Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (5. Kammer) - 5 A 18/12
Tatbestand
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Der Kläger begehrt von der Beklagten höhere Beihilfeleistungen.
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Der am … geborene Kläger ist Ruhestandsbeamter. Er stand bis zum 28. Februar 2008 im Dienst des Landes Sachsen-Anhalt und ist mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt. Er ist außerdem (nachträglich rückwirkend) seit dem 1. Februar 2009 im brancheneinheitlichen Basistarif einer Privatkrankenkasse versichert.
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Mit Schreiben vom 6. Februar 2010 begehrte der Kläger von der Beklagten Beihilfe für Aufwendungen in Höhe von 23.016,79 € für den Zeitraum vom 10. Februar 2009 bis zum 28. Januar 2010. Mit Bescheid vom 8. März 2010 versagte die Beklagte zunächst die Erstattung der geltend gemachten Aufwendungen unter Hinweis auf die zum damaligen Zeitpunkt geltenden Beihilfevorschriften, welche die Gewährung von Beihilfe vom Nachweis einer Krankenversicherung abhängig machten. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 10. März 2010 Widerspruch mit der Begründung, er sei nicht krankenversicherungspflichtig.
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Mit Neufestsetzungsbescheid vom 19. März 2010 hob die Beklagte ihren Bescheid vom 8. März 2010 auf und gewährte dem Kläger Beihilfe entsprechend seines Bemessungssatzes in Höhe von 2.188,49 €. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe dem Grunde nach nur einen Anspruch auf Erstattung der bis zum 13. Februar 2009 entstandenen Aufwendungen. Die nach diesem Zeitpunkt entstandenen Aufwendungen könnten wegen der zum 14. Februar 2010 in Kraft getretenen beihilferechtlichen Vorschriften, welche die Beihilfegewährung vom Nachweis eines Versicherungsschutzes abhängig machten, nicht erstattet werden.
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Nachdem er mit Schreiben vom 22. Oktober 2010 den Nachweis über den Abschluss einer privaten Krankenversicherung rückwirkend zum 1. Februar 2009 erbracht hatte, hob die Beklagte ihren Bescheid vom 19. März 2010 mit Bescheid vom 2. November 2010 auf und gewährte dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe von 12.627,13 €. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2010 hob die Beklagte ihren Bescheid vom 8. März 2010 auch im Hinblick auf den nicht bereits mit Bescheid vom 19. März 2010 aufgehobenen Teil auf. Zugleich hob sie den Beihilfebescheid vom 19. März 2010 in den der Neufestsetzung mit Bescheid vom 2. November 2010 widersprechenden Teilen auf und bestimmte nochmals, dass dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe von 12.627,13 € gezahlt werde.
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Mit weiterem Bescheid vom 9. November 2010 setzte die Beklagte die vom Kläger beantragte Beihilfe unter Aufhebung ihres Bescheides vom 2. November 2010 neu auf insgesamt 14.815,62 € fest. Der Kläger erhielt hierauf keine weiteren Zahlungen, da er den vorgenannten Betrag bereits aufgrund der Bescheide vom 19. März 2010 und vom 2. November 2010 erhalten hatte.
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Mit Schreiben vom 8. Dezember 2010 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch mit der Begründung, es sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund und in welchem Umfang Kürzungen vorgenommen worden seien. Mit weiterem Begründungsschreiben vom 14. Juli 2011 wandte der Kläger sich gegen die gekürzte Erstattung geltend gemachter Aufwendungen nach den (geringeren) Vergütungssätzen für im Basistarif Versicherte. Für die Höhe der zu erstattenden Aufwendungen könne nicht von maßgeblicher Bedeutung sein, ob er sich bei seiner privaten Krankenversicherung im „Basistarif“ oder in einem „Normaltarif“ versichert habe. Der sog. „Basistarif“ stelle keine gesetzliche Krankenversicherung dar. Durch die Versicherung im „Basistarif“ werde er beihilfemäßig zu einem Beamten „2. Klasse“ degradiert.
