Beschluss vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - 2 K 1838/21

Tenor

1. Die Anträge werden abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich behält.

3. Der Streitwert wird auf 15.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle und die Untersagung ihres weiteren Betriebs.
Die Antragstellerin betreibt seit dem 15.10.2020 in der xxx eine Wettvermittlungsstelle. Sie vermittelt dort Sportwetten der Beigeladenen.
Die Beigeladene beantragte mit Schreiben vom 25.11.2020, beim Antragsgegner eingegangen am 18.12.2020, sowie ergänzt mit Schreiben vom 15.01.2021 und 18.02.2021, für die Antragstellerin die Erteilung einer Erlaubnis nach § 20 LGlüG.
Innerhalb eines Umkreises von 500 m Luftlinie um die Wettvermittlungsstelle der Antragstellerin befinden sich drei weitere Wettvermittlungsstellen, welche bereits vor dem 03.04.2020 in Betrieb genommen wurden und gewerberechtlich angemeldet sind (xxx). Zudem befinden sich in 500 m Luftlinie mehrere Einrichtungen für Kinder und Jugendliche (xxxGymnasium, xxx xxxGymnasium, xxx xxxGymnasium, xxx).
Das Regierungspräsidium Karlsruhe lehnte den Erlaubnisantrag der Antragstellerin mit Bescheid vom 26.04.2021 ab (Ziff. 1), untersagte ihr den weiteren Betrieb der Wettvermittlungsstelle und ordnete die unverzügliche Einstellung der nicht erlaubten Tätigkeiten an (Ziff. 2 und 3). Für den Fall, dass die Antragstellerin ihren Verpflichtungen aus Ziffer 2 und 3 der Verfügung nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung der Verfügung nachkomme, drohte der Antragsgegner ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro an (Ziff. 4). Zur Begründung verwies das Regierungspräsidium auf das Abstandsgebot nach § 20b LGlüG und den danach zu anderen Wettvermittlungsstellen einzuhaltenden Abstand. Der Erlaubniserteilung stehe ein zwingender Versagungsgrund entgegen. Da die Wettvermittlungsstelle erst zum 15.10.2020 in Betrieb genommen worden sei, komme ihr kein Bestandsschutz zu. Nach Ablehnung der Erlaubnis sei der vorhandene Glücksspielbetrieb nicht erlaubt, sodass seine Schließung erfolgen müsse. Ein weniger einschneidendes Mittel, die unerlaubte Vermittlung der Sportwetten zu unterbinden, gebe es nicht.
Die Antragstellerin hat am 11.05.2021 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage (Az. 2 K 1747/21) gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 26.04.2021 erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
Die Antragstellerin hat am 18.05.2021 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen darauf, dass die Abstandsgebote des Landesglücksspielgesetzes verfassungs- und unionsrechtswidrig seien. Die Antragstellerin werde durch die Versagung der Erlaubnis in ihren Rechten aus Art. 49, 56, 57 AEUV, Art. 20 und 21 Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG verletzt.
Die Abstandsgebote stellten sich als unverhältnismäßig und inkohärent dar. Die Antragstellerin verweist dabei unter anderem darauf, dass Wettvermittlungsstellen weniger gefährlich seien als Spielhallen und sich die Abstandsgebote dennoch an den Regelungen für Spielhallen orientierten. Es gebe auch keine wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit von Abstandsvorgaben. Jedenfalls mit der Zulassung von Online-Glücksspiel verlören sie ihre Wirksamkeit. Zudem sei es inkonsistent, Spielgeräte in Gaststätten, Pferdewettlokale, Lotto- und Oddsetannahmestellen ohne Abstandsgebote zuzulassen. Kinder und Jugendliche kämen ferner online ohnehin mit Glücksspielangeboten in Kontakt und seien permanent entsprechender Werbung ausgesetzt. In Baden-Württemberg würden zudem die strengsten Abstandsvorgaben gelten und zwar ohne die erforderliche Differenzierung zwischen Wettbüros mit Live-Wettangeboten und Tippannahmestellen ohne Live-Wettangebot. Das Verfahren zur Erteilung von Erlaubnissen für Wettvermittlungsstellen sei unionsrechtswidrig. Dies führe dazu, dass keine einzige Annahmestelle erlaubnisfähig sei. Die fehlende Erlaubnis wie auch das Fehlen früherer Erlaubnisanträge könne in Ermangelung eines unionsrechtskonformen Auswahlverfahrens nicht zum Vorwurf gemacht werden. Ferner müsse eine additive Eingriffsbetrachtung vorgenommen werden. Der Gesetzgeber verkenne die verfassungsrechtlichen und unionsrechtlichen Grenzen bei legislativen Prognoseentscheidungen. Vor allen Dingen verkenne er die rechtliche Bedeutung des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes im Bereich des Spieler- und Jugendschutzes, der Bindungswirkung einmal getroffener legislativer Gefahreneinschätzungen und die Konsequenzen des Marktverhaltens staatlicher Glücksspielanbieter. Ein Anordnungsgrund liege vor, da die Schließung bis zur erneuten Entscheidung im Erlaubnisverfahren einer endgültigen Schließung gleichkomme. Wettkunden würden zu anderen Angeboten abwandern. Fixkosten für Miete, Mitarbeiter und Tilgung der Investitionskosten sowie laufende Betriebskosten stellten erhebliche Belastungen dar.
Die Antragstellerin beantragt,
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1. die aufschiebende Wirkung der beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhobenen Klage 2 K 1747/21 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 26.04.2021 anzuordnen bzw. wiederherzustellen.
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2. den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Betrieb der Wettvermittlungsstelle vorläufig bis zur Entscheidung über die bereits erhobene Klage, jedenfalls aber bis zu einer erneuten Bescheidung des Erlaubnisantrags für die Wettvermittlungsstellenerlaubnis, zu dulden.
