Beschluss vom Verwaltungsgericht Magdeburg (9. Kammer) - 9 B 353/13

Gründe

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Die Antragstellerin wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Vollziehung von Bescheiden, mit denen sie zu Benutzungsgebühren für die öffentliche dezentrale Schmutzwasserentsorgung (Klärgebühr für die Behandlung des Inhalts einer Kleinkläranlage) herangezogen wird.

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Der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 1. Alt., Abs. 6 VwGO zulässige, sinngemäße Antrag der Antragstellerin,

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die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Abwassergebührenbescheide der Antragsgegnerin vom 07.03.2013, 28.02.2013 (Az.: 001-ARV-2012-685, 001-ARV-2012-686, 001-ARV-2012-687) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2013 und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Abwassergebührenbescheid vom 29.10.2013 anzuordnen,

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hat in der Sache teilweise Erfolg.

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Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Abgaben- und Kostenbescheide – zu denen auch die streitbefangenen Gebührenbescheide zählen – keine aufschiebende Wirkung. Das Verwaltungsgericht kann in diesen Fällen jedoch gemäß § 80 Abs. 4 S. 3, Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung einer Klage bzw. eines Widerspruchs anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für die Abgabenpflichtige eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides derart überwiegen, dass ein Erfolg des Rechtsbehelfsführers wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen. Der Gesetzgeber bewertet im Abgabenbereich das öffentliche Interesse an einem Sofortvollzug generell höher als das private Interesse an einer vorläufigen Befreiung von der Leistungspflicht, so dass das Vollzugsinteresse wegen der gesetzlichen Wertung auch bei offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache überwiegt. Sind zwischen den Beteiligten Tatsachen im Streit, ist von ernstlichen Zweifeln erst dann auszugehen, wenn ausgeschlossen werden kann, dass sich die der Abgabenerhebung zugrunde gelegten Tatsachen, aller Voraussicht nach im Hauptsacheverfahren nicht erweisen lassen (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 21.01.2009 – 4 M 355/08 –). Das bedeutet, dass Abgaben im Zweifelsfall zunächst zu erbringen sind und den Zahlungspflichtigen das Risiko trifft, im Ergebnis möglicherweise zu Unrecht in Vorleistung treten zu müssen.

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Nach summarischer Prüfung stellen sich die Erfolgsaussichten in der Hauptsache jedenfalls als offen dar, soweit es um die Einordnung der zwei abwassertechnischen Anlagen der Antragstellerin als Kleinkläranlagen geht.

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Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob die Antragsgegnerin bei der Gebührenerhebung zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Antragstellerin Gebühren für die Entsorgung von Fäkalschlamm aus Kleinkläranlagen schuldet. Rechtsgrundlage für die Erhebung der hier streitbefangenen Benutzungsgebühren für die dezentrale Entsorgung von Fäkalschlamm und -abwasser ist die Abwasserabgabensatzung vom 26.06.2002 in der für den jeweils streitbefangene Veranlagungszeitraum maßgebenden Fassung bzw. der dieser nachfolgenden – im Wesentlichen insoweit inhaltsgleichen Abwasserabgabensatzung vom 31.05.2012 – AAS –, nach deren § 9 Satz 3 die Antragsgegnerin Klärgebühren für die Inanspruchnahme der dezentralen Abwasseranlage für die Behandlung der Inhalte aus abflusslosen Sammelgruben und aus Kleinkläranlagen mit Anbindung an ein Gewässer oder mit Anbindung an die öffentliche leitungsgebundene Abwasseranlage erhebt. Die Klärgebühr für die Behandlung des Inhalts aus einer abflusslosen Sammelgrube wird nach der der zentralen Kläranlage zugeführten Menge im Abrechnungszeitraum bemessen (§ 12 Abs. 1a AAS), wobei die insoweitige Klärgebühr für den Zeitraum bis zum 31.12.2010 1,99 EUR/cbm, vom 01.01.2011 bis zum 10.06.2012 2,01 EUR/cbm und ab dem 11.06.2012 2,00 EUR/cbm beträgt (§ 12 Abs. 2 lit. a) AAS). Die Klärgebühr für die Behandlung des Inhalts aus einer Kleinkläranlage mit Verrieselung, direkter Anbindung über einen privaten Kanal an ein Gewässer oder mit Anbindung an die öffentliche Abwasserkanalisation wird nach der Menge des angelieferten Anlageninhalts bemessen (§ 12 Abs. 1b Satz 1 AAS), wobei für die Reinigung des Anlageninhalts (Fäkalschlamm) aus Kleinkläranlagen der Gebührensatz für den Zeitraum bis zum 31.12.2010 39,40 EUR/cbm, vom 01.01.2011 bis zum 10.06.2012 58,69 EUR/cbm und ab dem 11.06.2012 58,39 EUR/cbm beträgt. Grundlage der Gebührenfestsetzung bildet die im Auftragsformular des jeweiligen Abfuhrunternehmens bestätigte Menge des Anlageninhalts (§ 12 Abs. 1b Satz 2 AAS).

