Urteil vom Verwaltungsgericht Lüneburg (2. Kammer) - 2 A 127/17

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt internationalen Schutz und macht Abschiebungshindernisse geltend.

2

Der Kläger ist nach eigenen Angaben pakistanischer Staatsangehörigkeit, panjubischer Volkszugehörigkeit und christlicher Religionszugehörigkeit. Nach ebenfalls eigenen Angaben reiste er am 20. August 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 29. Juni 2016 seine Anerkennung als Asylberechtigter.

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In seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend „Bundesamt“) am 13. April 2016 machte er geltend, dass er Pakistan aufgrund einer religiös motivierten Verfolgung verlassen habe. Er sei bekennender Christ und habe in seiner Heimat als Physiotherapeut gearbeitet. „Die Anderen“ hätten immer versucht ihn zu überreden, zum Islam zu konvertieren. Er habe ihnen daraufhin gesagt, dass er mit seiner Religion glücklich sei. Nach weiteren Diskussionen hätten sie ihn dann als Ungläubigen bezeichnet und ihm gesagt, dass er umgebracht werden können. Er sei daraufhin ausgereist.

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Mit Bescheid vom 3. Juni 2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet ab, lehnte den Antrag auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen. Weiter forderte sie den Kläger zur Ausreise innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung auf und drohte ihm die Abschiebung nach Pakistan an. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf die Ausführungen im Bescheid Bezug genommen.

5

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 15. Juni 2016 Klage erhoben. Zur Begründung seiner Klage führt er an, dass Verständigungsprobleme zwischen ihm und dem Dolmetscher bei der Erstellung des Anhörungsprotokolls ursächlich für seine zum Teil zusammenhangslosen Antworten gewesen seien. Ergänzend führt er in der Klagebegründung aus, dass er seinem Arbeitgeber gegenüber nicht gesagt hätte, dass er Moslem sei. Nachdem er sich eines Jahres für Weihnachten frei genommen hätte, habe ihn dieser gefragt, ob er Christ sei. Dies habe er bejaht. Nach Weihnachten sei dann ein Mullah zu ihm gekommen und habe versucht ihn vom Islam zu überzeugen. Auch sein Arbeitgeber habe versucht, ihn zur Konversion zu überreden. Da er dazu nicht bereit gewesen sei, habe ein Iman ihm mit Verfolgung und Tötung gedroht. Wörtlich habe er gesagt: „Ich werde dafür sorgen, dass man dich tötet. Du wirst hier keine Sicherheit mehr finden. Aufgrund deiner falschen Aussagen zum Koran werden wir dich schlagen, verfolgen, töten, egal wo du dich in Pakistan aufhältst, wir werden dich finden.“ Am Tag darauf sei er nach Punjab geflüchtet zu seiner Mutter und seinen Brüdern. In Karachi habe er sich nicht mehr sicher gefühlt. Er habe sich in Punjab nur im Haus versteckt gehalten aus Angst vor dem Mullah. Freunde hätten ihm das Geld für die Ausreise gegeben.

6

Zwischen Juni 2016 und Juni 2017 befand sich der Kläger in Kirchenasyl bei der Evangelisch-lutherischen D. -Kirchengemeinde A-Stadt. Diese legte dem Gericht eine Kopie einer Mitgliedbescheinigung einer pakistanischen christlichen Kirche vor machte geltend, es handele sich um eine Mitgliedsbescheinigung seiner christlichen Kirche in Pakistan.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Juni 2016 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

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hilfsweise,

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ihm subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie

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hilfsweise,

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festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG bestehen.

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Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie nimmt auf ihren Bescheid Bezug.

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Am 3. Mai 2018 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Diesbezüglich wird auf die Niederschrift vom Verhandlungstag verwiesen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Weiter wird verwiesen auf die Erkenntnismittel, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

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Die Klage, über die das Gericht trotz Ausbleibens der Beklagten verhandeln und entscheiden konnte, weil die Beklagte in der Terminsladung darauf hingewiesen wurde (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -), hat keinen Erfolg.

