Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 7 K 1401/18
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der 1954 in Kasachstan geborene Kläger stellte 1992 mit seiner Ehefrau einen Antrag auf Aufnahme nach dem Bundesvertriebenengesetz - BVFG -. Er gab an, ebenso wie seine Mutter, die 1936 im Gebiet Charkow geborene M. Q. , geborene N. , deutscher Volkszugehörigkeit zu sein. Mit seiner Mutter habe er bis 1956 unter Kommandantur gestanden. Im ersten Inlandspass sei er nach seinem Vater mit ukrainischer Nationalität eingetragen worden. Im 1992 ausgestellten Inlandspass ist der Kläger mit deutscher Nationalität erfasst. Im Juli 1993 erteilte das Bundesverwaltungsamt der Ehefrau des Klägers einen Aufnahmebescheid und bezog den Kläger als Ehegatten einer Spätaussiedlerin in diesen Bescheid ein. Die Eheleute siedelten im Dezember 1993 in das Bundesgebiet über.
3Im März 1994 stellten der Kläger und seine Ehefrau bei dem Landratsamt des Ortenaukreises jeweils einen Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 BVFG. Der Kläger gab an, er und seine Mutter sowie deren Eltern seien deutsche Volkszugehörige. Er legte seine Geburtsurkunde vor, in der seine Mutter mit deutscher Nationalität eingetragen ist. Auf Befragen des Landratsamtes erklärte der Kläger, er habe bis zum 7. Lebensjahr nur Deutsch gesprochen und Deutsch auch in der Schule gelernt. Heute spreche er mit seiner Frau Dialektdeutsch, auch seine Kinder seien deutschsprachig. Eine Änderung der Nationalität im Inlandspass sei vor 1992 möglich, aber schwierig und langwierig gewesen. Auf Anforderung der Behörde legte er eine Archivbescheinigung zum Aufenthalt mit seinen Eltern in X. (Kasachstan) vor. Mit Bescheid vom 11.11.1994 eröffnete das Landratsamt dem Kläger und seiner Ehefrau unter der Überschrift „Bescheid gemäß § 15 BVFG“, den Anträgen auf Anerkennung nach dem BVFG werde entsprochen. Die angefügte Bescheinigung weist die Ehefrau des Klägers als Spätaussiedlerin nach 4 BVFG und den Kläger als Ehegatten einer Spätaussiedlerin nach § 7 Abs. 2 BVFG aus.
4Mit Schreiben vom 11.11.1994 wandte sich der Kläger an das Bundesverwaltungsamt und erklärte, er wolle seine Einstufung berichtigen lassen, da er deutscher Abstammung sei. Ihm solle ein Aufnahmebescheid erteilt werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.1996 wies das Bundesverwaltungsamt die als Widerspruch gegen die Einbeziehung des Klägers in den Aufnahmebescheid seiner Ehefrau gewertete Eingabe zurück. Dem Kläger stehe kein Rechtschutzinteresse für die Erteilung eines Aufnahmebescheids zur Seite. Mit der Einbeziehung habe der Kläger Aufnahme im Bundesgebiet gefunden; die geltend gemachte Spätaussiedlereigenschaft könne er im Spätaussiedlerbescheinigungsverfahren klären. Seine hiergegen bei dem Verwaltungsgericht Köln erhobene Klage nahm der Kläger im Oktober 1997 zurück.