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Mit Bescheid vom 20. Dezember 2011 hob die Beklagte den Bescheid vom 9. November 2010 teilweise auf und gewährte dem Kläger nach Neufestsetzung der beantragten Beihilfe auf 15.602,63 € eine weitere Beihilfezahlung in Höhe von 787,01 €. Zur Begründung führte sie aus, die Aufwendungen für ambulante stationäre Leistungen seien anzuerkennen, da Krankenhausärzte mit Liquidationsrecht nicht der Regelung des § 75 Abs. 3a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) unterlägen.
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Mit Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2012 hob die Beklagte ihren Beihilfebescheid vom 9. November 2010 teilweise auf und verwies wegen der Berechnung der dem Kläger zu zahlenden Beihilfe auf eine anliegende Neufestsetzung vom 20. Dezember 2011. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, beihilfefähig seien grundsätzlich nur notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen. Wirtschaftlich angemessen seien grundsätzlich Aufwendungen u. a. für ärztliche Leistungen, wenn sie dem Gebührenrahmen der Gebührenordnungen der Ärzte entsprächen. Seien Beihilfeberechtigte in einem beihilfeergänzenden Standardtarif oder einem Basistarif versichert, beurteile sich die wirtschaftliche Angemessenheit ihrer Aufwendungen nach den in den Verträgen nach § 75 Abs. 3b Satz 1 SGB V vereinbarten Gebührenregelungen. Bis zur Vereinbarung derartiger Gebührenregelungen bestimme sich die wirtschaftliche Angemessenheit der Aufwendungen ärztlicher Leistungen nach § 75 Abs. 3a Sätze 2 und 3 SGB V. Am 1. April 2010 sei jedoch eine Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung KöR und dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. im Einvernehmen mit den Beihilfekostenträgern bezüglich der Honorierung ambulanter ärztlicher und belegärztlicher Leistungen für im Basistarif Versicherte in Kraft getreten. Der Kläger sei ausweislich seiner Versicherungspolice seit dem 1. Februar 2009 im Basistarif versichert. Hiervon ausgehend sei die Beihilfe für die von ihm geltend gemachten Aufwendungen ärztlicher Leistungen ab dem 1. April 2010 lediglich nach Maßgabe der in der vorgenannten Vereinbarung festgelegten geringeren Vergütungssätze festzusetzen. Darüber hinausgehende Aufwendungen seien nicht beihilfefähig, da es sich bei den Vergütungssätzen für im Basistarif Versicherte um Höchstsätze handele. Diese Sätze seien von einem Arzt zu berücksichtigen, wenn der Versicherte ihn unter Vorlage eines von dessen Versicherung für diesen Tarif ausgestellten Versicherungsausweises aufgrund des Basistarifes ihn Anspruch nehme oder einen solchen Nachweis auf Anforderung des Arztes beibringe. Hiervon ausgehend wäre keine beihilferechtliche Kürzung erfolgt, wenn der Kläger vor Beginn der betreffenden Behandlungen ordnungsgemäß bekannt gegeben hätte, dass er im Basistarif versichert sei. Da er dies offenbar nicht getan habe, seien die Rechnungslegungen nach dem „Normaltarif“ erfolgt.
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Am 7. Februar 2012 hat der Kläger bei dem erkennenden Gericht Klage erhoben.
