Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (3. Kammer) - 3 A 181/11

Tatbestand

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Der Kläger, der in A-Stadt einen Druckerei- und EDV-Wartungsbetrieb führt, wendet sich gegen seine vorläufige Veranlagung zum IHK-Beitrag für das Jahr 2011.

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Mit Bescheid vom 1.4.2011 zog die Beklagte den Kläger im Wege der vorläufigen Veranlagung zur Zahlung eines Beitrags zur Industrie- und Handelskammer A-Stadt für das Jahr 2011 in Höhe von 65,34 € heran und gab ihm auf, zuzüglich eines offenen Betrages aus anderen Beitragsjahren in Höhe von 71,42 € einen Betrag von 136,76 € zu zahlen. Als Bemessungsgrundlage wurde dabei der Gewerbeertrag 2008 des Klägers zugrundegelegt (25.600 €) und hierfür ein Grundbeitrag von 52,- € angesetzt. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 15.340,- € wurde sodann auf den verbleibenden Gewerbeertrag von 10.260,- € durch Anwendung des Hebesatzes von 0,130 % ein Betrag von 13,34 € als Umlage festgesetzt.

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Am 30.4.2011 hat der Kläger Klage erhoben. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Schriftsatz vom 30.6.2011 sowie das Terminsprotokoll verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

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Der Kläger trägt vor: Er sehe die verlangte Zahlung als Zwangsbeitrag an. Bei dem im angefochtenen Bescheid genannten Beitrag aus anderen Jahren scheine es sich um den Zwangsbeitrag für das Jahr 2008 zu handeln. Der Bescheid darüber sei zwar auf den 29.10.2010 datiert worden, jedoch erst am 11.6.2011 durch eine ohne Zustellversuch eingeworfene „förmliche Zustellung“ bekanntgegeben worden. Im gleichen Umschlag habe die Beklagte Mahnungen und Vollstreckungsandrohungen beigefügt. Der Ansatz eines zu erwartenden Gewerbegewinns von 25.600,- € in 2011 sei fehlerhaft. Er werde im Jahr 2011 keinen Gewerbegewinn erwirtschaften, wie auch das Finanzamt festgestellt habe. Es könnten weder Grundbeitrag noch Umlage erhoben werden. Tatsächlich habe er seinen Gewerbebetrieb zum 31.12.2009 weitgehend eingestellt. Aufgrund dieses Umstandes habe er weder 2010 noch 2011 einen Gewerbegewinn erwirtschaftet. Die Höhe des Gewinns, die die Beklagte im Bescheid ausweise, sei völlig illusorisch. Die Beklagte hätte ihn gem. § 14 Abs. 5 ihrer Beitragsordnung erst einmal zur Auskunftserteilung auffordern müssen, statt sogleich die Schätzung der Bemessungsgrundlage vorzunehmen. Weil er nicht zur Auskunft aufgefordert worden sei, sei der Bescheid unwirksam, da er nicht unter Berücksichtigung der Vorgaben der Beitragsordnung erlassen worden sei. Es sei auch nicht gem. § 14 Abs. 2 der Beitragsordnung eine angemessene Zahlungsfrist gesetzt worden. Bei der Angabe im Bescheid, dass der Betrag „sofort fällig“ sei, handele es sich nicht um eine angemessene Zahlungsfrist.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 1.4.2011 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte erwidert: Sie sei für die Durchführung der Beitragsveranlagung auf die Mitteilung des Gewerbeertrages durch das zuständige Finanzamt angewiesen. Sie sei an die entsprechende Mitteilung gebunden und könne nicht in eine eigene materielle Prüfung der Gewerbesteuerpflicht eintreten. Daher treffe es nicht zu, dass sie gehalten sein solle, vor der Beitragsveranlagung zusätzliche Auskünfte ihrer Mitglieder einzuholen. Das für den Kläger zuständige Finanzamt habe ihr den von ihm erzielten Gewerbeertrag zuletzt für das Jahr 2008 mit 25.600,- € mitgeteilt. Aktuellere Zahlen lägen ihr nicht vor. Die auf dieser Grundlage erfolgte vorläufige Beitragsveranlagung sei rechtmäßig und nicht zu beanstanden. Sobald der für 2011 erzielte Gewerbeertrag ermittelt sei, erhalte sie darüber eine Mitteilung des Finanzamts. Auf dieser Grundlage erfolge dann eine Überprüfung der vorläufigen Veranlagung und die Erteilung eines neuen Bescheids, mit dem das Beitragsjahr abgerechnet und die endgültige Veranlagung vorgenommen werde. Dies erfolge von Amts wegen und bedürfe nicht der Einreichung einer Klage. Die Angabe der Summe der offenen Beiträge aus anderen Beitragsjahren in Höhe von 71,42 € erfolge nur nachrichtlich. Sie sei nicht Bestandteil der Festsetzungswirkung des Bescheides. Eine erneute Rechtsmitteleinlegung werde durch die Angabe nicht eröffnet, da es sich insoweit nicht um einen Verwaltungsakt i.S.v. § 35 VwVfG handele. Im Rahmen ihrer Satzungsautonomie könne sie, die Beklagte, auch die Fälligkeit der von ihr erhobenen Beiträge regeln. Nach § 16 ihrer Beitragsordnung würden Beiträge jeweils mit dem Zugang des Bescheides fällig, so dass die im Bescheid angegebene Zahlungsfrist ebenfalls nicht zu beanstanden sei. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid diene auch nicht der Refinanzierung einer etwaigen Rücklagenbildung. In der Kalkulation, die ihrer am 25.11.2010 beschlossenen Wirtschaftssatzung für das Geschäftsjahr 2011 zugrundeliege, sei keine Rücklagenbildung vorgesehen.

