Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22.07.2019 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger und die Beklagte tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens jeweils zur Hälfte.
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| Die Kläger wenden sich gegen ihre Rücküberstellung nach Italien, welche ihnen gegenüber mit Bescheid vom 22.07.2019 angedroht wurde. Die Kläger stellten am 09.07.2019 erstmals einen Asylantrag. Im Rahmen der Antragstellung gaben sie an, über Italien nach Deutschland eingereist zu sein. Für die Klägerin Ziff. 1 ist mittels Eurodac-Treffer vermerkt, dass sie bereits am 20.09.2016 in Rom, Italien, einen Asylantrag gestellt hat. |
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| Im Rahmen der Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags gab die Klägerin Ziff. 1 an, in Italien Asyl erhalten zu haben. Das entsprechende Dokument habe sie auf dem Weg zum Krankenhaus verloren, weil ihre Tochter krank gewesen sei. Man habe sich schlecht um die Kinder gekümmert, weshalb diese krank geworden seien. Sie sei schwanger gewesen, als sie aus Italien ausgereist sei. Der voraussichtliche Geburtstermin sei der 14.02.2020. Zuletzt habe sie einen italienischen Aufenthaltstitel gehabt, der für 5 Jahre (bis 2023) gültig gewesen sei. |
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| Das Bundesamt ersuchte Italien am 15.07.2019 um Wiederaufnahme der Kläger. Mit Antwortschreiben vom 19.07.2019 teilte die italienische Dublin-Behörde dem Bundesamt mit, dass der Klägerin Ziff. 1 am 17.11.2017 in Rom die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei und lehnte vor diesem Hintergrund die Wiederaufnahme der Kläger ab. |
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| Mit Bescheid vom 22.07.2019 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Anträge der Kläger als unzulässig ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen und forderte die Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, andernfalls würden sie nach Italien abgeschoben. Die Kläger dürften nicht nach Nigeria abgeschoben werden. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tage der Abschiebung befristet. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung wurde ausgesetzt. |
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| Zur Begründung führte das Bundesamt aus, der Asylantrag sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig, da den Klägern nach den Erkenntnissen des Bundesamts in Italien internationaler Schutz gewährt worden sei. Da die Asylanträge als unzulässig abgelehnt werden, würden sie nicht materiell geprüft. Mit Blick auf die humanitäre Situation in Italien komme auch die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG nicht in Betracht. Die Abschiebungsandrohung sei nach § 35, 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zulässig gewesen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG. Die Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsandrohung beruhe auf § 80 Abs. 4 VwGO und der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.01.2019 (1 C 15.18). |
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| Die Kläger haben am 12.08.2019 die vorliegende Klage erhoben, mit der sie sich weiterhin gegen ihre Rücküberstellung nach Italien wenden. |
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| Die Kläger beantragen (sachdienlich gefasst), |
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| den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22.07.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, ihnen subsidiären Schutz zu zuerkennen, höchst hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG vorliegen. |
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| Zur Begründung bezieht sie sich auf die angegriffene Entscheidung. |
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| Mit der Klageschrift haben die Kläger ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt. Zugleich haben sie den Mutterpass der Klägerin Ziff. 1 vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass diese am 14.02.2020 ein weiteres Kind erwartet. |
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| Dem Gericht haben die Behördenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten im vorliegenden Verfahren und in den weiteren Verfahren betreffend den Lebensgefährten der Klägerin Ziff. 1 (A 9 K 5282/19, A 9 5283/19) vorgelegen, auf die wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird. |
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| Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Berichterstatter anstelle der Kammer, § 87 Abs. 2, 3 VwGO, durch Gerichtsbescheid, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist, § 84 Abs. 1 VwGO. |
