Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (9. Kammer) - 9 A 376/14

Tatbestand

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Die Kläger wenden sich gegen die Androhung eines Zwangsgeldes.

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Mit Bescheid vom 22.09.2010 forderte der Beklagte die Kläger auf, ihren gesamten Bedarf an Wasser - mit Ausnahme für Hof und Garten - ausschließlich aus der öffentlichen Wasserversorgungsanlage zu decken und drohte gleichzeitig ein Zwangsgeld an. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2010 zurück. Der dagegen erhobenen Klage (9 A 37/11 MD) gab das erkennende Gericht mit Urteil vom 26.08.2011 teilweise statt und hob den Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides lediglich insoweit auf, als darin ein Zwangsgeld angedroht wurde. Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat mit Beschluss vom 25.10.2012 den Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung abgelehnt (4 L 183/11).

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Gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt legten der Kläger zu 2. unter dem 22.04.2013 Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein. Mit Schreiben vom 02.05.2013 wurde dem Kläger zu 2. mitgeteilt, dass das Verfahren die Beschwerdenummer 29353/13 führt. Eine Entscheidung steht noch aus.

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Mit Bescheid vom 06.05.2013 drohte der Beklagte der Klägerin zu 1. wie dem Kläger zu 2. jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR an, da sie der Aufforderung des Anschlusses und der Benutzung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage bisher nicht nachgekommen sind, und setzte den Klägern eine Nachfrist bis zum 06.06.2013. Der Bescheid wurde den Klägern am 08.05.2013 zugestellt.

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Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 03.06.2013, das beim Beklagten am Folgetag eingegangen ist, Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründen, dass Beschwerde gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beim EGMR eingelegt worden sei, mithin die Entscheidung des Gerichts nicht rechtskräftig sei.

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Der Beklagte wies den Widerspruch mit den Klägern am 27.08.2014 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 26.08.2014 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Anschluss- und Benutzungsaufforderung mit Verfügung vom 22.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2010 unanfechtbar sei und mit Zwangsmitteln gemäß § 53 SOG LSA durchgesetzt werden könne.

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Hiergegen haben die Kläger am 26.09.2014 Klage beim erkennenden Gericht erhoben. Zur Ergänzung tragen sie vor, dass die Zwangsgeldandrohung im vorangegangenen gerichtlichen Verfahren ebenfalls aufgehoben worden sei. Zudem sei das Zwangsgeld unangemessen hoch und auch die Auswahl des Zwangsgelds sei vor dem Hintergrund ermessensfehlerhaft, dass der Anschluss bereits hergestellt sei. Schließlich habe sich die Behörde nahezu 16 Monate Zeit gebraucht, bis über den Widerspruch entschieden worden sei und die Kläger im Ungewissen gelassen.

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Die Kläger beantragen,

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den Bescheid des Beklagten vom 06.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2014 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er verteidigt seinen Bescheid.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte im anhängigen Verfahren und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage, über die im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet. Denn der angefochtene Bescheid vom 06.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

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Rechtsgrundlage für die Androhung des Zwangsgeldes ist § 10 Abs. 1 der Wasserversorgungssatzung des Beklagten vom 04.11.2004 – im Folgenden: WVSO –. Danach kann für den Fall, dass die Vorschriften der Satzung, die u.a. den Anschluss- und Benutzungszwang in §§ 4 und 6 WVSO regelt, nicht befolgt werden oder gegen sie verstoßen wird, nach den §§ 53 bis 56 SOG LSA in Verbindung mit § 71 VwVG LSA jeweils in der zur Zeit gültigen Fassung ein Zwangsgeld bis zu 500.000 EUR angedroht und festgesetzt werden. Nach § 71 Abs. 1 VwVG LSA werden Verwaltungsakte, die auf die Herausgabe einer Sache oder auf eine sonstige Handlung oder eine Duldung oder Unterlassung gerichtet sind und die nicht unter § 2 Abs. 1 fallen, auch wenn sie nicht der Gefahrenabwehr dienen, nach dem Vierten Teil des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt durchgesetzt. Ein sicherheitsbehördlicher oder polizeilicher Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, kann gemäß § 53 Abs. 1 SOG LSA mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat.