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Zur Begründung trägt er vor, nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Juli 2012 (Az.: 5 C 1.12) stehe fest, dass die Gewährung von Beihilfe im Krankheitsfall nicht vom Nachweis einer Restkostenversicherung abhängig gemacht werden könne. Hiervon ausgehend sei kein Grund gegeben, die in der Bundesbeihilfeverordnung vorgesehenen Restriktionen für eine Versicherung im sog. „Basistarif“ zu berücksichtigen. Die entsprechende beihilferechtliche Regelung sei nicht von der Verordnungsermächtigung für die Bundesbeihilfeverordnung gedeckt und daher nichtig. Zudem habe der Verordnungsgeber es unterlassen, zwischen einer Krankenversicherung im Basistarif im Umfang von 100 % vergleichbar einer Versicherung in einer gesetzlichen Krankenkasse und im Umfang einer darunter liegenden Quote – wie z. B. 30 % – zu unterscheiden. Außerdem habe er – der Kläger – sich seinerzeit wegen seines Gesundheitszustandes nur im „Basistarif“ versichern können. Dies könne ihm nicht zum Nachteil gereichen. Im Übrigen sei er rückwirkend zum 1. Februar 2009 entsprechend versichert. Im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der ärztlichen Leistungen, deren Aufwendungen er geltend mache, habe ihm das Bestehen einer privaten Krankenversicherung daher nicht bekannt sein können. Dementsprechend habe er die ihn behandelnden Ärzte hierauf auch nicht hinweisen können. Schließlich habe er sich lediglich gezwungenermaßen privat versichert, da die Beklagte ihm zunächst – nach der nunmehr bekannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts rechtswidrig – Beihilfeleistungen unter Hinweis auf den fehlenden Krankenversicherungsnachweis verwehrt habe. Wenn er sich nicht hätte privat versichern müssen, hätte die Beklagte ihn auch nicht den Restriktionen aufgrund des Basistarifs unterwerfen können.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Beihilfebescheides vom 9. November 2010 in der Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2012 zu verpflichten, die Beihilfe nach der Bundesbeihilfeverordnung ohne die Restriktionen für eine Versicherung nach dem Basistarif neu zu berechnen und ihm den sich daraus ergebenden Betrag nachzuzahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie tritt der Klage entgegen und wiederholt zur Begründung ihre Ausführungen im angegriffenen Widerspruchsbescheid.
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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Gerichts.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Beihilfebescheid vom 9. November 2010 in der Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2012 ist, soweit er angefochten ist, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Beihilfeleistungen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Rechtlicher Anknüpfungspunkt für den geltend gemachten Beihilfeanspruch des Klägers sind, soweit der Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum höhere Beihilfeleistungen begehrt, die §§ 2 Abs. 1 Nr. 2, 10 Abs. 1 Satz 1, 12 i. V. m. § 6 der zum maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen anzuwendenden Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung) – BBhV – vom 13. Februar 2009 (BGBl. I S. 326). Die Vorschriften der Bundesbeihilfeverordnung finden zum hier maßgeblichen Zeitpunkt auf Ruhestandsbeamte des Landes – hier den Kläger – über § 88 a Abs. 1 des Beamtengesetzes Sachsen-Anhalt in der bis zum 31. Januar 2010 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 9. Februar 1998 (GVBl. LSA S. 50), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. August 2008 (GVBl. LSA S. 290), Anwendung.
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Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV sind beihilfefähig grundsätzlich nur notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen. Sind Beihilfeberechtigte und berücksichtigungsfähige Angehörige in einem Basistarif nach § 12 Abs. 1a des Versicherungsaufsichtsgesetzes – VAG – in der Neufassung vom 17. Dezember 1992 (BGBl. I 1993, S. 2), im hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631), versichert, beurteilt sich gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 BBhV die wirtschaftliche Angemessenheit ihrer Aufwendungen nach den in den Verträgen nach § 75 Abs. 3b Satz 1 SGB V vereinbarten Gebührenregelungen. Für die hier streitgegenständlichen Aufwendungen sieht die für die Zeit ab 1. April 2010 getroffene „Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, KöR, und dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. im Einvernehmen mit den Beihilfekostenträgern bezüglich der Honorierung ambulanter ärztlicher und belegärztlicher Leistungen für im Basistarif Versicherte“ (zu finden unter http://www.kbv.de/rechtsquellen/25803.html) vor, dass für die in Abschnitt M des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) genannten Leistungen (Laboratoriumsuntersuchungen) und für Leistungen nach Nr. 437 GOÄ (Laboratoriumsuntersuchungen im Rahmen einer Intensivbehandlung bis zu 24 Stunden Dauer) der 0,9-fache Gebührensatz, für technische Leistungen nach den Abschnitten A (Gebühren in besonderen Fällen), E (Physikalisch-medizinische Leistungen) und O (Strahlendiagnostik, Nuklearmedizin, Magnetresonanztomographie und Strahlentherapie) der 1,0-fache Gebührensatz und für die technischen Leistungen nach den übrigen Abschnitten des Gebührenverzeichnisses der GOÄ der 1,2-fache Gebührensatz nicht überschritten werden darf.
