) Die Klägerin war in den streitgegenständlichen Zeiträumen in den Jugendhilfefällen L. und M. örtlich zuständiger Träger der Jugendhilfe und damit grundsätzlich gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X zur Kostenerstattung verpflichtet. § 105 SGB X kommt hier gemäß § 37 SGB I zur Anwendung, da die speziellen Kostenerstattungsvorschriften der §§ 89 ff. SGB VIII, insbesondere § 89c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, für die hier vorliegende Fallkonstellation einer von Anfang an bestehenden Zuständigkeit der Klägerin ohne Zuständigkeitswechsel keine Sonderregelungen enthalten (vgl. zur Anwendbarkeit des § 105 SGB X im Anwendungsbereich des SGB VIII BVerwG, Urteil vom 29.01.2004 - 5 C 9.03 -, juris; BayVGH, Urteil vom 16.11.2004 - 12 B 00.3364 -, juris). |
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| Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich gemäß § 105 Abs. 2 SGB X nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. |
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| Der Beklagte hat in den streitgegenständlichen Zeiträumen als unzuständiger Träger Jugendhilfeleistungen in Höhe von insgesamt 196.976,19 EUR erbracht (164.777,83 EUR für L. im Zeitraum vom 01.12.2007 bis zum 21.08.2011 und 32.198,36 EUR für M. im Zeitraum vom 01.12.2007 bis zum 31.07.2009). Zuständige Leistungsträgerin war - ungeachtet der im Fall von M. ab dem 01.08.2009 bestehenden, für die Kostentragungspflicht allerdings nicht relevanten Zuständigkeit des Landkreises ... gemäß § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII - die Klägerin. |
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| Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. |
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| § 86 Abs. 5 Satz 2 2. Alt. SGB VIII a.F. findet nach dem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2010 (- 5 C 17.09 -, juris) in allen Fallgestaltungen Anwendung, in denen keinem Elternteil das Sorgerecht zusteht und die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte besitzen (vgl. auch BVerwG, Urteile vom 12.05.2011, a.a.O. und vom 14.11.2013 - 5 C 34.12 -, jeweils juris). Es kommt also - entgegen der bisherigen Praxis - nicht darauf an, dass verschiedene Aufenthalte erst nach Beginn der Leistung begründet wurden. § 86 Abs. 3 SGB VIII a.F. erfasst nur die Fälle, in denen die Eltern vor bzw. bei Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben und schon in diesem Zeitpunkt keinem Elternteil die Personensorge zusteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.12.2010, a.a.O.). |
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| Nach diesen Maßgaben ist der Anwendungsbereich des § 86 Abs. 5 Satz 2 2. Alt. SGB VIII a.F. hier eröffnet. Den zunächst gemeinsam sorgeberechtigten Eltern der Kinder L. und M. wurde das Sorgerecht mit Beschluss des Amtsgerichts ... vom 08.02.2007 erst nach dem Beginn der Hilfeleistungen entzogen. Für den Beginn der Leistungen ist hier auf die erstmalige Erbringung von Jugendhilfeleistungen an M. am 15.05.2006 (Beginn der Hilfe zur Erziehung in Form der Tagespflege gemäß § 32 SGB VIII) und L. am 20.11.2006 (Beginn der Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung gemäß § 34 SGB VIII) abzustellen. Bei den seither gewährten Hilfen handelt es sich um einen fortgesetzten Leistungsprozess, der zur kontinuierlichen Deckung eines entsprechenden jugendhilferechtlichen Bedarfs diente und deshalb als einheitliche Leistung im Sinne des zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriffs aufzufassen ist. |
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| Damit bestand gemäß § 86 Abs. 5 Satz 2 2. Alt. SGB VIII trotz des Umzugs der Kindsmutter am 10.06.2007 in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten die bisherige Zuständigkeit fort. Vor der Entziehung des Sorgerechts war gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII die Klägerin für die Gewährung der Jugendhilfe örtlich zuständig. Denn zu Beginn der Leistungen hatten die zum damaligen Zeitpunkt gemeinsam sorgeberechtigten Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, der Vater in Mönchengladbach, die Mutter im Zuständigkeitsbereich der Klägerin. Die Kinder hatten vor Beginn der Leistungen ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei ihrer Mutter. |
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| b) Einem Erstattungsanspruch des Beklagten für die streitbefangenen Zeiträume stand indes § 105 Abs. 3 SGB X entgegen. Danach gelten die Absätze 1 und 2 des § 105 SGB X unter anderem gegenüber den Trägern der Jugendhilfe nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen. |
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| Sinn und Zweck der Regelung ist es, Erstattungsansprüche gegenüber Trägern der Jugendhilfe und anderen in der Vorschrift bezeichneten Sozialleistungsträgern zu begrenzen. Diese sollen nicht wegen Aufwendungen für Leistungen in Anspruch genommen werden, bezüglich derer ihnen nicht bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.06.2005 - 5 C 30.04 -, juris Rn. 11). Der Gesetzgeber billigt damit unter anderem den Trägern der Jugendhilfe einen besonderen Schutz vor Kostenerstattungen zu, auch wenn diese dem materiellen Recht entsprechen. Er hat mit § 105 Abs. 3 SGB X der aus dem Sozialhilferecht hergeleiteten Aufgabe, nur gegenwärtige, akute Notlagen zu beseitigen, auch im Kostenerstattungsrecht Rechnung getragen (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 9/95, S. 39; OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 05.10.2015 - 12 A 1450/14 -, juris; VG Koblenz, Urteil vom 23.02.2015 - 3 K 1243/13.KO -, juris). |
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| § 105 Abs. 3 SGB X erfordert die positive Kenntnis des auf Erstattung in Anspruch genommenen Jugendhilfeträgers. Kennenmüssen oder auch grob fahrlässige Unkenntnis reichen hierfür nicht aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.06.2005, a.a.O.). Erforderlich für die Kenntnis ist das Wissen des in Anspruch genommenen Jugendhilfeträgers, dass sowohl eine Hilfebedürftigkeit als auch die tatsächlichen Voraussetzungen für die eigene Leistungspflicht vorliegen (OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 05.10.2015, a.a.O.). Unerheblich ist indes die rechtsirrige Meinung, ein anderes Jugendamt sei zuständig (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 05.10.2015, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 02.06.2005, a.a.O. m.w.N.). Im vorliegenden Fall bedarf es keiner Entscheidung der Frage, ob es im Rahmen des § 105 Abs. 3 SGB X wie im Anwendungsbereich des § 48 Abs. 4 VwVfG auf die tatsächliche Kenntnisnahme des zuständigen Sachbearbeiters ankommt (so OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 05.10.2015, a.a.O.; VG Aachen, Urteil vom 11.05.2004 - 2 K 3204/99 -, juris Rn. 22 ff. unter Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 19.12.1984 - GrSen 1/84, GrSen 2/84-, juris zu § 48 VwVfG; Roos, in: von Wulffen, SGB X, 8. Auflage 2014, § 105 Rn. 13 i.V.m. § 103 Rn. 24) oder ob, wie es im Rahmen des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X teilweise vertreten wird (vgl. Padé in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Auflage 2017, § 45 Rn. 113; Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 45 Rn.85), die Kenntnis der zur Entscheidung berufenen Dienststelle ausreichend ist. |