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Die zulässige Klage ist unbegründet, denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 3. Juni 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz - AsylG -, weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG, noch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder auf Feststellung von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - hinsichtlich Pakistan.

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Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG. Er ist weder individuell noch allgemein aufgrund seiner Religionszugehörigkeit verfolgt.

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Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 - Genfer Flüchtlingskonvention -), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Die Furcht vor einer Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit tatsächlich drohen (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 -, NVwZ 2013, 936). Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953 - Europäische Menschenrechtskonvention -) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Der - hier allein in Betracht kommende - Verfolgungsgrund der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind, vgl. § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Dabei kann die Verfolgung ausgehen von dem Staat (Nr. 1.), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2.), oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3.), § 3c AsylG. Es ist Sache des Asylbewerbers, die Umstände, aus denen sich die Verfolgung ergibt, in schlüssiger Form vorzutragen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts (BVerwG, Beschl. v. 26.10.1989 - 9 B 405/89 -, NVwZ-RR 1990, 379; BVerwG, Urt. v. 24.03.1987 - 9 C 321/85 -, NVwZ 1987, 701). Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. VGH BW, Urt. v. 27.8.2013 - A 12 S 2023/11 -; Hess. VGH, Urt. v. 4.9.2014 - 8 A 2434/11.A -; VG Augsburg, Urt. v. 16.2.2017 - Au 5 K 16.32161 -, alle juris). Die Tatsache, dass ein Asylbewerber bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist nach Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Asylbewerbers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Asylbewerber erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Bei einer fehlenden Vorverfolgung gelten dagegen strengere Maßstäbe (vgl. EGMR, Urt. v. 28.2.2008 - Nr. 37201/06, Saadi -, juris mwN). Die Furcht vor Verfolgung ist in diesen Fällen dann begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren, aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände und in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 -, juris; BVerwG, Beschl. v. 7.2.2008 - 10 C 33.07 -, juris).

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Nach diesen Maßstäben kann der Kläger keine Flüchtlingsanerkennung beanspruchen. Er konnte nicht zur Überzeugung des Gerichts darlegen, dass er Pakistan unter Anknüpfung an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal – hier der Religion – verlassen hat. Seinem Vorbringen zum individuellen Verfolgungsgeschehen – Mullahs hätten gezielt versucht, ihn zur Konversion zum moslemischen Glauben zu überreden und er sei angegriffen und verprügelt worden, kann kein Glauben geschenkt werden. Die Angaben waren bereits bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt unpräzise, oberflächlich und zum Teil zusammenhanglos. Der Kläger vermochte das Verfolgungsgeschehen auch bei seiner informatorischen Anhörung vor dem Gericht nicht zu präzisieren. So äußerte er, dass ihn ein Mullah während einer physiotherapeutischen Behandlung „verbal“ versucht habe, zum muslimischen Glauben zu konvertieren. Zusammenhänge dieses Geschehens vermochte der Kläger nicht von sich heraus erläutern, vielmehr hat er erst auf wiederholte Nachfrage des Gerichts ergänzende Angaben hierzu gemacht, die aber in der Gesamtschau vage und detaillos blieben. Eine Drucksituation allein – sollte sie sich tatsächlich ereignet haben – rechtfertigt keine Flüchtlingsanerkennung.

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Soweit der Kläger demgegenüber seine Ausführungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung dahingehend ergänzt hat, dass ihn der Mullah und dessen Anhänger u.a. an der rechten und linken Schulter gepackt und geschlagen und sodann an einen anderen Ort verbracht hätten, um ihn dort mit einem Messer einzustechen, ist dieser Vortrag gegenüber dem Vorbringen vor dem Bundesamt erheblich gesteigert, z.T. völlig neu und zum Vorbringen vor dem Bundesamt in weiten Teilen widersprüchlich. Diesen gesamten Sachverhalt hat der Kläger – obwohl er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt auf die Notwendigkeit einer detaillierten Schilderung seines persönlichen Verfolgungsschicksals hingewiesen worden ist – nicht ansatzweise vorgetragen.

