Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 7 K 2993/18
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist am 00.00.1958 in Nowoslojowka (Kasachstan) geboren. Seine Eltern sind nach den Antragsangaben der am 00.00.1936 geborene Herr X. H. und die am 00.00.1935 geborene Frau N. H. .
3Mit Datum vom 20.11.1996 beantragte der Kläger durch einen Bruder als Bevollmächtigten im Bundesgebiet beim Bundesverwaltungsamt (BVA) erstmals die Erteilung eines Aufnahmebescheides nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG). Beide Eltern sowie alle Großeltern seien deutsche Volkszugehörige gewesen. In seinem 1980 ausgestellten Inlandspass sei er mit deutscher Nationalität vermerkt. Er habe als Kind im Elternhaus Deutsch wie Russisch gesprochen. Heute spreche der Deutsch selten und häufig Russisch. Er verstehe auf Deutsch aber alles. Seine Sprachfertigkeiten reichten für ein einfaches Gespräch aus. Zum Sprachtest erschien der Kläger nicht.
4Mit Datum vom 02.07.2001 erteilte das BVA dem Kläger einen Härtefall-Einbeziehungsbescheid in den Aufnahmebescheid seiner Mutter. Am 16.10.2002 reiste der Kläger in das Bundesgebiet ein. Ein in der Landesaufnahmestelle des Freistaates Bayern durchgeführter Sprachtest ergab, dass der Kläger nur einzelne Wörter auf Deutsch verstehen und sprechen konnte.
5Mit Schriftsatz vom 22.12.2014 an das BVA beantragten die Prozessbevollmächtigten des Klägers das Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens und die „Höherstufung“ als Spätaussiedler im Sinne des § 4 BVFG. Sie legten ein Sprachzertifikat A 2 (Teilbereich Sprechen B 1) vom 30.04.2014 vor.
6Mit Bescheid vom 15.11.2017 lehnte das BVA diesen Antrag ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG. Da der Kläger vor Inkrafttreten des 10. BVFG-Änderungsgesetzes eingereist sei, kämen dessen Neuregelungen nicht zur Anwendung.
7Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das BVA mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2018 als unbegründet zurück.
8Der Kläger hat am 18.04.2018 Klage erhoben.
9Er habe Anspruch auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG. Bereits vor der Einreise habe über familiär vermittelte Deutschkenntnisse verfügt, die ihn befähigt hätten, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen und durch den früheren Arbeitgeber bestätigt seien. Auch habe er sich zum deutschen Volkstum bekannt und deutsches Brauchtum gepflegt. Die Einladung zum Sprachtest habe ihn nicht erreicht.
10Der Kläger beantragt,
11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des BVA vom 15.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2018 zu verpflichten, ihm eine Bescheinigung als Spätaussiedler nach § 15 Abs. 1 BVFG zu erteilen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie verweist auf fehlende Sprachfertigkeiten des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt der Einreise.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des BVA (2 Bände) Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die Klage ist nicht begründet.
18Der Bescheid des BVA vom 15.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
19Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung. Gemäß § 15 Abs. 1 BVFG stellt das BVA Spätaussiedlern zum Nachweis ihrer Eigenschaft als Spätaussiedler eine Bescheinigung aus. Für Personen, die wie der Kläger bereits in das Bundesgebiet übergesiedelt sind, beurteilt sich die Spätaussiedlereigenschaft nach den zum Zeitpunkt der Übersiedlung rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen,
20vgl. BVerwG, Urteile vom 10.10.2018 - 1 C 26.17 - und vom 16.07.2015 - 1 C 29.14 -.