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Dies zugrunde gelegt hat die Beklagte zu Recht keine höhere Beihilfe für die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen ärztlicher Leistungen im streitgegenständlichen Zeitraum festgesetzt. Die Aufwendungen des Klägers unterfallen – unstreitig – der Regelung des § 6 Abs. 5 Satz 1 BBhV und damit den vorgenannten Höchstvergütungssätzen. Der Kläger war im maßgeblichen Zeitpunkt der Erbringung der ärztlichen Leistungen im Basistarif im Umfang seiner Krankenversicherungspflicht in Höhe von 30 % krankenversichert, während er mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt war.
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Entgegen der Auffassung des Klägers muss § 6 Abs. 5 Satz 1 BBhV als Grundlage für die Gewährung der Beihilfe nach den oben genannten Gebührensätzen herangezogen werden. Die Beschränkung der Beihilfe auf die Gebührensätze für Versicherte im Basistarif unterliegt nicht dem Vorbehalt des Gesetzes. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat hierzu in seinem Urteil vom 15. März 2013 (- 10 A 11153/12 -, zitiert nach juris) ausgeführt:
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„Der Vorbehalt des Gesetzes, der sich aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungssystem des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1 und 3 Grundgesetz - GG -) ergibt, verlangt, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden normativen Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen, und darf sie nicht anderen Normgebern (oder gar der Verwaltung) überlassen. Wann danach eine Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber erforderlich ist, lässt sich nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen. Obwohl das gegenwärtige Beihilfensystem keinen hergebrachten Grundsatz im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG darstellt und daher als solches verfassungsrechtlich nicht verankert ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2008 - 2 C 47/07 -, juris), gilt der Vorbehalt des Gesetzes auch für das Beihilferecht. Die Verantwortung des Dienstherrn bei Krankheit oder Pflegebedürftigkeit des Beamten und seiner Angehörigen bedarf wegen der außergewöhnlichen Bedeutung der Beihilfe für die Betroffenen und für die Wahrung eines verfassungsgemäßen Alimentationsniveaus der normativen Ordnung. Der parlamentarische Gesetzgeber muss die tragenden Strukturprinzipien und wesentliche Einschränkungen des Beihilfesystems festlegen. Andernfalls könnte der für Besoldung und Versorgung bestehende Gesetzesvorbehalt aus Art. 33 Abs. 5 GG zunehmend ausgehöhlt werden und die Exekutive das durch Besoldungs- und Versorgungsgesetze festgelegte Alimentationsniveau durch Streichungen oder Kürzungen von Beihilfeleistungen eigenmächtig absenken. Zu den tragenden Strukturprinzipien des Beihilferechts gehören insbesondere die Bestimmung des Leistungssystems, das dem Beamten und seiner Familie Schutz im Fall von Krankheit und Pflegebedürftigkeit bietet, die Festlegung der Risiken, die abgedeckt werden, des Personenkreises, der Leistungen beanspruchen kann, der Grundsätze, nach denen Leistungen erbracht, bemessen oder ausgeschlossen werden und die Anordnung, welche zweckidentischen Leistungen und Berechtigungen Vorrang haben. Ferner muss der parlamentarische Gesetzgeber die Verantwortung für Beihilfekürzungen (z.B. in Form von Selbstbeteiligungen) übernehmen, wenn sie die Schwelle der Geringfügigkeit überschreiten (vgl. BVerwG, Urteil v. 19.7.2012 - 5 C 1/12 -, juris m.w.N.).
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Hieran gemessen obliegt die Entscheidung, beihilfeberechtigten Versicherten Beihilfe nur entsprechend den reduzierten Gebührensätzen zu gewähren, nicht dem parlamentarischen Gesetzgeber. Tragende Strukturprinzipien des Beihilferechts sind durch die Regelung in § 6 Abs. 5 Satz 1 BBhV nicht betroffen. Die Beschränkung der Beihilfegewährung ist vielmehr Ausfluss des Strukturprinzips, dass grundsätzlich nur wirtschaftlich angemessene Aufwendungen beihilfefähig sind, welches seinerseits in § 80 Abs. 2 BBG gesetzlich niedergelegt ist.
