Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (5. Kammer) - 5 A 206/14

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Festsetzung einer höheren Entschädigung. Der Kläger ist Mitglied der Erbengemeinschaft nach R. A.. Neben anderen Kommanditisten waren im Jahr 1937 an der in Magdeburg ansässigen Firma O. KG Frau R. A. mit einer Einlage von 2.700,-- DM und Herr F. mit einer Einlage von 5.400,-- RM bei einem Gesamtbetrag von 60.000,-- RM beteiligt. Nachdem die Gesellschafter nach dem Ende des 2. Weltkrieges ihren Wohnsitz außerhalb des Gebiets der späteren DDR nahmen, wurde die Gesellschaft unter staatliche Verwaltung gestellt und am 01. Juni 1958 in das Eigentum des Volkes überführt. Am 20. Oktober 1958 wurde das Erlöschen der Firma in das Register eingetragen. Auf die Anträge der Berechtigten bzw. ihrer Rechtsnachfolger stellte das Regierungspräsidium B-Stadt mit vom 19. März 2001 die Berechtigung der Firma O. KG i. L., vertreten durch 1) Herrn O. als Erbe nach dem Komplementär Dr. O. und der Kommanditistin O., 2) die Mitglieder der Erbengemeinschaft nach Dr. D., 3) die Erbengemeinschaft nach R. A. und 4) den unbekannten Erben nach W. F., wegen der Schädigung der ehemaligen Firma O. KG fest und sprach der Berechtigten einen Entschädigungsanspruch dem Grunde nach zu. Herr F. sei in der Bilanz aus dem Jahre 1957 noch als Gesellschafter aufgeführt. Sein Ausscheiden sei bis zum Zeitpunkt der Schädigung auch nicht im Handelsregister des Amtsgerichts Magdeburg eingetragen worden, so dass auch die unbekannten Erben nach Herrn F. Berechtigte seien.

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Nachdem der Beklagte wegen der Bestimmung der Höhe der Entschädigung mit Urteil des Gerichts vom 10. Oktober 2011 – 5 A 303/11 MD – unter entsprechender Teilaufhebung des Bescheides vom 15. September 2011 verpflichtet worden war, die Entschädigung unter Berücksichtigung eines Schädigungszeitpunktes vom 01. Juni 1958 neu zu bestimmen, setzte der Beklagte zugunsten der berechtigten Firma O. KG i. L. die Entschädigung mit Bescheid vom 15. März 2013 neu fest. Auf die dagegen erhobene Klage (5 A 162/13 MD) hob der Beklagte den Bescheid mit dem hier angefochtenen weiteren Bescheid vom 19. März 2014 auf und setzte zugunsten der berechtigten Firma O. KG i. L. und unter Berücksichtigung der im Bescheid vom 15. September 2011 festgesetzten Entschädigung i. H. v. 12.271,01 € mit Bescheid vom 15. März 2013 eine weitere Entschädigung i. H. v. 13.804,88 € zuzüglich Zinsen i. H. v. 8.420,98 € fest.

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Mit der dagegen am 25. März 2014 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, der Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass Herr F. im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses noch Kommanditist der Firma O. KG gewesen sei. Herr F. sei vielmehr ausweislich der Einragung im Handelsregister des Amtsgerichts Duisburg vom 13. Oktober 1955 als Kommanditist aus der Gesellschaft ausgeschieden. Ferner seien auf den im Bescheid vom 15. September 2011 zugesprochenen Entschädigungsbetrag i. H. v. 12.271,01 € im angefochtenen Bescheid zu Unrecht keine weiteren Zinsen zugesprochen worden. Überdies habe der Beklagte bei der Bemessung der Aktiva die Forderung der Gesellschaft gegen den Komplementär Dr. O. i. H. v. 5.979,90 DM nicht berücksichtigt. Die Rückstellung auf die Gewerbesteuern dürfe nur zu 50 v. H. berücksichtigt werden. Sowohl die Gewerbesteuer- als auch die Umsatzsteuerschuld sei im Schädigungszeitpunkt bereits beglichen gewesen.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 19. März 2014 zu verpflichten, der berechtigten Firma O. KG i. L. über die weitere Entschädigung i. H. v. 13.804,88 € nebst Zinsen i. H. v. 8.420,98 € hinaus

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1) eine zusätzliche Entschädigung nebst Zinsen hieraus im Hinblick auf

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a) die notwendige Einbeziehung der Forderung der Gesellschaft gegenüber dem Komplementär Dr. O. i. H. v. 5.979,90 DM und

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b) die angemessene Kürzung des Ansatzes für die Rückstellungen mit der Maßgabe zuzusprechen, dass

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2) zu den Vertretern der ehemaligen Gesellschaft nicht die unbekannten Erben nach Herrn F. gehören,