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| War ein Jugendhilfeträger ursprünglich mit einem Hilfefall befasst und hat den Fall dann - unzutreffender Weise - an einen anderen Jugendhilfeträger abgegeben, ist von einer Kenntnis im Sinne des § 105 Abs. 3 SGB X dann auszugehen, wenn er vom übernehmenden Jugendhilfeträger oder durch sonstige Stellen weiterhin über den Fortgang des Hilfefalls informiert wird. Erhält der abgebende Jugendhilfeträger nach der Abgabe indes keine Informationen über den Hilfefall, tritt mit der Abgabe ein Wegfall der Kenntnis i.S.d. § 105 Abs. 3 SGB X ein. Da § 105 Abs. 3 SGB X dem abgebenden Jugendhilfeträger einen besonderen Schutz vor Kostenerstattungsforderungen zubilligt und ausdrücklich eine positive Kenntnis von der Leistungspflicht verlangt, also grob fahrlässige Unkenntnis gerade nicht ausreichen lässt, kann es nicht hinreichend sein, dass der abgebende Jugendhilfeträger schlicht nicht weiß, ob der Hilfebedarf bzw. die Voraussetzungen der Zuständigkeit fortbestehen, und dies allenfalls vermuten kann. Dies wäre auch angesichts der vielfältigen Gründe, aus denen der Hilfebedarf oder die Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers entfallen kann, nicht sachgerecht (vgl. zum Ganzen OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 05.10.2015, a.a.O.; VG Koblenz, Urteil vom 23.02.2015, a.a.O.). |
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| Das Gericht folgt deshalb nicht der Auffassung des Beklagten (im Anschluss an VG Augsburg, Urteil vom 29.11.2011 - Au 3 K 10.1016 -, juris), wonach von der nach § 105 Abs. 3 SGB X erforderlichen Kenntnis des abgebenden Jugendhilfeträgers solange auszugehen ist, bis dieser positive Kenntnis von Umständen erhält, die seine Leistungspflicht entfallen lassen. Eine derartige Anforderung widerspräche dem Umstand, dass § 105 Abs. 3 SGB X für die Erstattungspflicht eine positive Kenntnis des Bestehens der eigenen Leistungspflicht verlangt und nicht etwa von der Erstattungspflicht ausgeht, solange keine positive Kenntnis des Nichtbestehens der Leistungspflicht vorliegt (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 05.10.2015, a.a.O.). Das Erfordernis der Kenntnis von Umständen, die die Leistungspflicht entfallen lassen, würde § 105 Abs. 3 SGB X und dessen Zweckbestimmung, den abgebenden Jugendhilfeträger vor Kostenerstattungen zu schützen, in Fällen wie dem vorliegenden, in dem sich zwei Jugendhilfeträger gegenüber stehen, praktisch leer laufen lassen (OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 05.10.2015, a.a.O.). Denn es entspricht, wie der Beklagte dargelegt hat, nicht der Praxis und ist vom übernehmenden Jugendhilfeträger auch kaum zu leisten und unter Umständen sogar mit dem Sozialdatenschutz unvereinbar, dass dieser den abgebenden Jugendhilfeträger nach der Abgabe der Jugendhilfefälle über diese fortlaufend informiert. Der abgebende Jugendhilfeträger hätte damit kaum eine Möglichkeit, positive Kenntnis von Umständen zu erhalten, die seine Leistungspflicht entfallen lassen. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in seinem Urteil vom 05.10.2015 (a.a.O.) im Übrigen zutreffend darauf hingewiesen, dass die Umstände, die eine Leistungspflicht in Jugendhilfefällen entfallen lassen, üblicherweise der Wegfall der Hilfebedürftigkeit oder Änderungen in den zuständigkeitsbegründenden Umständen sind, wie die Begründung eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts durch die Eltern des Hilfeempfängers oder die Wiedererlangung des Sorgerechts durch einen Elternteil. In diesen Fällen ist eine Erstattungspflicht regelmäßig bereits ohne Heranziehung des § 105 Abs. 3 SGB X ausgeschlossen (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 05.10.2015, a.a.O.). |
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| Wie das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 05.10.2015 (a.a.O.) zu Recht ausgeführt hat, lässt sich auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere dem Urteil vom 15.06.2000 (- 5 C 35.99 -, juris), für die hier vorliegende Konstellation der Fallübernahme zwischen zwei Jugendhilfeträgern nichts Abweichendes entnehmen. Denn dem mit Urteil vom 15.06.2000 entschiedenen Fall des Bundesverwaltungsgerichts lag die Besonderheit zugrunde, dass der Sozialhilfeträger aufgrund der Geltendmachung von Kosten für Fahrten zur Dialysebehandlung Kenntnis von der fortdauernden Hilfebedürftigkeit des Patienten hatte. Eine derartige Kenntnis liegt aber in der hier zu entscheidenden Konstellation beim abgebenden Jugendhilfeträger, wie bereits dargelegt wurde, gerade nicht vor. |
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| Entgegen der Ansicht des Beklagten verbleibt bei der hier vertretenen Auslegung des § 105 Abs. 3 SGB X ein hinreichender Anwendungsbereich des § 105 Abs. 1 SGB X, etwa in Fällen, in denen der abgebende vom übernehmenden Jugendhilfeträger oder durch sonstige Stellen über die Voraussetzungen der Leistungspflicht informiert wird, oder der abgebende Leistungsträger für den übernehmenden in dem betreffenden Fall nach der Abgabe Amtshilfe leistet. |
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| Nach diesen Maßgaben hatte die zuständige Dienststelle bzw. der zuständige Sachbearbeiter der Klägerin zwar vor der Abgabe der Hilfefälle an den Beklagten zum 01.12.2007 positive Kenntnis vom Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Leistungspflicht der Klägerin, da die Dienststelle bzw. der zuständige Sachbearbeiter die Hilfen selbst bewilligt und die Verfahren bis zur Abgabe bearbeitet hatte. In den streitgegenständlichen Zeiträumen vom 01.12.2007 bis zum 31.07.2009 (im Fall von M.) bzw. vom 01.12.2007 bis zum 21.08.2011 (im Fall von L.) kann indes nicht mehr von einer Kenntnis i.S.d. § 105 Abs. 3 SGB X ausgegangen werden. Insoweit ist es nicht entscheidend, zu welchem Zeitpunkt die Klägerin Kenntnis von dem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2010 (a.a.O.) zu § 86 Abs. 5 Satz 2 2. Alt. SGB VIII a.F. erhalten hat. Denn, wie oben ausgeführt wurde, ist die rechtsirrige Meinung, ein anderes Jugendamt sei zuständig, unerheblich. |
