Beschluss vom Verwaltungsgericht Mainz (1. Kammer) - 1 L 1114/19.MZ

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 29. November 2019 gegen den an den Beigeladenen adressierten Bescheid vom 18. November 2019 wird insoweit angeordnet, als eine Information des Beigeladenen über die von dem Antragsteller bereits im Rahmen des Eilrechtsschutzverfahrens bekanntgegebenen Daten hinaus beabsichtigt ist (konkret: Ergebnis der jüngeren Betriebsüberprüfung).

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen. Hiervon ausgenommen sind die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, welche dieser selbst trägt.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen Erfolg.

2

Der auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gerichtete Hauptantrag ist zunächst in Anwendung von §§ 88, 122 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – dahingehend auszulegen, dass er darauf gerichtet ist, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den an den Beigeladenen adressierten Auskunftsbescheid der Antragsgegnerin vom 18. November 2019 insoweit anzuordnen, als eine Information des Beigeladenen über die von dem Antragsteller bereits im Rahmen des Eilrechtsschutzverfahrens bekanntgegebenen Daten hinaus beabsichtigt ist (vgl. VG Wiesbaden, Beschluss vom 9. September 2019 – 6 L 790/19.WI –, juris Rn. 20). Diese einschränkende Auslegung ist vorliegend deshalb geboten, weil der Antragsteller einen Teil der zur Herausgabe bestimmten, verfahrensgegenständlichen Informationen – namentlich die Termine der letzten beiden lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfungen sowie das Ergebnis der älteren Betriebsüber- prüfung – in dem als „Anlage Ast. 2“ zur Antragsschrift vom 2. Dezember 2019 vorgelegten Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 18. November 2019 nicht geschwärzt bzw. unkenntlich gemacht und damit (auch) dem Beigeladenen zugänglich gemacht hat (vgl. Bl. 16 d.A.; das Datum der jüngeren der in Rede stehenden Betriebsüberprüfung findet sich zudem auch auf Seite 3 der Antragsschrift, 4. Absatz). Insoweit hat der – die Entscheidung über die Herausgabe der Informationen betreffende – Bescheid vom 18. November 2019 mit der (zu erwartenden) Zustellung der Antragsschrift nebst Anlagen an den Beigeladenen seine Regelungswirkung verloren und sich damit im Sinne des § 1 Abs. 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 43 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – erledigt (vgl. VG Wiesbaden, Beschluss vom 9. September 2019, a.a.O., juris Rn. 21 und 23). Dass der Antragsteller einen (teilweise) von vornherein unzulässigen, weil unstatthaften Antrag stellen wollte, ist nicht anzunehmen (vgl. VG Wiesbaden, Beschluss vom 9. September 2019, a.a.O., juris Rn. 21).

3

Der so verstandene Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist zulässig (nachfolgend 1) und begründet (nachfolgend 2). Über den Hilfsantrag des Antragstellers (Feststellung der aufschiebenden Wirkung) war daher nicht zu entscheiden.

4

1) Der Antrag ist zulässig.

5

a) Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 80 Abs. 5 VwGO statthaft, da der in der Hauptsache statthafte Drittwiderspruch in den Fällen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Verbraucherinformationsgesetzes – VIG – gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung entfaltet.

6

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über von den nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Stellen festgestellte nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches und des Produktsicherheitsgesetzes (lit. a), der auf Grund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen (lit. b) sowie unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich der genannten Gesetze; § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a. E. VIG erstreckt den Informationsanspruch auch auf Maßnahmen und Entscheidungen, die mit den vorgenannten Abweichungen im Zusammenhang stehen.