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| Das Gericht legt den wörtlich angekündigten Antrag „Unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22.07.2019, Az. .... Wird die Beklagte verpflichtet festzustellen, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen, weiterhin hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus bzw. das Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 - 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen.“ dahingehend aus, dass mit dem Hauptantrag neben der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids die Asylanerkennung sowie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beantragt werden und sich die Hilfsanträge auf diesen zweiten (Verpflichtungs-)Hauptantrag beziehen. Dies deshalb, weil die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Asylanerkennung sich weitgehend entsprechen und parallel ausgestaltet sind, so dass sie in keinem Subordinationsverhältnis zueinander stehen. Hingegen vermag das Gericht angesichts der expliziten Verpflichtungsanträge (auch schon im wörtlich gestellten Hauptantrag) den Antrag nicht dahingehend auszulegen, dass lediglich die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides (im Hauptantrag) begehrt wird. |
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| Die so verstandene Klage ist im tenorierten Umfang zulässig und begründet. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22.07.2019 ist im jetzt maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 S. 1, 2. HS AsylG) rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO (dazu 2.). |
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| Soweit die Kläger darüber hinaus die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Asylanerkennung sowie die Zuerkennung des subsidiären Schutzes und die Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG beantragt haben, dringen sie mit diesem Klagebegehren hingegen nicht durch, § 113 Abs. 5 VwGO. Zwar steht der Zulässigkeit dieses Klagegegenstands nach der jüngsten Entscheidung des EuGH in der Rs. „Hamed und Omar“ (Beschluss vom 13.11.2019 - C-540/17 - juris) nicht entgegen, dass den Klägern bereits in Italien internationaler Schutz in Gestalt der Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde (ablehnend noch BVerwG, Beschluss vom 17.04.2019 - 1 C 2/17 - juris Rn. 24). Dennoch kommt ein Verpflichtungsausspruch dergestalt, dass die Beklagte den Klägern die begehrten Schutztatbestände bzgl. Nigeria zuerkennen müsste, derzeit (noch) nicht in Betracht. Denn ein Durchentscheiden seitens des Gerichts im Falle der Überprüfung einer auf § 29 Abs. 1 AsylG gestützten Unzulässigkeitsentscheidung ist nicht vorgesehen und kann damit nicht zulässigerweise begehrt werden. Gegenstand der vorliegenden Klage ist „lediglich“ eine Unzulässigkeitsentscheidung und keine materielle Entscheidung über den Asylantrag der Kläger. Zulässigerweise kann diese Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts nur mit der Anfechtungsklage angegriffen werden. Im Erfolgsfalle (wie hier) ist das Bundesamt daher verpflichtet, das Asylverfahren neu aufzurollen (und die Kläger entweder in das nationale Verfahren zu überführen oder eine erneute Unzulässigkeitsentscheidung zu treffen). Das Gericht erachtet die vorliegende Verfahrenskonstellation in etwa mit jener als vergleichbar an, in der eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG getroffen wird. Auch in diesem Fall kommt ein Verpflichtungsausspruch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht in Betracht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4/16 - juris Rn. 16). Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass mit Italien ein Mitgliedstaat die Feststellung zum internationalen Schutz bereits positiv getroffen hat. Denn dies mag nahelegen, dass auch das Bundesamt derart verfährt (bzw. zu verfahren hat), wenn eine Rücküberstellung nach Italien aufgrund der dort drohenden Verletzung in Art. 4 GRCh ausscheiden muss (dazu sogleich). Zwingend ist dies aber nicht; vielmehr kann das Bundesamt auch eine neue Unzulässigkeitsentscheidung treffen, etwa indem es einen anderen Mitgliedstaat ausfindig macht, dessen Zuständigkeit für die Wiederaufnahme der Kläger es als vorrangig erachtet (in diesem Sinne in den „normalen“ Dublin-Konstellationen auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.07.2019 - A 4 S 749/19 - juris Rn. 39) oder indem es eine individuelle Garantieerklärung Italiens beibringt, die eine Rücküberstellung der vulnerablen Kläger dorthin ermöglichen könnte. Insoweit hat die Klage mithin keinen Erfolg. |
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| Sowohl die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziff. 1 als auch die Abschiebungsandrohung in Ziff. 3 des angegriffenen Bescheids sind vorliegend rechtswidrig. Dies führt zur Aufhebung des gesamten Bescheids. |
