Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (5. Kammer) - 5 A 292/09

Tatbestand

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Der Kläger ist Polizeibeamter im Rang eines Polizeiobermeisters und als SEK-Einsatzbeamter seit 2005 dem Landekriminalamt (LKA) Sachsen-Anhalt angehörig. Er begehrt eine Entschädigung für das Tragen von Zivilkleidung im Dienst. Zuvor war der Kläger ebenfalls als SEK-Einsatzbeamter der heutigen Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord zugehörig. Bis zum August 2006 wurde den Beamten jeweils eine Entschädigung für das Tragen von Zivilkleidung im Dienst gewährt, wenn dies aus dienstlichen Gründen erforderlich war. Insoweit wurde jeweils eingetragen und vermerkt, wenn der Beamte Zivilkleidung getragen hat bzw. dies tragen musste. Die Polizeidirektion A-Stadt hatte dies dann generell nachträglich genehmigt, ohne dass es hierzu vorab und im Einzelfall einer gesonderten Anordnung bedurft hätte. Ab dem 01.01.2009 wird die Entschädigung erneut gewährt.

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Den Antrag des Klägers auf Entschädigung für den streitbefangenen Zeitraum lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 02.03.2009 als unbegründet ab. Die darin vertretene Rechtsauffassung führte der Beklagte in dem Widerspruchsbescheid vom 28.08.2009 fort und vertrat die Auffassung, dass für das klägerische Begehren keine Anspruchsgrundlage ersichtlich sei. Die Anspruchsberechtigung richte sich nach Nr. 7 Satz 2 der Dienstkleidungsvorschrift des Landes Sachsen-Anhalt i. V. m. Nr. 1 der Bestimmungen über die Entschädigung für das Tragen von Zivilkleidung im Polizeivollzugsdienst (RdErl. des MI v. 17.07.1992 - 22.11-03590/4). Grundvoraussetzung für das Entstehen des Anspruchs sei somit das Vorliegen einer entsprechenden Anordnung des Direktors des Landeskriminalamtes. Bekanntermaßen habe der Direktor unter dem 22.05.2009 rückwirkend zum 01.01.2009 eine solche Anordnung verfügt. Somit fehle es für den Zeitraum von 2005/2008 an der wesentlichen Anspruchsvoraussetzung. Die Entschädigungszahlungen bis zum August 2006 seien rechtsgrundlos erfolgt.

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Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und ist der Auffassung, dass sich aufgrund der jahrelangen Entschädigungszahlung eine betriebliche Übung herausgebildet habe. Es sei willkürlich, dass der Direktor des LKA für die SEK-Beamten das Tragen von Zivilkleidung, soweit die Einsatzlage es erfordere, lediglich rückwirkend zum 01.01.2009 angeordnet habe und eben nicht rückwirkend bis zum 01.09.2006. Der Kläger stellt klar, dass er für den streitgegenständlichen Zeitraum nur für die Tage eine Entschädigung begehrt, an denen es erforderlich gewesen sei, Zivilkleidung im Dienst zu tragen. An den Tagen, an denen der Kläger mit gestellter Sport- oder Spezialkleidung seinen Dienst versehen habe, begehre er keine Entschädigung.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 02.03.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2009 zu verpflichten, dem Kläger für den Zeitraum vom September 2006 bis zum 31.12.2008 eine Entschädigung für das Tragen von Zivilkleidung im Dienst zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen

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und verteidigt die Bescheide und die darin geäußerte Rechtsansicht zur fehlenden Rechtsgrundlage für das klägerische Begehren.