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Maßgebender sicherheitsbehördlicher Verwaltungsakt ist der Bescheid des Beklagten vom 22.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2010, soweit die Kläger darin aufgefordert worden sind, ihren gesamten Bedarf an Wasser - mit Ausnahme für Hof und Garten - ausschließlich aus der öffentlichen Wasserversorgungsanlage zu decken, mithin das Grundstück an die öffentliche Wasserversorgungsanlage anzuschließen und diese zu benutzen. Dieser Verwaltungsakt ist unanfechtbar. Denn das hiergegen geführte gerichtliche Verfahren endete mit unanfechtbaren Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 25.10.2012 (4 L 183/11), mit dem der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt wurde (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO). Dass der Kläger zu 2. insoweit beim EGMR eine Beschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland eingelegt hat, berührt entgegen der Auffassung der Kläger nicht die Unanfechtbarkeit des sicherheitsbehördlichen Verwaltungsaktes. Denn einer Beschwerde beim EGMR kommt keine aufschiebende Wirkung zu, es sei denn, der Gerichtshof hat vorsorgliche Maßnahmen (Art. 39 VerfO) gegenüber dem Vertragsstaat – hier die Bundesrepublik Deutschland – erlassen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

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Liegt – wie hier – ein unanfechtbarer sicherheitsbehördlicher Verwaltungsakt vor (s.o.), ist der Beklagte auch berechtigt, ein Zwangsmittel anzudrohen, wenn der behördlich Verpflichtete der aus der Anordnung resultierenden Handlung bisher nicht nachgekommen ist. Vorliegend haben die Kläger der Verpflichtung, ihr Grundstück an die öffentliche Wasserversorgungsanlage anzuschließen und diese zu nutzen, bis heute nicht entsprochen. Soweit die Kläger einwenden, sie hätten das Grundstück angeschlossen, so vermag das Gericht dem nicht zu folgen, da die Kläger – was sie auch nicht in Abrede stellen – bis heute nicht die Abnahme der Verbindung der Hausinstallation mit der Wasserzähleranlage beim Beklagten beantragt haben.

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Die Wahl des Zwangsmittels begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, denn die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von jeweils 250,00 EUR gegenüber den Klägern ist ermessensgerecht. Es ist sowohl geeignet, den Anschluss- und Benutzungszwang durchzusetzen als auch erforderlich und angemessen. Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich und auch die Zweck-Mittel-Relation ergibt keine andere Betrachtungsweise. Schließlich ist auch nichts gegen die Höhe des angedrohten Zwangsmittels zu erinnern, denn ausgehend von dem sich nach § 56 Abs. 1 SOG LSA ergebenden Rahmens zwischen 5,00 und 500.000 EUR ist für eine unangemessene Höhe nichts ersichtlich.

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Nach § 59 Abs. 1 SOG LSA sind Zwangsmittel, so auch ein Zwangsgeld (§§ 54 Abs. 1 Nr. 2, 56 SOG LSA), anzudrohen. Die Androhung soll möglichst schriftlich erfolgen, wobei dem Betroffenen in der Androhung zur Erfüllung der Verpflichtung eine angemessene Frist zu bestimmen ist. Dies ist vorliegend geschehen. Der Beklagte hat mit streitbefangenem Bescheid vom 06.05.2013, mithin in Schriftform die Androhung vorgenommen und den Klägern aufgegeben, bis zum 06.06.2013 der Verpflichtung nachzukommen. Anhaltspunkte dafür, dass die Frist zu gering bemessen war, sind weder ersichtlich noch werden sie von den Klägern behauptet. Die Androhung des Zwangsgeldes ist schließlich auch in bestimmter Höhe erfolgt (§ 59 Abs. 5 SOG LSA) und den Klägern zugestellt worden (§ 59 Abs. 6 Satz 1 SOG LSA).

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Soweit die Kläger vortragen, das Gericht habe die im Bescheid vom 22.09.2010 erfolgte Zwangsgeldandrohung mit Urteil vom 26.08.2011 aufgehoben (9 A 37/11 MD), so dass dies auch für dieses Verfahren gelten müsse, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Denn dies dürfte offensichtlich dem Umstand geschuldet gewesen sein, dass der ordnungsbehördliche Verwaltungsakt weder sofort vollziehbar noch unanfechtbar gewesen ist, was Voraussetzung für die Androhung eines Zwangsmittels ist (s.o.). Schließlich vermag das Gericht auch nicht zu erkennen, weshalb die Dauer des Widerspruchsverfahrens die Aufhebung der Zwangsgeldandrohung rechtfertigen soll. Denn der Beklagte begehrt weiterhin die Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwang. Allein der Umstand, dass er das Zwangsgeld bis heute nicht festgesetzt hat, mithin nicht im Wege des Verwaltungsvollstreckung beigetrieben hat, kann nicht fruchtbar gemacht werden, obgleich das Gericht darauf verweist, dass Rechtsbehelfe gegen die selbstständige Androhung und Festsetzung von Zwangsmitteln keine aufschiebende Wirkung haben.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Regelung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den Vorschriften §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wonach bei der (selbstständigen) Androhung von Zwangsmitteln, der hälftige Betrag des festgesetzten Zwangsgeldes zugrunde zu legen ist.


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