Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (3. Kammer) - 3 A 117/17
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen die Kürzung gewährter Direktzahlungen.
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Die Klägerin beantragte am 13. Mai 2015 Direktzahlungen aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) für das Jahr 2015. Am 22. Juni 2015 führte der Landkreis C-Stadt als untere Wasserbehörde eine anlassbezogene Vor-Ort-Kontrolle der Stallanlagen und der Biogasanlage am Betriebssitz der Klägerin durch. Dies erfolgte in Anwesenheit eines Vorstandsmitglieds (Frau R.) und eines Mitarbeiters der Klägerin (Herr B.). Dabei wurde unter anderem festgestellt, dass die Entwässerung der Siloflächen und der Vorflächen über Trennschächte erfolgte, die auf Regenwasser gestellt waren. Außerdem befanden sich auf der betonierten Hoffläche zwei Gärfuttersilos ohne Siloplatte und entsprechende Entwässerung. Hinter dem Rinderstall war ein Misthaufen ohne Mistplatte, seitliche Einfassungen und Jauchegrube, wobei ein Ablaufen von Jauche nicht festzustellen war. Des Weiteren lief hinter der Siloanlage Silosickersaft über die Regenwasserleitung und unkontrolliert über die befestigte Vorfläche im Osten in eine dort ohne Genehmigung angelegte Mulde zur Versickerung. Die Mitarbeiterin der unteren Wasserbehörde ordnete noch vor Ort den sofortigen Umschluss der Trennschächte der Siloanlage auf Schmutzwasser, die sofortige Unterbindung des unkontrollierten Ablaufens von Sickersaft in Richtung Mulde sowie die Reinigung der Versickerungsmulde von Silagesickersaft an.
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In ihrem Kontrollbericht vom 22. Juli 2015 zur Vor-Ort-Kontrolle am 22. Juni 2015 führte die Mitarbeiterin der unteren Wasserbehörde Verstöße gegen die Prüfkriterien „Ortsfeste Festmist-/Silagelagerstätte dicht und im Falle einer Festmistanlage seitlich eingefasst“ (Code GAB 1 PK 07), „Jauche/Silagesickersaft bei ortsfester Festmist-/Silagelagerstätte ordnungsgemäß gesammelt“ (Code GAB 1 PK 08) und „Ab- bzw. Überlaufen des Lagergutes“ (Code GAB 1 PK 09) ohne Eindringen ins Grundwasser/oberirdische Gewässer bzw. die Kanalisation auf. Diese Verstöße wurden jeweils als mittelschwer (Regeleinstufung) bewertet. Der Kontrollbericht schloss mit dem Vorschlag, in der Gesamtbewertung einen mittleren fahrlässigen Verstoß anzunehmen, woraus sich ein Kürzungssatz von 3 % ergebe.
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Bei einer weiteren Vor-Ort-Kontrolle am 14. Oktober 2015 stellte die Mitarbeiterin der unteren Wasserbehörde fest, dass an der Rückseite des Silos trotz Absperrmaßnahmen Sickersaft in die angelegte Mulde ablief, die in Silorichtung bereits im Böschungsbereich verschlammt und ausgespült war. Der Eintritt des Sickersaftes und dessen Ausbreitung hatten zu einer Schwarzfärbung der Vegetation geführt. In dem zugehörigen Kontrollbericht vom 26. November 2015 waren (erneut) Verstöße gegen die Kriterien GAB 1 PK 08 und GAB 1 PK 09 aufgeführt. Dabei wurde der Verstoß gegen GAB 1 PK 08 mit der Begründung als schwer eingestuft, der Silagesickersaft sei nicht in das Silagesaftsystem, sondern massiv in die Regenwassermulde gelaufen. Damit sei wiederholt die gleiche Anforderung wie am 22. Juni 2015 nicht eingehalten worden, dieses Mal nach Neueinlagerung von Silage. Aufgrund der Wiederholung, Dauer und Schwere sei der Verstoß als schwer einzustufen. Der erneute Verstoß gegen Code GAB 1 PK 09 wurde wiederum als mittelschwer eingestuft, da ein Eindringen ins Grundwasser/oberirdische Gewässer bzw. die Kanalisation nicht festgestellt worden war. Der Kontrollbericht schloss mit dem Vorschlag, in der Gesamtbewertung einen schweren fahrlässigen Verstoß anzunehmen, woraus sich ein Kürzungssatz von 5 % ergebe.
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Mit Bescheid vom 21. Januar 2016 bewilligte der Beklagte der Klägerin für das Jahr 2015 Direktzahlungen aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) in Höhe von 168.272,49 Euro. Dabei legte der Beklagte einen Kürzungssatz in Höhe von 15 % wegen festgestellter Cross-Compliance-Verstöße (Verstöße gegen die Grundanforderungen an die Betriebsführung oder den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand der landwirtschaftlichen Flächen) zugrunde, was einem Betrag von 29.695,15 Euro entspricht. Zur Begründung der Kürzung führte der Beklagte aus, da die Klägerin wiederholt gegen die Kriterien GAB 1 PK 08 und PK 09 verstoßen habe, sei der für den ersten Wiederholungsverstoß festgesetzte Prozentsatz mit dem Faktor 3 zu multiplizieren. Daraus ergäben sich Kürzungssätze von 15 % (5 % für Verstoß gegen GAB 1 PK 08 x 3) und 9 % (3 % für Verstoß gegen GAB 1 PK 09 x 3). Eine Addition dieser Prozentsätze würde einen Wert von 24 % ergeben. Da die Erstverstöße in demselben Jahr festgestellt worden seien, könne eine Addition aber unterbleiben. In diesem Fall zähle der höchste von beiden Prozentsätzen für die wiederholten Verstöße, mithin der Satz von 15 %. Die Sätze für die wiederholt fahrlässigen Verstöße (15 %) und den fahrlässigen Erstverstoß gegen das Prüfkriterium GAB 1 PK 07 (3 %) seien zu addieren und dann bei 15 % zu kappen. Damit ergebe sich eine Gesamtkürzung von 15 %.