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| Die Klägerin wurde in den Jugendhilfefällen M. und L. nach deren Abgabe an den Beklagten weder von diesem noch von anderen Stellen in einer Weise über den Fortgang der Verfahren informiert, dass von der Kenntnis der Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht im Sinne des § 105 Abs. 3 SGB X auszugehen wäre. Diese Kenntnis erhielt die Klägerin vielmehr frühestens mit dem Zugang des Schreibens des Beklagten vom 18.08.2011 am 22.08.2011. |
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| Die Klägerin hat für den Beklagten in den streitbefangenen Hilfefällen insbesondere keine Amtshilfe geleistet, die zu einer Kenntnis im Sinne des § 105 Abs. 3 SGB X geführt hätte. Im Fall von M. hat der Beklagte die Klägerin zwar mit Schreiben vom 01.07.2008 gebeten, im Wege der Amtshilfe das anstehende Hilfegespräch zu führen und diesbezüglich zu berichten. Die Klägerin hat dies allerdings mit Schreiben vom 21.07.2008 ausdrücklich abgelehnt. Bezüglich L. befindet sich in der Akte zwar eine Anfrage des Beklagten an die Klägerin wegen Amtshilfe (Schreiben vom 22.10.2007), auf die im Hilfeplan des Beklagten vom 16.02.2009 mit dem Vermerk Bezug genommen wird, dass durch die Sachbearbeiterin des Jugendamtes der Klägerin Frau ... die Zusage der Amtshilfe mündlich erteilt worden sei. Hierfür spricht auch der in den Akten der Klägerin befindliche Vermerk der Frau ... vom 05.11.2007, wonach mit dem Jugendamt des Beklagten telefonisch vereinbart worden sei, dass die Verschriftlichung der Hilfepläne vom Jugendamt des Beklagten aufgrund der Hilfeplanvorlage der Einrichtung und des Protokolls des Jugendamtes der Klägerin übernommen werde. Alle weiteren Kontakte und Entscheidungen würden durch das Jugendamt des Beklagten übernommen. Die zuständige Sachbearbeiterin des Beklagten werde halbjährlich vor den Hilfeplangesprächen Kontakt zur Einrichtung und zur Unterzeichnerin aufnehmen, um über den aktuellen Stand aufzuklären. Aus den Akten ergibt sich aber nicht, dass seitens der Klägerin in der Folge tatsächlich Amtshilfe geleistet wurde. Insbesondere fand das im (ersten) Hilfeplan des Beklagten vom 16.02.2009 in Bezug genommene Hilfeplangespräch am 08.05.2008 ohne Beteiligung des Jugendamtes der Klägerin statt. Aus einem Vermerk in den Akten der Klägerin vom 27.12.2007 ergibt sich, dass die ehemals in den Jugendhilfefällen M. und L. zuständige Sachbearbeiterin Frau ... seit dem 11.12.2007 nicht mehr für den Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes der Klägerin tätig war, was erklärt, warum die im Fall von M. mit Schreiben vom 21.07.2008 erklärte Ablehnung der Amtshilfe unter dem Hinweis erfolgte, dass aufgrund eines internen Zuständigkeitswechsels eine neue Einarbeitung in den Fall erforderlich wäre. |
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| Mit dem Fall von L. hatte die Klägerin nach der Abgabe des Hilfefalls und vor dem Zugang des Schreibens vom 18.08.2011 zuletzt Kontakt, als ihr ein Schreiben des Kinder- und Jugenddorfes ... vom 18.01.2008 zuging, mit dem das letzte Schulzeugnis von L. zur Information übersandt wurde. Hieraus kann allerdings nicht geschlossen werden, dass die Klägerin weiterhin Kenntnis der Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht im Sinne des § 105 Abs. 3 SGB X hatte oder diese erhielt, denn dem Schreiben des Kinder- und Jugenddorfes ... kann allenfalls entnommen werden, dass L. dort weiterhin untergebracht war, nicht aber, dass auch die Voraussetzungen für die Zuständigkeit der Klägerin im Hinblick auf das Sorgerecht und den gewöhnlichen Aufenthalt der Kindseltern vorlagen. |
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| Im Fall von M. war die Klägerin ausweislich ihrer Akten nach der Abgabe des Hilfefalls bis zum Zugang des Schreibens vom 18.08.2011 nur noch mit der kostenmäßigen Abwicklung des Falles für die Vergangenheit bis zum Zeitpunkt der Abgabe befasst (vgl. die Vermerke und Verfügungen vom 13.12.2007, 14.12.2007, 17.12.2007, 27.12.2007 und 28.01.2008 sowie die Schreiben vom 03.12.2007, 13.12.2007, 11.01.2008, 19.02.2008, 20.02.2008 und 22.02.2008). Informationen über die Hilfebedürftigkeit und die tatsächlichen Voraussetzungen der eigenen Leistungspflicht bezüglich der Zeit nach der Fallabgabe erhielt die Klägerin nicht. |
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| Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat im Urteil vom 05.10.2015 (a.a.O.) die - im Ergebnis offen gelassene - Frage aufgeworfen, ob ein Fortbestehen der Kenntnis für einen gewissen unmittelbar an die Fallabgabe anschließenden Zeitraum oder jedenfalls für den Zeitraum fingiert werden kann, der von einem etwaigen Bewilligungsbescheid des abgebenden Jugendhilfeträgers bzw. einer durch ihn verfassten Hilfeplanung bis zum nächsten regelmäßigen Hilfeplangespräch noch erfasst ist. |
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| Nach Auffassung der Kammer kommt eine solche Kenntnisfiktion nicht in Betracht. Denn hierfür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. § 105 Abs. 3 SGB X verlangt zum Schutz des abgebenden Jugendhilfeträgers vor unvorhergesehenen Kostenerstattungen explizit eine (positive) Kenntnis und schließt damit grob fahrlässige Unkenntnis ausdrücklich aus. Hätte der Gesetzgeber eine Kenntnisfiktion gewollt, hätte er sie ausdrücklich normieren können. Das vorliegende Verfahren zeigt zudem eindrücklich, dass eine Kenntnisfiktion nicht praktikabel ist und zu willkürlichen Ergebnissen führt. So gibt es weder auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung noch in den konkreten Jugendhilfefällen Anhaltspunkte dafür, wie lang der „gewisse(...) unmittelbar an die Fallabgabe anschließende(...) Zeitraum“ sein soll. Eine Bezugnahme auf den Bewilligungsbescheid hilft insoweit nicht weiter, da Jugendhilfeleistungen häufig und so auch in den Fällen von L. und M. unbefristet bewilligt werden. Auch kann aus der Sicht des die Leistung bewilligenden Jugendhilfeträgers allenfalls davon ausgegangen werden, dass bis zum Ende der Geltungsdauer des Bewilligungsbescheids der Hilfebedarf fortbesteht und die gewählte Hilfeart geeignet und notwendig ist, nicht aber, dass auch die Voraussetzungen seiner örtlichen Zuständigkeit fortbestehen, die regelmäßig an den gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern und deren Sorgerecht anknüpfen. |
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| Gleiches gilt, soweit das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 05.10.2015 (a.a.O.) erwogen hat, hinsichtlich einer Kenntnisfiktion auf das nächste regelmäßige Hilfeplangespräch abzustellen. Auch diesbezüglich kann aus der Sicht des mit der Hilfeplanung befassten Jugendhilfeträgers allenfalls davon ausgegangen werden, dass der Hilfebedarf fortbesteht und die gewählte Hilfeart weiterhin geeignet und notwendig ist, nicht jedoch, dass die Voraussetzungen seiner örtlichen Zuständigkeit, insbesondere im Hinblick auf den Aufenthalt und das Sorgerecht der Eltern, noch gegeben sind. Die streitgegenständlichen Jugendhilfefälle zeigen zudem, dass ein Abstellen auf das nächste regelmäßige Hilfeplangespräch nicht praktikabel ist, sondern vielmehr willkürliche Zeitpunkte für die Kenntnisfiktion zur Folge hätte. |