5Das an das Bundesverwaltungsamt gerichtete Schreiben des Klägers vom 11.11.1994 wertete das Landratsamt als Widerspruch gegen die eigene am 11.11.1994 getroffene Entscheidung, den Kläger als Ehegatten einer Spätaussiedlerin einzustufen. Nach Nichtabhilfe leitete es den Vorgang an das Regierungspräsidium Freiburg mit dem Hinweis weiter, maßgeblich für die Entscheidung sei gewesen, dass der Kläger seine Nationalität erst 1992 geändert habe. Das Regierungspräsidium Freiburg wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.1996 zurück. Die Ausstellung der Bescheinigung als Ehegatte einer Spätaussiedlerin sei zu Recht ergangen. Gegen diesen Bescheid richtete sich die vom Kläger bei dem Verwaltungsgericht Freiburg erhobene Klage. Er trug vor, er habe einen eigenen Aufnahmeantrag gestellt und sei selbst Deutscher. Die Einstufung nach § 15 BVFG sei eine Diskriminierung. Mit Bescheid vom 09.10.1997 änderte das Landratsamt des Ortenaukreises seine Entscheidung vom 11.11.1994 dahingehend, dass der Kläger als Ehegatte in der Spätaussiedlerbescheinigung seiner Ehefrau gestrichen und stattdessen gem. § 7 Abs. 2 BVFG als Abkömmling seiner zwischenzeitlich in das Bundesgebiet übergesiedelten und als Spätaussiedlerin anerkannten Mutter eingetragen wurde. Der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers nahm die Klage bei dem Verwaltungsgericht Freiburg am 29.10.1997 zurück. Durch den Bescheid vom 09.10.1997 sei das Begehren des Klägers erfüllt.
6Im April 2014 beantragte der Kläger, sein Verfahren wieder aufzugreifen und ihn nach § 15 Abs. 1 BVFG höherzustufen. Nach dem zwischenzeitlich in Kraft getretenen 10. BVFG-Änderungsgesetz - 10. BVFG-ÄndG - erfülle er die Voraussetzungen als deutscher Volkszugehöriger. Nun sei der frühere nichtdeutsche Nationalitätseintrag unschädlich. Er habe bei seiner Einreise in das Bundesgebiet aufgrund familiärer Vermittlung ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen können.
7Mit Bescheid vom 08.03.2017 lehnte das Bundesverwaltungsamt den Antrag ab. Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - bestehe nicht, da durch das 10. BVFG-ÄndG keine Änderung der Rechtslage zugunsten des Klägers eingetreten sei. Für die Beurteilung seiner Volkszugehörigkeit sei die Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Einreise maßgeblich. Auch ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG, das im Ermessen der Behörde liege, komme nicht in Betracht. Bei der erforderlichen Ermessensentscheidung überwiege das öffentliche Interesse an der Bestandskraft des Bescheides und damit an der Rechtssicherheit gegenüber dem Interesse an einer erneuten Sachentscheidung. Das Festhalten an dem bestandskräftigen Bescheid sei auch nicht schlechthin unerträglich. Der Bescheid wurde dem Kläger am 17.03.2017 zugestellt.
8Den am 18.04.2017 eingelegten Widerspruch wies das Bundesverwaltungsamt mit undatiertem, am 18.01.2018 abgesandtem Widerspruchsbescheid als verspätet zurück. Ein Zustellungsnachweis ist den Akten nicht zu entnehmen.
9Der Kläger hat am 19.02.2018 Klage erhoben.
10Zur Klagebegründung macht er geltend, der Widerspruch sei rechtzeitig eingegangen. Da bislang eine Entscheidung über seinen Aufnahmeantrag noch ausstehe, sei ein Wiederaufgreifen entbehrlich und komme es materiell auf die neue Rechtslage an. Auch über den Antrag nach § 15 Abs. 1 BVFG sei nie entschieden worden.
11Der Kläger beantragt,
12die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesverwaltungsamts vom 08.03.2017 in der Gestalt des undatierten, am 18.01.2018 abgesandten Widerspruchsbescheids zu verpflichten, ihm einen Aufnahmebescheid und eine Spätaussiedlerbescheinigung zu erteilen,
13hilfsweise,
14das Aufnahmeverfahren wieder aufzugreifen und dem Kläger einen Aufnahmebescheid und eine Spätaussiedlerbescheinigung zu erteilen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie räumt ein, dass der Widerspruch rechtzeitig eingegangen ist. Für die Erteilung eines Aufnahmebescheids bestehe aber kein Rechtsschutzinteresse, denn der Kläger sei als Inhaber eines Einbeziehungsbescheids im Wege des Aufnahmeverfahrens eingereist. Ein Wiederaufgreifen des Verfahrens komme aus den im Ausgangsbescheid angeführten Gründen nicht in Betracht.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20Die Klage hat keinen Erfolg.