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Die daraus resultierenden Unstimmigkeiten konnte der Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichts im Rahmen seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung auflösen. Er hätte spätestens bei seinen ergänzenden Ausführungen in der Klagebegründung die Möglichkeit gehabt, entsprechende Angaben zu machen. Denn in diesem Schriftsatz hat er bereits das gegenüber dem Bundesamt geäußerte Verfolgungsgeschehen weiter ausgeführt und ergänzt. Warum er bei der Gelegenheit nicht auch über den – vermeintlichen – Angriff auf seine Person berichtet hat, erschließt sich dem Gericht nicht. Jedenfalls verbleibt es bei dem dargelegten Widerspruch.

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Selbst bei einer Wahrunterstellung seines Vorbringens könnte der Kläger keine Flüchtlingsanerkennung beanspruchen. Denn die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist jedenfalls deshalb ausgeschlossen, weil ihm eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung zusteht. Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat (1.) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (2.). Dabei sind bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Dies zugrundegelegt kann der Kläger internen Schutz beanspruchen. In den Städten Pakistans – vor allem in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karatschi, Peshawar oder Multan – leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Pakistan, Stand August 2017, S. 20). Soweit der Kläger behauptet, er habe Angst vor einer Anzeige wegen Blasphemie, ist dem zu entgegnen, dass – nach seinem eigenen Vortrag – noch keine Anzeige gegen den Kläger erstattet worden ist. Selbst wenn, führt das nicht dazu, dass ihm Flüchtlingsschutz zusteht. Denn selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Pakistan, Stand August 2017, S. 20). Es besteht – schon aufgrund der Größe des Landes – die Möglichkeit, in den Schutz der größeren Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Personen handelt, die bereits überregional bekannt geworden sind. Dies wird auch von Vertretern unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als Ausweichmöglichkeit gesehen (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Pakistan, Stand 7.12.2017, S. 116). Dies ist nicht zuletzt dadurch bedingt, dass in Pakistan kein funktionierendes Meldewesen existiert, so dass die Übersiedlung in einen anderen Landesteil die Möglichkeit bietet, unerkannt und unbehelligt zu bleiben (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 29.4.2014 - 14 K 7578/13.A -, juris; VG Aachen, Urt. v. 21.6.2013 - 6 K 1151/12.A - juris; VG Sigmaringen, Urt. v. 24.1.2004 - A 6 K 10917/02 -, juris; Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 15.1.2014 an das VG Leipzig). Auch nach neusten Erkenntnissen ist nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes (Auskunft Auswärtiges Amt vom 2.5.2017), ein Entdecktwerden selbst von mit Haftbefehl gesuchten Personen bei regulären Polizeikontrollen angesichts des unzuverlässigen und auf örtlicher bzw. regionaler Ebene schlecht organisierten Polizeiwesens höchst unwahrscheinlich. Wenn schon ein Entdecktwerden durch die staatlichen Sicherheitsbehörden nahezu unmöglich ist, erschließt sich für das Gericht nicht, warum der Kläger von Privaten (Mullahs) gefunden werden soll. Zumal diese regelmäßig nicht über vergleichbare Mittel verfügen, um eine Suche überhaupt bewerkstelligen zu können. Gründe, von dieser Auffassung aufgrund einzelfallbezogener Gegebenheiten, die in der Person des Klägers begründet sind, abzuweichen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger keine landesweite Bekanntheit erlangt oder ist sonst in den Fokus des gesellschaftlichen Diskurses geraten. In den genannten Großstädten und in anderen Landesteilen kann der Kläger als erwachsener und lediger Mann auch ein ausreichendes Einkommen finden. Zwar ist das Leben in den Großstädten teuer, allerdings haben viele Menschen kleine Geschäfte oder Kleinstunternehmen. Es gibt aufgrund der großen Bevölkerung viele Möglichkeiten für Geschäfte auf kleiner Basis (vgl. VG Augsburg, Beschl. v. 18.11.2014 - Au 3 K 14.30471 -, juris; VG Regensburg, Urt. v. 10.12.2013 - 3 K 13.30374 -, juris unter Bezugnahme auf den Bericht zur Fact Finding Mission des Bundesasylamtes der Republik Österreich vom Juni 2013, Pakistan 2013, S. 76). Nach der Erkenntnismittellage gilt auch aufgrund der Zugehörigkeit zum christlichen Glauben hier nicht ausnahmsweise etwas Anderes. Nach den Erkenntnissen des Gerichts sind Christen in der Regel frei in der Ausübung ihres Glaubens. Es bestehen (anders als etwa bei der Minderheitenreligion der Ahmadis) keine ausdrücklich gegen sie gerichteten Rechtsvorschriften, die Christen in ihren Rechten beeinträchtigen, vielmehr wird die Religionsausübung der christlichen Minderheit grundsätzlich staatlicherseits nicht eingeschränkt oder aktiv behindert (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27.8.2014 - A 11 S 1128/14 -; OVG NRW, Beschl. v. 19.2.2018 - 4 A 1762/15.A. -, alle juris mwN). Zwar sind Diskriminierungen von Christen im wirtschaftlichen Bereich und auf dem Arbeitsmarkt weit verbreitet (vgl. vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Pakistan, Stand 7.12.2017, S. 84), so dass es so gut wie keine christliche Mittelschicht, dafür eine breite Unterschicht gibt, die sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlägt. Warum dem Kläger dies nicht ebenfalls möglich sein sollte, ist nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht.