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| Im Fall von L. datiert die letzte von der Klägerin verfasste Hilfeplanfortschreibung vom 09.07.2007. Ein konkretes Datum für das nächste Hilfegespräch bzw. die weitere Fortschreibung und Überprüfung des Hilfeplans ist darin nicht vermerkt. Ein Anhaltspunkt hierfür findet sich lediglich im vorangegangenen Hilfeplan vom 13.12.2006, in dem bezüglich der Fortschreibung und Überprüfung des Hilfeplans folgendes vermerkt ist: |
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| Nach § 36 Abs. 2 KJHG soll der Hilfeplan regelmäßig darauf überprüft werden, ob die gewählte Hilfeart auch weiterhin geeignet und notwendig ist. Die Zeitabstände der Überprüfung des Hilfsplans richten sich nach den Erfordernissen des Einzelfalls. Die erste Überprüfung soll möglichst nach sechs Wochen, spätestens zum Ende des ersten Vierteljahres erfolgen. Die weiteren Hilfeplangespräche finden in der Regel halbjährlich, mindestens aber jährlich statt. |
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| Würde auf ein „in der Regel“ halbjährlich stattfindendes Hilfegespräch abgestellt, so ergäbe sich im Fall von L. für eine Kenntnisfiktion das Datum 09.01.2008. Stellte man darauf ab, dass das Hilfeplangespräch mindestens jährlich stattfinden soll, ergäbe sich das Datum 09.07.2008. Tatsächlich fand das erste Hilfeplangespräch durch das Jugendamt des Beklagten am 08.05.2008 statt, die erste Hilfeplanfortschreibung des Beklagten nach Fallübernahme erfolgte am 16.02.2009. |
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| Im Fall von M. ist der in den Akten befindliche Hilfeplan nicht datiert. In diesem ist allerdings vermerkt, dass der Hilfeplan am 30.08.2007 und dann im Februar 2008 fortgeschrieben werden sollte. Auch im Hilfeplan von M. findet sich der oben zitierte Vermerk zur Fortschreibung und Überprüfung des Hilfeplans. |
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| Die Fälle M. und L. zeigen, dass ein Abstellen auf die Hilfeplanung nicht praktikabel ist, sondern vielmehr zu willkürlichen Ergebnissen führt. Die gesetzliche Regelung des § 36 SGB VIII hilft insoweit nicht weiter, da sich hieraus nur ergibt, dass im Rahmen der Hilfeplanung „regelmäßig“ geprüft werden soll, ob die gewählte Hilfeart weiterhin geeignet und notwendig ist (§ 36 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VIII). Die Zeitabstände der Überprüfung des Hilfeplans richten sich damit, wie die Klägerin auch in dem zitierten Vermerk im Hilfeplan ausgeführt hat, nach den Erfordernissen des Einzelfalls (vgl. Stähr in: Hauck/Noftz, SGB, 06/09, § 36 SGB VIII Rn. 35; von Koppenfels-Spies in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl. 2018, § 36 Rn. 37). Es besteht somit auch keine Verpflichtung der Behörde, ein konkretes Datum für die nächste Hilfeplanung im Voraus festzulegen. Ungeachtet der somit fehlenden Praktikabilität und den willkürlichen Ergebnissen im Einzelfall, würde ein Abstellen auf die Hilfeplanung es den Beteiligten auch ermöglichen, den maßgeblichen Zeitpunkt für die Kenntnisfiktion bewusst zu steuern. |
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| Im Ergebnis ist zusammenfassend festzustellen, dass dem Beklagten in den Jugendhilfefällen L. und M. in den streitgegenständlichen Zeiträumen kein Erstattungsanspruch gegen die Klägerin zustand, da ihr die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht in diesen Zeiträumen nicht bekannt waren. Die von ihr am 23.03.2012 und 01.09.2012 für die betreffenden Zeiträume vorgenommenen Erstattungszahlungen sind damit zu Unrecht erfolgt. Der Klägerin steht folglich der geltend gemachte Rückerstattungsanspruch gemäß § 112 SGB X zu, dessen Höhe zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. |
|
| Der Rückerstattungsanspruch der Klägerin ist nicht verjährt. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB X verjähren Rückerstattungsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Die Klägerin hat die Erstattungszahlungen im Jahr 2012 geleistet. Die Verjährungsfrist hätte damit erst am 31.12.2016 geendet. Die Klägerin hat indes bereits am 14.12.2016 beim Verwaltungsgericht Klage erhoben. |
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| 2. Der streitgegenständliche Rückerstattungsbetrag ist in entsprechender Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB antragsgemäß ab dem Eintritt der Rechtshängigkeit, also ab dem 15.12.2016 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.2015 - 5 C 9.15 -, juris). |
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| Die Berufung wird gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zugelassen, da Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinausgehend bedeutsam ist im vorliegenden Fall die Frage, welche Anforderungen an die gemäß § 105 Abs. 3 SGB X erforderliche Kenntnis der Voraussetzungen der Leistungspflicht zu stellen sind. |
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| Der Streitwert wird gemäß § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG auf 196.976,19 EUR (164.777,83 EUR + 32.198,36 EUR) festgesetzt. |
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| Das Gericht konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO). |
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| Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rückerstattung der am 23.03.2012 für den Zeitraum vom 01.12.2007 bis zum 21.08.2011 bezüglich des Kindes L. geleisteten Erstattungszahlung in Höhe von insgesamt 164.777,83 EUR und der am 01.09.2012 für den Zeitraum vom 01.12.2007 bis zum 31.07.2009 bezüglich des Kindes M. geleisteten Erstattungszahlung in Höhe von insgesamt 32.198,36 EUR (dazu 1.). Der Klägerin steht auch der geltend gemachte Anspruch auf Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2016 zu (dazu 2.). |
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| 1. Rechtsgrundlage für den Rückerstattungsanspruch der Klägerin ist § 112 SGB X, der über § 37 SGB I auch auf Erstattungsansprüche nach dem SGB VIII Anwendung findet (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.05.2011 - 5 C 4.10 -, juris; OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 06.06.2008 - 12 A 576/07 -, juris; Becker in: Hauck/Noftz, SGB, 06/14, § 112 SGB X Rn. 7). Danach sind die im Rahmen einer Kostenerstattung gezahlten Beträge zurückzuerstatten, soweit die Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Eine Erstattung ist dann zu Unrecht erfolgt, wenn der in Rede stehende Erstattungsanspruch entweder von Anfang an gar nicht bzw. nicht in voller Höhe bestand oder zu einem späteren Zeitpunkt ganz oder teilweise weggefallen ist (LSG Bad.-Württ., Urteil vom 30.09.2014 - L 11 KR 2398/13 - juris Rn. 18; Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 112 Rn. 25; Becker in: Hauck/Noftz, SGB, 06/14, § 112 SGB X Rn. 20). |
