Beschluss vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - 3 K 2476/20

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

 
1. Die Antragstellerin ist Beteiligte eines Organstreitverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht (2 BvE 1/19). Das Bundesverfassungsgericht hat angekündigt, am Dienstag, den 09.06.2020 um 10:00 Uhr, sein Urteil zu verkünden. Die Antragstellerin wendet sich nunmehr im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Praxis des Bundesverfassungsgerichts, die Mitglieder der ..., eines privaten Vereins von Journalistinnen und Journalisten, bereits vor der Verkündung über den Inhalt der Entscheidung in Kenntnis zu setzen. Das Bundesverfassungsgericht ist dem Antrag entgegengetreten.
2. Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen.
Die Antragstellerin hat die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht, denn die streitgegenständliche Veröffentlichung steht unmittelbar bevor. Ein Anordnungsanspruch ist auf Grundlage ihres Vorbringens hingegen nicht mit dem mit Blick auf die Vorwegnahme der Hauptsache (BVerwG, Urteil vom 18.04.2013 – 10 C 9/12 – juris Rn. 22 (m.w.N.) gebotenen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad zu erkennen.
Die Antragstellerin vermag sich nicht auf § 30 Abs. 1 Satz 3 BVerfGG oder § 30 Abs. 3 BVerfGG zu berufen. Nach diesen Normen hat das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidungen, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, unter Mitteilung der wesentlichen Entscheidungsgründe öffentlich zu verkünden. Hat hingegen keine mündliche Verhandlung stattgefunden, so ist die Entscheidung den Beteiligten bekannt zu geben (vgl. auch Grünewald, in BeckOK BVerfGG, 8. Edition, § 30 Rn. 16). Hiernach besteht erkennbar die Verpflichtung des Bundesverfassungsgerichts, seine Entscheidungen unter bestimmten Umständen öffentlich zu verkünden, andernfalls bekannt zu machen. Erst die Wahrung dieser Formvorschriften lässt die Entscheidungen in der erforderlichen Weise wirksam werden. Hingegen stehen diese Normen einer Praxis nicht erkennbar entgegen, nach der ein ausgewählter Kreis an Journalistinnen und Journalisten bereits vor dem Zeitpunkt der öffentlichen Verkündung oder sonstigen Bekanntmachung über den Inhalt der Entscheidung in Kenntnis gesetzt wird.
Die Antragstellerin könnte sich auch nicht mit Erfolg auf § 32 Abs. 1 GO-BVerfGG berufen. Danach bedürfen amtliche Informationen über ergangene Entscheidungen der Billigung des berichterstattenden Mitglieds des Senats und des oder der Vorsitzenden und dürfen erst veröffentlicht werden, wenn anzunehmen ist, dass die Entscheidung den Prozessbeteiligten zugegangen ist. Zwar könnten Zweifel an der Vereinbarkeit der von der Antragstellerin angegriffenen Praxis mit den aus dieser Norm folgenden Vorgaben bestehen, weil danach möglicherweise amtliche Informationen zu einem Zeitpunkt veröffentlicht werden, zu dem die Entscheidung den Prozessbeteiligten noch nicht zugegangen sein kann. Allerdings handelt es sich bei der Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts lediglich um Binnenrecht, auf dessen Wahrung die Antragstellerin sich nicht berufen kann.
Auch eine Betroffenheit der Antragstellerin in den ihr als politische Partei nach dem Grundgesetz oder sonst zustehenden Rechten ist nicht zu erkennen. Dies gilt insbesondere, soweit sie sich pauschal auf die Grund- und Menschenrechte und – ebenfalls pauschal – speziell auf die grundrechtsgleichen justizbezogenen Rechte bezieht. Dies gilt ferner, soweit sie sich auf eine Verzerrung des politischen Wettbewerbs bezieht. Die beanstandete Praxis des Bundesverfassungsgerichts sieht, soweit erkennbar, eine Bekanntgabe lediglich gegenüber in der ... organisierten Journalistinnen und Journalisten vor, mit denen ein solcher Wettbewerb nicht besteht. Sie erfolgt hingegen nicht gegenüber den Angehörigen anderer politischer Parteien, mit denen die Antragstellerin sich in einem entsprechenden Wettbewerb befindet.
Schließlich vermag die Antragstellerin sich weder auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht der „für sie auftretenden natürlichen Personen“ zu berufen, noch könnte sie eine mögliche Beeinträchtigung anderer Journalistinnen und Journalisten in der diesen gegenüber jeweils zu gewährleistenden Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, ggf. in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG, geltend machen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Der Streitwert ergibt sich aus § 52 Abs. 2 GKG. Eine Halbierung des Streitwertes war entgegen Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 nicht angezeigt, weil das Begehren auf eine vollständige Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist (Nr. 1.5 Satz 2 Streitwertkatalog).

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