Beschluss vom Verwaltungsgericht Minden - 10 K 5001/17
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
1
Gründe:
2I.
3Ende Dezember 2016 reichte der Kläger beim Verwaltungsgericht Minden einen „Klageentwurf im Rahmen bewilligter PKH“ ein. Das Verwaltungsgericht legte ein Verfahren für einen isolierten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe an (2 K 6630/16). Mit Beschluss vom 24. Januar 2017 lehnte das Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger keine Beschwerde eingelegt. Am 1. Juni 2017 wurde das Verfahren als erledigt ausgetragen.
4Am 30. Januar 2017 reichte der Kläger zum Aktenzeichen 2 K 6630/16 „anstelle eines Rechtsmittels“ einen neuen „Klageentwurf zum selben Verfahren“ ein. Das Verwaltungsgericht legte ein weiteres Verfahren für einen isolierten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe an (2 K 663/17) und lehnte mit Beschluss vom 30. Januar 2017 erneut die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger ebenfalls keine Beschwerde eingelegt. Auch dieses Verfahren wurde am 1. Juni 2017 als erledigt ausgetragen.
5Am 7. Februar 2017 erhob der Kläger beim Sozialgericht Detmold Klage gegen das Verwaltungsgericht Minden mit dem Antrag,
6das beklagte Gericht zu verurteilen, für die soziale Gleichberechtigung
7- die Rechtssachen 2 K 6630/16 und 2 K 663/17 zu bescheiden und es zu unterlassen, wegen politischer Sachverhalte das rechtliche Gehör dauerhaft zu verweigern sowie
8- die Rechtssache 7 K 2881/14 gegen die M. zu bescheiden und den Ablehnungsantrag zu bearbeiten.
9Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die Klage wegen „Prozessunfähigkeit“ des Verwaltungsgerichts Minden durch das Sozialgericht zu entscheiden sei. Das Verwaltungsgericht weigere sich vorsätzlich, die Sache zu bearbeiten. Die Richterablehnung sei einfach aus Arbeitsfaulheit weggeschickt worden, um sich der Mühe zu entziehen.
10Mit gerichtlicher Verfügung vom 15. Februar 2017 gab das Sozialgericht Detmold dem Kläger Gelegenheit, zur beabsichtigten Verweisung der Sache an das Verwaltungsgericht Minden Stellung zu nehmen: Für die angestrebte Überprüfung von gerichtlichen Verfahrenshandlungen eines Verwaltungsgerichts sei nicht der Rechtsweg zu den Sozialgerichten, sondern der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Mit Beschluss vom 3. April 2017 verwies das Sozialgericht Detmold den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Minden.
11Beim Verwaltungsgericht Minden wurde das verwiesene Verfahren unter dem Aktenzeichen 2 K 5001/17 fortgeführt. Mit Beschluss vom 19. Oktober 2017 wurde das Verfahren, soweit die Klage das Verfahren 7 K 2881/14 betrifft, abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 2 K 9331/17 fortgeführt. Mit Beschluss vom 7. November 2017 hat die Kammer das Verfahren dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Aufgrund des durch eine Änderung des Geschäftsverteilungsplans veranlassten Übergangs der Zuständigkeit auf die 10. Kammer wurde das vorliegende Verfahren ab dem 1. Januar 2018 unter dem Aktenzeichen 10 K 5001/17 geführt.
12Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2019 hat der Kläger weiter beantragt,
13das Land Nordrhein-Westfalen zu verurteilen, die noch in Arbeit stehenden Datenträger vollständig auszuwerten und es zu unterlassen, Strafanzeigen des Antragstellers verschwinden zu lassen.
14Zur Begründung führt der Kläger ergänzend aus, auf den Datenträgern befänden sich Geständnisse von Straftätern, die nach eigenen Aussagen für die Bundesregierung gearbeitet hätten. Die Polizeibehörden hätten Ermittlungen abgelehnt.
15II.
16Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht die gemäß §§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 114 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
17Hinreichende Aussicht auf Erfolg bedeutet bei einer an Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG orientierten Auslegung des Begriffs einerseits, dass Prozesskostenhilfe nicht erst und nur dann bewilligt werden darf, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gewiss oder überwiegend wahrscheinlich ist, andererseits aber auch, dass Prozesskostenhilfe versagt werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsschutzbegehrens darf dabei nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatsachenfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren geklärt werden.
18Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 u.a. - BVerfGE 81, 347 (juris Rn. 26 ff.), sowie vom 19. Februar 2008 - 1 BvR 1807/07 -, NJW 2008, 1060 (juris Rn. 20 ff.).
19Gemessen daran bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Klage ist schon unzulässig.
201. Der in der Klageschrift formulierte Antrag ist dahin zu verstehen, dass der Kläger sich dagegen wendet, dass die Verfahren 2 K 6630/16 und 2 K 663/17 nach Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht weiter bearbeitet wurden. Dies ergibt sich sowohl aus dem Klageantrag („die Rechtssache … zu bescheiden“) als auch aus dem Schriftsatz des Klägers vom 27. Februar 2017 („vorsätzlich weigert, die Sache zu bearbeiten“)
212. Die Stellung eines weiteren Klageantrags mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2019 stellt eine Klageänderung i.S.d. § 91 Abs. 1 VwGO dar. Die mit dem weiteren Klageantrag verfolgte Auswertung von Datenträgern betrifft einen neuen Streitgegenstand. Diese Klageänderung ist unzulässig. Weder hat der Beklagte in die Klageänderung eingewilligt (§ 91 Abs. 1 Alt. 1 VwGO), noch ist diese Änderung im derzeitigen Stadium des Verfahrens sachdienlich (§ 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO). Dies ergibt sich schon daraus, dass der weitere Klageantrag einen neuen Streitgegenstand betrifft, ohne dass der bisherige Prozessstoff für die Entscheidung über diesen neuen Streitgegenstand verwertet werden kann.
22Vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 91 Rn. 31.
233. Die so verstandene Klage ist bereits unzulässig. Die weitere Bearbeitung eines gerichtlichen Verfahrens kann nicht mit einer erneuten Klage vor einem anderen oder demselben Gericht erzwungen werden. Sollte der Kläger die Stellung eines isolierten Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Erhebung einer Klage
24- zur Zulässigkeit eines solchen Vorgehens vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 166 Rn. 29a ff.; Neu-mann/Schaks, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 166 Rn. 20 ff. -
25beabsichtigt haben, hätte er nach Zugang der Ablehnungsbeschlüsse in den Verfahren 2 K 6630/16 und 2 K 663/17 Klage erheben und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellen müssen, um zu erreichen, dass das Verwaltungsgericht über seine Klagen entscheidet. Dies ist auch bei Ablehnung eines isolierten Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe möglich.
26Vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 166 Rn. 29e ff.; Neumann/Schaks, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 166 Rn. 27 ff.
27Sollte der Kläger dagegen geltend machen wollen, dass er in den Verfahren 2 K 6630/16 und 2 K 663/17 nicht einen isolierten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt, sondern Klage erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt hat, hätte er dies mit einem Antrag auf Fortführung des Verfahrens geltend machen können. Insofern ist die Lage nicht anders, als bei einem Streit über die Wirksamkeit einer Klagerücknahme. In diesem Fall ist allgemein anerkannt, dass ein Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens zulässig ist, auf den das Gericht zu entscheiden hat, ob die Klage wirksam zurückgenommen wurde.
28Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 1981 - 6 C 70.80 -, BeckRS 1981, 31244349; BFH, Urteil vom 6. Juli 2005 - IX R 15/04 -, BFHE 210, 4 (juris Rn. 16 ff.);
29Die hierzu in Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten, gesetzlich nicht normierten Grundsätze sind auf den Fall, dass streitig ist, ob nur ein isolierter Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe oder eine Klage erhoben und zusätzlich ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt wurde, zu übertragen: Sowohl in diesem Fall als auch beim Streit darüber, ob die Klage wirksam zurückgenommen wurde, streiten die Beteiligten darüber, ob das Verfahren beendet ist oder ob noch eine Entscheidung in der Sache aussteht. Darüber hinaus ist beiden Fällen gemeinsam, dass es an einer Entscheidung fehlt, gegen die ein Rechtsmittel eingelegt werden kann, um eine Überprüfung der Vorgehensweise des erstinstanzlichen Gerichts durch ein Berufungsgericht zu erreichen. Dies würde dem aus § 124 VwGO folgenden Grundprinzip des Verwaltungsprozessrechts widersprechen, wonach gerichtliche Entscheidungen, die das erstinstanzliche Klageverfahren beenden, grundsätzlich der Überprüfung durch ein Berufungsgericht unterliegen. Ausnahmen hiervon sieht die VwGO nur vor, wenn die Beendigung des Verfahrens wie im Fall der Klagerücknahme auf einer Entscheidung des Klägers (§ 92 Abs. 3 VwGO) oder wie im Fall der Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen (§ 161 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 92 Abs. 3 VwGO analog) oder eines gerichtlichen Vergleichs (§ 106 VwGO) einvernehmlich erfolgt. Ist streitig, ob das erstinstanzliche Verfahren nach abschlägiger Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe einzustellen ist, weil nur ein isolierter Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt worden ist, fehlt es ebenso wie beim Streit um die Wirksamkeit einer Klagerücknahme an einer eindeutigen Erklärung des Klägers, die es rechtfertigt, das erstinstanzliche Verfahren zu beenden, ohne dem Kläger die Möglichkeit einzuräumen, die Vorgehensweise des erstinstanzlichen Gerichts in einem Berufungsverfahren überprüfen zu lassen. Der Antrag auf Fortführung des Verfahrens ist somit in beiden Fällen erforderlich, um das erstinstanzliche Verfahren mit einer rechtsmittelfähigen Entscheidung abzuschließen.