21Für den im Jahre 2002 übergesiedelten Kläger kommt es daher auf die zu diesem Zeitpunkt geltende Fassung des BVFG in der am 07.09.2001 in Kraft getretenen Fassung vom 30.08.2001 (BVFG 2001) an. Die für die Spätaussiedlereigenschaft erforderliche deutsche Volkszugehörigkeit im Sinne des § 6 Abs. 2 BVFG 2001 lässt sich beim Kläger – bezogen auf den Einreisezeitpunkt – nicht feststellen. Denn nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG 2001 war von Gesetzes wegen deutscher Volkszugehöriger, wer von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammte und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise nur zum deutschen Volkstum bekannt hatte oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehörte. Das Bekenntnis musste bestätigt werden durch die familiäre Vermittlung der deutschen Sprache. Diese wiederum konnte nur festgestellt werden, wenn der Antragsteller im Zeitpunkt der Aussiedlung aufgrund dieser Vermittlung zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen konnte.
22Zumindest die letztgenannte Voraussetzung kann beim Kläger – bezogen auf den Zeitpunkt der Einreise am 16.10.2002 – nicht festgestellt werden. Im Gegenteil ergibt sich aus dem Sprachtestprotokoll der Landesaufnahmestelle Bayern vom 22.10.2002, dass der Kläger seinerzeit nur einzelne Wörter Deutsch verstand und auch nur in der Lage war, einzelne Wörter zu sprechen. Diese Wertung korrespondiert mit den protokollierten Angaben des Klägers, zu Hause „nie“ oder „selten“ Deutsch gesprochen worden und in der eigenen Familie spreche der Kläger nur Russisch. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass etwaige Sprachfertigkeiten, die dem Kläger möglicherweise in der Jugend durch die Eltern vermittelt worden waren, später zurückgingen und im Einreisezeitpunkt bestenfalls rudimentär vorhanden waren.
23Die erstmals in der mündlichen Verhandlung aufgestellte Behauptung des Klägers, das Sprachtestprotokoll sei eine Neuausfertigung, da die Originalunterlagen – auf welche Weise auch immer – verloren gegangen seien, ist unglaubhaft. Der Kläger hat nicht ansatzweise nachvollziehbar darlegen können, weshalb er Kenntnis von diesem behördeninternen Vorgang hat. Auch hat er die angebliche Neuausfertigung selbst unterschrieben. Selbst wenn es sich um ein neu ausgestelltes Formular handeln sollte, besagt dies nicht, dass der Inhalt nicht der Wahrheit entspricht. Anhaltspunkte für die Fähigkeit des Klägers, im Jahre 2002 ein einfaches Gespräch zu führen, ergeben sich auch nicht aus der vorgelegten Bescheinigung des Arbeitgebers vom 08.05.2018, der Kläger habe über durchaus ausreichende Deutschkenntnisse verfügt. Diese Angabe lässt in ihrer Unbestimmtheit von vornherein keinen Schluss auf die Fähigkeit zu, ein einfaches Gespräch im Sinne des § 6 Abs. 2 BVFG 2001 zu führen. Auch bezieht sie sich auf Beschäftigungszeiträume ab dem 01.03.2004, also deutlich mehr als ein Jahr nach der Einreise. Ein Nacherwerb von Sprachfertigkeiten ist hier keineswegs ausgeschlossen.
24Ob der Kläger die weiteren Voraussetzungen der Spätaussiedlereigenschaft nach dem BVFG 2001 erfüllt, bedarf folglich keiner Klärung.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO.
26Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.
27Rechtsmittelbelehrung
28Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
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1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
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2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
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3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
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4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
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5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
36Statt in Schriftform kann die Einlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
37Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
38Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
39Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
40Beschluss
41Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
425.000,00 Euro
43festgesetzt.
44Gründe
45Der festgesetzte Streitwert entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert (§ 52 Abs. 2 GKG).
46Rechtsmittelbelehrung
47Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.
48Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
49Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
50Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
51Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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Referenzen
- VwGO § 113 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- VwGO § 154 1x
- § 52 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 167 1x
- BVFG § 15 Bescheinigungen 4x
- BVFG § 4 Spätaussiedler 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- BVFG § 6 Volkszugehörigkeit 3x
- VwGO § 55a 1x