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Mit Schreiben vom 16. Februar 2016 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die CC-Kürzung. Zur Begründung führte sie aus, bei den im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle am 22. Juni 2015 festgestellten Verstößen handele es sich um solche im Bereich „Umweltschutz, Klimawandel, guter landwirtschaftlicher Zustand der Flächen“. Hierfür sei in Art. 73 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 809/2014 lediglich eine Gesamtsanktion in Höhe von 3 % vorgesehen. Zudem könne von einem wiederholten Verstoß nur ausgegangen werden, wenn gegen dieselbe Anforderung oder denselben Standard mehr als einmal innerhalb von drei Jahren verstoßen und der Begünstigte auf den vorangegangenen Verstoß hingewiesen worden sei und damit die Möglichkeit erhalten habe, den Verstoß abzustellen. Dies geschehe regelmäßig durch die Übersendung eines Kontrollberichts, aus dem entnommen werden könne, gegen welche Grundanforderungen verstoßen worden sei und ob bzw. dass diese zu Sanktionen führe. Daran fehle es hier. Das bei der Vor-Ort-Kontrolle am 22. Juni 2015 anwesende ehemalige Vorstandsmitglied Frau R. habe den Kontrollbericht nicht gegengezeichnet. In dem Kontrollbericht sei auch nicht dokumentiert, dass Frau R. über die Cross-Compliance-Relevanz und die zu verhängenden Sanktionen informiert worden sei. Frau R. sei am 5. November 2015 bei dem Beklagten gewesen und habe erklärt, den Kontrollbericht nicht erhalten zu haben. Jedenfalls sei die Berechnung der Sanktion fehlerhaft. Im ersten Wiederholungsfall sei die für den Erstverstoß angewendete Kürzung mit dem Faktor 3 zu multiplizieren. Der Erstverstoß sei aber mit 3 % eingestuft worden. Dementsprechend sei allenfalls eine Sanktionierung mit 9 % gerechtfertigt.
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Mit der Klägerin am 6. März 2017 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2017 wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, bereits im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle am 22. Juni 2015 sei das anwesende Vorstandsmitglied der Klägerin, Frau R, auf die festgestellten Verstöße hingewiesen worden. Außerdem seien hierbei sofortige Anordnungen zur Beseitigung der Verstöße getroffen worden. Mit Schreiben vom 24. Juli 2015 habe die untere Wasserbehörde der Klägerin den Kontrollbericht übersandt. Frau R. habe im Rahmen einer Anhörung bei der unteren Wasserbehörde am 25. November 2015 zudem den Zugang des Kontrollberichts entgegen ihrer vorherigen Aussage bestätigt. Zudem habe die Klägerin sich im Rahmen der Anhörung in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren gegenüber der unteren Wasserbehörde mit Schreiben vom 20. August 2015 zu den Ergebnissen der behördlichen Überprüfung geäußert. Auch dies belege die Kenntnis der Klägerin von den im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle am 22. Juni 2015 festgestellten Verstößen. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei der Faktor 3 auf das Ergebnis des ersten fahrlässigen Wiederholungsfalls anzuwenden. Das Kürzungsergebnis des vorangegangenen Verstoßes werde nur bei jedem weiteren Wiederholungsfall angewendet.
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Am 4. April 2017 hat die Klägerin bei dem erkennenden Gericht Klage erhoben.
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Zur Begründung verweist sie auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verpflichten, ihr Direktzahlungen nach der Verordnung (EG) Nr. 1307/2013 für das Antragsjahr 2015 in Höhe von weiteren 11.871,70 Euro zu gewähren und den Bescheid des Beklagten vom 21. Januar 2016 sowie den Widerspruchsbescheid des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 28. Februar 2017 aufzuheben, soweit diese dem entgegenstehen,
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und den Beklagten zu verurteilen, an sie Prozesszinsen gemäß § 14 MOG in Höhe eines halben Prozents pro Monat seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er tritt der Klage aus den Gründen des Ausgangs- und des Widerspruchsbescheides entgegen.
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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Gerichts.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Bescheid des Beklagten vom 21. Januar 2016 und der Widerspruchsbescheid des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 28. Februar 2017 sind, soweit die Klägerin diese angegriffen hat, rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Direktzahlungen für das Antragsjahr 2015 in Höhe von weiteren 11.871,70 Euro (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die vom Beklagten vorgenommene Kürzung der berechneten Direktzahlungen um
15 % wegen Cross-Compliance-Verstößen der Klägerin ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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Nach Art. 5 der VO (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der VO (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der VO (EG) Nr. 73/2009 des Rates (ABl. EU Nr. L 347/608), zuletzt geändert im für das hier in Rede stehende Antragsjahr maßgeblichen Zeitpunkt durch VO (EU) Nr. 1378/2014 (ABl. EU Nr. L 367/16), gelten für die in dieser Verordnung vorgesehenen Regelungen die VO (EU) Nr. 1306/2013 und die auf ihrer Grundlage erlassenen Vorschriften.