7>

Vorliegend ist (jedenfalls) im Rahmen der Zulässigkeit des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes davon auszugehen, dass die Informationen, die die Antragsgegnerin dem Beigeladenen herauszugeben beabsichtigt (vgl. Mitteilung der Antragsgegnerin an den Antragsteller vom 18. November 2019, Blatt 21 f. der Verwaltungsakte), vom Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG erfasst sind. Maßgeblich für die Kammer ist insoweit Ziffer 2 des an den Beigeladenen adressierten Bescheids der Antragsgegnerin vom 18. November 2019, wonach diesem „nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a – c VIG“ mitgeteilt werden sollen, sofern solche bei den beiden letzten lebensmittelrechtlichen Betriebsprüfungen vor dem 23. Oktober 2019 festgestellt wurden. Im Übrigen geht auch die Antragsgegnerin davon aus, dass Widerspruch und Klage des Antragstellers gegen den Auskunftsbescheid keine aufschiebende Wirkung haben (vgl. insoweit z.B. Abschnitt V im Bescheid vom 18. November 2019).

8

Soweit der Antragsteller in seiner Antragsschrift vom 2. Dezember 2019 ausf2;hrt, bei den streitgegenständlichen Informationen handele es sich nicht um Informationen im Sinne des § 2 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 VIG, sondern (allenfalls) um solche im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VIG mit der Folge, dass seinem Widerspruch bereits nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung zukomme, folgt die Kammer dem nicht. Der Auskunftsanspruch zu Überwachungsmaßnahmen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VIG regelt nämlich – in Abgrenzung zu § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG – nur Informationen über allgemeine, vom Einzelfall losgelöste Sachverhalte, die unmittelbar auf den Schutz der Interessen der Verbraucher gerichtet sind, wie beispielsweise Auswertungen, Jahresberichte, Informationskampagnen oder Statistiken. Konkrete Kontrollmaßnahmen und mögliche Verstöße einzelner Betriebe sind hingegen unter § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG zu subsumieren (so bereits zur Vorgängernorm: VG Wiesbaden, Urteil vom 12. Juli 2012 – 1 K 910/11.WI –, juris Rn. 16 f.; so auch: VG Sigmaringen, Beschluss vom 8. Juli 2019 – 5 K 3162/19 –, juris Rn. 5; VG München, Beschluss vom 8. Juli 2019 – M 32 SN 19.1389 –, juris Rn. 45; VG Weimar, Beschluss vom 27. Mai 2019 – 8 E 423/19 –, juris Rn. 4 m.w.N.; VG Regensburg, Beschluss vom 27. Mai 2019 – RO 5 S 19.676 –, juris Rn. 26; a.A.: VG Koblenz, Beschlüsse vom 10. April 2019 – 1 L 287/19.KO – sowie vom 7. Mai 2019 – 1 L 403/19.KO –, beide n.v.; VG Stade, Beschluss vom 1. April 2019 – 6 B 380/19 –, n.v.).

9

Zuletzt sei in diesem Zusammenhang erwähnt, dass der Anwendbarkeit des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG nicht bereits entgegensteht, dass sich die Anfrage des Beigeladenen nicht auf ein Erzeugnis oder Verbraucherprodukt bezieht. Der Gegenstand des Informationsanspruchs nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG ist nicht auf unmittelbar produktbezogene Informationen beschränkt; weder im Gesetzeswortlaut noch in der Systematik, Teleologie und Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG finden sich hinreichende Anhaltspunkte für eine solche Einschränkung (im Einzelnen: BayVGH, Urteil vom 16. Februar 2017 – 20 BV 15.2208 –, juris Rn. 36 ff.; bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 – 7 C 29.17 –, juris Rn. 23 ff.). Erfasst werden daher auch Abweichungen von den in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a bis c VIG genannten Vorschriften im Prozess der Herstellung, Verarbeitung, Lagerung und Lieferung von Produkten – hier in einem Lebensmitteleinzelhandel.

10

b) Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist der Antragsteller nach § 42 Abs. 2 VwGO analog antragsbefugt. Adressat des angefochtenen Bescheids ist zwar nur der Beigeladene und nicht der Antragsteller; der Antragsteller kann jedoch auf der Grundlage seines Antragsvorbringens die Verletzung einer drittschützenden Norm geltend machen. § 3 Satz 1 Nr. 2 VIG sieht nach seinem ausdrücklichen Wortlaut auch den Schutz privater Belange vor. Hiernach entfällt der Anspruch auf Informationsgewährung, wenn die dort abschließend aufgezählten Belange berührt werden. Zudem kann sich der Antragsteller wegen der Veröffentlichung von Informationen über Mängel in seinem Betrieb auf eine mögliche Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG berufen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 –, juris; so auch: VG Regensburg, Beschluss vom 27. Mai 2019 – RO 5 S 19.676 –, juris Rn. 28; VG München, 8. Juli 2019 – M 32 SN 19.1389 –, juris Rn. 27).