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Eine Entscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers ist auch nicht mit Blick auf die Amtsangemessenheit der Alimentation des Klägers erforderlich. Der Alimentationsgrundsatz im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG verpflichtet den Dienstherrn, Beamten und ihren Familien die Mittel für einen Lebensunterhalt zur Verfügung zu stellen, der nach dem Dienstrang, der mit dem Amt verbundenen Verantwortung und der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit angemessen ist. Die Beamten müssen über ein Nettoeinkommen verfügen, das ihre rechtliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit gewährleistet und über die Befriedigung der Grundbedürfnisse hinaus einen dem Amt angemessenen Lebenszuschnitt ermöglicht. Die Pflicht zur Gewährung eines amtsangemessenen Lebensunterhalts erstreckt sich auch auf besondere Belastungssituationen wie Krankheit oder Pflegebedürftigkeit, die mit der Regelalimentation finanziell nicht zu bewältigen sind. In solchen Lebenslagen gebietet die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht, dass Beamte nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleiben, die sie durch zumutbare Eigenvorsorge nicht absichern können (BVerwG, Urteil vom 20. März 2008 - 2 C 49/07 -, a.a.O.). Ob der Dienstherr diese Pflicht über eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise erfüllt, bleibt von Verfassungs wegen seiner Entscheidung überlassen. Hat sich der Dienstherr dafür entschieden, Beihilfe zu gewähren, die zu der aus der gewährten Alimentation zu bestreitenden Eigenvorsorge ergänzend hinzutritt, so muss er gewährleisten, dass der Beamte nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt mit der Folge maßgeblicher Auswirkungen auf das Alimentationsniveau.
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Gemessen an diesen Grundsätzen bedarf die Beschränkung der Beihilfe auf die Gebührensätze für Versicherte im Basistarif dann der gesetzlichen Grundlage, wenn der Beihilfeberechtigte oder seine berücksichtigungsfähigen Angehörigen ihre Aufwendungen für medizinisch Leistungen nicht in zumutbarer Weise entsprechend begrenzen können und daher erhebliche finanzielle Belastungen tragen müssen. Dies ist nicht der Fall, weil der im Basistarif Versicherte zum einen eine angemessene medizinische Versorgung erhält und es ihm zum anderen auch zumutbar ist, vor der Behandlung auf seine Versicherung im Basistarif hinzuweisen.
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Gemäß § 75 Abs. 1, Abs. 3a SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen neben der vertragsärztlichen Versorgung von gesetzlich Krankenversicherten auch die ärztliche Versorgung von im Basistarif Versicherten sicherzustellen. Deren Umfang ist in § 73 SGB V geregelt; hiernach wird ersichtlich die medizinisch notwendige und angemessene Behandlung für beide Gruppen von Versicherten in gleicher Qualität gewährleistet. Letzteres ergibt sich auch aus § 12 Abs. 1a VAG, wonach die Leistungen im Basistarif in Art, Umfang, und Höhe den Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB V, auf die ein Anspruch besteht, vergleichbar sein müssen […].
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Nichts anderes folgt daraus, dass sich aus dem Sicherstellungsauftrag nicht zugleich ein Anspruch der Basistarif-Versicherten ergibt, von jedem Vertragsarzt behandelt zu werden. Denn den Kassenärztlichen Vereinigungen und Kassenärztlichen Bundesvereinigungen ist in § 75 Abs. 3a Satz 1 SGB V ein Gestaltungsspielraum eingeräumt, innerhalb dessen sie entscheiden können, wie sie die gesetzliche Aufgabe der Sicherstellung am zweckmäßigsten lösen können. Basistarif-Versicherte haben lediglich einen Anspruch darauf, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen und Kassenärztlichen Bundesvereinigungen ihre angemessene Versorgung mit ärztlichen Leistungen sicherstellen. Es ist aber jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen und Kassenärztlichen Bundesvereinigungen entgegen ihrem gesetzlichen Auftrag dem Versicherten nicht die medizinisch notwendige Heilbehandlung gewährleisten und ihm zur Behandlung bereite Ärzte in ihrer Nähe benennen. Konkrete Anhaltspunkte hierfür ergeben sich weder aus dem Vortrag des Klägers noch sind sie ansonsten ersichtlich. Eine Ablehnung der Behandlung von Basistarif-Versicherten durch Vertragsärzte erscheint zudem im Allgemeinen auch nicht plausibel, weil diese für die Behandlung von Basistarif-Versicherten grundsätzlich in gleicher Höhe vergütet werden wie für die Behandlung von gesetzlich Versicherten. Die hiernach verbleibenden Einschränkungen bei der Arztwahl machen das Anknüpfen der Beihilfeleistungen an die Gebührensätze im Basistarif nicht verfassungswidrig, solange der Basistarif-Versicherte die Möglichkeit hat, zumutbarerweise einen Arzt zu finden, der zur Abrechnung im Basistarif bereit ist, und sich daher keine Deckungslücke für ihn ergibt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. Juni 2003 - 2 A 10317/03 -, juris). Die Freiheit der Arztwahl als solche ist nämlich verfassungsrechtlich nicht geschützt.