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Die VO (EU) Nr. 1306/2013 (ABl. EU Nr. L 347/549), zum hier maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch VO (EU) Nr. 1748/2015 (ABl. EU Nr. L 256/9), enthält u. a. Vorschriften über die Cross-Compliance-Regelung [vgl. Art. 1 Buchst. d) VO (EU) Nr. 1306/2013]. Nach Art. 91 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 wird gegen einen Begünstigten, der – wie hier die Klägerin – Direktzahlungen gemäß der VO (EU) Nr. 1307/2013 erhält und die Cross-Compliance-Vorschriften gemäß Art. 93 VO (EU) Nr. 1306/2013 nicht erfüllt, eine Verwaltungssanktion verhängt. Nach Art. 91 Abs. 2 VO (EU) Nr. 1306/2013 findet diese Verwaltungssanktion nur dann Anwendung, wenn der Verstoß das Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung ist, die unmittelbar dem betreffenden Begünstigten anzulasten ist, und die landwirtschaftliche Tätigkeit des Begünstigten oder die Fläche des Betriebs des Begünstigten betrifft. Gemäß Art. 93 Abs. 1 und 2 VO (EU) Nr. 1306/2013 umfassen die in Anhang II der Verordnung aufgeführten Cross-Compliance-Vorschriften, welche in der zuletzt in Kraft getretenen Fassung und im Falle von Richtlinien so gelten, wie sie von den Mitgliedstaaten umgesetzt wurden, die Grundanforderungen an die Betriebsführung gemäß Unionsrecht und die auf nationaler Ebene aufgestellten Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichem und ökologischem Zustand betreffend die Bereiche Umweltschutz, Klimawandel und guter landwirtschaftlicher Zustand der Flächen (Art. 93 Abs. 1 Buchst. a VO [EG] Nr. 1306/2013), Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen (Art. 93 Abs. 1 Buchst. b VO [EG] Nr. 1306/2013) sowie Tierschutz (Art. 93 Abs. 1 Buchst. c VO [EG] Nr. 1306/2013). Im Bereich Umweltschutz, Klimawandel und guter landwirtschaftlicher Zustand der Flächen ergeben sich Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB) unter anderem aus Art. 4 und 5 der Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (ABl. L Nr. 375/1, nachfolgend: Nitratrichtlinie), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 1137/2008 (ABl. EU Nr. L 311/1).
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Diese Richtlinie hat zum Ziel, die durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verursachte oder ausgelöste Gewässerverunreinigung zu verringern und weiterer Gewässerverunreinigung dieser Art vorzubeugen (vgl. Art. 1 Nitratrichtlinie). Gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Nitratrichtlinie stellen die Mitgliedstaaten, um für alle Gewässer einen allgemeinen Schutz vor Verunreinigung zu gewährleisten, Regeln der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft auf, die von den Landwirten auf freiwilliger Basis anzuwenden sind und Bestimmungen enthalten sollten, welche mindestens die in Anhang II Punkt A der Richtlinie enthaltenen Punkte umfassen. Dazu gehören Regeln über Fassungsvermögen und Bauweise von Behältern zur Lagerung von Dung, einschließlich Maßnahmen zur Verhinderung von Gewässerverunreinigungen durch Einleiten und Versickern von dunghaltigen Flüssigkeiten und von gelagertem Pflanzenmaterial wie z.B. Silagesickersäften in das Grundwasser und in Oberflächengewässer (vgl. Anhang II Punkt A Ziff. 5 der Nitratrichtlinie). Gemäß Art. 5 Abs. 1 der Nitratrichtlinie legen die Mitgliedstaaten zur Verwirklichung der in Art. 1 genannten Ziele Aktionsprogramme für die als gefährdet ausgewiesenen Gebiete fest. Nach Art. 5 Abs. 4 der Nitratrichtlinie werden die Aktionsprogramme innerhalb von vier Jahren nach Aufstellung durchgeführt und enthalten unter anderem verbindlich vorgeschriebene Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten in den Regeln der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft nach Maßgabe von Art. 4 vorgeschrieben haben. In Umsetzung dieser Regelungen bestimmt Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen des Landes Sachsen-Anhalt - VAwS LSA - vom 28. März 2006 (GVBl. LSA S. 183), zuletzt geändert durch Verordnung vom 5. Dezember 2011 (GVBl. LSA S. 819), ber. 24. Januar 2012 (GVBl. LSA S. 40), dass alle dieser Verordnung unterliegenden Anlagen, soweit nichts anderes bestimmt ist, so beschaffen sein und betrieben werden müssen, dass wassergefährdende Stoffe nicht austreten können. Sie müssen dicht, standsicher und gegen die zu erwartenden mechanischen, thermischen und chemischen Einflüsse hinreichend widerstandsfähig sein. Dabei ergeben sich besondere Anforderungen an Anlagen zum Lagern und Abfüllen von Jauche, Gülle und Silagesickersaft und für ortsfeste Anlagen zum Lagern von Festmist und Silage. Diese sind nach Ziffer 3.1 der Anlage 3 zu § 4 Abs. 2 VAwS LSA mit einer dichten und wasserundurchlässigen Bodenplatte zu versehen. Zur Ableitung der Jauche und Silagesickersäfte ist die Bodenplatte seitlich einzufassen und gegen das Eindringen von Oberflächenwasser aus dem umgebenden Gelände zu schützen.