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Die frühere Zugehörigkeit der SEK-Einsatzbeamten zu den Polizeidirektionen sei dadurch gekennzeichnet gewesen, dass die SEK-Einsatzbeamten nicht nur bestimmungsgemäß für bestimmte Gefahren geneigte Einsätze, sondern regelmäßig auch als Zivilstreifen verwendet worden seien. Insofern unterscheide sich die Situation seinerzeit erheblich von der aktuellen Lage seit der Eingliederung in das LKA. Die SEK-Einsatzbeamten seien beim LKA nicht mehr als Zivilstreifen eingesetzt und seien nach Erlasslage und eigenen Angaben in mindestens 50 % der Arbeitszeit mit speziellen Aus- und Fortbildungen beschäftigt. Zu diesem Zwecke seien sie mit einer umfangreichen polizeilichen Bekleidungsausstattung versehen, die einem Wert über 3.000,00 Euro entspreche. SEK-typische Einsätze (Geiselnahmen, Zugriffe, Festnahmen und Ähnliches) seien grundsätzlich schon aus Sicherheitsgründen mit Spezialkleidung und Ausrüstung zu absolvieren. Für die sportlichen Dienstveranstaltungen werde den Beamten eine spezielle Sportbekleidung gestellt. So sei es nachvollziehbar, dass im LKA zunächst grundsätzlich keine Notwendigkeit für eine Kostenerstattung gesehen worden sei. Im Rahmen eines langwierigen Prozesses der Entscheidungsfindung und nach Abwägung aller Gesichtspunkte habe der Direktor des LKA letztendlich entschieden, rückwirkend zum 01.01.2009 für die SEK-Beamten das Tragen von Zivilkleidung anzuordnen, soweit die Einsatzlage es erfordere, so dass die SEK-Beamten seit Beginn des Jahres bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen die Entschädigung für das Tragen von Zivilkleidung wieder geltend machen könnten.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) durch den Einzelrichter (§ 6 VwGO) entschieden werden konnte, ist begründet.

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Der Kläger hat für den streitentscheidenden Zeitraum einen Anspruch auf Entschädigung für das Tragen von Zivilkleidung im Dienst an den Tagen, an denen dies aus dienstlichen Gründen erforderlich gewesen ist. Die diesbezügliche Ablehnung seines Begehrens in den Bescheiden ist rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

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Nach § 2 Abs. 1 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) dürfen finanzielle Leistungen, die der Sache nach Besoldung darstellen, nicht ohne gesetzliche Grundlage erbracht werden. Daher setzt die neben der Besoldung zulässige Gewährung von Aufwandsentschädigungen unter anderem voraus, dass dem Beamten, Richter oder Soldaten aus dienstlicher Veranlassung - dienstbezogen - finanzielle Aufwendungen erwachsen, deren Übernahme ihm nicht zugemutet werden können. Es muss also die Kostenerstattung, nicht die Alimentation im Vordergrund stehen. Eine derartige Entschädigung wird in der Regel pauschaliert gewährt und dient der Kompensation von Aufwendungen, die sich aus der Art der Dienstausübung zwangsläufig ergeben und nicht durch die Dienstbezüge abgegolten werden (vgl. BVerwG, U. v. 13.07.2000, 2 C 30.99; juris). Aus der Nichtzugehörigkeit der Aufwandsentschädigung zur Besoldung folgt, dass sie der Dienstherr nach den Maßstäben des § 17 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) für seinen Dienstbereich durch Gesetz, Verordnung oder Verwaltungsvorschrift regeln kann (vgl. BVerwG, U. v. 08.07.1994, 2 C 3.93; juris). Dabei besagt § 17 BBesG, dass Aufwandsentschädigungen nur gewährt werden, wenn aus dienstlicher Veranlassung Aufwendungen entstehen, deren Übernahme dem Beamten nicht zugemutet werden kann, und der Haushaltsplan Mittel dafür zur Verfügung stellt.

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§ 17 BBesG legt nur die (engen) Grenzen fest, innerhalb deren einem Beamten neben seinen Dienstbezügen Zuwendungen gewährt werden dürfen, die nicht gesetzlich geregelt sind; hingegen sagt er nichts darüber aus, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf solche Zuwendungen besteht (BVerwG, B. v. 29.06.1979, 6 B 37.79; juris). Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen entscheidet der Dienstherr über die Gewährung einer Aufwandsentschädigung daher nach pflichtgemäßem Ermessen, dass er durch Richtlinien binden kann (BVerwG, U. v. 08.07.1994, 2 C 3.93; juris). Demnach wird dadurch die allgemeine beamtenrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. Art. 33 Abs. 5 GG als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums; § 79 BBG, § 79 BG LSA und § 45 Beamtenrechtsstatusgesetz - BeamtStG) ausgestaltet.