11

2) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den an den Beigeladenen adressierten Bescheid vom 18. November 2019 ist auch begründet.

12

Bei der Entscheidung nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nimmt das Gericht eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am alsbaldigen Vollzug des Verwaltungsaktes und dem Interesse des Betroffenen an einer vorläufigen Beibehaltung des früheren Zustandes vor. Dabei kommt es in aller Regel auf die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs an. Ergibt die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur mögliche summarische Prüfung, dass der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf offensichtlich erfolgreich sein wird, so ist eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung geboten, weil ein öffentliches Interesse an der Vollziehung ersichtlich rechtswidriger Verwaltungsakte nicht bestehen kann. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben, ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung in der Regel abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten offen, so ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. zum Ganzen ausführlich: Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 89 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80 Rn. 152 ff.).

13

Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen überwiegt vorliegend das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs das öffentliche Interesse sowie das Interesse des Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 18. November 2019. Nach summarischer Prüfung im Eilverfahren sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs nämlich (jedenfalls) als offen zu betrachten (nachfolgend a). Die deshalb gebotene erfolgsunabhängige Interessenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus (nachfolgend b).

14

a) Die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens erweisen sich nach einer vorliegend allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage jedenfalls als offen. Zwar geht die Kammer davon aus, dass die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage für die Auskunftserteilung an den Beigeladenen (mittlerweile) erfüllt sind (nachfolgend aa). Es stellt sich jedoch die Frage der verfassungsrechtlichen Zulä;ssigkeit der beabsichtigten Informationsherausgabe, die als schwierige Rechtsfrage dem Hauptsacheverfahren vorbehalten ist (nachfolgend bb).

15

aa) Rechtsgrundlage für den Auskunftsanspruch des Beigeladenen ist § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG. Danach hat jeder nach Maßgabe des VIG Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten ü;ber von den nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Stellen festgestellte nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen der in der Vorschrift im Einzelnen benannten Rechtsvorschriften.