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| Zwar dürfte das Bundesamt die Unzulässigkeitsentscheidung bei formaler Betrachtungsweise zu Recht auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützt haben, weil den Klägern in Italien ausweislich der Mitteilung der italienischen Behörden internationaler Schutz in Gestalt der Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden war. Gleiches gilt für die auf § 35 AsylG gestützte Abschiebungsandrohung. |
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| Dem Erlass einer Unzulässigkeitsentscheidung auf der Grundlage von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, der seinerseits auf Art. 33 Abs. 2 Buchst. a) der Aufnahme-Richtlinie 2013/32/EU basiert, sowie der diesbezüglichen Abschiebungsandrohung steht es jedoch entgegen, wenn die Lebensverhältnisse, die den von der Rückkehrentscheidung Betroffenen in dem anderen Mitgliedstaat als anerkannter Flüchtling erwarten würden, der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta zu erfahren (EuGH, Beschluss vom 19.11.2019 – C-540/17 – juris Rn. 31, 35). Mit anderen Worten kommt eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nur dann in Betracht, wenn dem Betroffen keine Verletzung in Art. 4 GRCh droht. Dies gilt nach der Diktion des Europäischen Gerichtshofs, welche er bereits in seinen Urteilen vom 19.03.2019 „Jawo“ (Rs. C-163/17 - juris Rn. 87 ff.) und „Ibrahim“ (Rs. C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 - juris Rn. 87) festgelegt hat, nicht nur für sog. „Dublin-Fälle“ im Anwendungsbereich der Dublin III-VO (für die insoweit mit dem Instrument des Selbsteintrittsrechts in Art. 17 der Dublin III-VO ein entsprechendes Verfahren besteht), sondern auch in sog. Anerkannten-Fällen (wie dem vorliegenden). Denn für die Anwendung von Art. 4 GRCh ist es gleichgültig, ob es zum Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss dazu kommt, dass die betreffende Person einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, eine solche Behandlung zu erfahren. |
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| Hiervon ausgehend kommt die Rücküberstellung der Kläger nach Italien nicht (mehr) in Betracht. Denn die Kläger sind insgesamt als vulnerable Personen im Sinne der Tarakhel-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - 29217/12 - Tarakhel - NVwZ 2015, 127) anzusehen, weshalb für sie ausweislich der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.10.2019 (Az. 2 BvR 1380/19 - juris Rn. 16) eine individuelle Garantieerklärung seitens der italienischen Behörden hinsichtlich der Wiederaufnahme, Unterbringung und medizinischen Versorgung erforderlich ist. Eine solche individuelle Garantieerklärung wurde seitens des Bundesamts nicht vorgelegt. In Ermangelung einer solchen ist die Rücküberstellung der Kläger nach Italien derzeit für diese unzumutbar. Denn bei den Klägern Ziff. 2 und 3 handelt es sich um Kleinkinder, die in den sachlichen Anwendungsbereich der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie des Bundesverfassungsgerichts fallen und somit als vulnerabel anzusehen sind. Selbiges gilt damit zugleich für die Klägerin Ziff. 1, die die Personensorge für die Kläger Ziff. 2 und 3 ausübt und für die somit dieselben Anforderungen gelten müssen. |
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| Mit der Unzulässigkeitsentscheidung ist zugleich die in Ziff. 3 des angegriffenen Bescheids verfügte Abschiebungsandrohung aufzuheben. Denn ihr ist durch die Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung die (rechtliche) Grundlage entzogen. Selbiges gilt für die Ablehnung der Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 bzw. 7 S. 1 AufenthG, wie sich im Umkehrschluss aus § 31 Abs. 3 S. 1 AsylG ergibt. Insoweit ist es auch nicht (mehr) erforderlich, die Beklagte zur Feststellung eines Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 5 bzw. 7 S. 1 AufenthG bezogen auf Italien zu verpflichten (losgelöst von der Frage, ob dies angesichts der abgelehnten Möglichkeit eines Durchentscheidens überhaupt in Betracht kommt). Denn mit der Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung und der diesbezüglichen Abschiebungsandrohung ist die Pflicht der Kläger, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen und nach Italien zurückzukehren, weggefallen. Eine Rückkehrpflicht nach Italien besteht für die Kläger mithin (derzeit) nicht (mehr). Den Klägern fehlte es insofern mithin an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis an einem solchen Verpflichtungsausspruch. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG. Angesichts des Verhältnisses der Streitgegenstände zueinander (Aufhebungs- und Verpflichtungsantrag) erscheint dem Gericht eine hälftige Kostenentscheidung ermessensgerecht. |
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| Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Berichterstatter anstelle der Kammer, § 87 Abs. 2, 3 VwGO, durch Gerichtsbescheid, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist, § 84 Abs. 1 VwGO. |
