Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (6. Kammer) - 6 A 59/17
Tatbestand
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Der Kläger stellte bei der Beklagten am 23.08.2016 erstmals einen Antrag auf Wohngeld und gab hierzu an, schwerbehindert mit einem GdB von 80, hingegen nicht pflegebedürftig zu sein; den Nachweis zu seiner Schwerbehinderung legte er bei Antragstellung vor. Ab dem 01.07.2016 bezog der Kläger eine monatliche Rente wegen Erwerbsunfähigkeit i. H. v. 964,68 € brutto/856,64 € netto. Der monatliche Mietzins betrug für seine 57,10 m² große Wohnung 368,30 € (234,11 € Grundnutzungsgebühr zzgl. 74,23 € Betriebskosten sowie 59,96 € Heizkosten monatlich). Mit Bescheid vom 24.10.2016 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Mit dem durch den Kläger nachgewiesenen monatlichen Einkommen ergäbe sich ein Anspruch auf Mietzuschuss nicht. Dem Bescheid beigefügt war eine detaillierte Berechnung zu dem Einkommen des Klägers. Danach legte die Beklagte ein zu berücksichtigendes Jahreseinkommen i. H. v. 10.326,74 € bzw. ein zu berücksichtigendes Monatseinkommen i. H. v. 860,56 € zu Grunde. Zur Begründung seines hiergegen mit Schreiben vom 26.10.2016 eingelegten Widerspruchs führte der Kläger aus, die Beklagte habe fehlerhaft seine nachgewiesene Schwerbehinderung nicht berücksichtigt. Bei ordnungsgemäßer Berücksichtigung sei ein weiterer Pauschbetrag von seinem Einkommen in Abzug zu bringen. Hinsichtlich des Freibetrages für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung oder diesen im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes Gleichgestellten werde durch ihn derzeit eine Rechtsänderungsklage geführt. Die Beklagte half dem Widerspruch nicht ab und legte diesen dem Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt zur Entscheidung vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2017 wies dieses den Widerspruch zurück. Die Ablehnung des Wohngeldantrages sei durch die Beklagte zu Recht erfolgt. Ein Freibetrag wegen der beim Kläger bestehenden Schwerbehinderung könne nicht gewährt werden, da die maßgeblichen Voraussetzungen des § 17 WoGG nicht vorlägen. Der Nachweis für das Vorliegen zum Abzug eines Freibetrages i. H. v. 750 € für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung oder diesen im Sinne des Bundesentschädigungsgesetz Gleichgestellten sei durch den Kläger nicht erbracht.
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Hiergegen hat der Kläger am 04.03.2017 Klage erhoben, mit welcher er sein Begehren auf Abzug eines weiteren Frei- bzw. Pauschbetrages von seinem berücksichtigungsfähigen Renteneinkommen weiterverfolgt. Die Beklagte sei in ihrer Entscheidung lediglich auf den Freibetrag nach dem Wohngeldgesetz eingegangen, habe aber zu Unrecht nicht den ihm wegen seines GdB von 80 zustehenden Pauschbetrag i. H. v. 1.060,00 € nach dem EStG in Ansatz gebracht. Mit dessen Anwendung stünde ihm ein monatlicher Mietzuschuss i. H. v. ca. 35,00 € zu.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 24.10.2016 und des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 13.02.2017 zu verpflichten, ihm für die Zeit ab dem 15.08.2016 bis zum 14.08.2017 einen monatlichen Mietzuschuss i. H. v. 35,00 € zu bewilligen.
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Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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Die Klage abzuweisen.
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Sie verteidigt ihren streitbefangenen Bescheid.
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Mit Beschluss vom 19.09.2017 hat die Kammer den vom Kläger für das Verfahren gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt (vgl. Bl. 30 ff. der Gerichtsakte. Das hiergegen vom Kläger geführte Beschwerdeverfahren zum Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Einheit (4 O 153/17) blieb erfolglos (vgl. Bl. 55 ff. der Gerichtsakte).
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Mit Beschluss vom 16.01.2018 hat die Kammer der Berichterstatterin das Verfahren zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen (vgl. Bl. 69 der Gerichtsakte).
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Mit Beschluss vom, 06.02.2018 hat die Einzelrichterin den erneuten Antrag des Klägers aus Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vom 02.03.2018 abgelehnt (vgl. Bl. 99 f. d. Gerichtsakte).
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
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Die Einzelrichterin war zur Entscheidung berufen, denn die Kammer hat ihr mit Beschluss vom 16.01.2018 das Verfahren zur Entscheidung übertragen, § 6 Absatz ein S. 1 VwGO. Die Einzelrichterin konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, denn sie sind mit der Ladung über diese Möglichkeit ausdrücklich belehrt worden, § 102 Abs. 2 VwGO.
I.
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Die zulässige Klage führt in der Sache nicht zum Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO.
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Dabei legt das Gericht gem. § 88 VwGO das klägerische Begehren im Lichte der §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 Wohngeldgesetz (WoGG) dahin aus, dass der Kläger die Bewilligung des beantragten Mietzuschusses ab dem Zeitpunkt des Beginns des Mietsverhältnisses am 15.08.2016 für den gesamten Bewilligungszeitraum von zwölf Monaten i. S. d. Wohngeldrechts begehrt.