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Ob die Antragsgegnerin zu Recht den jeweiligen Gebührensatz nach § 12 Abs. 2 lit. b) AAS zugrunde gelegt hat, mithin zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Antragstellerin die öffentliche Einrichtung des Beklagten dahingehend in Anspruch genommen hat, dass Fäkalschlamm aus zwei Kleinkläranlagen entsorgt wurde, muss zwar einer abschließenden Überprüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Das bisherige Vorbringen der Beteiligten zugrunde gelegt, kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei den streitbefangenen Abwasseranlagen der Antragstellerin um Kleinkläranlagen mit entsprechendem Anlageinhalt handelt, so dass insoweit ernstliche Zweifel im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO nach summarischer Prüfung nicht gegeben sind.

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Sowohl die beim Verwaltungsvorgang der Antragstellerin befindliche Skizze der Entsorgungsfirma S. vom 09/10.10.2008 (Bl. 22 Beiakte A), die die Entsorgungssituation aus Sicht des die Anlage ausfahrenden Unternehmens beschreiben und im Rahmen eines Havariefalls durch den Mitarbeiter Herrn B. erstellt worden sein soll, sowie der Aktenvermerk vom 14.02.2013 über den zwischen Vertretern der Antragsgegnerin und der durch die Antragstellerin eingesetzten Verwalterin des streitbefangenen Objektes (O.K. H. und I. GmbH) am 12.02.2013 auf den Grundstücken der Antragstellerin durchgeführten Vororttermin lassen einen Hinweis dergestalt zu, dass es sich hinsichtlich der zwei Abwasseranlagen der Antragstellerin um Kleinkläranlagen i.S.d. § 12 Abs. 1b AAS handelt, mithin der ausgefahrene Anlageninhalt dem Grunde nach Fäkalschlamm – wie in den streitbefangenen Gebührenbescheiden vorausgesetzt – sein kann. Denn die Anlagen werden in der Skizze als Kleinkläranlagen mit Überlauf dargestellt, wobei der Überlauf – ausgehend vom Aktenvermerk vom 14.02.2013 – in ein Leitungssystem der A. GmbH (ehemaliges Sprengstoffwerk) mündet, deren Kanalisation im Solgraben endet. Ausweislich des Aktenvermerks vom 14.02.2013 hat zudem der Vertreter der von der Antragstellerin beauftragten Verwalterin, Herr A., selbst auf die Funktionsweise als Kleinkläranlage verwiesen und den Mitarbeiter der Entsorgungsfirma S. – Herrn B. – zum Ortstermin gebeten, wobei die Skizze vom 09/10.10.2008 erläutert wurde. Hierbei habe Herr B. ausgeschlossen, dass es sich um eine Sammelgrube handele. Soweit die Antragstellerin vorträgt, die Skizze sei von der Antragsgegnerin während des Ortstermins aus dem Verwaltungsvorgang „hervorgezaubert“ und sodann wieder zu den Akten genommen worden, so dass die Antragstellerin erst im Rahmen der im Juli 2013 erfolgten Akteneinsicht diese tatsächlich in den Händen gehalten habe, vermag das Gericht nicht nachzuvollziehen, weshalb deshalb ein etwaiger Beweiswert geschmälert sein soll. Zum einen ist dem Aktenvermerk zum Ortstermin zu entnehmen, dass der Vertreter der beauftragten Verwalterfirma der Antragstellerin selbst eingeräumt hat, dass es sich um Kleinkläranlagen handele. Zum anderen scheidet eine Bezugnahme auch nicht etwa deshalb aus, weil die Antragstellerin im Jahr 2008 noch nicht Eigentümerin der streitbefangenen Grundstücke gewesen sei, mithin keine Kenntnisse von einer etwaigen Havarie und damit verbundenen Maßnahmen gehabt habe.