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Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der Gerichtsakte 3 A 385/11 MD nebst vorgelegter „Beiakten“ der Beklagten Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Der Bescheid der Beklagten vom 1.4.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Rechtsgrundlage für die in dem Bescheid für das Jahr 2011 vorgenommene vorläufige Beitragsveranlagung ist § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern - IHKG - vom 18.12.1956 (BGBl. I S. 920), im maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Gesetz v. 11.12.2008 (BGBl. I S. 2418), in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Industrie- und Handelskammern in Sachsen-Anhalt - AG-IHKG - vom 10.6.1991 (GVBl. LSA S 103), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.11.2005 (GVBl. LSA S. 698, 709), und der Beitragsordnung der Beklagten v. 24.9.2008 (veröffentlicht in „Der Markt in Mitteldeutschland“, Heft November 2008, S. 50) sowie deren Wirtschaftssatzung vom 25.11.2010 („Der Markt in Mitteldeutschland“, Heft Dezember 2010, S. 8 ff.).

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Nach diesen Vorschriften werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht (§ 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG). Nach § 6 der Beitragsordnung i.V.m. der Wirtschaftssatzung der Beklagten, die auf der Grundlage der §§ 3 und 4 IHKG erlassen worden sind, haben die Betriebe einen Grundbeitrag zu entrichten, wobei Zuschläge u.a. nach der Rechtsform und dem Umsatz festgesetzt werden können. Der Grundbeitrag kann gestaffelt werden; dabei sollen insbesondere Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden (§ 3 Abs. 3 Satz 1 und 2 IHKG). Daneben erhebt die IHK Umlagen.

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Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer sowie der Beitragserhebung bestehen keine durchgreifenden Bedenken (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.12.2001, GewArch 2002, 111; Loertzer, Aktuelle Fragen des Kammerrechts, GewArch 2013, 22, 24 m.w.N.).

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Unter Berücksichtigung der vorerwähnten Regelungen hat die Beklagte den vom Kläger zu zahlenden Beitrag auf der Grundlage der ihr zur Verfügung stehenden Daten zutreffend ermittelt. Im vorliegenden Fall ist gem. Ziff. 2.1 b) der Wirtschaftssatzung ein Grundbeitrag von 52,- € für Unternehmer mit einem Gewerbeertrag, hilfsweise Gewinn aus Gewerbebetrieb, zwischen 24.500,- € und 36.500,- € und eine Umlage von 0,13 % des Gewerbeertrags abzüglich eines Freibetrags von 15.340,- € in Höhe eines Betrages von 13,34 € erhoben worden.