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Auch eine Berufung auf den Flüchtlingsschutz wegen Gruppenverfolgung scheidet aus. Hat der Asylbewerber keine eigene Verfolgung wegen seiner Religion erfahren, kann sich die Gefahr eigener politischer Verfolgung eines Asylbewerbers auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmales verfolgt werden, das er mit ihnen teilt und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gruppenverfolgung). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt dabei die Annahme einer Gruppenverfolgung ein staatliches Verfolgungsprogramm oder im Fall einer nichtstaatlichen Verfolgung eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die Vermutung einer auch individuell bestehenden Verfolgungsgefahr rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in asylrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (BVerwG, Urt. v. 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, NVwZ 1995, 175). Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen in deren Herkunftsstaat die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare asylerhebliche Merkmale nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann (hierzu: BVerwG, Urt. v. 21.4.2009 - 10 C 11.08 -, juris).

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Nach diesen Maßstäben droht dem Kläger keine Verfolgung. Zur Frage der Gruppenverfolgung von Christen in Pakistan hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2014 – A 11 S 1128/14 –, ausgeführt:

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„Christen in Pakistan droht nach den im Verfahren vom Senat zugrunde gelegten und ausgewerteten Erkenntnismitteln nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, wegen ihres Glaubens und ihrer – auch öffentlichen – Glaubensbetätigung einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL ausgesetzt zu sein. Der Senat geht davon aus, dass in Pakistan mindestens 3 Millionen Christen leben (vgl. AA Lagebericht vom 08.04.2014, S. 6 und 16 – im Folgenden Lagebericht; vgl. aber auch Home Office, Pakistan, Country of Origin Information Report vom 09.10.2013, Ziffer 19.178 – im Folgenden COI – wonach laut einiger Quellen die Zahl in Wirklichkeit das Doppelte betragen soll). Nach der Rechtslage bestehen - anders als bei der religiösen Minderheit der Ahmadis – keine wesentlichen unmittelbaren Diskriminierungen der Christen in Pakistan (vgl. etwa Lagebericht, S. 13 f.; BAA, Bericht zur Fact Finding Mission, Pakistan, Juni 2013, S. 38 ff. und 51 ff. – im Folgenden BAA). Eine Ausnahme besteht insoweit, als der Premierminister sowie der Präsident Muslim sein muss, was teilweise als schlechtes Signal an die Bevölkerung beschrieben wird, dass die Minderheiten auch minderwertig seien (vgl. BAA, S. 51). Allerdings wirkt sich die sog. Blasphemiegesetzgebung auch bei der christlichen Minderheit faktisch zu ihrem Nachteil aus, zumal diese – nicht anders als bei anderen Minderheiten, aber auch bei der Mehrheitsbevölkerung – in erheblichem Maße aus eigensüchtigen Motiven und Gründen von den Anzeigeerstattern missbraucht wird (vgl. ausführlich auch BAA, S. 48 ff.; COI, Ziffer 19.33. ff.; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Angehörigen religiöser Minderheiten in Pakistan, 10.10.2012, S. 6 f. – im Folgenden UNHCR; Human Rights Commission of Pakistan, State of Human Rights in 2013, S. 27 ff und 101 ff. – im Folgenden HRCP).