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Der Antragsgegner beantragt,
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die Anträge abzuweisen.
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Zur Begründung verweist er auf die nach § 20b Abs. 1 und Abs. 2 LGlüG einzuhaltenden Abstände. Die Regelungen dienten der Glücksspielsuchtprävention und -bekämpfung. Gründe des Jugend- und Spielerschutzes rechtfertigten die damit verbundenen Grundrechtseingriffe. Aus diesem Grund seien auch etwaige Eingriffe in die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit gerechtfertigt. Es fehle jedoch insoweit bereits an dem erforderlichen grenzüberschreitenden Sachverhalt. Sinn und Zweck des Landesglücksspielgesetzes sei, die Zahl der Wettvermittlungsstellen zu begrenzen (§ 10a Abs. 4 GlüStV). Die Kohärenz mit Internetangeboten werde dadurch sichergestellt, dass das parallele Spiel bei verschiedenen Anbietern über eine Aktivitätsdatei verhindert werde. Bestandsschutz komme der Antragstellerin nicht zu. Die geplante Gesetzesänderung sei der Antragstellerin zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Wettvermittlungsstelle bekannt gewesen; die Antragstellerin sei wissentlich das damit verbundene wirtschaftliche Risiko eingegangen. Aus diesen Gründen fehle es auch an einem Anordnungsgrund.
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Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
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Dem Gericht lag die Verwaltungsakte des Regierungspräsidiums Karlsruhe vor. Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird hierauf und auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.
II.
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Die Anträge haben keinen Erfolg.
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1. Der – nach den Umständen im vorliegenden Fall zunächst in den Blick zu nehmende – Antrag Ziffer 2 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Duldung des Betriebs der Antragstellerin bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren über den Antrag auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
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Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung hierfür ist, dass der Antragsteller glaubhaft macht, dringend auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung angewiesen zu sein (Anordnungsgrund) und ferner einen materiellen Anspruch auf die begehrte Maßnahme zu haben (Anordnungsanspruch).
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a) Es fehlt hier bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrunds.
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Der Antragsgegner hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin ihren Betrieb bereits zum 15.10.2020 aufgenommen hat. Sie stellte ihren Antrag auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis zudem erst am 18.12.2020 und reichte hierzu am 25.01.2021 und mit Schreiben vom 18.02.2021 weitere Unterlagen ein. Der Gesetzentwurf zur beabsichtigten Neuregelung der Abstandsregelungen für Wettvermittlungsstellen, in dem das Abstandsgebot gemäß § 20b Abs. 1 LGlüG schon vorgesehen war, wurde im Beteiligungsportal des Landes Baden-Württemberg demgegenüber bereits am 03.04.2020 veröffentlicht. Der in den Landtag eingebrachte Gesetzentwurf der Landesregierung (LT-Drucks. 16/9488) datiert auf den 08.12.2020, der Gesetzesbeschluss des Landtags erfolgte am 03.02.2021, die Veröffentlichung im Gesetzblatt für Baden-Württemberg erfolgte am 15.02.2021. Vor dem Hintergrund dieser zeitlichen Abläufe kann sich die Antragstellerin nicht darauf berufen, dass sie mit der Einstellung ihres Betriebs erhebliche wirtschaftliche Einbußen befürchten müsse. Denn sie hat jedenfalls aufgrund der verspäteten Stellung ihres Antrags auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis und der nicht vollständigen Einreichung der erforderlichen Unterlagen das Risiko einer abschlägigen Entscheidung aufgrund der Neuregelung des § 20b LGlüG in Kauf genommen. Dieses wirtschaftliche Risiko hätte sie mit einer rechtzeitigen Stellung eines Erlaubnisantrags sowie des Abwartens einer Entscheidung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vor Aufnahme ihres Betriebs vermeiden können. Eine besondere Dringlichkeit, welche den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen könnte, lässt sich aus den wirtschaftlichen Folgen mit Blick auf den vorzeitig von der Antragstellerin ohne die erforderliche Erlaubnis aufgenommenen Betrieb daher nicht ableiten.
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b) Es fehlt zudem an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs, da der Betrieb der Antragstellerin materiell voraussichtlich nicht erlaubnisfähig ist.
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Der begehrten Erlaubniserteilung steht einfachrechtlich jedenfalls die Abstandsvorgabe des § 20b Abs. 1 Satz 1 LGlüG entgegen. Danach ist von Wettvermittlungsstellen zu einer bestehenden Einrichtung zum Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen ein Mindestabstand von 500 m Luftlinie einzuhalten. Das Abstandsgebot findet nach § 20b Abs. 1 Satz 2 LGlüG keine Anwendung, soweit die die Wettvermittlungsstelle betreibende Person bis zum 03.04.2020 nachweisbar die Wettvermittlungsstelle betrieben und den Betrieb bei der zuständigen Gewerbebehörde angezeigt hat.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20b Abs. 1 LGlüG liegen vor. Die Wettvermittlungsstelle der Antragstellerin wurde vor dem 04.04.2020 nicht betrieben. Sie befindet sich zudem (deutlich) innerhalb von 500 m Luftlinie zu drei verschiedenen Gymnasien der Stadt Pforzheim. Dies wird von der Antragstellerin auch nicht in Abrede gestellt.
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Entgegen der Auffassung der Antragstellerin verstößt die Abstandsvorgabe des § 20b Abs. 1 Satz 1 LGlüG aller Voraussicht nach auch nicht gegen höherrangiges Recht. Auf die Vereinbarkeit des Betriebs der Antragstellerin mit § 20b Abs. 2 LGlüG, der einen Mindestabstand der Wettvermittlungsstellen untereinander von 500 m vorgibt, kommt es daher nicht mehr an.