16

Der Begriff der Abweichung bezeichnet die objektive Nichteinhaltung der unter den Buchstaben a bis c genannten Rechtsvorschriften. Ein vorwerfbares Verhalten des Lebensmittelunternehmers muss nicht vorliegen (vgl. BayVGH, Urteil vom 16. Februar 2017 – 20 BV 15.2208 –, juris Rn. 41 ff.; OVG NRW, Urteil vom 12. Dezember 2016 – 13 A 846/15 –, juris Rn. 98; vgl. ferner die Begründung der Bundesregierung zum „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformation“ in BT-Drs. 17/7374, S. 15). Notwendig ist (nur) die Feststellung eines Tuns, Duldens oder Unterlassens, das objektiv mit Bestimmungen der in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG genannten Vorschriften nicht übereinstimmt (OVG Nds, Beschluss vom 24. Oktober 2017 – 10 LA 90/16 –, juris Rn. 20). Die zusätzliche Anforderung, dass die Abweichung „festgestellt" werden muss, setzt zwar keinen Verwaltungsakt voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 – 7 C 29.17 –, juris Rn. 30). Erforderlich ist aber, dass die zuständige Behörde die Abweichung unter W2;rdigung des Sachverhalts und der einschlägigen Rechtsvorschriften abschließend aktenkundig festgestellt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019, a.a.O., juris Rn. 30 und 32); es muss sich mithin um tatsächlich und rechtlich gewürdigte Informationen handeln (BVerwG, Urteil vom 29. August 2019, a.a.O., juris Rn. 32). Die Kammer geht (weiterhin) davon aus, dass diesen Anforderungen nicht genügt wird, wenn der aus Anlass einer lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfung gefertigte Kontrollbericht lediglich die tatsächlich festgestellten Defizite benennt; die erforderliche rechtliche Würdigung des Untersuchungsergebnisses dürfte vielmehr erst dann sichergestellt sein, wenn die tatsächlich festgestellten Defizite einer konkreten rechtlichen Bestimmung zugeordnet werden (vgl. bereits den Beschluss der Kammer vom 9. Oktober 2019 – 1 L 679/19.MZ –, juris Rn. 12 und 14, offengelassen in der Beschwerdeinstanz: OVG RP, Beschluss vom 15. Januar 2020 – 10 B 11634/19 –, juris Rn. 6; wie die Kammer: OVG Nds, Beschluss vom 16. Januar 2020 – 2 ME 707/19 –, juris Rn. 9; VGH BW, Beschluss vom 13. Dezember 209 – 10 S 1891/19 –, juris Rn. 22; VG Ansbach, Urteil vom 12. Juni 2019 – AN 14 K 19.00773 –, juris Rn. 26; VG Neustadt/Weinstraße, Beschluss vom 30. April 2019 – 4 L 416/19.NW –, n.v.; VG Würzburg, Beschluss vom 3. April 2019 – W 8 S 19.239 –, juris Rn. 47 ff.; a.A.: OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2020 – 15 B 814/19 –, juris Rn. 15 [Rechtsnormen wurden allerdings im gerichtlichen Verfahren benannt]; VG Weimar, Beschluss vom 23. Mai 2019 – 8 E 423/19 –, juris Rn. 13; VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Juni 2019 – 29 L 1226/19 –, juris Rn. 50 [Rechtsnormen wurden allerdings im gerichtlichen Verfahren benannt]). Letztlich braucht diese Frage jedoch vorliegend nicht abschließend geklärt zu werden, da die rechtliche Einordnung der in tatsächlicher Hinsicht bei der streitgegenständlichen Kontrolle vorgefundenen Mängel mittlerweile erfolgt ist.

17

Die Antragsgegnerin hat in ihrem Schriftsatz vom 6. Dezember 2019 mitgeteilt, „dass der Antragsteller aufgrund der in den streitgegenständlichen Kontrollberichten dokumentierten Feststellungen gegen die Rechtsvorschrift in Verordnung (EG) 852/2004 Kapitel 2, Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II, Kapitel 1 Nr. 1 verstoßen hat“. Dies hat die Kammer zu berücksichtigen, da maßgeblicher Zeitpunkt für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Auskunftsbescheids der Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer ist (vgl. zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt im Eilverfahren: Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Werkstand: 37. EL Juli 2019, § 80 Rn. 418 ff.). Bei den streitgegenständlichen Informationen handelt es sich somit um festgestellte nicht zulässige Abweichungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c VIG. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Rechtsverstoß – nach Angaben des Antragstellers – mittlerweile behoben ist; § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG verlangt gerade nicht, dass der Rechtsverstoß noch andauert (vgl. VGH BW, Beschluss vom 13. Dezember 2019 – 10 S 2614/19 –, juris Rn. 8 m.w.N. [vgl. aber Rn. 34 f., wonach der Auskunftssuchende auch über die mittlerweile erfolgte Behebung eines festgestellten Verstoßes zu unterrichten sei]; BayVGH, Urteil vom 16. Februar 2017 – 20 BV 15.2208 –, juris Rn. 53). Ob die Antragsgegnerin verpflichtet ist, ergänzend zu der gegenüber dem Beigeladenen beabsichtigten Mitteilung auch noch den konkreten Rechtsverstoß zu benennen (so VGH BW, Beschluss vom 13. Dezember 2019 – 10 S 1891/19 –, juris Rn. 34 f.), braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, da der Eilantrag des Antragstellers – wie nachfolgend dargestellt wird – aufgrund einer schwierigen Rechtsfrage ohnehin Erfolg hat.

