Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 2 L 1676/21
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
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Gründe
2Das vorläufige Rechtsschutzgesuch des Antragstellers mit dem sinngemäßen Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 2 K 4996/21 gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 9. Oktober 2017 zur Neuerrichtung eines Einfamilienhauses mit Garage auf dem Grundstück Gemarkung I. , Flur 0, Flurstück 0000 (L.-str.21 in 00000 N.) anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Der Eilantrag ist nicht zulässig, für ihn besteht kein Rechtsschutzbedürfnis. Denn die am 28. September 2021 erhobene Klage gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 09. Oktober 2017 ist offensichtlich unzulässig, weil der Antragsteller sein Klagerecht verwirkt hat.
6Ist dem Nachbarn die Baugenehmigung, durch die er sich beschwert fühlt, nicht amtlich bekannt gegeben worden, so läuft für ihn weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung von § 58 Abs. 2 VwGO eine Rechtsbehelfsfrist. Hat der Nachbar gleichwohl sichere Kenntnis von der Baugenehmigung erlangt oder hätte er sie erlangen müssen, so ist ihm innerhalb eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses nach Treu und Glauben regelmäßig die Berufung darauf versagt, dass die Genehmigung ihm nicht amtlich mitgeteilt worden ist. Dann läuft für den Nachbarn die Rechtsbehelfsfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO im Regelfall so, als sei ihm die Baugenehmigung in dem Zeitpunkt amtlich bekannt gegeben worden, in dem er von ihr sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen.
7Ständige Rechtsprechung, siehe Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. Januar 1974 - IV C 2.72 -, BVerwGE 44, 294; Beschluss vom 18. Januar 1988 – 4 B 257.87 -, BRS 48 Nr. 180.
8Gemessen daran hat das Gericht keinerlei Zweifel, dass der Antragsteller die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 09. Oktober 2017 heute nicht mehr angreifen kann. Er hat sein Klagerecht verwirkt. Der Antragsteller steht in einem besonderen Gemeinschaftsverhältnis insbesondere zu seinen unmittelbaren Grenznachbarn, welches ihn verpflichtet, durch zumutbares aktives Handeln daran mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden für einen Bauherren, der wie hier ein Nachbargrundstück bebauen will, möglichst zu vermeiden bzw. einen Vermögensverlust möglichst gering zu halten. Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller schon mit Schreiben vom 14. Juni 2018 umfangreich über das Neubauvorhaben auf dem Nachbargrundstück L.-str. 00 in N. informiert. Sie hat ihm detailliert mitgeteilt, warum die von ihm zuvor erbetene Nachbarzustimmung rechtlich aus ihrer Sicht nicht zwingend geboten war. Am Schluss des Schreibens hat sie den Antragsteller ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die beantragte Baugenehmigung der damaligen Bauherrin mit Bescheid vom 09. Oktober 2017 erteilt worden sei. Mit Erhalt des Schreibens hatte der Antragsteller sichere Existenz von diesem ihn möglicherweise beschwerenden Verwaltungsakt. Ab diesem Zeitpunkt lief für ihn die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO zur Einlegung eines Rechtsbehelfs, die im vorliegenden Fall seit langem verstrichen ist.
9An dieser Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, dass die Antragsgegnerin die Geltungsdauer der Baugenehmigung vom 09. Oktober 2017 auf Antrag der Beigeladenen durch Bescheid vom 13. Mai 2020 um ein Jahr bis zum 09. Oktober 2021 verlängert hat. Denn die regelmäßig anzunehmende Jahresfrist, innerhalb derer der Nachbar nach Kenntniserlangung von der Erteilung einer ihm nicht förmlich bekannt gegebenen Baugenehmigung Einwendungen gegen ein Bauvorhaben geltend machen muss, verlängert sich nicht dadurch, dass die Geltungsdauer der dem Bauherrn erteilten Baugenehmigung von der Behörde verlängert wird. Die Verpflichtung des Nachbarn zur Einlegung eines Rechtsbehelfs im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis besteht vielmehr unabhängig davon, wie lange der Bauherr die ihm erteilte Baugenehmigung ausnutzen kann.
10Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 26.September 1979 – XI B 1528/78 -, BRS 35 Nr. 202, ferner Rennert in Eyermann, Kommentar zur VwGO, 15. Aufl. 2019, § 70 Rn. 5.
11Die Klage des Antragstellers wäre im Übrigen auch nicht begründet, worauf das Gericht abschließend hinweist. Die angefochtene Baugenehmigung verletzt ihn nämlich offensichtlich nicht in Nachbarrechten. Entgegen seiner Ansicht lässt die in nachbarrechtlicher Hinsicht ausweislich der zugehörigen Bauvorlagen hinreichend bestimmte Baugenehmigung vom 09. Oktober 2017 ein Vorhaben zu, welches als Doppelhaus einzustufen ist. Die insofern bundesrechtlich (§ 22 Abs. 2 BauNVO) geforderte bauliche Einheit,
12vgl. grundlegend Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24. Februar 2000 – 4 C 12.98 -, BRS 63 Nr. 185,
13ist hier ersichtlich gegeben, weil das Gebäude des Antragstellers und der Neubau der Beigeladenen nach den Bauvorlagen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden. Der neue Baukörper weist trotz – geringfügiger - Versätze in der Vertikalen und in der Horizontalen ein Mindestmaß an Übereinstimmung auf, der Gesamteindruck einer offenen, gelockerten Bebauung wird nach dem Orts- und Straßenbild nicht in nicht mehr hinzunehmender Weise gestört. Das Gericht verweist insoweit ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen der Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung.
14Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, da sie keinen Sachantrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) unterworfen haben.
15Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG. Sie trägt der anzunehmenden Bedeutung der Sache aus Sicht des Antragstellers Rechnung. Das Gericht hält im Klageverfahren einen festzusetzenden Streitwert von 10.000 Euro für angemessen. Es hat diesen Betrag in diesem Eilverfahren wegen des nur vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung auf die Hälfte reduziert.
16Rechtsmittelbelehrung
17Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
18Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
19Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
20Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
21Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
22Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
23Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
24Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
25Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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Referenzen
- §§ 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 58 3x
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 162 1x
- BauNVO § 22 Bauweise 1x
- XI B 1528/78 1x (nicht zugeordnet)
- 2 K 4996/21 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 55a 3x