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Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang einwendet, dieser Sichtweise stünden die der Festsetzung zugrunde gelegten Arbeitsaufträge der Entsorgungsfirma S. sowie der Umstand entgegen, dass die Antragsgegnerin bis zum Vororttermin die Anlagen selbst als Sammelgruben betrachtet und in Entsprechung Gebührenbescheide in jahrzehntelanger Praxis erlassen habe, vermag dies ernstliche Zweifel nicht zu begründen. Denn allein der Umstand, dass die Antragsgegnerin die Arbeitsaufträge ihrer vormaligen Gebührenfestsetzung zugrunde gelegt hat, also davon ausgegangen ist, dass Fäkalabwasser aus abflusslosen Sammelgruben in Entsprechung der im Arbeitsauftrag bezeichneten Auftragsbeschreibung ausgefahren worden sei, schließt – insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Mitarbeiter der Entsorgungsfirma S. die Entsorgungssituation (im Einvernehmen mit einem Vertreter der von der Antragstellerin beauftragten Verwalterin) detailliert anders beschreibt und durch eine Skizze darstellt – eine neuerliche Gebührenfestsetzung im Rahmen der gesetzlichen Verjährungsfrist (§ 13 Abs. 4 lit. b KAG LSA i.V.m. § 169 AO) nicht aus. Denn die abgeänderten Gebührenbescheide vom 02.09.2011, 21.11.2011 und vom 18.01.2013 haben weder einen feststellenden Inhalt dahingehend, dass es sich hinsichtlich der gebührenfähigen Inanspruchnahme um eine solche nach § 12 Abs. 1a, Abs. 2 lit. a AAS handelt noch stellt die Antragstellerin die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung zur dezentralen Entsorgung als solche in Abrede. Damit ist die Antragsgegnerin gleichwohl berechtigt, durch die Inanspruchnahme entstandene Gebühren im Rahmen des rechtlich Zulässigen nachzuerheben. Denn nach gefestigter verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung unterfällt eine Nacherhebung von Gebühren grundsätzlich nicht den für die Rücknahme oder den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte bestehenden Einschränkungen. Die ursprünglichen Bescheide stehen der Ausschöpfung des vollen materiell-rechtlich zustehenden Gebührenanspruchs im Wege der Nacherhebung nicht entgegen (vgl. bspw. VG Düsseldorf, Urteil vom 11.09.2013 - 5 K 3493/13 –, m.w.N., juris; Haack in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rndr. 2245). Die hier mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Nacherhebung ist auch nicht nach §§ 130 Abs. 2, 131 Abs. 2 AO i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b KAG LSA ausgeschlossen. Die Regelungen hinsichtlich der Rücknahme bzw. des Widerrufs begünstigender Verwaltungsakte greifen im vorliegenden Fall schon deshalb nicht ein, weil es sich bei den ursprünglichen Gebührenbescheiden um ausschließlich belastende Verwaltungsakte handelt. Ein Bescheid, der eine zu niedrige Gebühr festsetzt, ist im Regelfall ein ausschließlich belastender Verwaltungsakt. Im Übrigen enthalten Grundbesitzabgabebescheide auch generell nicht die begünstigende Regelung, dass über nicht festgesetzte oder über festgesetzte Gebühren hinaus keine weiteren Abgaben erhoben werden (vgl. VG Wiesbaden, Beschluss vom 07. Januar 2014 – 1 L 632/13.WI –, m.w.N., juris).

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Die Antragstellerin kann sich – wie bereits dargestellt – auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen setzt stets voraus, dass der eine Belastung aussprechende Verwaltungsakt tragfähig ist für den - ein entsprechendes Vertrauen rechtfertigenden - Gegenschluss, dass von dem Betroffenen mehr als dies nicht verlangt werden sollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.03.1988 – 8 C 92.87 – juris). Hier kann den ursprünglichen Gebührenbescheiden ein derartiger Regelungsgehalt aber nicht entnommen werden. Für die möglicherweise an die ursprüngliche Gebührenfestsetzung geknüpfte subjektive Erwartung, die Antragsteller werde mit einer Nacherhebung nicht belastet werden, geben die ursprünglichen Gebührenbescheide keinen Anhaltspunkt. Schließlich ist die Festsetzung durch die streitbefangenen Bescheide auch nicht deswegen rechtswidrig, weil die Gebührenansprüche bereits vor Erlass des angefochtenen Bescheides wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen gewesen wären (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 2 lit. b KAG LSA i.V.m. § 47 AO) und Gebührenfestsetzungen nicht mehr zulässig sind, weil die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b KAG LSA i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Denn die Gebührenforderungen gehen auf Ausfuhren aus den Jahren 2010 bis 2013 zurück, sodass eine Festsetzung ohne weiteres möglich ist.