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Die Klägerin hat gegen diese Bestimmungen verstoßen. Bei der Vor-Ort-Kontrolle am 22. Juni 2015 wurden durch die untere Wasserbehörde Verstöße gegen die auf der Anwendung der VAwS LSA beruhenden Prüfkriterien (PK) „Ortsfeste Festmist-/Silagelagerstätte dicht und im Falle einer Festmistanlage seitlich eingefasst“ (Code GAB 1 PK 07), „Jauche/Silagesickersaft bei ortsfester Festmist-/Silagelagerstätte ordnungsgemäß gesammelt“ (Code GAB 1 PK 08) und „Ab- bzw. Überlaufen des Lagergutes“ (Code GAB 1 PK 09) festgestellt. Bei der Vor-Ort-Kontrolle am 14. Oktober 2015 stellte die untere Wasserbehörde erneut Verstöße gegen die PK 08 und 09 fest. Die Klägerin stellt die vorgenannten Verstöße ebenso wenig in Abrede wie ihre Verantwortlichkeit im Sinne von Art. 91 Abs. 2 VO (EU) Nr. 1306/2013.
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Gemäß Art. 97 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 wird die Verwaltungssanktion gemäß Art. 91 VO (EU) Nr. 1306/2013 verhängt, wenn die Cross-Compliance-Vorschriften in einem bestimmten Kalenderjahr – hier 2015 – zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt werden und dieser Verstoß dem Begünstigten, der – wie hier die Klägerin – den Zahlungsantrag in dem betreffenden Kalenderjahr gestellt hat, unmittelbar anzulasten ist. Nach Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 wird zur Anwendung der Verwaltungssanktion der Gesamtbetrag der in Art. 92 VO (EU) Nr. 1306/2013 genannten Zahlungen, der dem betroffenen Begünstigten – wie hier der Klägerin Direktzahlungen gemäß der VO (EU) Nr. 1307/2013 – gewährt wurde oder zu gewähren ist, für die Beihilfeanträge, die er in dem Kalenderjahr, in dem der Verstoß festgestellt wurde, eingereicht hat oder einreichen wird, gekürzt oder gestrichen. Bei der Berechnung dieser Kürzungen und Ausschlüsse werden nach Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 2 VO (EU) Nr. 1306/2013 Schwere, Ausmaß, Dauer und wiederholtes Auftreten der Verstöße sowie die Kriterien nach den Absätzen 2 bis 4 der Vorschrift berücksichtigt. Gemäß
Art. 99 Abs. 2 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 beträgt die Kürzung bei einem Verstoß aufgrund von Fahrlässigkeit höchstens 5 %, im Wiederholungsfall höchstens
15 %.
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In der Verordnung (EU) Nr. 640/2014 vom 11. März 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem und die Bedingungen für die Ablehnung oder Rücknahme von Zahlungen sowie für Verwaltungssanktionen im Rahmen von Direktzahlungen, Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum und der Cross-Compliance (ABl. EU Nr. L 181/48) hat die Kommission Einzelheiten für die Anwendung und Berechnung der Verwaltungssanktionen im Rahmen der Cross-Compliance festgelegt. Nach Art. 39 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 ist für auf Fahrlässigkeit beruhende Verstöße eine Regelkürzung von 3 % des Gesamtbetrages der Zahlungen und jährlichen Prämien vorgesehen. Die Zahlstelle kann gemäß
Art. 39 Abs. 1 Unterabs. 2 VO (EU) Nr. 640/2014 jedoch auf der Grundlage des Teils des Kontrollberichts, in dem die zuständige Kontrollbehörde die Bedeutung der Verstöße bewertet hat, und unter Berücksichtigung der Kriterien gemäß Art. 38 Abs. 1 bis 4 beschließen, den genannten Prozentsatz auf 5 % dieses Betrages zu erhöhen. Die in
Art. 38 Abs. 1 bis 4 VO (EU) Nr. 640/2014 genannten Kriterien sind wiederholtes Auftreten (Abs. 1), Ausmaß (Abs. 2), Schwere (Abs. 3) und Dauer des Verstoßes (Abs. 4). Gemäß Art. 39 Abs. 4 VO (EU) Nr. 640/2014 ist bei einem Verstoß im ersten Wiederholungsfall die gemäß Abs. 1 angewendete Kürzung mit dem Faktor drei zu multiplizieren (Unterabs. 1). Bei weiteren Wiederholungsfällen wird der Multiplikationsfaktor drei jeweils auf das Kürzungsergebnis für den vorangegangenen wiederholten Verstoß angewendet. Die höchstmögliche Kürzung darf jedoch 15 % des in Abs. 1 genannten Gesamtbetrages nicht übersteigen (Unterabs. 2). Des Weiteren sind in Bezug auf die Berechnung und Anwendung der Verwaltungssanktionen im Bereich der Cross-Compliance-Verpflichtungen die Vorschriften der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 809/2014 der Kommission vom 17. Juli 2014 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 zu beachten (ABl. EU Nr. L 227/69).
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In Anwendung dieser Bestimmungen ist die Kürzung der der Klägerin für das Antragsjahr nach der VO (EU) Nr. 1307/2013 gewährten Direktzahlungen um 15 % rechtlich nicht zu erinnern.