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3) für den im Bescheid vom 15. September 2011 festgesetzten Entschädigungsbetrag i. H. v. 12.271,01 € weitere Zinsen festgesetzt werden.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Regierungspräsidium B-Stadt habe mit dem Bescheid vom 19. März 2001 bestandskräftig festgestellt, dass ein Ausscheiden des Herrn F. im Handelsregister des Amtsgerichts Magdeburg bis zur Enteignung der Gesellschaft nicht eingetragen worden sei. Dieser Bescheid bilde die Grundlage für das Entschädigungsverfahren. Für eine Korrektur der Beteiligungsverhältnisse innerhalb der Liquidationsgesellschaft fehle es an einer Grundlage im Entschädigungsrecht, weil diese im Zivilrechtswege zwischen den Mitgliedern der berechtigten Liquidationsgesellschaft zu klären seien. Die Firma O. KG Magdeburg habe Zweigniederlassungen in Berlin und Duisburg unterhalten. Letztere sei 1952 zur Hauptniederlassung geworden. Das Ausscheiden aus dieser rechtlich selbständigen Gesellschaft im Jahre 1955 sei unerheblich. Eine Auszahlung der im Bescheid vom 15. September 2011 festgesetzten Entschädigung sei bisher nicht erfolgt, weil dies voraussetze, das entweder alle Mitglieder der Kommanditgesellschaft erklärten, dass die Gesellschaft nicht fortgesetzt werden solle oder eine Person zur Entgegennahme der Leistung bevollmächtigt oder die Gesellschaft als Liquidationsgesellschaft mit einem Abwickler in das Handelsregister eingetragen werde. Ein Zinsanspruch sei nur für die weitere Entschädigung festzusetzen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet, weil die Ablehnung der geltend gemachten weitergehenden Entschädigung rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

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Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Entschädigung ist § 1 Abs. 1 Satz 1 EntschG. Danach besteht ein Anspruch auf Entschädigung, wenn die Rückgabe nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen ausgeschlossen ist oder wenn der Berechtigte Entschädigung gewählt hat.

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Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die unbekannten Erben nach Herrn F. seien bei der Bemessung der Entschädigungsansprüche außer Acht zu lassen, weil Herr F. bereits im Jahr 1955 und damit vor Eintritt des schädigenden Ereignisses aus der Firma O. KG ausgeschieden sei. Der Kläger kann eine Korrektur der Beteiligungsverhältnisse innerhalb der Liquidationsgesellschaft im Entschädigungsverfahren nicht verlangen. Für das Entschädigungsverfahren sind allein die Feststellungen im vermögensrechtlichen Verfahren maßgeblich. Denn nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EntSchG steht die Entschädigung, wie der Halbsatz 2 verdeutlicht, den Berechtigten zu. Durch den bestandkräftigen Bescheid des Regierungspräsidiums B-Stadt vom 19. März 2001 ist die Berechtigung der Firma O. KG i. L., vertreten u. a. durch die unbekannten Erben nach F. wegen der Schädigung der ehemaligen Firma O. KG festgestellt und ein Entschädigungsanspruch dem Grunde nach zuerkannt. Nach § 6 Abs. 10 Satz 4 VermG ist für die Abwicklung das jeweils für den Berechtigten geltende Recht anzuwenden. Danach bestimmen sich auch die Ansprüche der Mitglieder der Liquidationsgesellschaft untereinander.

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Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 EntschG nach der Bemessungsgrundlage, von der ggf. Verbindlichkeiten, erhaltene Gegenleistungen oder Entschädigungen, der Zeitwert von nach § 6 Abs. 6 a VermG zurückgegebenen Vermögensgegenständen oder Kürzungsbeträge abgezogen werden. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EntschG ist Bemessungsgrundlage der Entschädigung für Unternehmen der Unterschiedsbetrag zwischen dem Anlage- und Umlaufvermögen des Unternehmens und denjenigen Schulden, die mit der Gesamtheit oder mit einzelnen Teilen des Unternehmens in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (Reinvermögen), wenn – wie hier – kein verwertbarer Einheitswert oder Ersatzeinheitswert vorhanden ist. Das Reinvermögen ist anhand der Bilanz für den letzten Stichtag vor der Schädigung oder einer sonstigen beweiskräftigen Unterlage nach Maßgabe der Nrn. 1 bis 5 des § 4 Abs. 2 Satz 2 EntschG festzustellen. Sowohl der Begriff des Reinvermögens in § 4 Abs. 2 Satz 2 EntschG als auch der Weg zu dessen Ermittlung knüpfen an lastenausgleichs- und bewertungsrechtliche Regelungen an. Das Reinvermögen ergibt sich daraus, dass vom Rohvermögen, das sich aus dem Anlage- und Umlaufvermögen zusammensetzt, die mit der Gesamtheit oder mit einzelnen Teilen des Betriebes in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden abgezogen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.09.2004 – 3 C 42/03 –, Rdnr. 22, juris). Der in der hier maßgeblichen zum 31. Dezember 1957 erstellten Bilanz unter Ziffer 3 bei den Aktiva enthaltene mit „Abgrenzungen: Dr. O. Kapital – Konto II“ verbuchte Betrag i. H. v. 5.979,90 M ist vom Beklagten zu Recht nicht bei der Bemessung der Aktiva berücksichtigt worden. Der Kläger macht hierzu ohne Erfolg geltend, es habe sich bei diesem Betrag um eine eigenmächtige Entnahme des Gesellschafters gehandelt, so dass die Forderung der Gesellschaft gegenüber dem Komplementär bei der Bestimmung des Reinvermögens zu berücksichtigen sei. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EntschG ist die Bemessungsgrundlage für die Entschädigung anhand der Bilanz für den letzten Stichtag vor der Schädigung zu ermitteln. Die Bilanz entfaltet deshalb für das Entschädigungsverfahren Tatbestandswirkung insofern, als dass im Entschädigungsverfahren grundsätzlich nicht mehr im Einzelnen zu klären ist, ob die Buchungen in der Bilanz zutreffend oder vollständig gewesen sind. Die Entschädigung wird nach der Bilanz für den letzten Stichtag vor der Entschädigung auch dann ermittelt, wenn ein Beteiligter geltend macht, sie sei unvollständig oder sonst unrichtig.