(…) Betroffen sind davon allerdings in erster Linie nicht Angehörige der christlichen Minderheit. Dokumentiert sind zwei nicht rechtskräftige Todesurteile gegen eine christliche Frau und ein christliches Mädchen, ohne dass nähere Umstände hierzu bekannt geworden sind (vgl. etwa Human Rights Watch World Report 2014, S. 367 f. – im Folgenden HRWWR). Im Jahre 2012 kam es zu insgesamt 113 Anklagen (gegenüber 79 im Jahre 2011), davon 12 gegen Christen (Lagebericht, S. 14; vgl. auch HRCP, S. 33 f., die von geringfügig höheren Zahlen ausgeht). Im Jahre 2013 wurden insgesamt gegen 68 Personen Verfahren eingeleitet, darunter gegen 14 Christen; es wurden insgesamt mindestens 16 oder 17 Personen zum Tode und 19 oder 20 zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, davon eine Verurteilung eines Christen zu lebenslanger Freiheitsstrafe und zwei Freisprüche von Christen (vgl. US Commission of International Religious Annual Report 2014, S. 76 – Im Folgenden USCIRF I; HRWWR, S. 367; HRCP, S. 33 ff.; vgl. zu weiteren Verurteilungen eines britischen Staatsangehörigen und einer pakistanischen Christin im Jahre 2014 Briefing Notes vom 27.01.2014 und 31.03.2014). Die Religionsausübung der christlichen Minderheit wird grundsätzlich staatlicherseits nicht eingeschränkt oder behindert. Für das Jahr 2012 wurde allerdings berichtet, dass auch staatliche Stellen sich an der Zerstörung christlicher Einrichtungen beteiligt hätten (vgl. US Commission of International Religious Freedom Annual Report 2012, S. 126 – Im Folgenden USCIRF II). Vergleichbare Vorkommnisse werden für das Jahr 2013 in den zahlreichen Erkenntnismitteln an keiner Stelle mehr erwähnt (vgl. USCRIF I, S. 75 ff. und US Commission of International Religious Freedom Annual Report 2013, S. 123 – im Folgenden USCRIF IV). Die wesentlichen Probleme, mit denen religiöse Minderheiten konfrontiert sind, sind die Auswirkungen der zunehmenden interkonfessionellen Gewaltakte von nicht-staatlicher Seite und Diskriminierungen im gesellschaftlichen Leben (vgl. hierzu schon ausführlich Senatsurteil vom 12.06.2013 – A 11 S 757/13). Allerdings ist festzustellen, dass sich diese Gewalttaten bislang überwiegend gar nicht gegen Christen, sondern gegen Angehörige der schiitischen Minderheit richten (vgl. BAA, S. 19 f und 47 f.; Lagebericht, S. 16; HRWWR, S. 367; USCIRF I, S. 75). Für das Jahr 2013 wurden insgesamt 658 Tote und 1195 Verletzte gezählt (vgl. Lagebericht S. 16), die gegen religiöse Minderheiten gerichteten interkonfessionellen Gewaltakten zum Opfer gefallen sind, während es sich im Jahre 2012 „nur“ um 507 Tote und 577 Verletzte gehandelt hatte (vgl. COI, Ziffer 19.233). Was die christliche Minderheit betrifft, sind besonders hervorzuheben ein Anschlag auf die anglikanische Allerheiligen-Kirche in Peshawar am 22.09.2013, durch den wohl etwa 100 Personen getötet und über 150 zum Teil schwer verletzt wurden (vgl. Lagebericht, S. 16, und USCIRF I, S. 76). Im