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Der im Basistarif versicherte Beamten bzw. sein Angehöriger hat es auch in der Hand, die Berechnung der ärztlichen Leistungen auf den Basistarif zu beschränken, indem er seine Versicherung im Basistarif dem behandelnden Arzt vor der Behandlung anzeigt – hierzu dient z.B. der vom Kläger vorgelegte Behandlungsausweis – und auf einer entsprechenden Abrechnung besteht. Dies ist ihm aufgrund der allgemeinen Treuepflicht des Beamten zu seinem Dienstherrn zumutbar, um so die auf die Beihilfehaushalte zukommenden finanziellen Belastungen zu begrenzen.
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Nach alledem entstehen dem im Basistarif versicherten Beamten bzw. seinen berücksichtigungsfähigen Angehörigen durch die Begrenzung der Beihilfeleistungen ersichtlich keine ungedeckten Aufwendungen in einem Umfang, der sich erheblich auf das Alimentationsniveau auswirkt. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass nach § 6 Abs. 7 BBhV eine Beihilfe zur Milderung einer besonderen Härte gewährt werden kann, sofern im Einzelfall die Ablehnung der Beihilfe eine solche besondere Härte darstellen würde. Einer Entscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers bedurfte es daher nicht.
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Nicht anders zu bewerten ist dies in Fällen, in denen – wie bei der Ehefrau des Klägers – der Entschluss, sich im Basistarif versichern, nicht freiwillig gefasst wurde, weil nach Einführung der Krankenversicherungspflicht im Jahr 2009 tatsächlich nur die Möglichkeit zur Versicherung im Basistarif bestand. Für diese Personen hat sich seit der Versicherung im Basistarif zwar das Beihilfeniveau geändert. Diese genießt als solches aber keinen verfassungsrechtlichen Schutz. Maßgebliche Rückwirkungen auf das Alimentationsniveau hat die Absenkung des Beihilfeniveaus hingegen, wie dargelegt, nicht.“
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Diesen überzeugenden Ausführungen schließt die Kammer sich nach eigener Prüfung an. Soweit das Verwaltungsgericht Gießen (Urteil vom 26. April 2012 - 5 K 5449/10.GI -, zitiert nach juris) und der VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 7. November 2011 - 2 S 2353/11 -, zitiert nach juris) die in § 75a Abs. 3a Satz 2 SGB V vorgesehene Beschränkung des Gebührenrahmens für die ärztliche Behandlung von Versicherten im Basistarif für nicht anwendbar erklärt haben, ist dies darauf zurückzuführen, dass in Hessen und Baden-Württemberg landesspezifische beihilferechtliche Vorschriften existieren, die – anders als etwa § 7 Abs. 1a BayBhV – nicht unmittelbar auf außerhalb der GOÄ stehende Gebührenregelungen wie etwa § 75a Abs. 3a Satz 2 SGB V verweisen. Im vorliegenden Fall verhält es sich anders. § 6 Abs. 5 Satz 1 BBhV, der hier – wie bereits ausgeführt – mangels landesrechtlicher Beihilferegelungen für das Land Sachsen-Anhalt Anwendung findet, verweist gerade auf § 75a Abs. 3a Satz 2 SGB V.