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Der für den ergangenen Bescheid vom 1.4.2011 zuletzt vom zuständigen Finanzamt gemeldete Gewerbeertrag des Klägers belief sich auf 25.600,- € für das Jahr 2008. Diese Daten waren für die vorgenommene Veranlagung ausreichend, ohne dass eine Verpflichtung der Beklagten bestand, eine Auskunft bei dem Kläger einzuholen, zumal ihr von dessen Geschäftsabsichten für das laufende Jahr nichts bekannt war. Bei der massenhaften Erstellung von Bescheiden im Beitragsrecht hat sich die Bezugnahme auf von der Finanzverwaltung rechtmäßig mitgeteilte Daten gerade aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität bewährt. Zur jeweiligen Nachfrage beim einzelnen Unternehmer, ob die Mitteilungen des Finanzamts noch eine tragfähige Grundlage für eine Prognose darstellen, besteht daher grundsätzlich wie auch im vorliegenden Fall keine Veranlassung. Auch mit seinem Vortrag im Klageverfahren, er habe den Gewerbebetrieb zum Ende des Geschäftsjahres 2009 „weitgehend eingestellt“, hat der Kläger selbst nicht erklärt, dass er etwa das Gewerbe definitiv aufgegeben habe. Er hat sein Vorbringen vielmehr in der mündlichen Verhandlung dahingehend erläutert, dass er erst im vergangenen Jahr – 2012 – eine Umschreibung im Handelsregister und Gewerbeabmeldung im Bezirk der Beklagten veranlasst habe. Der Grundbeitrag ist auch als unteilbare Jahresabgabe unabhängig davon zu entrichten, ob die Kammerzugehörigkeit des Beitragspflichtigen ohne Unterbrechung während des gesamten Beitragsjahres bestanden hat, zumindest bei einer gewerblichen Tätigkeit von über 3 Monaten (vgl. Jahn, Zur Entwicklung des Beitragsrechts der Industrie- und Handelskammern - Ein Rechtsprechungsreport 2005 bis 2007 -, GewArch 2008, 187, 189). Sache des Beitragsschuldners, der die vom Finanzamt übermittelten Daten anzweifelt, ist es, durch substantiierte Darlegung unter Beifügung von Belegen darzutun, dass ein von der IHK geltend gemachter Zahlungssaldo nicht oder nicht in dieser Höhe besteht; entscheidend ist, dass der Kammerzugehörige in dem Veranlagungsjahr, das Gegenstand des Beitragsbescheides ist, rechtlich existierte und zur Gewerbesteuer veranlagt wurde (vgl. Jahn, a.a.O., S. 191). Diesbezüglich hat der Kläger für den hier zu betrachtenden Zeitraum 2011 nichts Erhebliches dargetan.

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Der Rechtmäßigkeit des ergangenen Bescheids steht auch nicht entgegen, dass die Bemessungsgrundlagen „Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb“ für die endgültige Beitragserhebung noch nicht abschließend feststehen. Für diese Sachlage kann die Beklagte die Unternehmen zu Vorauszahlungen heranziehen und eine vorläufige Veranlagung vornehmen (§§ 14 Abs. 3, 15 der Beitragsordnung). Bei einer Änderung der Bemessungsgrundlage nach Erteilung des Beitragsbescheids hat das Unternehmen einen Anspruch auf den Erlass eines berichtigenden Bescheids nach § 14 Abs. 4 der Beitragsordnung. Vorliegend hat sich die Bemessungsgrundlage nicht ersichtlich zugunsten des Klägers geändert, weil geringere Gewerbeerträge bisher nicht bestätigt wurden. Die Höhe des vom Kläger geforderten Beitrags von 52,- € + 13,34 € ist auch unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips und des Gleichheitssatzes nicht zu beanstanden.

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Der Einwand des Klägers, der Beitrag sei mangels angemessener Fristsetzung bereits nicht fällig gewesen, greift nicht durch. Die Fälligkeit richtet sich nach § 16 der Beitragsordnung der Beklagten. Danach wird der Beitrag mit Zugang des Beitragsbescheides fällig. Dies ist hier unzweifelhaft erfüllt.

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Gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 1.4.2011 spricht auch nicht, dass in ihm der Kläger auf einen weiteren offenen Betrag von 71,42 € „aus anderen Beitragsjahren“ hingewiesen wurde und der Kläger die Zustellung dieses Zahlungsverlangens am 11.6.2011 rügt. Hierin liegt lediglich eine wiederholende Verfügung und keine neue Regelung, die der Anfechtung unterläge (vgl. Jahn, a.a.O., GewArch 2008, 190).

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Eine Rücklagenproblematik ist im vorliegenden Verfahren weder vom Kläger aufgeworfen noch sonst ersichtlich, zumal die Wirtschaftssatzung der Beklagten im Erfolgsplan 2011 (Der Markt in Mitteldeutschland, Heft 12/2010, S. 10) in den Positionen „Entnahmen aus Rücklagen“ und „Einstellungen in Rücklagen“ jeweils „Null“ ausweist.

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Nach alldem ist die Klage abzuweisen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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