März und April attackierte eine aufgehetzte Menschenmenge christliche Siedlungen bzw. Dörfer; bei den Attacken wurden über 100 Häuser zerstört, ohne dass aber Menschenleben zu beklagen waren (vgl. USCIRF I, S. 76; vgl. auch BAA, S. 42 f.; vgl. auch HRCP, S. 94 - zu weiteren – allerdings vereinzelten – Übergriffen auf Kirchen S. 94), wobei auch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Vorfall im März 2013 von langer Hand vorbereitet worden war. Im Wesentlichen alle verwerteten Erkenntnismittel sind sich in diesem Zusammenhang einig, dass staatliche Sicherheits- und Strafverfolgungsorgane hierbei den erforderlichen Schutz nur lückenhaft gewähren oder jedenfalls viel zu spät eingreifen, wobei dieses oftmals nicht allein darauf zurückzuführen ist, dass diese Organe überfordert wären, sondern auch auf einer offensichtlich mangelnden Bereitschaft beruht, effektiven Schutz zu gewähren (vgl. etwa BAA, S. 19 ff. und 42 ff.; HRWWR, S. 367; UNHCR, S. 1 f.; vgl. zu unzureichenden Schutzmaßnahmen schon Departement of State‘s International Religious Freedom Report for 2012, Stichwort „Government Inaction“ – Im Folgenden USCIRF III). Allerdings ist auch festzuhalten, dass es fundierte Berichte gibt, dass Polizeiorgane bei dem Versuch, den gebotenen Schutz zu gewähren, ernsthafte Verletzung erlitten haben (vgl. BAA, S. 43; vgl. auch S. 46 zu Schutzmaßnahmen bei Prozessionen). Immerhin haben die Sicherheitsorgane nach gewalttätigen Übergriffen auch Ausgangssperren zum Schutze der Minderheiten und gegenüber muslimischen Klerikern Verbote verhängt, die Stadt zu betreten, um zu verhindern, dass diese zur Gewalt aufstacheln und Hassreden halten (vgl. HRCP S. 76). Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang abschließend, dass es nach dem Angriff am 22.09.2013 in Lahore und Islamabad bemerkenswerte zivilgesellschaftliche Solidaritätsaktionen zugunsten der Christen gab, indem um mehrere Kirchen Menschenketten gebildet wurden (HRCP, S. 94).Selbst wenn man bei der gebotenen qualitativen Bewertung (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - NVwZ 2011, 56, vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454 und vom 13.02.2014 - 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487) berücksichtigt, dass derartige Gewaltakte teilweise nicht vorhergesehen werden und die Angehörigen der religiösen Minderheiten gewissermaßen aus heiterem Himmel treffen können, was es ihnen dann aber unmöglich macht, ihnen auszuweichen, so genügen selbst die für das Jahr 2013 festgestellten Opferzahlen, die nach den verwerteten Erkenntnismitteln überwiegend nicht die christliche Minderheit betreffen, bei weitem nicht, um die Annahme zu rechtfertigen, jeder Angehörige dieser mindestens drei Millionen zählenden Minderheit müsse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, in einer noch überschaubaren Zeit Opfer derartiger Leib oder Leben betreffenden Akte zu werden. Daran ändern nichts die etwa vom Auswärtigen Amt im Lagebericht vom 08.04.2014 (S. 16) getroffene Feststellung, dass nach den Ereignissen des Jahres 2013 die Bedrohungslage der christlichen Minderheit in Pakistan eine neue Qualität habe, und die Tatsache, dass