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Grundlage der Sanktionsfestlegung durch den Beklagten sind die Kontrollberichte der unteren Wasserbehörde vom 22. Juli 2015 und vom 26. November 2015 über die am 22. Juni 2015 und am 14. Oktober 2015 bei der Klägerin durchgeführten Vor-Ort-Kontrollen. Gemäß Art. 72 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. c VO (EU) Nr. 809/2014 enthält ein Kontrollbericht für jede durchgeführte Vor-Ort-Kontrolle einen bewertenden Teil, in dem für jeden der Rechtsakte bzw. jeden der Standards die Bedeutung der Verstöße auf der Grundlage der in Art. 99 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 genannten Kriterien „Schwere“, „Ausmaß“, „Dauer“ und „wiederholtes Auftreten“ beurteilt und alle Faktoren aufgeführt werden, die zu einer Erhöhung oder Verminderung der anzuwendenden Kriterien führen sollten. Der Kontrollbericht vom 22. Juli 2015, welcher dem Beklagten gemäß Art. 72 Abs. 4 Unterabs. 2 VO (EU) Nr. 809/2014 übersandt worden ist, hat die – unstrittigen – Verstöße gegen die Prüfkriterien „Ortsfeste Festmist-/Silagelagerstätte dicht und im Falle einer Festmistanlage seitlich eingefasst“ (Code GAB 1 PK 07), „Jauche/Silagesickersaft bei ortsfester Festmist-/Silagelagerstätte ordnungsgemäß gesammelt“ (Code GAB 1 PK 08) und „Ab- bzw. Überlaufen des Lagergutes“ (Code GAB 1 PK 09) jeweils als mittelschweren Regelverstoß eingestuft. Als Gesamtbewertung des kontrollierten Rechtsaktes – hier der Nitratrichtlinie und der zu ihrer Umsetzung erlassenen VAwS LSA – schlägt der Kontrollbericht die Annahme eines mittleren fahrlässigen Verstoßes und damit einen Kürzungsfaktor von 3 % vor.
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Bei der Vor-Ort-Kontrolle am 14. Oktober 2015 wurde zwar kein Verstoß mehr gegen GAB 1 PK 07, dafür jedoch erneute Verstöße gegen GAB 1 PK 08 und 09 festgestellt, die von der Klägerin ebenfalls nicht in Abrede gestellt werden. Dabei hat die untere Wasserbehörde den Verstoß gegen GAB 1 PK 08 als schwer eingestuft, was sie mit der Wiederholung, der Dauer und der Schwere des Verstoßes begründet hat. Der erneute Verstoß gegen GAB 1 PK 09 wurde wiederum als mittelschwer eingestuft, da ein schwerer Verstoß nach den von der kontrollierenden Behörde angewandten Maßstäben nur bei Eindringen ins Grundwasser/oberirdische Gewässer bzw. die Kanalisation angenommen wird, aber wie bereits bei der Vor-Ort-Kontrolle am 22. Juni 2015 dahingehend nichts feststellbar gewesen ist. Der Kontrollbericht vom 26. November 2015 zur Vor-Ort-Kontrolle am 14. Oktober 2015 schließt mit dem Gesamtbewertungsvorschlag, einen fahrlässigen schweren Verstoß anzunehmen und daher einen Kürzungsfaktor von 5 % in Ansatz zu bringen. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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Art. 39 Abs. 1 Unterabs. 2 VO (EU) Nr. 640/2014 sieht die Möglichkeit vor, den bei fahrlässigen Regelverstößen grundsätzlich anzusetzenden Kürzungsfaktor von 3 % unter Berücksichtigung der in Art. 38 Abs. 1 bis 4 VO (EU) Nr. 640/2014 genannten Kriterien auf 5 % zu erhöhen. Ausweislich des Kontrollberichts vom 26. November 2015 waren Wiederholung, Dauer und Schwere des Verstoßes maßgeblich für die Einstufung des Verstoßes gegen GAB 1 PK 08 als schwer.
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Nach Art. 38 Abs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 liegt ein wiederholtes Auftreten eines Verstoßes vor, wenn dieselbe Anforderung oder derselbe Standard mehr als einmal innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von drei Kalenderjahren nicht eingehalten wurde, sofern der Begünstigte auf den vorangegangenen Verstoß hingewiesen wurde und er je nach Fall die Möglichkeit hatte, die erforderlichen Maßnahmen zur Abstellung des vorangegangenen Verstoßes zu ergreifen. So verhält es sich hier entgegen der Auffassung der Klägerin. Unstreitig wurde der Verstoß gegen GAB 1 PK 08 bereits bei der Vor-Ort-Kontrolle am 22. Juni 2015 festgestellt und war bei der Vor-Ort-Kontrolle am 14. Oktober 2015 weiterhin bzw. erneut festzustellen. Die Klägerin ist auf den am 22. Juni 2015 festgestellten Verstoß auch dergestalt aufmerksam gemacht worden, dass es ihr möglich war, entsprechende Maßnahmen zur Beseitigung des festgestellten nicht ordnungsgemäßen Zustandes zu ergreifen und damit das Fortbestehen oder die Wiederholung des Verstoßes zu vermeiden.
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Ausweislich des in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen des Beklagten enthaltenen Schreibens der unteren Wasserbehörde vom 24. Juli 2015 an die Klägerin wurde der Klägerin der Prüfbericht zur Kontrolle am 22. Juni 2015 übersandt. Dass die Klägerin dieses Schreiben nicht oder nur ohne den als Anlage beigefügten Kontrollbericht erhalten hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Allein der Hinweis der Klägerin darauf, ihr damaliges Vorstandsmitglied Frau R. habe am 5. November 2015 im Haus des Beklagten erklärt, den Kontrollbericht nicht erhalten zu haben, veranlasst keine andere Einschätzung. Das Schreiben vom 24. Juli 2015 war an die Klägerin, nicht an Frau R. persönlich adressiert. Die Klägerin hat dafür Sorge zu tragen, dass die für sie entscheidungsbefugten Personen Kenntnis von den ihre Angelegenheiten betreffenden Schreiben erlangen. Wenn Frau R. keine Kenntnis vom Inhalt des Kontrollberichts erhalten haben sollte, läge dies allein in der Sphäre der Klägerin. Die untere Wasserbehörde hat – soweit ersichtlich – jedenfalls alles getan, um der Klägerin den Kontrollbericht über die Prüfung vom 22. Juni 2015 zukommen zu lassen.