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Nicht durchzudringen vermag der Kläger mit dem Einwand, die vollständige entschädigungsmindernde Berücksichtigung der in der Bilanz verbuchten Rückstellungen auf Gewerbesteuern sei fehlerhaft, weil Rückstellungen nur teilweise Fremdkapitalcharakter zukomme und die Steuerschuld im Schädigungszeitpunkt bereits beglichen gewesen sei. Auch mit diesem Einwand verkennt der Kläger, dass die gesetzliche Regelung in dem § 4 Abs. 2 Satz 2 EntschG für die Bestimmung der Bemessungsrundlage nur auf die letzte Bilanz vor dem Schädigungszeitpunkt abstellt. Diese Regelung dient der Vereinfachung und führt deshalb notwendig damit einhergehend zu Pauschalierungen. Sie fingiert die Übereinstimmung des Wertes des geschädigten Unternehmens im Zeitpunkt des Eintritts des schädigenden Ereignisses mit der Höhe des Reinvermögens, wie es in der letzten Bilanz vor der Schädigung verbucht ist. Auf die Frage, ob die Gewerbesteuerschuld im Zeitpunkt der schädigenden Maßnahme noch bestanden hat, kommt es demnach nicht an.

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Ebenfalls ohne Erfolg bleibt schließlich der Einwand des Klägers, wegen des mit Bescheid des Beklagten vom 15. September 2011 bestandskräftig zugesprochenen Entschädigungsbetrages i. H. v. 12.271,01 € seien neben den dort ebenfalls zuerkannten Zinsen i. H. v. 5.644,67 € weitere Zinsen für die Zeit ab September 2001 festzusetzen, weil der zuerkannte Entschädigungsbetrag immer noch nicht ausgezahlt sei. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 5 EntschG werden nach dem 31. Dezember 2003 festgesetzte Entschädigungsansprüche werden durch Geldleistung erfüllt, die ab dem 1. Januar 2004 bis zum Kalendermonat vor der Bekanntgabe des Bescheides verzinst wird. Der Zinssatz beträgt vom 1. Januar 2004 monatlich 1/2 vom Hundert. Die Zinsen werden mit der Entschädigung und bei Abzug des Lastenausgleichs durch Bescheid nach § 8 Absatz 4 festgesetzt. Deshalb stehen der Berechtigten Liquidationsgesellschaft Zinsansprüche nur zu für die Zeit bis Ende August 2011. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte den Teilbetrag i. H. v. 12.271,01 € mit dem Bescheid vom 15. September 2011 zuerkannt. Der vom Gesetzgeber nach § 1 Abs. 1 Satz 5 EntschG zugebilligte Zinsanspruch ist nach dem Zweck der Regelung Ausgleich dafür, dass über die Entschädigung noch nicht entschieden worden ist. Hier indes verhält es sich anders. Über die Entschädigung hat der Beklagte mit dem genannten Bescheid vom 15. September 2011 jedenfalls teilweise bestandskräftig entschieden. Für eine Festsetzung weitergehender Zinsansprüche gibt die gesetzliche Regelung nichts her. Wenn die Behörde, wie der Kläger meint, die gebotenen Folgerungen aus der bestandskräftigen Festsetzung nicht zieht, so ist es Sache des Klägers, seine Ansprüche ggf. im Wege der Leistungsklage zu verfolgen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision (vgl. § 132 VwGO) liegen nicht vor.


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