18

bb) Der vorliegende Fall wirft die schwierige Rechtsfrage auf, ob der hier beabsichtigte Informationszugang angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des § 40 Abs. 1a des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs – LFGB – verfassungsrechtlich zulässig ist, obwohl die erlangte Auskunft aller Wahrscheinlichkeit nach auf einer Internetseite zeitlich unbeschränkt zugänglich gemacht würde.

19

Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat in einer der vorliegenden vergleichbaren Konstellation wie folgt ausgeführt (Beschluss vom 15. Januar 2020 – 10 B 11634/19.OVG –, juris Rn. 7 f.):

20

„Gemäß § 40 Abs. 1a LFGB informiert die zust28;ndige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Name oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, […], hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften […], die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdung oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bu3;geldes von mindestens 350,00 € zu erwarten ist. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass bei Verstößen eines Unternehmens gegen lebensmittel- oder futtermittelrechtliche Vorschriften die durch die Berufsfreiheit geschützten Interessen hinter dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit auch dann zurücktreten, wenn die Rechtsverstöße nicht mit einer Gesundheitsgefährdung verbunden sind. Allerdings verstößt § 40 Abs. 1a LFGB dennoch gegen Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz – GG –, weil die Vorschrift mangels Befristung der Veröffentlichung im Internet unverhältnismäßig ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 211;, juris Rn. 48, 56 ff.). Dieser Verfassungsverstoß ist nunmehr durch § 40 Abs. 4a LFGB ausgeräumt, wonach die Information nach Absatz 1a sechs Monate nach der Veröffentlichung zu entfernen ist.

21

Auch wenn § 40 LFGB und § 2 Abs. 1 VIG unterschiedliche Regelungsgegenstände mit verschiedenen Zielsetzungen betreffen (vgl. VGH BW, Beschluss vom 13. Dezember 2019 211; 10 S 1891/19 - juris Rn. 12 ff.), wäre in einem Hauptsacheverfahren zu prüfen, ob die verfassungsrechtlichen Anforderungen an § 40 LFGB auch für § 2 Abs. 1 VIG gelten. Für eine entsprechende Übertragbarkeit spricht nämlich die mögliche Vergleichbarkeit der Auswirkungen der Veröffentlichungen nach § 40 LFGB einerseits und nach § 2 Abs. 1 VIG andererseits auf die Berufsfreiheit des betroffenen Unternehmens (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 12. Juni 2019 – AN 14 K 19.773 –, juris Rn. 29 ff.). Dem kann nicht ohne weiteres entgegengehalten werden, die Einstellung der nach § 2 Abs. 1 VIG erlangten Informationen im Internet erfolge nicht durch staatliche Stellen, sondern durch eine Privatperson, wogegen sich der Unternehmer zivilrechtlich wehren könne. Insoweit stellt sich die Frage, ob die Bekanntmachung staatlicherseits gewährter Ausk2;nfte durch Private im Internet dem Staat zuzurechnen und deshalb mit der unmittelbaren staatlichen Information der Öffentlichkeit hinreichend vergleichbar ist, und ob es dem Unternehmen unter diesen Voraussetzungen zumutbar ist, auf den Zivilrechtsweg verwiesen zu werden. Die Beantwortung dieser Fragen entzieht sich der summarischen Prüfung in einem Eilverfahren und hat deshalb in einem Hauptsacheverfahren zu erfolgen (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 14. Oktober 2019 – 5 Bs 149/19 -, juris Rn. 11 ff.; a.A. VGH BW, a.a.O., Rn. 5).“