|
| Im vorliegenden Fall sind die von der Klägerin geleisteten Erstattungen bezüglich des Kindes L. für den Zeitraum vom 01.12.2007 bis zum 21.08.2011 und bezüglich des Kindes M. für den Zeitraum vom 01.12.2007 bis zum 31.07.2009 ohne Rechtsgrund und damit zu Unrecht erfolgt. Denn der Beklagte hatte gegen die Klägerin insoweit keinen Kostenerstattungsanspruch. |
|
| Zwar war die Klägerin bezüglich der Kinder L. und M. in den streitgegenständlichen Zeiträumen örtlich zuständiger Jugendhilfeträger und damit dem Grundsatz nach gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X zur Erstattung der vom Beklagten in diesen Fällen aufgewandten Kosten der Jugendhilfe verpflichtet (dazu a). Einem Erstattungsanspruch des Beklagten stand aber nach § 105 Abs. 3 SGB X entgegen, dass der Klägerin in den betreffenden Zeiträumen nicht bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen (dazu b). |
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| a) Die Klägerin war in den streitgegenständlichen Zeiträumen in den Jugendhilfefällen L. und M. örtlich zuständiger Träger der Jugendhilfe und damit grundsätzlich gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X zur Kostenerstattung verpflichtet. § 105 SGB X kommt hier gemäß § 37 SGB I zur Anwendung, da die speziellen Kostenerstattungsvorschriften der §§ 89 ff. SGB VIII, insbesondere § 89c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, für die hier vorliegende Fallkonstellation einer von Anfang an bestehenden Zuständigkeit der Klägerin ohne Zuständigkeitswechsel keine Sonderregelungen enthalten (vgl. zur Anwendbarkeit des § 105 SGB X im Anwendungsbereich des SGB VIII BVerwG, Urteil vom 29.01.2004 - 5 C 9.03 -, juris; BayVGH, Urteil vom 16.11.2004 - 12 B 00.3364 -, juris). |
|
| Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich gemäß § 105 Abs. 2 SGB X nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. |
|
| Der Beklagte hat in den streitgegenständlichen Zeiträumen als unzuständiger Träger Jugendhilfeleistungen in Höhe von insgesamt 196.976,19 EUR erbracht (164.777,83 EUR für L. im Zeitraum vom 01.12.2007 bis zum 21.08.2011 und 32.198,36 EUR für M. im Zeitraum vom 01.12.2007 bis zum 31.07.2009). Zuständige Leistungsträgerin war - ungeachtet der im Fall von M. ab dem 01.08.2009 bestehenden, für die Kostentragungspflicht allerdings nicht relevanten Zuständigkeit des Landkreises ... gemäß § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII - die Klägerin. |
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| Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. |
|
| § 86 Abs. 5 Satz 2 2. Alt. SGB VIII a.F. findet nach dem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2010 (- 5 C 17.09 -, juris) in allen Fallgestaltungen Anwendung, in denen keinem Elternteil das Sorgerecht zusteht und die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte besitzen (vgl. auch BVerwG, Urteile vom 12.05.2011, a.a.O. und vom 14.11.2013 - 5 C 34.12 -, jeweils juris). Es kommt also - entgegen der bisherigen Praxis - nicht darauf an, dass verschiedene Aufenthalte erst nach Beginn der Leistung begründet wurden. § 86 Abs. 3 SGB VIII a.F. erfasst nur die Fälle, in denen die Eltern vor bzw. bei Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben und schon in diesem Zeitpunkt keinem Elternteil die Personensorge zusteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.12.2010, a.a.O.). |
|
| Nach diesen Maßgaben ist der Anwendungsbereich des § 86 Abs. 5 Satz 2 2. Alt. SGB VIII a.F. hier eröffnet. Den zunächst gemeinsam sorgeberechtigten Eltern der Kinder L. und M. wurde das Sorgerecht mit Beschluss des Amtsgerichts ... vom 08.02.2007 erst nach dem Beginn der Hilfeleistungen entzogen. Für den Beginn der Leistungen ist hier auf die erstmalige Erbringung von Jugendhilfeleistungen an M. am 15.05.2006 (Beginn der Hilfe zur Erziehung in Form der Tagespflege gemäß § 32 SGB VIII) und L. am 20.11.2006 (Beginn der Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung gemäß § 34 SGB VIII) abzustellen. Bei den seither gewährten Hilfen handelt es sich um einen fortgesetzten Leistungsprozess, der zur kontinuierlichen Deckung eines entsprechenden jugendhilferechtlichen Bedarfs diente und deshalb als einheitliche Leistung im Sinne des zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriffs aufzufassen ist. |
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| Damit bestand gemäß § 86 Abs. 5 Satz 2 2. Alt. SGB VIII trotz des Umzugs der Kindsmutter am 10.06.2007 in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten die bisherige Zuständigkeit fort. Vor der Entziehung des Sorgerechts war gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII die Klägerin für die Gewährung der Jugendhilfe örtlich zuständig. Denn zu Beginn der Leistungen hatten die zum damaligen Zeitpunkt gemeinsam sorgeberechtigten Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, der Vater in Mönchengladbach, die Mutter im Zuständigkeitsbereich der Klägerin. Die Kinder hatten vor Beginn der Leistungen ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei ihrer Mutter. |
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| b) Einem Erstattungsanspruch des Beklagten für die streitbefangenen Zeiträume stand indes § 105 Abs. 3 SGB X entgegen. Danach gelten die Absätze 1 und 2 des § 105 SGB X unter anderem gegenüber den Trägern der Jugendhilfe nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen. |
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| Sinn und Zweck der Regelung ist es, Erstattungsansprüche gegenüber Trägern der Jugendhilfe und anderen in der Vorschrift bezeichneten Sozialleistungsträgern zu begrenzen. Diese sollen nicht wegen Aufwendungen für Leistungen in Anspruch genommen werden, bezüglich derer ihnen nicht bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.06.2005 - 5 C 30.04 -, juris Rn. 11). Der Gesetzgeber billigt damit unter anderem den Trägern der Jugendhilfe einen besonderen Schutz vor Kostenerstattungen zu, auch wenn diese dem materiellen Recht entsprechen. Er hat mit § 105 Abs. 3 SGB X der aus dem Sozialhilferecht hergeleiteten Aufgabe, nur gegenwärtige, akute Notlagen zu beseitigen, auch im Kostenerstattungsrecht Rechnung getragen (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 9/95, S. 39; OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 05.10.2015 - 12 A 1450/14 -, juris; VG Koblenz, Urteil vom 23.02.2015 - 3 K 1243/13.KO -, juris). |