26 
aa) Soweit die Antragstellerin geltend macht, das Abstandsgebot des § 20b Abs. 1 Satz 1 LGlüG verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG, greifen ihre Einwände nicht durch.
27 
(1) Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Norm ist nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht bzw. den Landesverfassungsgerichten vorbehalten. Vorläufiger Rechtsschutz kann zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes unter Umständen zwar auch ohne die im Hauptsacheverfahren erforderliche Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG gewährt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.06.1992 - 1 BvR 1028/91 -, BVerfGE 86, 382 = NJW 1992, 2749; BVerfG, Beschl. v. 15.12.2011 - 2 BvR 2362/11 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 17.06.2013 - 6 S 857/13 -, juris Rn. 4). Das Bundesverfassungsgericht hat dies jedoch unter anderem an die Voraussetzung geknüpft, dass die Hauptsacheentscheidung nicht vorweggenommen wird. Eine solche Vorwegnahme der Hauptsache liegt mit der von der Antragstellerin begehrten Duldung ihres Betriebes jedoch vor, da der Betrieb der Wettvermittlung – unabhängig von dem Rechtscharakter der begehrten Duldung – dann fortgeführt würde und der durch die Abstandsvorgaben beabsichtigte Spieler- und Jugendschutz nicht mehr gewährleistet wäre.
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(2) Ob Art. 19 Abs. 4 GG in einem solchen Fall dennoch die Möglichkeit zur Gewährung von Eilrechtsschutz durch das Verwaltungsgericht bei gleichzeitiger Aussetzung des Verfahrens und Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG ermöglicht (vgl. Schenke, JuS 2017, 1141 [1147]), bedarf hier keiner Entscheidung, da das Gericht nicht die erforderliche Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des § 20b Abs. 1 und Abs. 2 LGlüG gewonnen hat. Selbst bei im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG noch weiter zurückgenommenen Anforderungen an die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes unter faktischer Aussetzung einer gesetzlichen Regelung, würden mit Blick auf die grundsätzlich ausschließliche Verwerfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts allenfalls besonders schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes rechtfertigen (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 04.04.2007 - 19 CS 07.396 -, juris Rn. 31 f.). Diese Voraussetzungen sind ebenfalls nicht erfüllt.
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(3) Das Gericht hat keine – erst recht keine besonders schwerwiegenden – Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des § 20b Abs. 1 LGlüG. Der Landesgesetzgeber hat mit den Regelungen des § 20b Abs. 1 (und Abs. 2) LGlüG die für Spielhallen geltenden Abstandsregeln auch für Wettvermittlungsstellen übernommen. Die für Spielhallen geltenden Abstandsvorgaben von 500 m gemäß § 42 LGlüG sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 03.05.2017 - 6 S 306/16 -, ZfWG 2017, 416 = juris Rn. 32 unter Bezugnahme auf StGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17.06.2014 - 1 VB 15/13 -, juris und BVerfG, Beschl. v. 07.03.2017 - 1 BvR 1314/12 -, BVerfGE 145, 20), der das Gericht folgt, verfassungsgemäß. Entsprechendes gilt jedenfalls für die Abstandsgebote für Wettvermittlungsstellen gemäß § 20b Abs. 1 LGlüG aufgrund der Nähe zu Einrichtungen zum Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen.
30 
(a) Das Abstandsgebot stellt zwar – ebenso wie die Abstandsgebote für Spielhallen – einen Eingriff in die Berufsfreiheit der betroffenen Unternehmen nach Art. 12 Abs. 1 GG dar (vgl. zu Schutzbereich und Maßstab: BVerfG, Beschl. v. 07.03.2017 - 1 BvR 1314/12 -, BVerfGE 145, 20 = juris Rn. 131).
31 
(b) Dieser Eingriff ist jedoch – selbst bei einer hier eher fernliegenden Einstufung als objektive Berufszugangsregelung – noch gerechtfertigt und insbesondere verhältnismäßig. Er dient einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck (aa) und ist im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet (bb) sowie erforderlich (cc), um diesen Zweck zu erreichen. Die betroffenen Grundrechtsträger werden dadurch nicht unangemessen belastet (dd).
32 
(aa) Das Abstandsgebot gemäß § 20b Abs. 1 LGlüG dient, wie auch im Bereich der Spielhallen, der Vermeidung und Abwehr der vom Glücksspiel in Wettvermittlungsstellen ausgehenden Suchtgefahren und dabei insbesondere dem Schutz von Kindern und Jugendlichen. Dies ist ein hochrangiges Gemeinwohlziel, da Spielsucht zu schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen, ihre Familien und die Gemeinschaft führen kann. Neben der staatlichen Pflicht zum Schutz der Gesundheit seiner Bürger – verfassungsrechtlich verankert in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG – ist dabei vor allem das Recht der betroffenen Kinder- und Jugendliche auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG berührt. Kinder selbst haben ein aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitetes, gegen den Staat gerichtetes Recht auf Unterstützung und Förderung bei ihrer Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit in der sozialen Gemeinschaft; der Staat muss dabei diejenigen Lebensbedingungen sichern, die für ihr gesundes Aufwachsen erforderlich sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 971/21, 1 BvR 1069/21 -, NJW 2022, 167 <169 Rn. 45> sowie auch Art. 2a und Art. 13 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg).