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1. Dem Kläger steht der geltend gemachte Wohngeldanspruch nicht zu. Die dem versagenden Bescheid der Beklagten vom 24.10.2016 zugrunde liegende Berechnung des klägerischen Einkommens ist nicht zu beanstanden, sie entspricht den für die Ermittlung des Gesamteinkommens des Klägers maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften der §§ 13 ff. und insb. des 17 WoGG und den hierzu erlassenen Verwaltungsvorschriften. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen stellt das Gericht fest, dass die zur Begründung des ablehnenden Bescheides von der Beklagten, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vorgenommene Einkommensermittlung rechtmäßig ist und sieht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
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2. Das jährliche Renteneinkommen des Klägers ist auch nicht in Anwendung des § 33b EStG um einen Pauschbetrag i. H. v. 1.060,00 Euro zu mindern, denn die §§ 13 ff. WoGG sind zur Ermittlung des Einkommens für den Wohngeldanspruch abschließend (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 21.05.2013 - 12 A 718/13 -; Bayrischer VGH, Beschl. v. 13.03.2012 - 12 C 12.285 -; beide juris). Spezialgesetzlich enthält dabei § 17 WoGG in der Ziffer 1 für anerkannte Schwerbehinderte mit einem GdB von 100 - den der Kläger nicht hat - die allein maßgebliche Abzugsregelung i. H. v. 1.500,00 Euro zur Einkommensbereinigung.
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Soweit der Kläger meint, es bestehe im Wohngeldgesetz für Schwerbehinderte wie ihn, auf die die Freibetragsregelung wegen Nichterreichens der GdB-Grenze nicht anwendbar ist, eine Regelungslücke, die mit der Anwendung der einkommenssteuerrechtlichen Pauschbetragsregelung des § 33b EStG zu schließen sei, führt dies nicht zum Erfolg. Denn eine planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor. Dies setzt voraus, dass der Gesetzgeber eine Interessenlage nicht gesehen hat oder eine solche wegen verspäteter Veränderung der Umstände nicht gesehen werden konnte und er diese deswegen nicht geregelt hat, bei Kenntnis hingegen im Sinne der Vorschrift geregelt hätte, die zur Schließung dieser Lücke zur Anwendung kommen soll (vgl. VG Schleswig-Holstein, Urt. v. 13.12.2017 - 3 A 26/17 -, juris m. w. N.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Wohngeldgesetz enthält mit dem § 17 WoGG ausdrückliche Regelungen zur Bereinigung des Einkommens von bestimmten Gruppen von Benachteiligten durch Zuerkennung von Freibeträgen. Für eine weitergehende Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse schwerbehinderter Menschen bietet das Wohngeldgesetz keine Grundlage (vgl. Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, Wohngeldgesetz, Kommentar, Stand: Januar 2012, § 17 Rn. 2). Gegen die Annahme eines gesetzgeberischen Unterlassens spricht auch, dass bis zum 31.12.2008 das Wohngeldgesetz in § 17 noch die Anwendung der Freibetragsregelung auf diejenigen Schwerbehinderten vorsah, die einen GdB von 80 hatten, ohne dass - wie die seit dem 01.01.2009 gültige und auch die aktuelle Fassung der Norm - weitere Voraussetzungen vorliegen mussten. Hat der Gesetzgeber aber bewusst eine Änderung der Rechtslage herbeigeführt, ist ein Nichterkennen der Regelungsbedürftigkeit nicht anzunehmen. Es fehlt ferner an einer vergleichbaren Interessenlage. Das Wohngeld als staatliche und bedarfssichernde Sozialleistung und die Minderung des steuerpflichtigen Einkommens durch Abzug von Pauschbeträgen wegen behinderungsbedingter Mehraufwendungen (§ 33b Abs. 1 EStG) haben unterschiedliche Zielrichtungen. Das Wohngeld stellt eine staatliche Unterstützungsleistung im Bedarfsfall dar, denn es dient gem. § 1 Abs. 1 WoGG der wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens. Demgegenüber ist das Einkommenssteuerrecht Teil der staatlichen Eingriffsverwaltung, mit dem vom Betroffenen ein Teil des Einkommens gerade entzogen werden soll. Die Pauschbetragsregelung des § 33b EStG zielt darauf ab, den darin genannten Personenkreis von der allgemeinen Abgabenpflicht insoweit zu verschonen, als er behinderungsbedingt Mehraufwendungen hat; demgegenüber soll die Freibetragsregelung des § 17 WoGG gerade einen Anspruch auf staatliche Leistungen - das Wohngeld - in den genannten Konstellationen durch eine Verringerung des vorrangig einzusetzenden Einkommens zur Bedarfsdeckung ermöglichen.
II.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG.
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Referenzen
- VwGO § 167 1x
- WoGG § 17 Freibeträge 4x
- 4 O 153/17 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 12 A 718/13 1x
- Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (3. Kammer) - 3 A 26/17 1x
- VwGO § 154 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- VwGO § 117 1x
- VwGO § 102 1x
- WoGG § 13 Gesamteinkommen 1x
- VwGO § 113 1x
- VwGO § 6 1x
- WoGG § 1 Zweck des Wohngeldes 1x
- EStG § 33b Pauschbeträge für behinderte Menschen, Hinterbliebene und Pflegepersonen 4x
- § 52 Abs. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 13 ff. WoGG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 88 1x