21Soweit die Klage auf die Erteilung eines Aufnahmebescheids, hilfsweise nach Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens, abzielt, ist sie unzulässig.
22Ein Rechtsschutzinteresse des im Wege des Aufnahmeverfahrens eingereisten Klägers an der Erteilung eines Aufnahmebescheids ist nicht dargetan. Personen, die wie der Kläger als Abkömmling in einen Aufnahmebescheid eines Spätaussiedlers einbezogen wurden und danach in das Bundesgebiet übergesiedelt sind, haben grundsätzlich kein Rechtsschutzinteresse an der Erteilung eines nachträglichen Aufnahmebescheids,
23vgl. BVerwG, Urteil vom 16.07.2015 - 1 C 29.14 -.
24Ein Rechtsschutzinteresse kann nicht aus der Annahme der Prozessbevollmächtigten des Klägers hergeleitet werden, die begehrte „Erstentscheidung“ über den Aufnahmeantrag ermögliche, die Anforderungen an die Spätaussiedlereigenschaft nach dem zwischenzeitlich in Kraft getretenen 10. BVFG-ÄndG als dem zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Recht zu bemessen. Ob eine Person die Voraussetzungen der §§ 4 und 6 BVFG erfüllt, richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Einreise zum dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet. Das ergibt sich aus dem materiellen Recht. § 4 BVFG bestimmt sowohl die Voraussetzungen für den Erwerb des Spätaussiedlerstatus als auch den Zeitpunkt, zu dem die Erwerbsvoraussetzungen vorliegen müssen, nämlich den Zeitpunkt der Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland,
25vgl. BVerwG, Urteil vom 16.07.2015 - 1 C 29/14 -.
26Ein Rechtsschutzinteresse an der Erteilung eines Aufnahmebescheids lässt sich auch nicht auf § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG stützen. Nach dieser Bestimmung kann dem in einen Aufnahmebescheid einbezogenen Ehegatten oder Abkömmling eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG nur ausgestellt, wenn die Erteilung eines Aufnahmebescheids beantragt und nicht bestandskräftig abgelehnt worden ist. Der Kläger erfüllt diese Voraussetzung. Dabei ist nicht weiter darauf einzugehen, ob der 1992 gestellte Aufnahmeantrag infolge des Widerspruchsbescheids des Bundesverwaltungsamts vom 29.10.1996, der ein Rechtsschutzinteresse an der Erteilung eines Aufnahmebescheids verneinte, und der Rücknahme der daraufhin erhobenen Klage bestandskräftig abgelehnt worden ist. Zu dem für § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG maßgeblichen Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet
27- vgl. BVerwG, Urteil vom 25.10.2017 - 1 C 21.16 -
28im Dezember 1993 war der Aufnahmeantrag jedenfalls noch unbeschieden.
29Die auf die Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung gerichtete Klage ist zulässig.
30Insbesondere ist die einmonatige Widerspruchsfrist ab Bekanntgabe des Ausgangsbescheids (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gewahrt, denn der 17.04.2017 war ein Feiertag (vgl. § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m.§ 222 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).
31Diese Klage ist jedoch unbegründet.
32Die Weigerung des Bundesverwaltungsamts, dem Kläger eine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG auszustellen, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Absatz 5 VwGO).
33Sein Begehren auf Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung kann nur Erfolg haben, wenn der Kläger zuvor ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG oder nach § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG erreicht. Denn der Kläger hat bereits einen Antrag auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG gestellt, der bestandskräftig abgelehnt worden ist.