33 
(bb) Das Abstandsgebot nach § 20b Abs. 1 LGlüG ist auch geeignet zur Erreichung dieses Ziels. Für die Eignung reicht es aus, wenn durch die gesetzliche Regelung der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es genügt bereits die Möglichkeit einer Zweckerreichung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.06.2020 - 1 BvR 1679/17 -, BVerfGE 155, 238 = juris Rn. 102 stRspr). Das Abstandsgebot zu Kinder- und Jugendeinrichtungen reduziert jedenfalls den Kontaktraum von Kinder- und Jugendlichen zu Wettvermittlungsangeboten und erhöht damit den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den vom Glücksspiel in Wettvermittlungsstellen ausgehenden Suchtgefahren. Dass Kinder und Jugendliche auch auf andere Weise Wettspielangeboten – die von der Antragstellerin angeführten Beispiele betreffen im terrestrischen Bereich ohnehin fast ausschließlich andere Bundesländer – ausgesetzt sind, stellt die Eignung des Abstandsgebots nicht in Frage; dies auch deshalb, weil das Abstandsgebot des § 20b Abs. 1 LGlüG – zulässigerweise typisierend – den öffentlichen Raum betrifft, in dem sich Kinder und Jugendliche zwangsläufig und nahezu täglich aufhalten müssen. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang rügt, dass das Abstandsgebot für Annahmestellen staatlicher Anbieter und Gaststätten mit Glücksspielangebot nicht greift, stellt dies die Eignung der gegenüber Wettvermittlungsstellen ergriffenen Maßnahmen nicht in Frage, da den Glücksspielangeboten in Gaststätten wie auch in Annahmestellen staatlicher Anbieter schon aufgrund der Einbettung in das Hauptleistungsangebot der Annahmestellen und Gaststätten aufgrund der dort bestehenden sozialen Kontrolle eine andere Qualität zukommt und das Abstandsgebot für Wettvermittlungsstellen jedenfalls zu einer deutlichen Reduzierung des Angebots in der Nähe von Einrichtungen für Kinder- und Jugendliche führt. Die Eignung wird auch nicht durch die „Bestandsschutzregelung“ des § 20b Abs. 1 Satz 2 LGlüG in Frage gestellt, da hierdurch nach den – von der Antragstellerin nicht substantiiert angegriffenen – Erwägungen der Gesetzesbegründung ein schlüssiges und nachvollziehbares Konzept zur schrittweisen Verbesserung des Kinder- und Jugendschutzes umgesetzt wird (vgl. LT-Drucks. 16/9488, S. 27 f.).
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(cc) Die Regelung des § 20b Abs. 1 LGlüG ist auch erforderlich zur Erreichung des verfolgten Ziels. Grundrechtseingriffe dürfen nicht weitergehen, als es der Schutz des Gemeinwohls erfordert. Daran fehlt es, wenn ein gleich wirksames Mittel zur Erreichung des Gemeinwohlziels zur Verfügung steht, das den Grundrechtsträger weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahmen zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen (BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 -, NJW 2022, 139 <154 Rn. 203> stRspr). Mildere Mittel in diesem Sinn sind hier nicht ersichtlich. Auch die Antragstellerin vermag trotz ihres umfangreichen Vorbringens ein solches nicht zu benennen. Insbesondere die von der Antragstellerin vorgeschlagene „neutrale“ Gestaltung der Schaufenster der Wettvermittlungsstellen würde nichts an dem von ihnen ausgehenden „Reiz des Verbotenen“ (vgl. die Zutrittsverbote für Personen unter 18 Jahren § 20c Abs. 1 Satz 1 LGlüG sowie LT-Drucks. 16/9488, S. 27) und der im alltäglichen Leben in der Umgebung von Kinder- und Jugendeinrichtungen erfahrbaren Verfügbarkeit des Wettangebots (vgl. LT-Drucks. 16/9488, S. 27) ändern und stellt sich damit nicht als gleich wirksam wie das Abstandsgebot dar.
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(dd) Der Eingriff in die Berufsfreiheit der von dem Abstandsgebot betroffenen Unternehmen erweist sich auch als angemessen. Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordern, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in einer Abwägung Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits der Bedeutung der Regelung für die Erreichung legitimer Ziele andererseits gegenüberzustellen. Um dem Übermaßverbot zu genügen, müssen hierbei die Interessen des Gemeinwohls umso gewichtiger sein, je empfindlicher die Einzelnen in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden. Umgekehrt wird gesetzgeberisches Handeln umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können. Bei der Prüfung der Angemessenheit – wie auch bei der Prüfung der Eignung und Erforderlichkeit einer Maßnahme – besteht grundsätzlich ein Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers. Die verfassungsrechtliche Prüfung bezieht sich dann darauf, ob der Gesetzgeber seinen Einschätzungsspielraum in vertretbarer Weise gehandhabt hat. Bei der Kontrolle prognostischer Entscheidungen setzt dies wiederum voraus, dass die Prognose des Gesetzgebers auf einer hinreichend gesicherten Grundlage beruht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 -, NJW 2022, 139 <155 Rn. 216>).
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Danach erweist sich das Abstandsgebot zu Einrichtungen für den Aufenthalt von Kinder und Jugendlichen als angemessen. Es dient wie bereits ausgeführt dem Schutz eines besonders hochrangigen Rechtsguts, der Gesundheit von Kinder- und Jugendlichen und ihrer freien Persönlichkeitsentwicklung.
37 
Die Einschätzung des Landesgesetzgebers zum Risikopotential des Glücksspielangebots von Wettvermittlungsstellen ist in diesem Zusammenhang nicht offensichtlich fehlerhaft und bewegt sich noch innerhalb des Einschätzungs- und Prognosespielraums des Gesetzgebers. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich – trotz (formeller) Illegalität – ein deutlicher Anstieg der Zahl der Wettvermittlungsstellen in Baden-Württemberg zwischen Dezember 2012 und Dezember 2019 von 658 auf 851 Wettvermittlungsstellen (vgl. LT-Drucks. 16/9488, S. 18). Zugleich zeigen die Angaben des Deutschen Sportwettenverbands, in dem ein Großteil der Anbieter von Sportwetten organisiert ist, eine rasante Marktentwicklung des Sportwettenmarkts mit jährlichen Umsatzzuwächsen zwischen 2014 und 2020 trotz Corona-Pandemie von ca. 11 % (https://dswv.de/sportwettenmarkt-in-deutschland-bricht-umsatzrekorde/; https://dswv.de/markt/). Der Landesgesetzgeber hat auch erkannt, dass das Risikopotential in Spielhallen deutlich höher ist als bei terrestrisch angebotenen Sportwetten, ihnen aber dennoch ein nach wie vor gewichtiges Risikopotential zukommt (vgl. ausführlich LT-Drucks. 16/9488, S. 16 ff.). Hiervon geht auch der von der Antragstellerin mehrfach angeführte Forschungsbericht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus (vgl. z.B. BZgA, Forschungsbericht Glücksspielsurvey 2019, S. 84). Auch wenn die Antragstellerin dieses Risikopotential nach ihrer Einschätzung – anders als das erkennende Gericht – nicht bzw. nur in geringem Umfang als regulierungsbedürftig ansieht, stellt sie doch das Vorhandensein des Risikopotentials substantiiert nicht in Frage.