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Der Vortrag der Antragstellerin, nach dem Schreiben des Sachverständigen Dipl. Ing. K. vom 18.12.2013 handele es sich um Sammelgruben, begründet ebenfalls keine ernstliche Zweifel im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Denn die darin enthaltene Aussage, dass bei dem Objekt M. Straße 241 in S. nach seiner Überprüfung zwei Stück Sammelgruben bestünden, ist allein eine mit den von der Antragsgegnerin herangezogenen Tatsachen vergleichbare Beurteilung, die jedoch tragfähige Tatsachen nicht enthält. Damit ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, woraus der Sachverständigen Dipl. Ing. K. diese Einschätzung schöpft. Die bloße Beschreibung des jeweiligen Nutzinhalts bei angenommener Nutzhöhe und das Inverhältnissetzen mit der ausgefahrenen Menge stehen mit der Einordnung des Anlagentyps insoweit in keinem hinreichenden Zusammenhang.

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Schließlich lässt auch das von der Antragsgegnerin behauptete Missverhältnis zwischen der Trinkwasserentnahme und des Abwasseranfalls einen Hinweis darauf zu, dass nicht lediglich Fäkalabwasser, sondern Fäkalschlamm ausgefahren wurde. Die Antragstellerin bestreitet zwar die Zahlenlage. Vor dem Hintergrund der tatsächlichen derzeitigen Bewohnerzahl – die die Antragstellerin selbst mit 70 Mietparteien angibt – kann das Vorliegen eines offenkundigen Missverhältnisses unabhängig von der konkreten Zahlenlage bei einer feststehenden ausgefahren Menge von nur 430 cbm (Zeitraum 2009 bis 2011) nicht in Abrede gestellt werden. Dies kann – wie die Antragstellerin vorträgt – zwar auch bedeuten, dass eine funktionsunfähige Sammelgruben vorliegt, schließt aber – die von der Antragsgegnerin vorgenommene Einschätzung – nicht aus, dass es sich um Kleinkläranlagen mit einem Überlauf handelt. Im Falle des Vorliegens von Sammelgruben dürften diese nicht abflusslos, mithin funktionsunfähig sein und während ihres Betriebes eine Boden-/Gewässerverunreinigung auslösen und die Antragstellerin sowie die zuständigen Behörden zur vorübergehenden Stilllegung bzw. sofortigen Abhilfemaßnahmen veranlassen. Hier wird jedoch lediglich unter gleichzeitigem Betriebsfortgang der zentrale Anschluss vorbereitet, was vor dem Hintergrund, dass derzeit noch Angebote geprüft werden, jedenfalls nicht ohne zeitliche Verzögerungen erfolgen dürfte. Vor dem Hintergrund der im Raum stehenden Problematik ist daher bereits heute unter dem Gesichtspunkt des Gewässer- und Bodenschutzes – und nicht erst im Rahmen der Tatsachenfeststellung im Hauptsacheverfahren – eine Klärung hinsichtlich des bestehenden Betriebssystems der Anlagen angezeigt.

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Dass Bauunterlagen für das streitbefangene Objekt jedenfalls derzeit nicht existent und ggf. bereits vernichtet worden sind, vermag ebenfalls keine ernstlichen Zweifel zugunsten der Antragstellerin zu begründen. Denn dies bestätigt weder das Vorhandensein von abflusslosen Sammelgruben noch von Kläranlagen, so dass bereits hieraus zumindest offene Erfolgsaussichten resultieren. Soweit die Antragstellerin hieran anknüpfend meint, es sei damit noch nicht abschließend geklärt, welcher Anlagentyp vorliege, was eine Abänderung der bestandskräftigen Gebührenbescheide verbiete, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn die Antragsgegnerin ist nach der bestehenden Aktenlage von einer abschließenden Klärung aufgrund des Ortstermins vom 12.02.2013 ausgegangen und hat in Entsprechung den gestellten Strafantrag wegen Bodenverunreinigung (§ 234a StGB) zurückgenommen, was die Einstellung dieses Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach sich zog. Die tatsächliche Entsorgungssituation auf den streitbefangenen Grundstücken in den streitbefangenen Veranlagungsjahren kann nur im Rahmen des Hauptsacheverfahrens geklärt werden, zumal die Antragstellerin jeglichen weitergehenden Vortrag zur Entsorgungslage auf ihrem Grundstück vor dem Hintergrund strafrechtlicher Ermittlungen gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin und weitere Personen ablehnt.