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| Das Gericht legt den wörtlich angekündigten Antrag „Unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22.07.2019, Az. .... Wird die Beklagte verpflichtet festzustellen, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen, weiterhin hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus bzw. das Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 - 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen.“ dahingehend aus, dass mit dem Hauptantrag neben der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids die Asylanerkennung sowie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beantragt werden und sich die Hilfsanträge auf diesen zweiten (Verpflichtungs-)Hauptantrag beziehen. Dies deshalb, weil die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Asylanerkennung sich weitgehend entsprechen und parallel ausgestaltet sind, so dass sie in keinem Subordinationsverhältnis zueinander stehen. Hingegen vermag das Gericht angesichts der expliziten Verpflichtungsanträge (auch schon im wörtlich gestellten Hauptantrag) den Antrag nicht dahingehend auszulegen, dass lediglich die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides (im Hauptantrag) begehrt wird. |
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| Die so verstandene Klage ist im tenorierten Umfang zulässig und begründet. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22.07.2019 ist im jetzt maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 S. 1, 2. HS AsylG) rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO (dazu 2.). |
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| Soweit die Kläger darüber hinaus die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Asylanerkennung sowie die Zuerkennung des subsidiären Schutzes und die Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG beantragt haben, dringen sie mit diesem Klagebegehren hingegen nicht durch, § 113 Abs. 5 VwGO. Zwar steht der Zulässigkeit dieses Klagegegenstands nach der jüngsten Entscheidung des EuGH in der Rs. „Hamed und Omar“ (Beschluss vom 13.11.2019 - C-540/17 - juris) nicht entgegen, dass den Klägern bereits in Italien internationaler Schutz in Gestalt der Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde (ablehnend noch BVerwG, Beschluss vom 17.04.2019 - 1 C 2/17 - juris Rn. 24). Dennoch kommt ein Verpflichtungsausspruch dergestalt, dass die Beklagte den Klägern die begehrten Schutztatbestände bzgl. Nigeria zuerkennen müsste, derzeit (noch) nicht in Betracht. Denn ein Durchentscheiden seitens des Gerichts im Falle der Überprüfung einer auf § 29 Abs. 1 AsylG gestützten Unzulässigkeitsentscheidung ist nicht vorgesehen und kann damit nicht zulässigerweise begehrt werden. Gegenstand der vorliegenden Klage ist „lediglich“ eine Unzulässigkeitsentscheidung und keine materielle Entscheidung über den Asylantrag der Kläger. Zulässigerweise kann diese Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts nur mit der Anfechtungsklage angegriffen werden. Im Erfolgsfalle (wie hier) ist das Bundesamt daher verpflichtet, das Asylverfahren neu aufzurollen (und die Kläger entweder in das nationale Verfahren zu überführen oder eine erneute Unzulässigkeitsentscheidung zu treffen). Das Gericht erachtet die vorliegende Verfahrenskonstellation in etwa mit jener als vergleichbar an, in der eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG getroffen wird. Auch in diesem Fall kommt ein Verpflichtungsausspruch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht in Betracht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4/16 - juris Rn. 16). Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass mit Italien ein Mitgliedstaat die Feststellung zum internationalen Schutz bereits positiv getroffen hat. Denn dies mag nahelegen, dass auch das Bundesamt derart verfährt (bzw. zu verfahren hat), wenn eine Rücküberstellung nach Italien aufgrund der dort drohenden Verletzung in Art. 4 GRCh ausscheiden muss (dazu sogleich). Zwingend ist dies aber nicht; vielmehr kann das Bundesamt auch eine neue Unzulässigkeitsentscheidung treffen, etwa indem es einen anderen Mitgliedstaat ausfindig macht, dessen Zuständigkeit für die Wiederaufnahme der Kläger es als vorrangig erachtet (in diesem Sinne in den „normalen“ Dublin-Konstellationen auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.07.2019 - A 4 S 749/19 - juris Rn. 39) oder indem es eine individuelle Garantieerklärung Italiens beibringt, die eine Rücküberstellung der vulnerablen Kläger dorthin ermöglichen könnte. Insoweit hat die Klage mithin keinen Erfolg. |
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| Sowohl die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziff. 1 als auch die Abschiebungsandrohung in Ziff. 3 des angegriffenen Bescheids sind vorliegend rechtswidrig. Dies führt zur Aufhebung des gesamten Bescheids. |