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Aufgrund dieses Risikopotentials, der erheblichen Zuwachsraten in diesem Bereich und der ganz gewichtigen Folgen, die mit der Glücksspielsucht sowohl für den Einzelnen wie auch die Gesellschaft verbunden sind, ist es aus Sicht des Gerichts nicht zu beanstanden, die Zahl der Wettvermittlungsstellen im Land durch die Einführung von Abstandsgeboten weiterhin auf die bereits im Landesglücksspielgesetz in der Fassung vom 01.12.2015 vorgesehene Zahl von 600 zu begrenzen (vgl. § 20 Abs. 2 LGlüG i.d.F. v. 01.12.2015 und LT-Drucks. 16/9488, S. 15 f., 19) und bei der räumlichen Verteilung der Wettvermittlungsstellen insbesondere deren Abstand zu Einrichtungen zum Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen zu berücksichtigen.
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Dabei ist maßgeblich in den Blick zu nehmen, dass das Abstandsgebot nach § 20b Abs. 1 LGlüG Kinder und Jugendliche typischerweise in einer Gruppensituation – hier insbesondere ihrem gemeinsamen Schulweg bzw. der gemeinsamen Freizeitgestaltung – schützt und damit auch einen maßgeblichen Beitrag leistet, das Entstehen einer Gruppendynamik hinsichtlich der (für sie illegalen) Nutzung von und der Gewöhnung an Sportwetten zu verhindern. Hinzu kommt, dass Kinder und Jugendliche dem Umfeld schulischer Einrichtungen schon aufgrund der Schulpflicht zwingend ausgesetzt sind und es insoweit gerade nicht in der Hand der Erziehungsberechtigten liegt, durch Regulierung des Medienkonsums sowie Beaufsichtigung des Freizeitverhaltens der Kinder und Jugendlichen sicherzustellen, dass das Wettangebot nicht als alltäglich – und damit in gewissem Sinn als sozial üblich und ungefährlich – wahrgenommen wird. Das Angebot der Wettvermittlungsstellen betrifft zudem einen für Kinder und Jugendliche besonders relevanten und attraktiven Lebensbereich, da es sich auf Sportereignisse bezieht, welche schon aufgrund eigener sportlicher Aktivitäten der Kinder und Jugendlichen erheblichen Bezug zu ihrem Alltag aufweisen. Damit geht eine besondere Gefahr der Bagatellisierung und Unterschätzung der Gefahren des Glücksspielangebots von Wettvermittlungsstellen einher.
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Der durch den Landesgesetzgeber gewählte Abstand von 500 m zu Einrichtungen zum Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen stellt sich jedenfalls vor dem Hintergrund der damit zugleich beabsichtigten gleichmäßigen Verteilung der Wettvermittlungsstellen über die Landesfläche auch als sachgerecht dar. Soweit die Antragstellerin wohl meint, dass mit den Abstandsgeboten nach § 20b Abs. 1 und Abs. 2 LGlüG eine bedarfsgerechte Versorgung mit Wettvermittlungsstellen nicht gewährleistet werde, überzeugt dies schon deshalb nicht, weil sie nicht vorträgt, welche Dichte von Wettvermittlungsstellen aus ihrer Sicht eine bedarfsgerechte Versorgung – sofern eine solche mit Blick auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen überhaupt ein anzustrebendes Ziel darstellt (zur Bekämpfung der Spielsucht als wichtiges Gemeinwohlziel vgl. BVerfG, Beschl. v. 07.03.2018 - 1 BvR 1314/12 u.a. -, BVerfGE 145, 20 = juris Rn. 133) – sicherstellen würde. Bei einer Gesamtzahl von 600 Wettvermittlungsstellen versorgt eine Wettvermittlungsstelle rein rechnerisch ca. 15.500 erwachsene Einwohner des Landes Baden-Württemberg. Bei zusätzlicher Berücksichtigung der 12-Monats-Gesamtprävalenz von Sportwetten in der Bevölkerung, welche nach dem von der Antragstellerin maßgeblich in Bezug genommenen Forschungsbericht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (vgl. BZgA, Forschungsbericht Glücksspielsurvey 2019, S. 150) maximal 2,2 % betragen soll, resultiert daraus sogar eine Versorgungsdichte von einer Wettvermittlungsstelle zu ca. 341 erwachsenen Einwohnern des Landes Baden-Württemberg, welche innerhalb der letzten 12 Monate zumindest eine Sportwette abgeschlossen haben. Schon nach diesen grob überschlägigen Erwägungen ist nicht einmal ansatzweise erkennbar, dass eine bedarfsgerechte Versorgung mit diesem Angebot nicht sichergestellt wäre.