34Mit der Ausstellung der Bescheinigung als Ehegatte einer Spätaussiedlerin hat das Landratsamt zugleich die Erteilung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG abgelehnt. Zwar enthielten der Bescheid vom 11.11.1994 wie auch der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 16.08.1996 keinen entsprechend ablehnenden Tenor. Die Gesamtumstände des damaligen Verfahrens führen jedoch zu dem Schluss, dass der Bescheid für den Kläger erkennbar auf die Ablehnung der Spätaussiedlerbescheinigung gerichtet war. Der Kläger und die Behörde gingen davon aus, dass der 1994 gestellte „Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung“ des Klägers auf eine Anerkennung als Spätaussiedler abzielte. Zwar hatte der Kläger ebenso wie seine Ehefrau nicht angekreuzt, ob er eine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG oder eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG erhalten wolle. Jedoch stellte er mittels seiner weiteren Darlegungen unmissverständlich klar, dass er das Ziel verfolgte, selbst als Spätaussiedler nach § 15 Abs. 1 BVFG anerkannt zu werden. Er bezeichnete sich als deutschen Volkszugehörigen mit deutscher Mutter- und Umgangssprache und legte Unterlagen zum Beleg der Abstammung von einer deutschen Mutter vor, mit der er sich gemeinsam unter Sonderansiedlung befunden habe. Die Voraussetzungen der Spätaussiedlereigenschaft waren auch maßgeblicher Prüfungsgegenstand des Verfahrens. Die Bescheinigungsbehörde vernahm den Kläger zu seinem familiären Sprachgebrauch, zu Fragen der Volkstumspflege und zu den Umständen seines Nationalitätseintrags. Zur abschließenden Bearbeitung „Ihrer Anträge auf Anerkennung als Spätaussiedler“ forderte das Landratsamt von dem Kläger und seiner Ehefrau weitere Unterlagen an. Dem Bescheid vom 11.11.1994 war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt. Dies weist auf einen beschwerenden Regelungsteil des Verwaltungsakts hin. Dieser konnte sich nur auf eine Weigerung der Behörde beziehen, dem Kläger eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG zu erteilen. Der Kläger hat zudem in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass der Sachbearbeiter ihm bei Aushändigung von Bescheid und Bescheinigung mündlich erklärt hat, man könne ihn nicht als Spätaussiedler anerkennen. Die Entscheidung begründete der Sachbearbeiter nach Angaben des Klägers damit, dass er im Pass als Ukrainer gestanden habe. Gegenüber der Widerspruchsbehörde hat das Landratsamt diese Erwägung auch schriftlich geäußert. Das weitere Vorgehen des Klägers bestätigt, dass die Entscheidung vom 11.11.1994 für ihn erkennbar die Ablehnung seines Antrags auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung zum Ausdruck gebracht hat. Mit seinem Rechtsbehelf vom 11.11.1994 und der anschließenden Klage bei dem Verwaltungsgericht Freiburg hat er sich gegen den ihn belastenden Teil der Regelung gewandt, der in der Versagung der Spätaussiedlerbescheinigung bestand. Zwar war das Schreiben vom 11.11.1994 zunächst an das Bundesverwaltungsamt gerichtet, offenbar in dem Glauben, zunächst einen Aufnahmebescheid erwirken zu müssen, um eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG beanspruchen zu können. Mit der behördlichen Wertung, dass sich der Rechtsbehelf gegen die versagende Entscheidung des Landratsamtes richtete, war er jedoch einverstanden. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat er sein Ziel, eine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG zu erwirken, mit der Klage vor dem Verwaltungsgericht Freiburg weiterverfolgt. Mit der Klagerücknahme hat der Kläger die Versagung der Spätaussiedlerbescheinigung bestandskräftig werden lassen. Daran ändert es nichts, dass der anwaltlich vertretene Kläger die Klage in der irrigen Einschätzung zurückgenommen hat, eine Bescheinigung als Abkömmling einer Spätaussiedlerin vermittle ihm den begehrten Spätaussiedlerstatus.
35Geht man davon aus, dass der Kläger eine Verpflichtung der Beklagten zum Wiederaufgreifen des Bescheinigungsverfahrens begehrt, auch wenn seine Prozessbevollmächtigte einen dahingehenden ausdrücklichen Klageantrag nicht stellen wollte, steht ihm ein solcher Anspruch nicht zu.
36Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG scheidet aus, weil der im Verwaltungsverfahren geltend gemachte Grund für ein Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG nicht vorliegt. Die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtslage hat sich nicht nachträglich zugunsten des Klägers geändert. Die Änderung einer Rechtslage zugunsten des Betroffenen setzt voraus, dass seinerzeit entscheidungserhebliche Rechtsnormen nachträglich geändert worden sind,
37vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Auflage 2016, § 51 Rn. 25.
38Mit dem 10. BVFG-ÄndG geht keine Änderung der Rechtslage zugunsten des Klägers einher. Wie bereits erläutert, finden diese Bestimmungen auf ihn keine Anwendung, weil er vor ihrem Inkrafttreten in das Bundesgebiet übergesiedelt ist. Für die Beurteilung der Spätaussiedlereigenschaft des Klägers kommt es daher auf die bei seiner Einreise im Dezember 1993 maßgebliche Rechtslage an, die auch im ursprünglichen Bescheinigungsverfahren Anwendung gefunden hat.
39Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG.
40Das Bundesverwaltungsamt hat die nachträgliche Aufhebung des bestandskräftigen Bescheids ermessensfehlerfrei abgelehnt. Die Behörde hat hierbei zutreffend auf die Abwägung der grundsätzlich gleichwertigen Belange des Schutzes der Bestandskraft der ablehnenden Entscheidung und damit der Belange des Rechtsfriedens auf der einen und auf das Interesse des Klägers an einer erneuten Sachprüfung auf der anderen Seite abgehoben. Es ist aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, dass sie im Ergebnis dem öffentlichen Interesse an Rechtsfrieden und Rechtssicherheit den Vorzug gegeben hat.
41Ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts besteht ausnahmsweise dann, wenn dessen Aufrechterhaltung schlechthin unerträglich ist, was von den Umständen des Einzelfalls und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt. Die Ablehnung des Wiederaufgreifens eines Verfahrens ist insbesondere dann schlechthin unerträglich, wenn die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als ein Verstoß gegen die guten Sitten, Treu und Glauben oder den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zu bewerten wäre oder eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der bestandskräftigen Entscheidung gegeben ist. Daran gemessen ist die Aufrechterhaltung der damaligen Entscheidung nicht schlechthin unerträglich. Insbesondere ist nicht von einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit der ablehnenden Entscheidung auszugehen. Etwaige Einwände gegen das Verfahren und die Anforderungen, die an die Abgabe eines Bekenntnisses zum deutschen Volkstum gestellt wurden, hätte der Kläger im Rahmen des damaligen Rechtsbehelfsverfahrens erheben können.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
43Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
44Rechtsmittelbelehrung
45Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
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1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
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2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
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3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
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4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
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5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
53Statt in Schriftform kann die Einlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
54Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
55Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
56Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
57Beschluss
58Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
5910.000,00 €
60festgesetzt.
61Gründe
62Der festgesetzte Streitwert entspricht jeweils dem gesetzlichen Auffangstreitwert für den begehrten Aufnahmebescheid und die Spätaussiedlerbescheinigung (§ 52 Abs. 2 GKG).
63Rechtsmittelbelehrung
64Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.
65Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
66Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
67Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
68Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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Referenzen
- § 52 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- BVFG § 6 Volkszugehörigkeit 1x
- 1 C 29/14 1x (nicht zugeordnet)
- BVFG § 15 Bescheinigungen 16x
- BVFG § 4 Spätaussiedler 2x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- VwGO § 70 1x
- VwVfG § 51 Wiederaufgreifen des Verfahrens 3x
- VwVfG § 49 Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes 3x
- VwVfG § 48 Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes 3x
- VwGO § 154 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- BVFG § 7 Grundsatz 2x
- VwGO § 113 1x
- VwGO § 167 1x
- VwGO § 57 1x
- VwGO § 55a 1x