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Dessen ungeachtet wurden gegenüber Frau R. ausweislich eines Aktenvermerks der unteren Wasserbehörde vom 23. Juni 2015 zur Vor-Ort-Kontrolle vom 22. Juni 2015 mündlich der sofortige Umschluss der Trennschächte auf Schmutzwasser bis zur Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis zur Niederschlagswasserbeseitigung, die sofortige Unterbindung des unkontrollierten Ablaufens von Sickersaft in Richtung Mulde sowie die Reinigung der Versickerungsmulde von Silagesickersaft angeordnet. Außerdem wurde die Klägerin am 11. August 2015 im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens zu der Problematik angehört. Mit Schreiben vom 20. August 2015 hat die Klägerin die Verstöße gegenüber der unteren Wasserbehörde eingeräumt und sich dergestalt eingelassen, dass es aufgrund der hohen Erntemengen des Vorjahres und der dadurch bedingten Ausnutzung der Silofläche über den Hochpunkt hinaus zum Abfluss von verunreinigtem Niederschlagswasser gekommen sei. Im Ergebnis der Überprüfung seien die Verantwortlichkeit für die notwendigen Arbeiten konkret geregelt und Anweisungen zur Einlagerung sowie Betriebsanweisungen erstellt worden. Mit Erarbeitung eines neuen Konzepts würden notwendige bauliche Veränderungen (z. B. durch Setzung von Straßenborden) zur weiteren Absicherung der Trennung von Niederschlagswasser erarbeitet. Eine Einlassung mit diesem Inhalt setzt denknotwendig die Kenntnis der Feststellungen der unteren Wasserbehörde im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle am 22. Juni 2015 voraus.
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Dass Frau R. als an der Vor-Ort-Kontrolle vom 22. Juni 2015 teilnehmende auskunftserteilende Person der Klägerin den Kontrollbericht nicht gegengezeichnet hat, worauf die Klägerin hinweist, ist in diesem Zusammenhang rechtlich unerheblich. Allein dies lässt nicht den Schluss darauf zu, dass die Klägerin den Kontrollbericht nicht erhalten hat. Nach Art. 72 Abs. 4 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 809/2004 muss der Kontrollbericht innerhalb eines Monats nach der Vor-Ort-Kontrolle fertiggestellt sein. Dies war hier der Fall. Der Kontrollbericht ist am 22. Juli 2015 fertiggestellt worden. Auf Blatt 9 des Berichtsformulars ist unter Buchst. D der Hinweis enthalten, dass die auskunftserteilende Person den Bericht unterzeichnen könne, um damit ihre Anwesenheit bei der Kontrolle zu bezeugen oder um Anmerkungen zu dieser Kontrolle hinzuzufügen. Es besteht mithin keine Gegenzeichnungspflicht. Hiervon ausgehend kann von einer fehlenden Gegenzeichnung nicht auf eine unterbliebene Übersendung an den Betroffenen und dessen fehlende Kenntnisnahme vom Inhalt des Berichts geschlossen werden.
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Zudem ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, weshalb es der Klägerin angesichts der vorgenannten Umstände unzumutbar gewesen sein sollte, bis zu der zweiten Vor-Ort-Kontrolle am 14. Oktober 2015 wirksame Abhilfe- bzw. Vorbeugemaßnahmen treffen zu können, um das Fortbestehen oder erneute Auftreten eines Verstoßes gegen GAB 1 PK 08 zu verhindern.
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Zu dem wiederholten Auftreten des Verstoßes gegen GAB 1 PK 08 kommen die Dauer und die Schwere des Verstoßes hinzu. Gemäß Art. 38 Abs. 4 VO (EU) Nr. 640/2014 richtet sich die Frage, ob ein Verstoß von Dauer ist, insbesondere danach, wie lange die Auswirkungen des Verstoßes dauern oder welche Möglichkeiten bestehen, diese Auswirkungen mit angemessenen Mitteln abzustellen. Nach Art. 38 Abs. 3 VO (EU) Nr. 640/2014 hängt die Schwere eines Verstoßes insbesondere davon ab, welche Bedeutung den Auswirkungen des Verstoßes unter Berücksichtigung der Ziele der betreffenden Anordnung oder des betreffenden Standards beizumessen ist. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass ausweislich des Kontrollberichts zur Vor-Ort-Kontrolle am 14. Oktober 2015 massiv Sickersaft der Siloanlage in die angelegte Regenwassermulde gelaufen war. Diese war in Silorichtung bereits im Böschungsbereich verschlammt und ausgespült. Außerdem wurde eine Schwarzfärbung der Vegetation festgestellt. Diese Umstände geben berechtigten Anlass anzunehmen, dass die Ausbreitung und der Eintritt von Silagesickersaft in den Boden nicht erst am 14. Oktober 2015 oder kurz davor, sondern bereits deutlich längere Zeit nach dem 22. Juni 2015 in erheblichem Umfang stattgefunden hat. Die Nichteinhaltung der nach der Nitratrichtlinie zu beachtenden Standards über einen Zeitraum von mehreren Monaten steht in eklatantem Widerspruch zu den Zielen der Nitratrichtlinie, die durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verursachte oder ausgelöste Gewässerverunreinigung zu verringern und weiterer Gewässerverunreinigung dieser Art vorzubeugen (vgl. Art. 1 der Nitratrichtlinie).