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| Zwar dürfte das Bundesamt die Unzulässigkeitsentscheidung bei formaler Betrachtungsweise zu Recht auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützt haben, weil den Klägern in Italien ausweislich der Mitteilung der italienischen Behörden internationaler Schutz in Gestalt der Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden war. Gleiches gilt für die auf § 35 AsylG gestützte Abschiebungsandrohung. |
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| Dem Erlass einer Unzulässigkeitsentscheidung auf der Grundlage von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, der seinerseits auf Art. 33 Abs. 2 Buchst. a) der Aufnahme-Richtlinie 2013/32/EU basiert, sowie der diesbezüglichen Abschiebungsandrohung steht es jedoch entgegen, wenn die Lebensverhältnisse, die den von der Rückkehrentscheidung Betroffenen in dem anderen Mitgliedstaat als anerkannter Flüchtling erwarten würden, der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta zu erfahren (EuGH, Beschluss vom 19.11.2019 – C-540/17 – juris Rn. 31, 35). Mit anderen Worten kommt eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nur dann in Betracht, wenn dem Betroffen keine Verletzung in Art. 4 GRCh droht. Dies gilt nach der Diktion des Europäischen Gerichtshofs, welche er bereits in seinen Urteilen vom 19.03.2019 „Jawo“ (Rs. C-163/17 - juris Rn. 87 ff.) und „Ibrahim“ (Rs. C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 - juris Rn. 87) festgelegt hat, nicht nur für sog. „Dublin-Fälle“ im Anwendungsbereich der Dublin III-VO (für die insoweit mit dem Instrument des Selbsteintrittsrechts in Art. 17 der Dublin III-VO ein entsprechendes Verfahren besteht), sondern auch in sog. Anerkannten-Fällen (wie dem vorliegenden). Denn für die Anwendung von Art. 4 GRCh ist es gleichgültig, ob es zum Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss dazu kommt, dass die betreffende Person einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, eine solche Behandlung zu erfahren. |
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| Hiervon ausgehend kommt die Rücküberstellung der Kläger nach Italien nicht (mehr) in Betracht. Denn die Kläger sind insgesamt als vulnerable Personen im Sinne der Tarakhel-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - 29217/12 - Tarakhel - NVwZ 2015, 127) anzusehen, weshalb für sie ausweislich der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.10.2019 (Az. 2 BvR 1380/19 - juris Rn. 16) eine individuelle Garantieerklärung seitens der italienischen Behörden hinsichtlich der Wiederaufnahme, Unterbringung und medizinischen Versorgung erforderlich ist. Eine solche individuelle Garantieerklärung wurde seitens des Bundesamts nicht vorgelegt. In Ermangelung einer solchen ist die Rücküberstellung der Kläger nach Italien derzeit für diese unzumutbar. Denn bei den Klägern Ziff. 2 und 3 handelt es sich um Kleinkinder, die in den sachlichen Anwendungsbereich der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie des Bundesverfassungsgerichts fallen und somit als vulnerabel anzusehen sind. Selbiges gilt damit zugleich für die Klägerin Ziff. 1, die die Personensorge für die Kläger Ziff. 2 und 3 ausübt und für die somit dieselben Anforderungen gelten müssen. |
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| Mit der Unzulässigkeitsentscheidung ist zugleich die in Ziff. 3 des angegriffenen Bescheids verfügte Abschiebungsandrohung aufzuheben. Denn ihr ist durch die Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung die (rechtliche) Grundlage entzogen. Selbiges gilt für die Ablehnung der Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 bzw. 7 S. 1 AufenthG, wie sich im Umkehrschluss aus § 31 Abs. 3 S. 1 AsylG ergibt. Insoweit ist es auch nicht (mehr) erforderlich, die Beklagte zur Feststellung eines Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 5 bzw. 7 S. 1 AufenthG bezogen auf Italien zu verpflichten (losgelöst von der Frage, ob dies angesichts der abgelehnten Möglichkeit eines Durchentscheidens überhaupt in Betracht kommt). Denn mit der Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung und der diesbezüglichen Abschiebungsandrohung ist die Pflicht der Kläger, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen und nach Italien zurückzukehren, weggefallen. Eine Rückkehrpflicht nach Italien besteht für die Kläger mithin (derzeit) nicht (mehr). Den Klägern fehlte es insofern mithin an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis an einem solchen Verpflichtungsausspruch. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG. Angesichts des Verhältnisses der Streitgegenstände zueinander (Aufhebungs- und Verpflichtungsantrag) erscheint dem Gericht eine hälftige Kostenentscheidung ermessensgerecht. |
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