die Human Rights Commission of Pakistan davon spricht, dass das Jahr 2013 eines der schwärzesten für die christlichen Gemeinden in Pakistan gewesen sei (HRCP, S. 92). Auch UNHCR ist bislang der Auffassung gewesen, dass eine generelle, vom Einzelfall unabhängige Gefährdung nicht besteht (UNHCR, S. 8). Selbst die Organisation „Open Doors“ (Länderprofile Pakistan), die insgesamt ein durchaus düsteres Bild vermittelt, das aber in den anderen Erkenntnismitteln keine unmittelbare Entsprechung findet, geht davon aus, dass die christlichen Gemeinden sich nach wie vor ungehindert auch mit Öffentlichkeitsbezug versammeln und arbeiten können, auch wenn mitunter die Kirchen von bezahlten Wachleuten geschützt werden. Der Senat kann daher offen lassen, ob der pakistanische Staat den durch Art. 7 Abs. 2 QRL geforderten effektiven Schutz gewährleistet, was aber nach den verwerteten Erkenntnismitteln eher zu verneinen sein dürfte. Etwas anderes gilt auch nicht allgemein und generell betrachtet für den Personenkreis der vom Islam zum Christentum Konvertierten. Zunächst ist davon auszugehen, dass die pakistanische Rechtsordnung den Vorgang der Konversion nicht untersagt oder gar strafrechtlich bewertet (vgl. Lagebericht, S. 14). Versuche, die Rechtslage zu Lasten der Konvertiten zu verändern, sind sogar gescheitert und aufgegeben worden (vgl. COI, Ziff. 19.66). Allerdings kann hier die bereits erwähnte Blasphemie-Gesetzgebung zum Einfallstor für Verfolgungen und Diskriminierungen werden, wenn es um die Beurteilung von Äußerungen und Verhaltensweisen im Kontext einer Konversion geht (vgl. missio, S. 13 und 17; Deutschlandradio Kultur vom 11.02.2014, S. 3). Dass aber in signifikantem Umfang der hier zu beurteilende Personenkreis betroffen sein könnte, lässt sich den vielfältigen Erkenntnismitteln nicht entnehmen, obwohl in ihnen eine unübersehbare Fülle von Einzelinformationen verarbeitet wurden. (…) Die Folgen der gesellschaftlichen und innerfamiliären Ablehnung und Missbilligung gehen dahin, dass Konvertiten es teilweise, jedoch nicht generell, bewusst vermeiden, die Konversion an die Öffentlichkeit zu tragen, und daher ggf. auch den Wohnort wechseln, um nicht in ihrem bisherigen Wohnumfeld aufzufallen, um dann andernorts gewissermaßen als „unbeschriebenes Blatt“ als Christ auftreten und diesen Glauben mit den oben beschriebenen Einschränkungen leben zu können (vgl. etwa Open Doors, Länderprofile Pakistan). Das bedingt aber andererseits, dass es verlässliche Zahlen über die Konversionen vom Islam weg nicht geben kann. Auch wenn angesichts der geschilderten Haltung der Mehrheitsgesellschaft davon auszugehen sein wird, dass die Zahl der erfolgten Lösungen vom Islam oder Konversionen weg vom Islam nicht sehr groß sein wird, so fehlt es doch gegenwärtig an ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass nach Maßgabe der für die Annahme einer Gruppenverfolgung zugrunde zu legenden Prognosemaßstäbe jeder pakistanische Staatsangehörige, der sich vom Islam löst, unterschiedslos ein reales Risiko läuft, von einer schweren Menschenrechtsverletzung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. a) oder lit. b) QRL betroffen zu sein (…)“