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Zu einer anderen rechtlichen Beurteilung veranlasst entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Juli 2012 (- 5 C 1/12 -, NVwZ 2012, 1635). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Regelung des § 10 Abs. 2 BBhV wegen eines Verstoßes gegen den Vorbehalt des Gesetzes für nichtig erklärt. Nach dieser Regelung hatte Anspruch auf Beihilfe nur, wer seinen Krankenversicherungsschutz und den seiner berücksichtigungsfähigen Angehörigen nachgewiesen hatte. Diese Regelung führte zu einem vollständigen Leistungsausschluss derjenigen, die keinen Krankenversicherungsschutz nachweisen konnten. Da wegen dieser weitreichenden Folgen die Grundstruktur des gegenwärtig praktizierten Systems der Beihilfe als die Eigenversorgung ergänzende Leistung berührt wird, hat das Bundesverwaltungsgericht es als erforderlich erachtet, dass der Gesetzgeber für eine solche im Verordnungsweg getroffene Regelung eine hinreichende gesetzliche Ermächtigung schafft, die den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügt. Demgegenüber hat die hier streitgegenständliche Beschränkung der Beihilfe auf Gebührensätze für Versicherte im Basistarif – wie bereits in den zutreffenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (a. a. O.), die das Gericht sich zu Eigen macht, dargelegt – keine mit einem vollständigen Leistungsausschluss vergleichbaren weitreichenden Auswirkungen.
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Der Kläger vermag sich auch nicht mit Erfolg der Sache nach darauf zu berufen, er werde durch die Beschränkung der Beihilfe auf Gebührensätze für Versicherte im Basistarif schlechter gestellt als beihilfeberechtigte Beamte oder Versorgungsempfänger, die nicht zusätzlich versichert seien. Der Kläger verkennt insoweit, dass es den Fall eines nicht (zusätzlich) versicherten Beamten oder Versorgungsempfänger rechtlich betrachtet nicht geben darf. Nach § 193 Abs. 3 Satz 1 des Versicherungsvertragsgesetzes – VVG – vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631) in der im hier streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Fassung ist jede Person mit Wohnsitz im Inland verpflichtet, für sich selbst eine Krankenkostenversicherung abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Nach § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VVG gilt dies für beihilfeberechtigte Personen nur nicht im Umfang ihrer Beihilfeberechtigung. Im Übrigen besteht auch für diesen Personenkreis eine Pflicht zu ergänzendem Krankenversicherungsschutz, wobei ein Versicherer den Betreffenden zumindest eine Versicherung im Basistarif nach § 12 Abs. 1a VAG gewähren muss (vgl. auch § 193 Abs. 5 Nr. 3 VVG). So verhält es sich bei dem Kläger. Dieser war entgegen seiner Annahme nicht durch das Verhalten der Beklagten gezwungen, eine private Krankenversicherung im Umfang von 30 v. H. abzuschließen. Diese Pflicht trifft ihn kraft Gesetzes. Wenn er dieser Versicherungspflicht nachgekommen ist, kann er sich nicht darauf berufen, schlechter als diejenigen Personen zu stehen, die sich gesetzeswidrig verhalten und noch keine (ggf. zusätzliche) Krankenversicherung abgeschlossen haben. Im Übrigen ist die Richtigkeit der Annahme des Klägers, nicht versicherte Personen stünden beihilferechtlich besser als er, zweifelhaft. Auch wenn nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts die Leistung von Beihilfezahlungen nicht vom Nachweis einer (Rest-)Krankenversicherung abhängig gemacht werden darf, folgt daraus nicht zwingend, dass unversicherte Beihilfeberechtigte anders als im Basistarif Versicherte Beihilfeleistungen nach Maßgabe des Normaltarifs beanspruchen können. Dies würde die gesetzliche Versicherungspflicht konterkarieren.
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Eine andere rechtliche Bewertung ist auch nicht deshalb veranlasst, dass der Kläger – entgegen dem Vorbringen der Beklagten – im Zeitpunkt der in Rede stehenden ärztlichen Leistungserbringungen die ihn behandelnden Ärzte nicht auf seine Versicherung im Basistarif hat hinweisen können, weil er sich erst zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend ergänzend krankenversichert hat. Dies geht zu Lasten des Klägers, da er sich entgegen der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht nicht rechtzeitig vor Inanspruchnahme der ärztlichen Behandlungen zumindest im Basistarif versichert hat. Es wäre widersprüchlich, wenn der Kläger sich nunmehr zur Begründung des geltend gemachten Beihilfeanspruchs mit Erfolg auf eben dieses Versäumnis berufen könnte.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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