I.
Die Antragstellerin, die zu ihrer Identität keine Unterlagen vorgelegt hat, ist nach ihren Angaben nigerianische Staatsangehörige und am ...5.2017 über den Landweg nach Deutschland eingereist. Am ...6.2017 stellte sie Asylantrag.
Nachdem eine EURODAC-Abfrage ergab, dass sich die Antragstellerin zuvor in Italien aufgehalten hatte, richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gemäß der Dublin III-VO am 23.6.2017 eine Übernahmeersuchen an Italien, das unbeantwortet blieb.
Mit Bescheid vom 10. Juli 2017 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheids), stellte fest, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2 des Bescheides) und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 3 des Bescheides). In Nr. 4 des Bescheides wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Auf die Begründung des Bescheides wird Bezug genommen.
Die Antragsteller erhob durch ihren (damaligen) Bevollmächtigten am ...7.2017 Klage gegen den vorgenannten Bescheid (Az. M 1 K 17.51744).
Der (damalige) Bevollmächtigte beantragte zugleich im vorliegenden Verfahren,
die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO.
Zur Begründung führt der nunmehrige Bevollmächtigte der Antragstellerin insbesondere aus, die Abschiebung der Antragstellerin sei wegen ihres Gesundheitszustandes und wegen eines Duldungsgrundes nach § 60a Abs. 2 Satz 2 AufenthG (Ersuchen der Staatsanwaltschaft) rechtlich nicht möglich. Es wurden – alle vom demselben Klinikum – ein vorläufiger Arztbericht ohne Datum, eine ärztliche Stellungnahme vom ...1.2018 und eine weitere ärztliche Stellungnahme vom ...1.2018 vorgelegt. Ebenfalls wurde ein Schreiben der Staatsanwaltschaft München I vom 1.2.2018 an die zuständige Ausländerbehörde vorgelegt, wonach ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung der Antragstellerin geführt wird. Zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Durchführung des Verfahrens hält die Staatsanwaltschaft derzeit einen Verbleib der Antragstellerin im Inland für erforderlich.
Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug verwiesen.
II.
Der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige, insbesondere fristgerechte Antrag ist begründet.
Die Klage entfaltet von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1 AsylG. Das Gericht der Hauptsache kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Grundlage der Entscheidung ist eine eigene Interessenabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Ein gewichtiges Indiz sind dabei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Vorliegend überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, da die im Bescheid vom 10.7.2017 ausgesprochene Abschiebungsanordnung wegen eines Duldungsgrundes nach § 60a Abs. 2 Satz 2 oder 3 AufenthG voraussichtlich nicht mehr rechtmäßig ist.
Nach § 34a Abs. 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (hier Italien gemäß Art. 22 Abs. 7 bzw. Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. In die Prüfung, ob eine nach § 34a Abs. 1 AsylG angeordnete Abschiebung durchgeführt werden kann, sind nicht nur zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote, sondern auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe nach § 60a AufenthG einzubeziehen (so BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 10 CE 14.427 – juris).
1. Es liegt ein Duldungsgrund nach § 60a Abs. 2 Satz 2 oder 3 AufenthG vor. Nach § 60a Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Die Strafvorschrift des § 232 StGB, wegen der die Staatsanwaltschaft ermittelt und wegen welchem Verfahren sie die Anwesenheit der Antragstellerin im Inland für sachdienlich erachtet – diese Einschätzung ist nach Rückfrage des Gerichts bei der Staatsanwaltschaft nach wie vor aktuell –, ist nur in der Deliktsausprägung nach § 232 Abs. 3 Satz 2 StGB im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bedroht und damit ein Verbrechen nach der allgemeinen Begriffsdefinition des § 12 StGB, welcher auch im Rahmen des § 60a Abs. 2 Satz 2 AufenthG zu folgen ist (zum Verbrechenscharakter dieser Ausprägung siehe Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 2014, § 232 Rn. 24). Liegt diese Deliktsausprägung dem Ermittlungsverfahren zu Grunde, besteht zugunsten der Antragstellerin zwingend der Duldungsgrund nach § 60a Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Liegt dem Ermittlungsverfahren diese Deliktsausprägung des § 232 StGB nicht zu Grunde, kann im Ermessenswege nach § 60a Abs. 2 Satz 3 Alt. 3 AufenthG eine Duldung ausgesprochen werden, wenn erhebliche öffentliche Interessen die vorübergehende weitere Anwesenheit der Antragstellerin im Bundesgebiet erfordern.
Das Gericht bejaht ein erhebliches öffentliches Interesse an der Bekämpfung und Strafverfolgung des Menschenhandels im Bereich des Asylrechts. Nach der – aktuellen – Einschätzung der Staatsanwaltschaft bedarf es für die effektive Durchführung der Ermittlungen der Anwesenheit der Antragstellerin im Bundesgebiet. Das Gericht hat keinerlei Anlass, diese Beurteilung der zuständigen Strafverfolgungsbehörde in Zweifel zu ziehen und bejaht von daher einen Ermessens-Duldungsgrund nach § 60 a Abs. 2 Satz 3 Alt. 3 AufenthG, so dass in jedem Fall ein die Abschiebung der Antragstellerin hindernder Duldungsgrund nach § 60a Abs. 2 Satz 2 oder 3 AufenthG besteht.
2. Bei dieser Sachlage kann es dahinstehen, ob daneben wegen des Gesundheitszustands der Antragstellerin auch ein Duldungsgrund nach § 60a AufenthG oder ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG besteht. Nach § 60 Abs. 7 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht (Satz 1 der Vorschrift). Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (Satz 2 der Vorschrift). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (Satz 3 der Vorschrift). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (Satz 4 der Vorschrift). Gefahren nach Satz 1 der Vorschrift, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (Satz 5 der Vorschrift). § 60a Abs. 2c und 2d AufenthG (welche Vorschrift auch bei § 60 Abs. 7 AufenthG Anwendung findet, BayVGH, B.v. 24.1.2018 – 10 ZB 18.30105 – juris) stellt Anforderungen an den qualifizierten ärztlichen Nachweis von geltend gemachten gesundheitlichen Einwendungen.
Die vorgelegten ärztlichen Äußerungen bieten kein klares Bild. Im vorläufigen Arztbericht ohne Datum wird über einen Klinikaufenthalt der Antragstellerin vom ...10.2017 bis ...10.2017 berichtet. Danach ist die Antragstellerin affektiv ausreichend stabilisiert entlassen worden, es bestünden keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen, es läge eine durchgängig glaubhafte und nachdrückliche Distanzierung von akuter Suizidialität vor, ebenso bestünde kein Anhalt für Fremdgefährdung. In der ärztlichen Stellungnahme vom ...1.2018 führt demgegenüber die Klinik aus, dass aus ärztlicher Sicht damit zu rechnen sei, dass sich die Antragstellerin im Falle der Abschiebung das Leben nehme. Nur zwei Tage später stellt die Klinik in einer Ärztlichen Stellungnahme fest, dass zwar bei der Antragstellerin eine psychische Erkrankung bestehe, diese jedoch kein so großes Ausmaß annehme, dass daraus eine schwerwiegende Beeinträchtigung der freien Willensbildung der Antragstellerin resultiere. Auf dieser Basis kann kein gesundheitsbedingtes Abschiebungsverbot oder ein sonstiges Abschiebungshindernis angenommen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).