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Es begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken, dass der Beklagte den nach den vorstehenden Ausführungen nicht zu beanstandenden Kürzungssatz von 5 % für den bei der Vor-Ort-Kontrolle am 14. Oktober 2015 festgestellten Verstoß mit dem Faktor 3 multipliziert hat.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der insoweit anzuwendende Art. 39 Abs. 4 VO (EU) Nr. 640/2014 nicht dahingehend auszulegen, dass im ersten Wiederholungsfall lediglich die für den Erstverstoß angewendete Kürzung – hier 3 % für den bei der Vor-Ort-Kontrolle am 22. Juni 2015 festgestellten Verstoß – mit dem Faktor 3 zu multiplizieren ist. Nach dem Wortlaut des Art. 39 Abs. 4 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 ist im ersten Wiederholungsfall die „gemäß Absatz 1 angewendete Kürzung“ Bezugspunkt für die Multiplikation mit dem Faktor 3. Bei der Bestimmung des Kürzungsfaktors nach § 39 Abs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 ist aber – wie bereits ausgeführt – gerade auch das Kriterium des „wiederholten Auftretens“ bei der Bewertung eines Verstoßes zu berücksichtigen. Es wäre daher nicht systementsprechend, bei der Berechnung der Sanktion im Wiederholungsfall auf den Kürzungsfaktor des vorangegangenen – ersten – Verstoßes abzustellen. Dies führt zwar dazu, dass sich der Umstand der Wiederholung eines Verstoßes im Ergebnis zweifach negativ auf den Gesamtbetrag der vom Antragsteller beanspruchten Direktzahlungen auswirkt. Diese Folge ist indes als vom Verordnungsgeber gewollt anzusehen. Nach dem 19. Erwägungsgrund der VO (EU) Nr. 640/2014 sollen Verwaltungssanktionen unter anderem eine abschreckende Wirkung haben. Hiervon ausgehend ist nachvollziehbar, dass Wiederholungen von CC-Verstößen schwerer sanktioniert werden, zumal ein wiederholter Verstoß – wie bereits dargestellt – nur dann angenommen wird, wenn der Betroffene auf den vorangegangenen (erstmaligen) Verstoß hingewiesen wurde und auch die Möglichkeit hatte, erforderliche Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Dass dem wiederholten Auftreten von Verstößen durch entsprechende schärfere Sanktionierung von Wiederholungsfällen begegnet werden soll, wird auch in Art. 39 Abs. 4 Unterabs. 2 VO (EU) Nr. 640/2014 deutlich, wonach der Multiplikationsfaktor 3 bei „weiteren Wiederholungsfällen“ jeweils auf das Kürzungsergebnis für den „vorangegangenen wiederholten Verstoß“ angewendet wird. Durch den danach vorgesehenen Ansatz des Kürzungsfaktors für den vorangegangenen wiederholten Verstoß wird bei einem weiteren Wiederholungsfall der nach
Unterabs. 1 der Regelung bereits um den Faktor 3 erhöhte Kürzungssatz gewissermaßen fortschreibend – und damit die Sanktionierung bis zum Erreichen der Höchstgrenze des Art. 39 Abs. 4 Unterabs. 2 Satz 2 VO (EU) Nr. 640/2014 erhöhend – übernommen. Schließlich wird das besondere Augenmerk des Verordnungsgebers darauf, der Wiederholung von Verstößen durch eine strenge Sanktionierung entgegenzuwirken, dadurch ersichtlich, dass er Wiederholungsfälle in Art. 39 Abs. 4 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 durch die Formulierung „unbeschadet der Bestimmungen für vorsätzliche Verstöße“, jedenfalls was die Frage ihrer Verwerflichkeit angeht, in die Nähe vorsätzlichen Verhaltens rückt.
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Eine andere Auslegung ist auch nicht bei vergleichender Betrachtung des Art. 39 Abs. 4 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 mit dessen Vorgängerregelungen veranlasst.
Art. 66 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 796/2004 (ABl. EU Nr. L 141/18) sah vor, wenn wiederholte Verstöße festgestellt wurden, dass „der gemäß Absatz 1 für den erstmaligen Verstoß festgesetzte Prozentsatz“ bei der ersten Wiederholung mit dem Faktor drei multipliziert wird. Diese Regelung wurde durch Art. 1 Ziff. 11 der VO (EG) Nr. 1550/2007 (ABl. EU Nr. L 337/79) dahingehend geändert, dass „der gemäß Absatz 1 für den wiederholten Verstoß festgesetzte Prozentsatz“ bei der ersten Wiederholung mit dem Faktor drei zu multiplizieren ist. Nach dem 19. Erwägungsgrund der VO (EG) Nr. 1550/2007 sollte damit dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die bis dahin geltenden Bestimmungen zu den im Falle von wiederholten Verstößen anzuwendenden Kürzungen berücksichtigt haben, ob der Verstoß bei der Wiederholung möglicherweise an Schwere ab- oder zunimmt. Um eine Verbesserung der Lage zu fördern und eine weitere Verschlechterung zu verhindern, sollte der festzusetzende und bei der ersten Wiederholung mit dem Faktor drei zu multiplizierende Prozentsatz solchen Veränderungen Rechnung tragen. Der Verordnungsgeber wollte also gerade nicht mehr an den Kürzungsprozentsatz für den ersten Verstoß anknüpfen. Die VO (EG) Nr. 1122/2009 (ABl. EU Nr. L 316/65), mit der die VO (EG) Nr. 796/2004 ab dem 1. Januar 2010 aufgehoben wurde, sah in Art. 71 Abs. 5 Unterabs. 1 VO (EG) Nr. 1122/2009 eine inhaltsgleiche Bestimmung vor. Allein aus dem Umstand, dass in Art. 39 Abs. 4 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 nicht mehr ausdrücklich von dem „für den wiederholten Verstoß“ festgesetzten Prozentsatz, sondern von der „gemäß Abs. 1 angewendeten Kürzung“ die Rede ist, lässt sich nicht schließen, dass der Verordnungsgeber hiermit zu der Ursprungsregelung in Art. 66 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 796/2004 zurückkehren wollte. Hiergegen spricht neben der bereits dargestellten Regelungssystematik des Art. 39 Abs. 4 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014, dass der Verordnungsgeber gerade nicht wieder ausdrücklich auf den „für den erstmaligen Verstoß“ festgesetzten Prozentsatz abstellt. Außerdem stünde dies in Widerspruch zu der bereits erwähnten besonderen Betonung des Abschreckungsaspektes im 19. Erwägungsgrund der VO (EU) Nr. 640/2014 in Bezug auf die in der Verordnung vorgesehenen Verwaltungssanktionen.