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Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung eines Anspruchs auf Aufwandsentschädigung erstreckt sich zum einen auf die Frage, ob eine derartige Entschädigung neben der Besoldung gewährt werden darf und zum anderen darin, ob das Gleichbehandlungsprinzip des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist, wobei insbesondere die Grundsätze der Ermessensbindung zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwG, U. v. 23.04.2003, 3 C 25.02, U. v. 19.09.2000, 1 C 19.99; VG München, Urteil vom 20.03.2009, M 21 K 08.242; alle juris).

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Im Rahmen der Sondervorschriften für Polizeivollzugsbeamte bestimmt § 116 Abs. 2 BG LSA, dass dem Polizeivollzugsbeamten im Kriminaldienst als Aufwandsentschädigung ein Bekleidungszuschuss und Bewegungsgeld gewährt werden kann. Dementsprechend ist die Dienstkleidungsvorschrift für die Polizei des Landes Sachsen-Anhalt (DKIV Pol. LSA) mit Wirkung vom 01.01.2004 erlassen worden, welche unter Ziffer 7. ausführt:

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„Zivilkleidung darf bei Ausübung des Polizeivollzugsdienstes nur getragen werden, soweit besondere Aufgaben von Pflichtuniformträgern nicht in Dienstkleidung erfüllt werden sollen. Die Anordnung bzw. Genehmigung zum Tragen von Zivilkleidung erteilt die Abteilungsleiterin oder der Abteilungsleiter Polizei, die Direktorin oder der Direktor der Landesbereitschaftspolizei und des TPA sowie die Rektorin oder der Rektor der Fachhochschule im Rahmen der dafür verfügbaren Haushaltsmittel.

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Für das Tragen von Zivilkleidung kann eine finanzielle Entschädigung gezahlt werden. Die Entschädigungshöhe, die im Einvernehmen mit dem Ministerium der Finanzen festgesetzt wird, wird durch Erlass bekannt gegeben.

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Pflichtuniformträger mit Verwendungswechsel zur Kriminalpolizei erhalten keine Entschädigung für das Tragen von Zivilkleidung. Die Gewährung eines Bekleidungszuschusses bleibt unberührt.“

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Mit Erlass vom 23.08.2006 wurde die Vorschrift dahingehend geändert, dass auch der Direktor des Landeskriminalamtes die Anordnung bzw. Genehmigung zum Tragen von Zivilkleidung erteilen kann. Dementsprechend ordnete der Direktor des Landeskriminalamtes unter dem 22.05.2009 rückwirkend zum 01.01.2009 das Tragen von Zivilkleidung für Beamte des SEK an, soweit dienstliche Gründe dies erfordern.

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Die „Bestimmungen über die Entschädigung für das Tragen von Zivilkleidung im Polizeivollzugsdienst“ - RdErl. des MI vom 17.07.1992 - 22.11 - 03590-4 regeln unter Nr. 2., dass die Beamten der Zivilstreifenkommandos (ZSK) grundsätzlich für jeden Kalendermonat eine Aufwandsentschädigung von 30,00 DM erhalten und unter Nr. 1. heißt es, dass Schutzpolizeibeamte für das dienstlich angeordnete Tragen der Zivilkleidung als Aufwandsentschädigung 1,00 DM für jeden Kalendertag, an dem sie in Ausübung des Polizeivollzugsdienstes Zivilkleidung tragen, erhalten.