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Den erheblichen Belangen des Kinder- und Jugendschutzes steht zwar eine durchaus nicht unerhebliche Einschränkung der Berufsfreiheit der Betreiber von Wettvermittlungsstellen und damit verbunden auch der Veranstalter von Sportwetten gegenüber, da der Betrieb von Wettvermittlungsstellen in attraktiven Innenstadtlagen auf relativ wenige geeignete Standorte beschränkt sein dürfte. Der Kinder- und Jugendschutz überwiegt dennoch die grundrechtlich geschützten Interessen der betroffenen Unternehmen. Betreiber von Wettvermittlungsstellen und Veranstalter von Sportwetten verfolgen schon abstrakt betrachtet einen mit (erheblichen) Gefahren für die Allgemeinheit verbundenen Geschäftszweck. Bereits insoweit ist ihr Interesse an einer weitgehend unregulierten Berufsausübung deutlich reduziert. Hinzu kommt, dass den betroffenen Unternehmen – wie auch der Antragstellerin und mittelbar der Beigeladenen – der Betrieb einer Wettvermittlungsstelle nicht grundsätzlich verwehrt wird. Die Antragstellerin hat auch nicht substantiiert dargelegt, dass sie an anderen Standorten nicht zum Zuge kommen würde bzw. ihren Betrieb nicht mehr mit einem angemessenen Gewinn betreiben könnte. Dem bloßen Interesse an maximaler Gewinnoptimierung unter Schaffung eines erheblichen Risikopotentials und (weitgehender) Externalisierung der hierdurch zu erwartenden gesellschaftlichen Folgekosten kommt gegenüber den hier betroffenen Schutzgütern von Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG jedoch ein deutlich geringeres Gewicht zu.
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(c) Soweit die Antragstellerin schließlich verschiedene Ungleichbehandlungen rügt, zeigt sie eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf.
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(aa) Das Fehlen von Abstandsgeboten bei isoliertem Angebot von Pferdewetten eines Buchmachers führt nicht zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung. Im Verhältnis zum gesamten Glücksspielbereich spielen Pferdewetten eine sehr untergeordnete Rolle und beziehen sich auf ein enges und deshalb leicht überschaubares Sportgeschehen (BVerwG, Urt. v. 11.07.2011 - 8 C 12/10 -, juris Rn. 51; OVG Saarland, Beschl. v. 18.05.2017 - 1 B 165/17 -, juris Rn. 44). Die Vermittlung von Pferdewetten unterscheidet sich auch sonst von der Vermittlung von sonstigen Sportwetten. Es handelt sich dabei um ein historisch gewachsenes Sondersegment innerhalb des Glücksspielmarkts mit einem vergleichsweise geringen Anteil. Ferner liegt ein vergleichbares Risikopotential bei Pferdewetten gegenüber Sportwetten auf beispielsweise Fußball oder ähnliche Sportarten mit Blick auf den zu schützenden Personenkreis der Kinder und Jugendlichen denkbar fern. Eine unterschiedliche Behandlung ist daher auf die Besonderheiten des Sektors der Pferdewetten zurückzuführen (vgl. Bayerischer VerfGH, Beschl. v. 25.09.2015 - Vf. 9-VII-13 -, juris Rn. 208; VG Freiburg, Urt. v. 26.04.2018 - 9 K 4546/16 -, juris Rn. 29) und deshalb von einem nachvollziehbaren Sachgrund getragen.
44 
(bb) Auch die Rüge der Ungleichbehandlung gegenüber Spielbanken, die ebenfalls nicht dem Abstandsgebot unterfallen, verfängt nicht. Der Betrieb von Spielbanken ist in eigener Weise an den in § 1 GlüStV 2021 benannten Zielen ausgerichtet und unterliegt einer besonderen staatlichen Aufsicht. Ein hinreichender Sachgrund für die unterschiedliche Behandlung liegt zudem in dem unterschiedlichen Gefährdungspotential beider Typen von Spielstätten (Verankerung im Alltag bei Sportwetten gegenüber Abstand vom Alltag bei Spielbanken), den unterschiedlichen Zugangsschwellen und insbesondere in der sehr unterschiedlichen Verfügbarkeit der Spielmöglichkeiten, selbst wenn man die Dependancen bzw. Zweigniederlassungen berücksichtigt (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 26.04.2018 - 9 K 4546/16 -, juris Rn. 30; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 04.07.2019 - 6 S 1354/18 -, juris Rn. 26).
45 
(cc) Die Ungleichbehandlung gegenüber Gaststätten, in denen Geldspielgeräte aufgestellt sind, ist aufgrund der Unterschiede der Spielorte gerechtfertigt. Der Schwerpunkt der gewerblichen Tätigkeit von Gaststätten liegt nicht im Aufstellen und Bereithalten von Spielgeräten, sondern im entgeltlichen Anbieten von Speisen und Getränken. Die Möglichkeit und Anreize zu ununterbrochenem Spiel in Wettvermittlungsstellen sind daher typischerweise größer als in Gaststätten (vgl. zu Spielhallen – Gaststätten: BVerfG, Beschl. v. 07.03.2018 - 1 BvR 1314/12 u.a. -, BVerfGE 145, 20 = juris Rn. 175). Auch ist bei einer Betrachtung der Örtlichkeiten von außen die Verknüpfung mit Glücksspielangeboten bei Gaststätten weitaus geringer ausgeprägt als bei Wettvermittlungsstellen. Hinzukommt, dass gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 SpielV höchstens zwei Geldspielgeräte je Gaststätte aufgestellt werden dürfen. Das Gefährdungspotential in Gaststätten ist somit aufgrund der geringeren Verfügbarkeit des Glücksspiels geringer als in Sportwettvermittlungsstellen und ermöglicht durch die Einbettung in den Gaststättenbetrieb darüber hinaus eine größere soziale Kontrolle (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 26.04.2018 - 9 K 4546/16 -, juris Rn. 31).