22

Die Kammer schließt sich für den vorliegenden Fall den vorstehenden Ausführungen an. Soweit die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 23. Januar 2020 insoweit einwendet, in der obergerichtlichen Rechtsprechung „sei längst geklärt“, dass die sich zu § 40 LFGB stellenden Rechtsfragen bzw. verfassungsrechtlichen Fragen nicht auf den Auskunftsanspruch des Verbrauchers aus § 2 Abs. 1 VIG übertragbar seien, und dabei vor allem auf die entsprechenden Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg verweist, dringt sie damit nicht durch. Ungeachtet des Umstands, dass weder das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz noch die Kammer an die Entscheidungen anderer Obergerichte gebunden sind, teilt die Kammer auch nicht die Auffassung der Antragsgegnerin, wonach diese Rechtsfrage geklärt sei: So geht beispielsweise auch das Verwaltungsgericht Hamburg in seinem Beschluss vom 6. Juni 2019 – 20 E 1882/19 – (BeckRS 2019, 26348 Rn. 18 ff.) davon aus, dass es sich bei der Frage der Übertragbarkeit der verfassungsrechtlichen Anforderungen an § 40 LFGB auf § 2 Abs. 1 VIG um eine schwierige – dem Hauptsacheverfahren vorbehaltene – Rechtsfrage handelt; die Beschwerde gegen diesen Beschluss hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen (vgl. Beschluss vom 14. Oktober 2019 – 5 Bs 149/19 –, juris). Das Verwaltungsgericht Ansbach bejaht in seinem Urteil vom 12. Juni 2019 – AN 14 K 14 K 19.773 – (BeckRS 2019, 15084 Rn. 25 ff.) in Fällen der vorliegenden Art sogar ausdrücklich eine Übertragbarkeit der grundrechtlichen Anforderungen an aktives staatliches Informationshandeln auf den Fall einer antragsbasierten Informationsgewährung nach dem Verbraucherinformationsgesetz in Konstellationen der vorliegenden Art. Die Frage der Übertragbarkeit der verfassungsrechtlichen Anforderungen an § 40 LFGB auf § 2 Abs. 1 VIG wird damit derzeit in der Rechtsprechung kontrovers diskutiert, was die Komplexität dieser Rechtsfrage dokumentiert und für den Ansatz des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz – die Beantwortung der Frage im Hauptsacheverfahren – spricht.

23

b) Die aufgrund der offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache erforderliche erfolgsunabhängige Interessenabwägung fällt vorliegend zugunsten des Antragstellers aus.

24

Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat in der genannten Entscheidung (Beschluss vom 15. Januar 2020 – 10 B 11634/19.OVG –) wie folgt ausgeführt (vgl. juris Rn. 9 f.):

25>

„Sind demnach die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als offen anzusehen, fällt die vom Senat vorzunehmende erfolgsunabhängige Abwägung der gegenläufigen Interessen zugunsten der Antragstellerin aus. Dem steht nicht entgegen, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und einer Anfechtungsklage gegen einen Grundbescheid nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG ausgeschlossen ist. Zwar hat sich der Gesetzgeber dabei darauf berufen, dass es in der Vergangenheit zu Verzögerungen der Auskunftserteilung durch Rechtsbehelfe betroffener Unternehmer gekommen sei und die Vollzugsbehörden von der Möglichkeit einer Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO offenbar nur zögerlich Gebrauch gemacht hätten. Deshalb hat er es für sachgerecht erachtet, bei Informationen über Rechtsverstöße die sofortige Vollziehbarkeit gesetzlich anzuordnen, da hier regelmäßig ein überragendes Interesse der Öffentlichkeit an einer schnellen Information bestehen werde (vgl. BT-Drucks. 17/7374, S. 18 f.). Jedoch hat der Gesetzgeber trotz des von ihm angenommenen überragenden Ranges der schnellen Verbraucherinformation insoweit keinen generellen Vorrang gegenüber den materiellen Rechtspositionen des Unternehmens normiert, sondern zunächst nur die Verfahrenslast anders als bisher verteilt. Im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens haben die Verwaltungsgerichte sodann den vom Gesetzgeber als überragend eingestuften Belang der Auskunftserteilung mit diesem Gewicht den gegenläufigen Interessen des an einem Dreiecksverhältnis beteiligten Dritten gegenüber zu stellen und abzuwägen, ohne dass von vornherein das Interesse der Öffentlichkeit an einer schnellen Verbraucherinformation regelhaft überwiegt (vgl. zu § 212a BauGB: BayVGH, Beschluss vom 9. August 2018 - 15 CS 18.1285 -, juris Rn.33) .