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Unstreitig wurde den SEK-Einsatzbeamten - zu denen der Kläger zählt – jedenfalls bis zum August 2006 eine Entschädigung für das notwendige Tragen von Zivilkleidung im Dienst gewährt. Demnach wurde die Entschädigungszahlung auch nach dem verwaltungsinternen Übergang der Zugehörigkeit des SEK von der PD A-Stadt zum LKA LSA ab dem Jahr 2005 beibehalten. Ebenso unstreitig hat der Direktor des LKA unter dem 22.05.2009 ab dem 01.01.2009 erneut das Tragen von Zivilkleidung für SEK-Einsatzbeamte angeordnet, soweit dies aus dienstlichen Gründen erforderlich ist und somit die Entschädigungszahlung (erneut) ermöglicht. Dementsprechend wird von allen Beteiligten auch unstreitig gesehen, dass es durchaus polizeiliche Einsatzlagen gibt, in denen die Polizeivollzugsbeamten - jedenfalls die Gruppe der hier einschlägigen SEK-Einsatzbeamten - zur Versehung ihres Dienstes zwingend notwendig Zivilkleidung anstatt Dienstkleidung tragen müssen. Dies erschließt sich auch ohne weitere Kenntnisse über den Dienstbetrieb, ohne das hier diese besonderen Einsatzlagen - wie Observationen, Festnahmen etc. - näher hinterfragt werden müssen. Nur in diesen sehr begrenzten Fällen ist es dienstlich erforderlich, das der Polizeibeamte aufgrund seiner Uniform gerade nicht als solcher erkannt werden soll (vgl. dazu: VG Oldenburg, Urteil vom 08.01.2003, 6 A 2441/01; juris). Der Verweis des Beklagten auf die umfangreiche und kostenintensive Spezialausrüstung und Dienstkleidung sowie dem überwiegenden Tätigkeitsbereich der Beamten in der Aus- und Fortbildung greift daher in diesem Zusammenhang nicht. Dementsprechend liegt es auch auf der Hand, dass der Polizeibeamte (nur) in den genannten Ausnahmefällen eine Aufwandsentschädigung für die Abnutzung seiner zivilen Kleidung erhalten muss. Daran orientiert ist es bereits aufgrund allgemeiner Überlegungen nicht nachvollziehbar, wieso der Dienstherr sich seiner finanziellen Verpflichtung entziehen will. Die Rechtsgrundlagen für diese finanzielle Verpflichtung sind eingangs genannt worden und konkretisieren letztendlich die allgemeine beamtenrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Durch die bisherige Bewilligung und Gewährung derartiger Aufwandsentschädigungen hat sich der Dienstherr gebunden, so dass eine Abkehr von diesen Regelungen rechtsstaatlich nicht nachvollziehbar erscheint, zumal keine nachvollziehbare Begründung für die Nichtgewährung in dem entscheidungserheblichen Zeitraum genannt wird. Dies umso mehr als es sich – jedenfalls im Bereich der hier zu entscheidenden SEK-Beamten - um vergleichbare Bagatellbeträge handeln wird, deren Übernahme durch bzw. Abwälzung auf den Beamten diesem aber andererseits nicht zugemutet werden darf. Denn insoweit ist auch von Bedeutung, dass den Beamten bereits eine Vielzahl von finanziellen Vergünstigungen genommen wurde (z. B. Sonderzuwendungen, Weihnachts- und Urlaubsgeld).

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Das Gericht weist ausdrücklich darauf hin, dass es nicht in der Lage ist, hier jeweilige Beträge für eine angemessene Aufwandsentschädigung festzusetzen und auszuwerfen. Darüber besteht zwischen den Beteiligten im Übrigen auch kein Streit (zur Problematik von Festbeträgen vgl. Hess. VGH, Urteil vom 19.02.2008, 1 UE 1678/07; juris). Ebenso weist das Gericht darauf hin, dass das Urteil nur Wirkung in dem Sinne entfaltet, dass die jeweiligen dienstlichen Gegebenheiten, d. h. die Tage, an denen die Zivilkleidung anstatt der Dienstkleidung oder sonstiger zur Verfügung gestellter dienstlicher Kleidung (Sportbekleidung, Spezialausrüstung etc.) gegeben sind. Die nähere Gestaltung dieser Nachweispflicht steht hier nicht im Streit und dürfte von den Beteiligten - wie auch in früheren Jahren - problemlos zu bewerkstelligen sein.

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Schließlich kann der Beamte den Aufwand für eine etwaige Abnutzung der im Dienst getragenen Zivilkleidung auch nicht dadurch vermeiden, dass er seine Dienstkleidung trägt. Denn dies würde in den besonderen Einsatzlagen gerade den Erfolg seiner Dienstausübung gefährden. Dementsprechend geht es vorliegend auch nicht um die Fälle, in denen der Polizeivollzugsbeamte aufgrund einer polizeilichen Handlung, wie einer Festnahme, einer Durchsuchung, einer Leichen- und Brandsachenbearbeitung oder dergleichen eine Beschädigung seiner Zivilkleidung erfährt. Denn diese Fälle dürften im Rahmen eines Schadenersatzes zu begleichen sein und behandeln nicht die vorliegende normale Abnutzung der Kleidung.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus der vorläufigen Festsetzung in Höhe der vom Gericht vorgenommenen Schätzung (§ 52 Abs. 1 GKG).


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