46 
(dd) Gleiches gilt für die Wettannahmestellen der staatlichen Glücksspielanbieter, deren Zahl nach § 13 Abs. 1 Satz 1 LGlüG ebenfalls begrenzt ist. Auch hier ermöglicht die Einbettung in den Einzelhandelsbetrieb eine größere soziale Kontrolle und die Möglichkeit sowie Anreize zu ununterbrochenem Spiel sind auch hier deutlich geringer als in Wettvermittlungsstellen (vgl. § 20g LGlüG). Soweit die Antragstellerin darauf verweist, ausschließlich Prematch-Wetten anzubieten und keine Sportereignisse zu übertragen, vermag dies schon deshalb keine andere Beurteilung zu rechtfertigen, weil das Wettangebot der Beigeladenen auch Live-Wetten umfasst und die Antragstellerin schon nicht vorgetragen hat, dass und aus welchen Gründen ein solches Angebot in ihrem Betrieb dauerhaft – rechtlich – ausgeschlossen ist. Unabhängig davon handelt es sich bei der Vermittlung von Sportwetten in Annahmestellen des staatlichen Glücksspielanbieters um ein nach § 29 Abs. 6 GlüStV 2021 bis zum 30.06.2024 zeitlich befristetes Angebot, welches voraussichtlich schon aufgrund der langjährig bestehenden und legalen Vertriebsstrukturen der staatlichen Glücksspielanbieter gerechtfertigt sein dürfte.
47 
(ee) Die Antragstellerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Öffnung des Online-Glücksspielmarktes zum 01.07.2021 berufen. Die von Online-Angeboten ausgehenden Suchtgefahren rechtfertigen keineswegs den Schluss, dass die nach wie vor vom terrestrischen Sportwettgeschäft ausgehenden Risiken vom Gesetzgeber nicht mehr in den Blick genommen werden dürften. Zu beachten ist dabei insbesondere, dass das Abstandsgebot nach § 20b Abs. 1 LGlüG Kinder und Jugendliche typischerweise in einer Gruppensituation – hier insbesondere ihrem gemeinsamen Schulweg schützt – und dabei auch dazu beiträgt, dass das Entstehen einer Gruppendynamik zur Nutzung von Sportwetten verhindert wird. Hinzu kommt auch, dass Kinder und Jugendliche dem Kontakt zu diesen Einrichtungen schon aufgrund der Schulpflicht zwingend ausgesetzt sind und es – wie oben bereits ausgeführt – gerade nicht in der Hand von Erziehungsberechtigten liegt sicherzustellen, dass das Wettangebot mit den hieraus resultierenden Risiken nicht als alltäglich wahrgenommen wird.
48 
bb) Auch Verstöße gegen Unionsrecht sind für das Gericht nach vorstehenden Ausführungen nicht ersichtlich. Eine etwaige Beeinträchtigung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit wäre nach vorstehenden Ausführungen jedenfalls aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls, hier konkret der Suchtprävention, gerechtfertigt.
49 
Die von der Antragstellerin angeführten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs betreffen, soweit sie glücksspielspezifisch sind, entweder ein staatliches Monopol auf die Veranstaltung von Sportwetten (vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 08.09.2010 - C-46/08 -, Carmen Media, juris; Urt. v. 12.06.2014 - C-156/13 -, Digibet u. Albers, juris), generelle Vermarktungsverbote für Glücksspiele (vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 15.09.2011 - C-347/09 - Dickinger u. Ömer, EuZW 2011, 841) oder das Glücksspielangebot gleichermaßen reglementierende allgemeine Vorschriften wie Regelungen zur Besteuerung ausländischer Glücksspielangebote (vgl. EuGH, Urt. v. 13.11.2003 - C-42/02 -, Lindman, juris). Diese Fallgestaltungen sind mit dem punktuellen Verbot von Wettannahmestellen an bestimmten eng begrenzten Orten nach ihrer Tragweite nicht vergleichbar, sodass sich hieraus keine Schlüsse für die hier gebotene Ermittlungstiefe ziehen lassen. Außerdem ist geklärt, dass die Begrenzung der Folgen des Glücksspiels, insbesondere der Suchtgefahren, auch unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten Eingriffe aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses rechtfertigt. Ferner bestehen im Hinblick auf das unionsrechtliche Kohärenzgebot insoweit – aus den zu Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG dargestellten Gründen – gleichfalls keine Bedenken. Gleiches gilt für die in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich ausgestalteten Abstandsregelungen (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 15.11.2021 - 6 S 2339/21 -, GewArch 2022, 28 = juris Rn. 25 f.). Diese stellen die Verhältnismäßigkeit und insbesondere Eignung der Abstandsgebote zur Erreichung des Ziels des Kinder- und Jugendschutzes für die in Baden-Württemberg vor Ort betroffenen Kinder und Jugendlichen nicht in Frage.
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2. Der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Antrag Ziffer 1, mit dem die Antragstellerin bei sachdienlicher Auslegung ihres Begehrens die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Untersagung des Betriebs ihrer Wettvermittlungsstelle und der Androhung eines Zwangsgelds – die fehlende aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin ergibt sich insoweit aus § 9 Abs. 2 GlüStV, § 12 LVwVG – begehrt, ist gleichfalls unbegründet.
