Urteil vom Verwaltungsgericht Minden - 8 K 698/20
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt die Befriedung seiner Grundstücke. Er ist Eigentümer diverser Flurstücke in M. und N. . Diese liegen in den gemeinschaftlichen Jagdbezirken M. III, S. VI und S. VIII.
3Mit Schreiben vom 27.03.2018 beantragte der Kläger durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten die Befriedung seiner Grundstücke im Jagdgebiet M. III.
4Mit Bescheid vom 18.02.2020 lehnt der Beklagte die beantragte Befriedung ab. Der Kläger habe seine ethischen Motive nicht glaubhaft gemacht. Er habe zur Begründung seines Antrags pauschal auf § 6a BJagdG verwiesen. Zudem seien an den Kläger höhere Maßstäbe bei der Glaubhaftmachung zu stellen, da er selbst zur Jagd gegangen sei. Auch der Betrieb einer Hähnchenmast wecke Zweifel an den ethischen Gründen des Klägers.
5Der Kläger hat am 16.03.2020 die vorliegende Klage erhoben. Seitdem er nicht mehr im Besitz eines Jagdscheins ist, habe sich seine Einstellung zur Jagd grundlegend verändert. Er habe einen völlig neuen Blickwinkel zur Tierwelt, insbesondere zu Wildtieren bekommen. Heute erfreue er sich am Anblick der Rehe, Hasen und Fasane auf seinem Grundstück. Er führe Wildtierfütterungen durch, um die Tiere in freier Wildbahn beobachten zu können. Eine Wildtierfutterstelle befinde sich am E. in S. . Eine Winterfutterstelle für Vögel wie Tauben und Krähen habe er direkt auf seiner Hofstelle angelegt. Er habe auch zahlreiche Vogelkästen aufgehängt. Weiterhin verpachte er landwirtschaftliche Grundstücke mit der Auflage, dass keine Monokulturen, sondern eine Zwischenfrucht angepflanzt werden müsse. Hierbei handele es sich um Raps, Senf oder Ölrettich, der zur Wildfütterung von Wildtieren dient. Die Felder dürften erst im Frühjahr gemulcht werden und stünden dem Wild so im Winter zudem als Schutz zur Verfügung. Der Kläger beabsichtige die noch ausstehende Jagdpacht für das Jahr 2018 bis 2020 zur Anpflanzung von Hecken zum Schutz des Wildes zu nutzen. Eine neue Beantragung eines Jagdscheins schließe er kategorisch aus. Er habe auch sämtliche Jagdutensilien wie Gewehre, Nachtsichtgeräte, Schlafsäcke etc. veräußert und völlig aus seinem Wohnhaus entfernt.
6Der Kläger beantragt,
7die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.02.2020 zu verpflichten, die Grundstücke des Klägers jeweils zu jagdrechtlich befriedeten Bezirken zu erklären.
8Der Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Zur Begründung macht er geltend, dass der Kläger seine behaupteten ethischen Gründe für die Befriedung nicht hinreichend objektiv dargelegt habe. Es liege der Verdacht nahe, dass der Kläger eine Befriedung anstrebt, weil er sich mit einem oder mehreren Jagdausübungsberechtigten zerstritten hat und nunmehr die Befriedung als Mittel zur Durchsetzung seiner Interessen zielgerichtet einsetzten möchte.
11Die Kammer hat das Verfahren mit Beschluss vom 09. Dezember 2020 der Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten.
13Entscheidungsgründe:
14Die zulässige Klage ist unbegründet.
15Der Bescheid des Beklagten vom 18.02.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
16Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Befriedung seiner Grundstücke in den gemeinschaftlichen Jagdbezirken M. III, S. VI und S. VIII.
17Gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 BJagdG sind Grundflächen, die zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehören und im Eigentum einer natürlichen Person stehen, auf Antrag des Grundstückseigentümers zu befriedeten Bezirken zu erklären, wenn der Grundstückseigentümer glaubhaft macht, dass er die Jagdausübung aus ethischen Gründen ablehnt.
18Die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 BJagdG liegen nicht vor. Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass er die Jagdausübung aus ethischen Gründen ablehnt.