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| § 105 Abs. 3 SGB X erfordert die positive Kenntnis des auf Erstattung in Anspruch genommenen Jugendhilfeträgers. Kennenmüssen oder auch grob fahrlässige Unkenntnis reichen hierfür nicht aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.06.2005, a.a.O.). Erforderlich für die Kenntnis ist das Wissen des in Anspruch genommenen Jugendhilfeträgers, dass sowohl eine Hilfebedürftigkeit als auch die tatsächlichen Voraussetzungen für die eigene Leistungspflicht vorliegen (OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 05.10.2015, a.a.O.). Unerheblich ist indes die rechtsirrige Meinung, ein anderes Jugendamt sei zuständig (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 05.10.2015, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 02.06.2005, a.a.O. m.w.N.). Im vorliegenden Fall bedarf es keiner Entscheidung der Frage, ob es im Rahmen des § 105 Abs. 3 SGB X wie im Anwendungsbereich des § 48 Abs. 4 VwVfG auf die tatsächliche Kenntnisnahme des zuständigen Sachbearbeiters ankommt (so OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 05.10.2015, a.a.O.; VG Aachen, Urteil vom 11.05.2004 - 2 K 3204/99 -, juris Rn. 22 ff. unter Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 19.12.1984 - GrSen 1/84, GrSen 2/84-, juris zu § 48 VwVfG; Roos, in: von Wulffen, SGB X, 8. Auflage 2014, § 105 Rn. 13 i.V.m. § 103 Rn. 24) oder ob, wie es im Rahmen des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X teilweise vertreten wird (vgl. Padé in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Auflage 2017, § 45 Rn. 113; Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 45 Rn.85), die Kenntnis der zur Entscheidung berufenen Dienststelle ausreichend ist. |
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| War ein Jugendhilfeträger ursprünglich mit einem Hilfefall befasst und hat den Fall dann - unzutreffender Weise - an einen anderen Jugendhilfeträger abgegeben, ist von einer Kenntnis im Sinne des § 105 Abs. 3 SGB X dann auszugehen, wenn er vom übernehmenden Jugendhilfeträger oder durch sonstige Stellen weiterhin über den Fortgang des Hilfefalls informiert wird. Erhält der abgebende Jugendhilfeträger nach der Abgabe indes keine Informationen über den Hilfefall, tritt mit der Abgabe ein Wegfall der Kenntnis i.S.d. § 105 Abs. 3 SGB X ein. Da § 105 Abs. 3 SGB X dem abgebenden Jugendhilfeträger einen besonderen Schutz vor Kostenerstattungsforderungen zubilligt und ausdrücklich eine positive Kenntnis von der Leistungspflicht verlangt, also grob fahrlässige Unkenntnis gerade nicht ausreichen lässt, kann es nicht hinreichend sein, dass der abgebende Jugendhilfeträger schlicht nicht weiß, ob der Hilfebedarf bzw. die Voraussetzungen der Zuständigkeit fortbestehen, und dies allenfalls vermuten kann. Dies wäre auch angesichts der vielfältigen Gründe, aus denen der Hilfebedarf oder die Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers entfallen kann, nicht sachgerecht (vgl. zum Ganzen OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 05.10.2015, a.a.O.; VG Koblenz, Urteil vom 23.02.2015, a.a.O.). |
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| Das Gericht folgt deshalb nicht der Auffassung des Beklagten (im Anschluss an VG Augsburg, Urteil vom 29.11.2011 - Au 3 K 10.1016 -, juris), wonach von der nach § 105 Abs. 3 SGB X erforderlichen Kenntnis des abgebenden Jugendhilfeträgers solange auszugehen ist, bis dieser positive Kenntnis von Umständen erhält, die seine Leistungspflicht entfallen lassen. Eine derartige Anforderung widerspräche dem Umstand, dass § 105 Abs. 3 SGB X für die Erstattungspflicht eine positive Kenntnis des Bestehens der eigenen Leistungspflicht verlangt und nicht etwa von der Erstattungspflicht ausgeht, solange keine positive Kenntnis des Nichtbestehens der Leistungspflicht vorliegt (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 05.10.2015, a.a.O.). Das Erfordernis der Kenntnis von Umständen, die die Leistungspflicht entfallen lassen, würde § 105 Abs. 3 SGB X und dessen Zweckbestimmung, den abgebenden Jugendhilfeträger vor Kostenerstattungen zu schützen, in Fällen wie dem vorliegenden, in dem sich zwei Jugendhilfeträger gegenüber stehen, praktisch leer laufen lassen (OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 05.10.2015, a.a.O.). Denn es entspricht, wie der Beklagte dargelegt hat, nicht der Praxis und ist vom übernehmenden Jugendhilfeträger auch kaum zu leisten und unter Umständen sogar mit dem Sozialdatenschutz unvereinbar, dass dieser den abgebenden Jugendhilfeträger nach der Abgabe der Jugendhilfefälle über diese fortlaufend informiert. Der abgebende Jugendhilfeträger hätte damit kaum eine Möglichkeit, positive Kenntnis von Umständen zu erhalten, die seine Leistungspflicht entfallen lassen. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in seinem Urteil vom 05.10.2015 (a.a.O.) im Übrigen zutreffend darauf hingewiesen, dass die Umstände, die eine Leistungspflicht in Jugendhilfefällen entfallen lassen, üblicherweise der Wegfall der Hilfebedürftigkeit oder Änderungen in den zuständigkeitsbegründenden Umständen sind, wie die Begründung eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts durch die Eltern des Hilfeempfängers oder die Wiedererlangung des Sorgerechts durch einen Elternteil. In diesen Fällen ist eine Erstattungspflicht regelmäßig bereits ohne Heranziehung des § 105 Abs. 3 SGB X ausgeschlossen (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 05.10.2015, a.a.O.). |
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| Wie das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 05.10.2015 (a.a.O.) zu Recht ausgeführt hat, lässt sich auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere dem Urteil vom 15.06.2000 (- 5 C 35.99 -, juris), für die hier vorliegende Konstellation der Fallübernahme zwischen zwei Jugendhilfeträgern nichts Abweichendes entnehmen. Denn dem mit Urteil vom 15.06.2000 entschiedenen Fall des Bundesverwaltungsgerichts lag die Besonderheit zugrunde, dass der Sozialhilfeträger aufgrund der Geltendmachung von Kosten für Fahrten zur Dialysebehandlung Kenntnis von der fortdauernden Hilfebedürftigkeit des Patienten hatte. Eine derartige Kenntnis liegt aber in der hier zu entscheidenden Konstellation beim abgebenden Jugendhilfeträger, wie bereits dargelegt wurde, gerade nicht vor. |
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| Entgegen der Ansicht des Beklagten verbleibt bei der hier vertretenen Auslegung des § 105 Abs. 3 SGB X ein hinreichender Anwendungsbereich des § 105 Abs. 1 SGB X, etwa in Fällen, in denen der abgebende vom übernehmenden Jugendhilfeträger oder durch sonstige Stellen über die Voraussetzungen der Leistungspflicht informiert wird, oder der abgebende Leistungsträger für den übernehmenden in dem betreffenden Fall nach der Abgabe Amtshilfe leistet. |