26

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, ist zugunsten der Antragsgegnerin und des Beigeladenen das überragende Interesse der Öffentlichkeit an einer schnellen Information nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG (vgl. BT-Drucks. 17/7374, S. 18) in die Abwägung einzustellen. Die Bedeutung dieses Belanges wird aber im vorliegenden Fall dadurch geschmälert, dass die der beabsichtigten Auskunftserteilung zugrundeliegenden Beanstandungen – ohne hier im Einzelnen darauf eingehen zu können – nicht von besonderem Gewicht zu sein scheinen. Dagegen steht das Interesse der Antragstellerin, eine mögliche Verletzung ihrer Berufsfreiheit im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG vorläufig abzuwehren, die darin liegen könnte, dass die in Rede stehenden Informationen zeitlich unbegrenzt im Internet veröffentlicht werden (vgl. BVerfG, a.a.O.). Obwohl die in den Kontrollberichten aufgeführten Mängel eher von geringerem Gewicht sein dürften und die Antragsgegnerin zur Entlastung der Antragstellerin auch Auskunft über das Ergebnis einer jüngeren Kontrolle zu erteilen beabsichtigt, würde ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG höher wiegen, weil die auf Dauer angelegte Veröffentlichung auch weniger schwerwiegender Beanstandungen durch die Breitenwirkung des Internets zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen führen dürfte. Hinzu kommt, dass die bei Ablehnung des Eilantrags erfolgende Herausgabe der begehrten Informationen sowie ihre Einstellung im Internet eine Vorwegnahme der Hauptsache bewirken würden, die in der vorliegenden Konstellation nur zulässig wäre, wenn sie zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG schlechthin notwendig wäre und wenn außerdem ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit f52;r einen Erfolg der Antragsgegnerin oder des Beigeladenen im Hauptsacheverfahren sprechen würde (vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80 Rn. 156). Von beidem kann indessen nicht ausgegangen werden.“

27

Die Kammer schließt sich für den vorliegenden Fall den vorstehenden Ausführungen an. Diese sind auch vollumfänglich übertragbar, da die der beabsichtigten Auskunftserteilung im vorliegenden Fall zugrunde liegenden Beanstandungen ebenfalls nicht von besonderem Gewicht zu sein scheinen, so dass dem Interesse der Öffentlichkeit an einer schnellen Information kein besonders großes Gewicht beigemessen werden kann. Soweit die Antragsgegnerin unter Verweis auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Beschluss vom 13. Dezember 2019 – 10 S 1891/19 –, juris Rn. 41 bis 50) geltend macht, die seitens des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vorgenommene Interessenabwägung sei falsch, dringt sie damit bereits deshalb nicht durch, weil es an einer Vergleichbarkeit der Entscheidungen mangelt. Anders als das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz geht der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bei seiner Abwägungsentscheidung nämlich von der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids sowie der Zulässigkeit einer Veröffentlichung der Kontrollberichte über „TopfSecret“ aus (vgl. insb. Rn. 41: „Es liegen keine Gründe vor, trotz der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids dem privaten Aufschubinteresse der Antragstellerin gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Offenlegung der betreffenden Information den Vorrang einzuräumen.“, Hervorhebung durch die Kammer).

28

Nach alledem war dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs stattzugeben. Die weiteren von dem Antragsteller aufgeworfenen Rechtsfragen – insbesondere die Frage einer möglichen Sperrwirkung des Art. 86 der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) – brauchten daher im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da der Beigeladene keinen Sachantrag gestellt und so auch kein eigenes Prozesskostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO übernommen hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine (etwaigen) außergerichtlichen Kosten nicht ersetzt erhält (§ 162 Abs. 3 VwGO).

30

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 45 Abs. 1 Satz 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG – i.V.m. Nr. Nr. 25.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wonach für sonstige Maßnahmen im Lebensmittelrecht der Jahresbetrag der erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen, sonst – wie hier – der Auffangwert von 5.000,00 € anzusetzen ist, welcher nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren ist.

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