19Ethische Gründe i. S. v. § 6a Abs. 1 Satz 1 BJagdG liegen vor, wenn der Grundstückseigentümer die feste Überzeugung gewonnen hat, dass es aus grundsätzlichen Erwägungen nicht richtig ist, die Jagd auszuüben, also wildlebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen, zu erlegen oder zu fangen und diese Überzeugung eine gewisse Wichtigkeit hat.
20BVerwG, Urteil vom 11.11.2021, 3 C 16/20 –, juris Rn. 31.
21Erforderlich, aber auch ausreichend ist der Nachweis objektiver Umstände, die das Vorliegen ethischer Gründe nachvollziehbar und im Ergebnis überwiegend wahrscheinlich machen.
22BVerwG, Urteil vom 11.11.2021, a.a.O., Rn. 35.
23Nach diesen Maßstäben hat der Kläger das Vorliegen ethischer Gründe nicht glaubhaft gemacht. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger die Jagdausübung aus ethischen Gründen ablehnt und die Ablehnung der Jagdausübung ein gewisses Maß an Entschiedenheit, Kohärenz und Wichtigkeit aufweist.
24Gegen das Vorliegen ethischer Gründe für den Befriedungsantrag des Klägers spricht zunächst, dass der Kläger selbst viele Jahre zur Jagd gegangen ist und er den Sinneswandel zur Ablehnung der Jagd nicht plausibel darlegen konnte. Welche Erkenntnis diesen Sinneswandel in dem Kläger ausgelöst haben soll, hat der Kläger bis heute nicht dargetan.
25Der Kläger hat mit der Antragstellung im März 2018 noch keinerlei Gründe für die Befriedung seiner Grundstücke vorgetragen. Auch auf Aufforderung durch den Beklagten begrenzte sich der Kläger darauf vorzutragen, dass er die Jagd aus grundsätzlichen Erwägungen ablehne, da er die Wildtiere als Lebewesen geschützt sehen wolle. Objektive Umstände, die das Vorliegen ethischer Gründe nachvollziehbar erscheinen lassen, hat er damit nicht dargelegt. Der Kläger hat in seinem Antrag vom 27.03.2018 auch ausdrücklich lediglich die Befriedung seiner Grundstücke im gemeinschaftlichen Jagdgebiet M. III beantragt, was gegen eine grundsätzliche Ablehnung der Jagd und für Motive im Zusammenhang mit diesen Grundstücken spricht. Lediglich der Beklagte hat von Anfang an alle Grundstücke des Klägers in das Befriedungsverfahren einbezogen.
26In der mündlichen Verhandlung betont der Kläger immer wieder, dass ihn die Art der Jagdausübung bei der Jagd auf Niederwild störe („Fasane würden einfach auf den Anhänger geschmissen“). Eine hinreichende Auseinandersetzung mit der Thematik der Jagd an sich und eine Ablehnung der Jagd generell ist im Rahmen seiner persönlichen Anhörung nicht deutlich geworden.
27Im Wesentlichen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung gebetsmühlenartig betont, dass es viel schöner sei das Wild „zu begucken“. Daraus vermag das Gericht eine Ablehnung der Jagd aus ethischen Gründen nicht zu erkennen. Auch Jäger werden sich der Ansicht anschließen, dass es schöner sei Wild zu beobachten, insbesondere da sie mit dem Jagdrecht auch die Pflicht zur Hege erworben haben. Schließlich ist es das Ziel eines jeden Jägers ein den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestand zu erhalten.
28Gegen eine ethisch begründete Ablehnung der Jagd durch den Kläger spricht zudem, dass er den Verdacht, die Befriedung diene einem ganz anderen Zweck, auch in der mündlichen Verhandlung nicht hat ausräumen können. Dass es Auseinandersetzungen mit Jagdpächtern gegeben haben soll, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung schlicht abgestritten, obwohl es in dem Verwaltungsvorgang eindeutige Anhaltspunkte dafür gibt (insbesondere das Anwaltsschreiben an den Kläger, in dem der damalige Prozessbevollmächtige den Kläger darauf aufmerksam macht, dass ein „persönlicher Ärger“ mit den Jagdausübungsberechtigten nicht ausreichend ist, um eine Befriedung zu begründen).
29Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
30Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10. 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.
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Referenzen
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- VwGO § 154 1x
- BJagdG § 6a Befriedung von Grundflächen aus ethischen Gründen 2x
- VwGO § 113 1x
- VwGO § 167 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- 3 C 16/20 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 2 Bedeutung des Wertes 1x