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Da sich somit bereits aufgrund eines wiederholten Verstoßes gegen GAB 1 PK 08 ein Kürzungssatz von 15 % ergibt, der nach Art. 39 Abs. 4 Unterabs. 2 Satz 2 VO (EU) Nr. 640/2014, Art. 99 Abs. 2 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 die höchstmögliche Kürzung bei fahrlässigen Cross-Compliance-Verstößen darstellt, bedarf es keiner abschließenden Bewertung, ob – wie der Beklagte im Bescheid vom 21. Januar 2016 ausgeführt hat – die Kürzungsprozentsätze für die bei der Vor-Ort-Kontrolle am 14. Oktober 2015 festgestellten Wiederholungsverstöße (15 %) und den fahrlässigen Erstverstoß gegen GAB 1 PK 07 (3 %), der nur bei der Vor-Ort-Kontrolle am 22. Juni 2015 festgestellt worden ist, zu addieren sind. Dagegen dürften aber die Art. 73 Abs. 2 und 74 Abs. 1 VO (EU) Nr. 809/2014 sprechen. Wurde mehr als ein Verstoß in Bezug auf verschiedene Rechtsakte oder Standards desselben Bereichs der Cross-Compliance festgestellt, gelten diese Fälle nach Art. 73 Abs. 2 VO (EU) Nr. 809/2014 zum Zweck der Festsetzung der Kürzung gemäß Art. 39 der VO (EU) Nr. 640/2014 als ein einziger Verstoß. Eine getrennte Festsetzung und anschließende Addition von Kürzungssätzen bei mehreren fahrlässigen Verstößen ist in Art. 74 Abs. 1 VO (EU) Nr. 809/2014 nur vorgesehen, wenn verschiedene Bereiche der Cross-Compliance betroffen sind. Vorliegend betreffen die festgestellten Verstöße Cross-Compliance-Vorschriften desselben Bereichs, namentlich des Bereichs Umweltschutz, Klimawandel und guter landwirtschaftlicher Zustand der Flächen (vgl. Art. 93 Abs. 1 Buchst. a VO [EU] Nr. 1306/2013). Soweit nach Art. 74 Abs. 2 VO (EU) Nr. 809/2014 in dem Fall, dass ein wiederholter Verstoß zusammen mit einem anderen Verstoß oder einem anderen wiederholten Verstoß festgestellt wird, eine Addition der sich ergebenden Kürzungsprozentsätze vorzunehmen ist, dürfte diese Norm bei der Auslegung des Begriffs „Verstoß“ im Zusammenhang mit Art. 73 Abs. 2 VO (EU) Nr. 809/2014 zu betrachten sein.
D. h. Voraussetzung einer Addition verschiedener Kürzungsprozentsätze dürfte sein, dass es sich bei den mehreren festgestellten Verstöße gerade nicht um solche handelt, die nach Art. 73 Abs. 2 VO (EU) Nr. 809/2014 zum Zwecke der Sanktionierung als ein einziger Verstoß gelten. Hiervon ausgehend spricht Einiges dafür, dass der Beklagte die bei den beiden Vor-Ort-Kontrollen am 22. Juni 2015 und am 14. Oktober 2015 durch die Kontrollbehörde festgestellten Verstöße bei der Bestimmung der Kürzung der der Klägerin gewährten Direktzahlungen einer Gesamtbewertung mit der Bildung eines einzigen Kürzungsprozentsatzes hätte unterziehen müssen anstatt für die einzelnen Verstöße Kürzungssätze festzulegen und diese zu addieren. Für diese Auslegung und ebenso gegen eine getrennte Betrachtung der einzelnen Vor-Ort-Kontrollen streitet nicht zuletzt, dass die einschlägigen unionsrechtlichen Sanktionsbestimmungen eine jahresbezogene Betrachtung vorsehen. So kommt es nach Art. 97 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 (lediglich) darauf an, ob die Cross-Compliance-Vorschriften in dem Kalenderjahr, für welches der Zahlungsantrag gestellt worden ist, zu „irgendeinem Zeitpunkt“ nicht erfüllt worden sind. Gemäß Art. 71 Abs. 6 VO (EU) Nr. 809/2014 werden die Vor-Ort-Kontrollen, die (stichprobenartig) der Prüfung der Einhaltung der Cross-Compliance-Verpflichtungen dienen, „in dem Kalenderjahr“ durchgeführt, in dem die Zahlungsanträge vorgelegt werden.
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Besteht kein Anspruch der Klägerin auf die Gewährung von weiteren Direktzahlungen, kann sie gegen den Beklagten bereits aus diesem Grund nicht mit Erfolg einen Zinsanspruch geltend machen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Referenzen
- VwGO § 154 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- VwGO § 113 1x
- VwGO § 167 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- MOG § 14 Zinsen 1x
- § 39 Abs. 1 VO 1x (nicht zugeordnet)