30Auf einen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens hätte das Verwaltungsgericht entscheiden müssen, ob der Kläger nur einen isolierten Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt oder auch eine Klage erhoben hat. Wäre das Verwaltungsgericht zu ersterem Ergebnis gekommen, hätte es durch Urteil aussprechen müssen, dass das Verfahren mit der Entscheidung über den isolierten Antrag auf Prozesskostenhilfe beendet ist; gegen ein solches Urteil hätte - sofern das Verwaltungsgericht die Berufung nicht zugelassen hätte (§ 124 Abs. 1 VwGO) -, ein Antrag auf Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 VwGO) gestellt werden können. Wäre das Verwaltungsgericht dagegen zu dem Ergebnis gekommen, dass Klage erhoben und zusätzlich ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt wurde, hätte es den Rechtsstreit fortsetzen und über die Klage entscheiden müssen.
31Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 1981 - 6 C 70.80 -, BeckRS 1981, 31244349; Peters/Axer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 92 Rn. 89 ff.; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 92 Rn. 26, jeweils zur Fortführung des Verfahrens im Fall der Klagerücknahme.
32Einen Antrag auf Fortführung des Verfahrens hat der Kläger bisher nicht gestellt. Ein solcher Antrag führt grundsätzlich zu einer Entscheidung durch denselben Spruchkörper, der die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat. Der Kläger hat durch die Erhebung einer Klage vor dem Sozialgericht Detmold unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er eine solche Entscheidung wegen der aus seiner Sicht bestehenden „Prozessunfähigkeit“ des Verwaltungsgerichts Minden ablehnt. Aus diesem Grund würde eine Auslegung des von ihm formulierten Klageantrags in einen Antrag auf Fortführung des Verfahrens seinem eindeutig zum Ausdruck kommenden Willen widersprechen.
334. Darüber hinaus würde die beabsichtigte Rechtsverfolgung aber auch dann keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten, wenn der Kläger seine Klage auf einen Antrag auf Fortführung des Verfahrens umstellen würde. Die Verfahren 2 K 6630/16 und 2 K 663/17 waren spätestens mit Ablauf der Beschwerdefrist gegen die abschlägigen Entscheidungen über die Anträge des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschlüssen vom 24. und 30. Januar 2017 beendet, weil der Kläger mit seinen Schriftsätzen vom 28. Dezember 2016 und 26. Januar 2017 keine Klage erhoben, sondern nur einen isolierten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt hat. In beiden Schriftsätzen ist nicht von der Erhebung einer Klage, sondern von der Übersendung eines „Klageentwurfs“ im Zusammenhang mit der Stellung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe die Rede. Diese Prozesserklärungen können vor dem Hintergrund der vorstehend referierten Rechtsprechung zur Zulässigkeit eines isolierten Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und angesichts dessen, dass der Kläger über beträchtliche Erfahrung im Führen von Prozessen verfügt (allein vor dem Verwaltungsgericht waren bereits 14 Verfahren von ihm anhängig), nur dahingehend verstanden werden, dass er zwecks Vermeidung von Kostenrisiken eine Klage erst nach Entscheidung über seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erheben wollte.
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Referenzen
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- 1 BvR 1807/07 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 94/88 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 106 1x
- 10 K 5001/17 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 166 1x
- VwGO § 92 2x
- VwGO § 91 3x
- 2 K 663/17 6x (nicht zugeordnet)
- 7 K 2881/14 2x (nicht zugeordnet)
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- 2 K 6630/16 7x (nicht zugeordnet)
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