29

Diesen allgemeinen Ausführungen zur Lage der Christen in Pakistan schließt sich die erkennende Einzelrichterin – wie auch andere Instanzgerichte (vgl. z.B. VG München Urt. v. 21.9.2017 – M 1 K 16.35666 -, juris mwN) – auch nach Auswertung der neusten Erkenntnismittel an. Denn auch dem neusten Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Lagebericht vom 20.10.2017) sind keine Erkenntnisse zu entnehmen, die für eine Gruppenverfolgung von Christen in Pakistan sprechen. Danach gab es zwar in den Jahren 2015 und 2016 in Lahore mehrere gezielt auf Christen verübte Anschläge mit zahlreichen Todesopfern (bspw. Doppel-Selbstmordanschlag auf zwei Kirchen in dem überwiegend von Christen bewohnten Stadtteil Yohanabad von Lahore, bei dem 20 Personen ums Leben kamen; bei einem Anschlag auf einen öffentlichen Park in Lahore am Ostersonntag im März 2016 wurden zahlreiche Christen getötet (s. Die Welt (online) vom 28.3.2016, „Christen als Sündenböcke“). Wenngleich die Mehrzahl der Getöteten Muslime waren, behauptete die Taliban, der Anschlag habe den Christen gegolten (vgl. Bl. 20 Lagebericht Auswärtiges Amt vom 30.5.2016; Open Doors, Länderbericht Pakistan Berichtszeitraum 1.11.2015 - 31.10.2016). Im September 2016 wurde der christliche Wachmann D. E. getötet, als er versuchte, den Angriff von vier bewaffneten Männern auf die christliche Siedlung Warsak Dam bei Peschawar abzuwehren. Mindestens vier weitere Fälle wurden erfasst (Open Doors, Länderbericht Pakistan Berichtszeitraum 1.11.2015 - 31.10.2016); vgl. zu alledem ausführlich auch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Pakistan, Stand 7.12.2017, S. 82 ff.). Zwar bringen diese gezielten terroristischen Angriffe auf die Gemeinschaft der pakistanischen Christen eine neue Qualität in die Bedrohungslage für die christliche Bevölkerung, die sich zuvor vor allem in sozialer Diskriminierung äußerte (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Pakistan, Stand 7.12.2017, S. 84). Auch wenn die Zahlen der aktiven Angriffe zunehmen, kann aus den Berichten über die einzelnen Vorfälle aber nicht darauf geschlossen werden, dass Angehörige des Christentums allein wegen ihres Glaubens Ziel von Übergriffen und Anschlägen i.S. einer gruppenrelevanten Bedrohungslage sind. Denn die dafür erforderliche „Verfolgungsdichte“, welche die Vermutung einer auch individuell bestehenden Verfolgungsgefahr rechtfertigt, ergeben die genannten Vorfällen nicht.

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Auch besteht kein Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG und auch kein Anspruch auf die Feststellung des Bestehens von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Insbesondere droht dem Kläger aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen in Pakistan keine unmenschliche Behandlung i.S.d. genannten Normen. Unzureichende wirtschaftliche Verhältnisse im Herkunftsland können in Ausnahmefällen, in denen die schlechten humanitären Verhältnisse eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Asylbewerbers darstellen, ein Abschiebungsverbot in diesem Sinn begründen. In ganz außergewöhnlichen Fällen können auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend sind“ (BVerwG, Urteil vom 31.1.2013 - 10 C 15.12 - sowie VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.7.2013 - A 11 S 697/13 -, jeweils juris). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Auch wenn Personen, die nach Pakistan zurückkehren, keine staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen erhalten (Auswärtiges Amt, Lagebericht, vom 20.10.2017, S. 27), geht das Gericht davon aus, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr nach Pakistan in der Lage sein wird, die elementaren Grundbedürfnisse zu befriedigen. Der Kläger ist nach eigenen Angaben gesund und es bestehen auch keine Zweifel an seiner Erwerbsfähigkeit. Insbesondere ist das Gericht davon überzeugt, dass es ihm in Pakistan gelingen wird, durch eigene, notfalls auch wenig attraktive Arbeit jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige zu erwirtschaften. Auch ist er auf die Hilfe seiner nach wie vor in Pakistan lebenden Familienmitglieder – nach eigenen Angaben lebt seine Familie in Pakistan und unterstützt sich gegenseitig – zu verweisen.

31

Im Übrigen nimmt die Einzelrichterin auf den Bescheid vom 3. Juni 2016 vollumfänglich Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG, § 117 Abs. 5 VwGO).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83 b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 


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