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Auch wenn das Gericht nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage davon ausgeht, dass die Erfolgsaussichten hinsichtlich des vorliegenden Anlagentypus jedenfalls offen sind, mithin keine ernstlichen Zweifel nach dem maßgebenden Prüfungsmaßstab insoweit gegeben sind, liegen solche jedoch insoweit vor, als die Antragsgegnerin den ausgefahrenen Anlageninhalt von insgesamt 665 cbm in Gänze dem jeweiligen Abgabensatz für Fäkalschlamm unterworfen hat. Denn dass sich dies im Hauptsacheverfahren als möglich erweisen wird, ist vor dem Hintergrund ernstlich zweifelhaft, dass gerichtsbekannt ist, dass Fäkalschlamm in diesem Umfang im streitbefangenen Zeitraum bei Berücksichtigung des anzunehmenden Nutzinhalts der zwei Abwasseranlagen und der durchschnittlich angeschlossenen Einwohnerzahl tatsächlich nicht entstehen kann. Denn zum einen hat sog. Impfschlamm in den Anlagen zu verbleiben, zum anderen dürfte auch der Umstand, dass wohl der gesamte Anlageninhalt vor dem Hintergrund ausgefahren wurde, dass ursprünglich von abflusslosen Sammelgruben ausgegangen wurde, dafür sprechen, dass in gewissem Umfang entnommene Mengen, keine Fäkalschlamm-, sondern allenfalls Fäkalabwasserqualität hatten. Insoweit macht das Gericht von seinem sich nach § 80 Abs. 5 VwGO ergebenen Ermessen Gebrauch und legt die tatsächlich mögliche Fäkalschlammmenge anhand der durchschnittlichen Menge des jährlichen Fäkalschlammanfalls pro Einwohner (ca. 0,5 cbm/Ew/a) zu Grunde. Unter Berücksichtigung der von den Beteiligten mitgeteilten Angaben zur Einwohnerzahl (Antragsteller: 70 Mietparteien, Antragsgegner: 2009 bis 2011 zwischen 110 und 78 Einwohnern) geht das Gericht von durchschnittlich 100 Bewohnern des Wohnblocks aus, so dass sich ein durchschnittlicher Fäkalschlammanfall von 50 cbm/100 EW/a ergibt. Legt man sodann den jeweils maßgebenden Gebührensatzes für die Fäkalschlammentsorgung zugrunde, ergibt sich ein tragfähiges Gebührenaufkommen von insgesamt 10.758,50 EUR (2010: 50 cbm x 39,40 EUR/cbm, 2011: 50 cbm x 58,69 EUR/cbm, 2012: 50 cbm x 58,69 EUR/cbm; 2013: 50 cbm x 58,39 EUR/cbm). Hinsichtlich des überschießenden Betrages war somit die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen. Die im Übrigen ausgefahrenen Abwässer können allenfalls Fäkalabwässer sein, deren Berücksichtigung in der Gebührenerhebung vor dem Hintergrund ausscheidet, dass die Antragsgegnerin von Kleinkläranlagen ausgeht. Dementsprechend ist sie gehindert, hierfür Gebühren festzusetzen, da eine Ausfuhr aus abflusslosen Sammelgruben – ihrer Auffassung nach – gerade nicht vorliegt. Hier käme allenfalls ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Frage, der jedoch nicht Gegenstand des hier geführten gebührenrechtlichen Verfahrens sein kann.

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Dass die Vollziehung für die Antragstellerin im Übrigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hat, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Allein der Umstand, dass die Antragstellerin die streitbefangenen Gebührenforderungen in ihre Betriebskostenabrechnungen einbeziehen und gegenüber ca. 70 Mietparteien geltend machen müsse, verfängt insoweit nicht. Denn eine unbillige Härte liegt (nur) dann vor, wenn durch die sofortige Vollziehung für den Betroffenen über die eigentliche Zahlung hinausgehende Nachteile entstehen, die nicht oder nur schwer – etwa durch Rückzahlung - (wieder) gut zu machen sind oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führen würde (vgl. OVG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 07.05. 2008 – 9 S 11.08 – juris). Weder behauptet die Antragstellerin eine entsprechende Existenzgefährdung noch bedeutet die vorzunehmende Umlage der (höheren) Gebührenschuld im Rahmen der Betriebskostenabrechnung einen Nachteil, der nicht oder nur schwer rückgängig gemacht werden kann. Hinsichtlich Letzteren fehlt es sowohl an einer substantiierter Darlegung als auch Glaubhaftmachung, zumal die Antragstellerin ggf. auch bestrebt sein müsste, in der Vergangenheit abgeschlossene Betriebskostenabrechnungsvorgänge (2010-2012) aufzuarbeiten, um einen entsprechenden Rechtsverlust gegenüber den Mietern nicht zu erleiden (vgl. § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB).

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG, wobei in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 1.5) in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes in Abgabensachen regelmäßig ¼ des Abgabenbetrages zugrunde zu legen ist (35.774 EUR / 4).


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