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| Nach diesen Maßgaben hatte die zuständige Dienststelle bzw. der zuständige Sachbearbeiter der Klägerin zwar vor der Abgabe der Hilfefälle an den Beklagten zum 01.12.2007 positive Kenntnis vom Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Leistungspflicht der Klägerin, da die Dienststelle bzw. der zuständige Sachbearbeiter die Hilfen selbst bewilligt und die Verfahren bis zur Abgabe bearbeitet hatte. In den streitgegenständlichen Zeiträumen vom 01.12.2007 bis zum 31.07.2009 (im Fall von M.) bzw. vom 01.12.2007 bis zum 21.08.2011 (im Fall von L.) kann indes nicht mehr von einer Kenntnis i.S.d. § 105 Abs. 3 SGB X ausgegangen werden. Insoweit ist es nicht entscheidend, zu welchem Zeitpunkt die Klägerin Kenntnis von dem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2010 (a.a.O.) zu § 86 Abs. 5 Satz 2 2. Alt. SGB VIII a.F. erhalten hat. Denn, wie oben ausgeführt wurde, ist die rechtsirrige Meinung, ein anderes Jugendamt sei zuständig, unerheblich. |
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| Die Klägerin wurde in den Jugendhilfefällen M. und L. nach deren Abgabe an den Beklagten weder von diesem noch von anderen Stellen in einer Weise über den Fortgang der Verfahren informiert, dass von der Kenntnis der Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht im Sinne des § 105 Abs. 3 SGB X auszugehen wäre. Diese Kenntnis erhielt die Klägerin vielmehr frühestens mit dem Zugang des Schreibens des Beklagten vom 18.08.2011 am 22.08.2011. |
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| Die Klägerin hat für den Beklagten in den streitbefangenen Hilfefällen insbesondere keine Amtshilfe geleistet, die zu einer Kenntnis im Sinne des § 105 Abs. 3 SGB X geführt hätte. Im Fall von M. hat der Beklagte die Klägerin zwar mit Schreiben vom 01.07.2008 gebeten, im Wege der Amtshilfe das anstehende Hilfegespräch zu führen und diesbezüglich zu berichten. Die Klägerin hat dies allerdings mit Schreiben vom 21.07.2008 ausdrücklich abgelehnt. Bezüglich L. befindet sich in der Akte zwar eine Anfrage des Beklagten an die Klägerin wegen Amtshilfe (Schreiben vom 22.10.2007), auf die im Hilfeplan des Beklagten vom 16.02.2009 mit dem Vermerk Bezug genommen wird, dass durch die Sachbearbeiterin des Jugendamtes der Klägerin Frau ... die Zusage der Amtshilfe mündlich erteilt worden sei. Hierfür spricht auch der in den Akten der Klägerin befindliche Vermerk der Frau ... vom 05.11.2007, wonach mit dem Jugendamt des Beklagten telefonisch vereinbart worden sei, dass die Verschriftlichung der Hilfepläne vom Jugendamt des Beklagten aufgrund der Hilfeplanvorlage der Einrichtung und des Protokolls des Jugendamtes der Klägerin übernommen werde. Alle weiteren Kontakte und Entscheidungen würden durch das Jugendamt des Beklagten übernommen. Die zuständige Sachbearbeiterin des Beklagten werde halbjährlich vor den Hilfeplangesprächen Kontakt zur Einrichtung und zur Unterzeichnerin aufnehmen, um über den aktuellen Stand aufzuklären. Aus den Akten ergibt sich aber nicht, dass seitens der Klägerin in der Folge tatsächlich Amtshilfe geleistet wurde. Insbesondere fand das im (ersten) Hilfeplan des Beklagten vom 16.02.2009 in Bezug genommene Hilfeplangespräch am 08.05.2008 ohne Beteiligung des Jugendamtes der Klägerin statt. Aus einem Vermerk in den Akten der Klägerin vom 27.12.2007 ergibt sich, dass die ehemals in den Jugendhilfefällen M. und L. zuständige Sachbearbeiterin Frau ... seit dem 11.12.2007 nicht mehr für den Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes der Klägerin tätig war, was erklärt, warum die im Fall von M. mit Schreiben vom 21.07.2008 erklärte Ablehnung der Amtshilfe unter dem Hinweis erfolgte, dass aufgrund eines internen Zuständigkeitswechsels eine neue Einarbeitung in den Fall erforderlich wäre. |
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| Mit dem Fall von L. hatte die Klägerin nach der Abgabe des Hilfefalls und vor dem Zugang des Schreibens vom 18.08.2011 zuletzt Kontakt, als ihr ein Schreiben des Kinder- und Jugenddorfes ... vom 18.01.2008 zuging, mit dem das letzte Schulzeugnis von L. zur Information übersandt wurde. Hieraus kann allerdings nicht geschlossen werden, dass die Klägerin weiterhin Kenntnis der Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht im Sinne des § 105 Abs. 3 SGB X hatte oder diese erhielt, denn dem Schreiben des Kinder- und Jugenddorfes ... kann allenfalls entnommen werden, dass L. dort weiterhin untergebracht war, nicht aber, dass auch die Voraussetzungen für die Zuständigkeit der Klägerin im Hinblick auf das Sorgerecht und den gewöhnlichen Aufenthalt der Kindseltern vorlagen. |
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| Im Fall von M. war die Klägerin ausweislich ihrer Akten nach der Abgabe des Hilfefalls bis zum Zugang des Schreibens vom 18.08.2011 nur noch mit der kostenmäßigen Abwicklung des Falles für die Vergangenheit bis zum Zeitpunkt der Abgabe befasst (vgl. die Vermerke und Verfügungen vom 13.12.2007, 14.12.2007, 17.12.2007, 27.12.2007 und 28.01.2008 sowie die Schreiben vom 03.12.2007, 13.12.2007, 11.01.2008, 19.02.2008, 20.02.2008 und 22.02.2008). Informationen über die Hilfebedürftigkeit und die tatsächlichen Voraussetzungen der eigenen Leistungspflicht bezüglich der Zeit nach der Fallabgabe erhielt die Klägerin nicht. |
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| Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat im Urteil vom 05.10.2015 (a.a.O.) die - im Ergebnis offen gelassene - Frage aufgeworfen, ob ein Fortbestehen der Kenntnis für einen gewissen unmittelbar an die Fallabgabe anschließenden Zeitraum oder jedenfalls für den Zeitraum fingiert werden kann, der von einem etwaigen Bewilligungsbescheid des abgebenden Jugendhilfeträgers bzw. einer durch ihn verfassten Hilfeplanung bis zum nächsten regelmäßigen Hilfeplangespräch noch erfasst ist. |
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| Nach Auffassung der Kammer kommt eine solche Kenntnisfiktion nicht in Betracht. Denn hierfür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. § 105 Abs. 3 SGB X verlangt zum Schutz des abgebenden Jugendhilfeträgers vor unvorhergesehenen Kostenerstattungen explizit eine (positive) Kenntnis und schließt damit grob fahrlässige Unkenntnis ausdrücklich aus. Hätte der Gesetzgeber eine Kenntnisfiktion gewollt, hätte er sie ausdrücklich normieren können. Das vorliegende Verfahren zeigt zudem eindrücklich, dass eine Kenntnisfiktion nicht praktikabel ist und zu willkürlichen Ergebnissen führt. So gibt es weder auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung noch in den konkreten Jugendhilfefällen Anhaltspunkte dafür, wie lang der „gewisse(...) unmittelbar an die Fallabgabe anschließende(...) Zeitraum“ sein soll. Eine Bezugnahme auf den Bewilligungsbescheid hilft insoweit nicht weiter, da Jugendhilfeleistungen häufig und so auch in den Fällen von L. und M. unbefristet bewilligt werden. Auch kann aus der Sicht des die Leistung bewilligenden Jugendhilfeträgers allenfalls davon ausgegangen werden, dass bis zum Ende der Geltungsdauer des Bewilligungsbescheids der Hilfebedarf fortbesteht und die gewählte Hilfeart geeignet und notwendig ist, nicht aber, dass auch die Voraussetzungen seiner örtlichen Zuständigkeit fortbestehen, die regelmäßig an den gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern und deren Sorgerecht anknüpfen. |