51 
a) Das Gericht der Hauptsache kann im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen bzw. im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO wiederherstellen gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Das Gericht hat dabei eine originäre Interessenabwägung vorzunehmen. Es hat dabei abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung (Vollzugsinteresse) und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs (Suspensivinteresse). Das Gewicht der gegenläufigen Interessen wird vor allem durch die summarisch zu prüfenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, aber auch durch die voraussichtlichen Folgen des Suspensiveffekts einerseits und der sofortigen Vollziehung andererseits bestimmt. Bei der Abwägung auf Grund summarischer Erfolgsprüfung hat das Suspensivinteresse umso stärkeres Gewicht, je größer die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs sind. Dem Vollzugsinteresse ist hingegen umso größeres Gewicht beizumessen, je weniger Aussicht auf Erfolg der Rechtsbehelf hat. In der Rechtsprechung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebietet, nicht mehr korrigierbare Nachteile, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten können, soweit wie möglich auszuschließen. Der Rechtsschutzanspruch des Bürgers ist dabei umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung ist. Geltung und Inhalt dieser Leitlinien sind nicht davon abhängig, ob der Sofortvollzug eines Verwaltungsakts auf einer gesetzlichen oder einer behördlichen Anordnung beruht (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 21.03.1985 - 2 BvR 1642/83 -, BVerfGE 69, 220 = juris Rn. 21; Beschl. v. 10.10.2003 - 1 BvR 2025/03 -, NVwZ 2004, 93 = juris Rn. 19). In den Fällen der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit ist aber die Wertung des Gesetzgebers zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit angemessen zu berücksichtigen.
52 
Lässt sich nicht feststellen, dass der Rechtsbehelf wahrscheinlich erfolgreich sein wird, so überwiegt in der Regel entsprechend dieser Wertung das Vollzugsinteresse (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.10.2003 - 1 BvR 2025/03 -, NVwZ 2004, 93 = juris Rn. 21; BVerwG, Beschl. v. 05.03.1999 - 4 A 7.98, 4 AR 3.98 -, NVwZ-RR 1999, 546 = juris Rn. 5). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Betroffene ein besonderes Suspensivinteresse geltend machen kann, weil ihm durch den Vollzug irreparable Schäden oder sonstige unzumutbare Folgen drohen, z. B. wenn durch die negative Entscheidung im Eilverfahren (und den Vollzug der angefochtenen Verfügung) die Erfolgsaussichten der Hauptsache und/oder persönliche, wirtschaftliche und soziale Beziehungen unzumutbar gefährdet würden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.10.2003 - 1 BvR 2025/03 -, NVwZ 2004, 93 = juris Rn. 22). Umgekehrt besteht an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts, an dessen Rechtmäßigkeit ernstliche Zweifel bestehen, in der Regel kein öffentliches Interesse. Ein behördliches Interesse daran, eine offenbar rechtswidrige Verfügung sofort zu vollziehen, ist rechtlich nicht anerkennenswert und muss daher in der nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Abwägung in der Regel hinter dem gegenläufigen Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung einstweilen verschont zu bleiben, zurückstehen (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 23.06.2009 - 9 S 938/09 -, VBlBW 2009, 391 = juris Rn. 1; Beschl. v. 12.11.1997 - 9 S 2530/97 -, VBlBW 1998, 186 = juris Rn. 6; vgl. auch Bayerischer VGH, Beschl. v. 21.02.2002 - 10 AS 02.348 -, NVwZ 2002, 1268 = juris Rn. 3; Beschl. v. 09.03.1999 - 3 CS 98.3596 -, NVwZ-RR 2000, 35 = juris Rn. 20).
53 
b) Die danach zulässigen Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der ausgesprochenen Betriebsuntersagung und Betriebseinstellung (Ziffer 2 und 3 des angegriffenen Bescheids vom 26.04.2021) und des angedrohten Zwangsgeldes (Ziffer 4) sind nicht begründet.
54 
aa) Die Untersagungs- und Betriebseinstellungsverfügung in Ziffer 2 und 3 des streitgegenständlichen Bescheids werden sich voraussichtlich als rechtmäßig erweisen. Sie finden ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 3 GlüStV. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV hat die Glücksspielaufsicht die Aufgabe, die Erfüllung der nach dem Glücksspielstaatsvertrag bestehenden oder aufgrund dieses Staatsvertrages begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben. Bei dem Betrieb der Antragstellerin handelt es sich um unerlaubtes Glücksspiel, da der Betrieb nach vorstehenden Ausführungen sowohl formell als auch materiell illegal erfolgt. Vor diesem Hintergrund ist auch die Ermessensausübung des Antragsgegners nicht zu beanstanden. Ein Ermessensausfall ist trotz der insoweit knappen, aber in Würdigung der Gesamtumstände gleichwohl ausreichenden Begründung des Bescheids nicht ersichtlich. Der Bescheid geht jedenfalls im Ergebnis zutreffend von der fehlenden Erlaubnisfähigkeit des Betriebs der Antragstellerin aus. Der Antragsgegner hat auch auf § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV hingewiesen und ausdrücklich die Erforderlichkeit der Untersagung erörtert.
55 
bb) Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer. 4 des angegriffenen Bescheids findet ihre Rechtsgrundlage in § 18, § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 und 2 sowie § 23 LVwVG. Rechtliche Bedenken hiergegen sind nach vorstehenden Ausführungen ebenfalls nicht ersichtlich.
56 
cc) Ein besonderes Vollzugsinteresse, das bereits durch die in § 9 Abs. 2 GlüStV, § 12 LVwVG gesetzlich angeordnete sofortige Vollziehung indiziert ist, liegt schließlich aufgrund der besonderen Bedeutung des Kinder- und Jugendschutzes ebenfalls vor. Das Suspensivinteresse der Antragstellerin ist demgegenüber schon deshalb deutlich geringer einzuschätzen, weil sie mit der Aufnahme ihres Betriebs ohne die erforderliche glücksspielrechtliche Erlaubnis und in Kenntnis jedenfalls aber in fahrlässiger Unkenntnis der beabsichtigten Neuregelungen des § 20b Abs. 1 LGlüG das Risiko einer nachfolgenden Schließung ihres Betriebs in Kauf genommen hat.
57 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt diese selbst (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).
58 
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 und Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 sowie § 39 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Ziff. 54.2.1 sowie 54.1 Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichte in der Fassung vom 18.07.2013. Der danach anzusetzende Betrag von 30.000 Euro war aufgrund der bloß vorläufigen Regelung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren unter Anwendung der Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren.

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