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| Gleiches gilt, soweit das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 05.10.2015 (a.a.O.) erwogen hat, hinsichtlich einer Kenntnisfiktion auf das nächste regelmäßige Hilfeplangespräch abzustellen. Auch diesbezüglich kann aus der Sicht des mit der Hilfeplanung befassten Jugendhilfeträgers allenfalls davon ausgegangen werden, dass der Hilfebedarf fortbesteht und die gewählte Hilfeart weiterhin geeignet und notwendig ist, nicht jedoch, dass die Voraussetzungen seiner örtlichen Zuständigkeit, insbesondere im Hinblick auf den Aufenthalt und das Sorgerecht der Eltern, noch gegeben sind. Die streitgegenständlichen Jugendhilfefälle zeigen zudem, dass ein Abstellen auf das nächste regelmäßige Hilfeplangespräch nicht praktikabel ist, sondern vielmehr willkürliche Zeitpunkte für die Kenntnisfiktion zur Folge hätte. |
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| Im Fall von L. datiert die letzte von der Klägerin verfasste Hilfeplanfortschreibung vom 09.07.2007. Ein konkretes Datum für das nächste Hilfegespräch bzw. die weitere Fortschreibung und Überprüfung des Hilfeplans ist darin nicht vermerkt. Ein Anhaltspunkt hierfür findet sich lediglich im vorangegangenen Hilfeplan vom 13.12.2006, in dem bezüglich der Fortschreibung und Überprüfung des Hilfeplans folgendes vermerkt ist: |
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| Nach § 36 Abs. 2 KJHG soll der Hilfeplan regelmäßig darauf überprüft werden, ob die gewählte Hilfeart auch weiterhin geeignet und notwendig ist. Die Zeitabstände der Überprüfung des Hilfsplans richten sich nach den Erfordernissen des Einzelfalls. Die erste Überprüfung soll möglichst nach sechs Wochen, spätestens zum Ende des ersten Vierteljahres erfolgen. Die weiteren Hilfeplangespräche finden in der Regel halbjährlich, mindestens aber jährlich statt. |
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| Würde auf ein „in der Regel“ halbjährlich stattfindendes Hilfegespräch abgestellt, so ergäbe sich im Fall von L. für eine Kenntnisfiktion das Datum 09.01.2008. Stellte man darauf ab, dass das Hilfeplangespräch mindestens jährlich stattfinden soll, ergäbe sich das Datum 09.07.2008. Tatsächlich fand das erste Hilfeplangespräch durch das Jugendamt des Beklagten am 08.05.2008 statt, die erste Hilfeplanfortschreibung des Beklagten nach Fallübernahme erfolgte am 16.02.2009. |
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| Im Fall von M. ist der in den Akten befindliche Hilfeplan nicht datiert. In diesem ist allerdings vermerkt, dass der Hilfeplan am 30.08.2007 und dann im Februar 2008 fortgeschrieben werden sollte. Auch im Hilfeplan von M. findet sich der oben zitierte Vermerk zur Fortschreibung und Überprüfung des Hilfeplans. |
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| Die Fälle M. und L. zeigen, dass ein Abstellen auf die Hilfeplanung nicht praktikabel ist, sondern vielmehr zu willkürlichen Ergebnissen führt. Die gesetzliche Regelung des § 36 SGB VIII hilft insoweit nicht weiter, da sich hieraus nur ergibt, dass im Rahmen der Hilfeplanung „regelmäßig“ geprüft werden soll, ob die gewählte Hilfeart weiterhin geeignet und notwendig ist (§ 36 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VIII). Die Zeitabstände der Überprüfung des Hilfeplans richten sich damit, wie die Klägerin auch in dem zitierten Vermerk im Hilfeplan ausgeführt hat, nach den Erfordernissen des Einzelfalls (vgl. Stähr in: Hauck/Noftz, SGB, 06/09, § 36 SGB VIII Rn. 35; von Koppenfels-Spies in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl. 2018, § 36 Rn. 37). Es besteht somit auch keine Verpflichtung der Behörde, ein konkretes Datum für die nächste Hilfeplanung im Voraus festzulegen. Ungeachtet der somit fehlenden Praktikabilität und den willkürlichen Ergebnissen im Einzelfall, würde ein Abstellen auf die Hilfeplanung es den Beteiligten auch ermöglichen, den maßgeblichen Zeitpunkt für die Kenntnisfiktion bewusst zu steuern. |
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| Im Ergebnis ist zusammenfassend festzustellen, dass dem Beklagten in den Jugendhilfefällen L. und M. in den streitgegenständlichen Zeiträumen kein Erstattungsanspruch gegen die Klägerin zustand, da ihr die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht in diesen Zeiträumen nicht bekannt waren. Die von ihr am 23.03.2012 und 01.09.2012 für die betreffenden Zeiträume vorgenommenen Erstattungszahlungen sind damit zu Unrecht erfolgt. Der Klägerin steht folglich der geltend gemachte Rückerstattungsanspruch gemäß § 112 SGB X zu, dessen Höhe zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. |
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| Der Rückerstattungsanspruch der Klägerin ist nicht verjährt. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB X verjähren Rückerstattungsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Die Klägerin hat die Erstattungszahlungen im Jahr 2012 geleistet. Die Verjährungsfrist hätte damit erst am 31.12.2016 geendet. Die Klägerin hat indes bereits am 14.12.2016 beim Verwaltungsgericht Klage erhoben. |
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| 2. Der streitgegenständliche Rückerstattungsbetrag ist in entsprechender Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB antragsgemäß ab dem Eintritt der Rechtshängigkeit, also ab dem 15.12.2016 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.2015 - 5 C 9.15 -, juris). |
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| Die Berufung wird gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zugelassen, da Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinausgehend bedeutsam ist im vorliegenden Fall die Frage, welche Anforderungen an die gemäß § 105 Abs. 3 SGB X erforderliche Kenntnis der Voraussetzungen der Leistungspflicht zu stellen sind. |
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| Der Streitwert wird gemäß § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG auf 196.976,19 EUR (164.777,83 EUR + 32.198,36 EUR) festgesetzt. |
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