Beschluss vom Verwaltungsgericht München - M 26b E 20.5338

Tenor

I. Die Anträge werden abgelehnt.

II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen die Wiedereinführung des Mindestabstands von 1,5 m in Unterrichtsräumen und die damit verbundene Teilung von Schulklassen mit Unterrichtung in Gruppen im Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht sowie gegen die Reduzierung der Gruppengröße in Kitas im Landkreis F. aufgrund der Überschreitung der sog. 7-Tage-Inzidenzwerte.

Der Antragsteller zu 1 besucht die 2. Klasse einer Grundschule in A. im Landkreis F.. Die Antragstellerin zu 2 besucht einen gemeindlichen Kindergarten in A. Die Antragstellerin zu 3 ist deren Mutter.

Mit Allgemeinverfügung vom 16. Oktober 2020 ordnete das Landratsamt F. unter anderem die Teilung der Klassen und Unterricht im wöchentlichen oder täglichen Wechsel von Präsenzunterricht und Lernen zu Hause (Ausnahme: Mindestabstand von 1,5 m kann vor Ort auch bei voller Klassenstärke eingehalten werden) gemäß Stufe 3 des Drei-Stufen-Plans des „Rahmenhygieneplans Schulen“ vom 2. Oktober 2020 an. Für die Kindertagesstätten im Landkreis F. wurde ein eingeschränkter Betrieb entsprechend der Stufe 3 des Drei-Stufen-Plans des „Rahmen-Hygieneplans Corona für die Kindertagesbetreuung und heilpädagogische Tagesstätten“ (im folgenden: Rahmenhygieneplan Kita) angeordnet.

Ein Verfahren der Antragsteller gegen diese Anordnung der Allgemeinverfügung wurde mit Beschluss vom 23. Oktober eingestellt (M 26b S 20.5188), nachdem die Allgemeinverfügung am 19. Oktober 2020 aufgehoben worden war.

Der mit der Allgemeinverfügung eingeführte Teilbetrieb in Schulen und Kindertagesstätten wurde nicht aufgehoben. Das Landratsamt F. kommuniziert auf seiner Internetseite (https://www.lra-ffb.de/aktuelles/corona-informationen/corona-fuer-schulen-und-kitas-gilt-stufe-3-der-rahmenhygieneplaene), dass das Landratsamt F. im Benehmen mit der Schulaufsicht und dem Jugendamt am 16. Oktober 2020 die Stufe 3 der Rahmenhygienepläne für Schulen und Kitas angeordnet hat, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Aus formalen Gründen sei die damit verbundene, am 16. Oktober 2020 erlassene Allgemeinverfügung aufgehoben worden. Die Stufe 3 der Rahmenhygienepläne für Schulen und Kitas bleibe aber weiter in Kraft.

Eine entsprechende Anordnung des Landratsamts F., Gesundheitsamt, vom 19. Oktober 2020 erging per Mail an alle Schulen und Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Landkreis. Sie ist zeitlich befristet bis 30. Oktober 2020.

Den Eltern wurden durch den Kindergarten der Antragstellerin zu 2 mitgeteilt, dass wegen Inkrafttretens der Stufe 3 nur noch eine Teilbetreuung angeboten werden dürfe, die nun im Einzelnen zu planen sei. Eine entsprechende Information erging durch die Direktorin der Schule des Antragstellers zu 1 an die Eltern der Schulkinder, die bezüglich der einzelnen Klassen je nach Klassenstärke einen Unterricht im Wechsel anordnete.

Der Antragsteller zu 1 kann deshalb nur jeden zweiten Tag die Schule und die Mittagsbetreuung besuchen. Die Antragstellerin zu 2 kann den Kindergarten ebenfalls nicht jeden Werktag besuchen.

Am 19. Oktober 2020 betrug die 7-Tage-Inzidenz im Landkreis F. laut LGL 65,20. Der Schwellenwert von 50 Neuinfektionen pro Woche pro 100.000 Einwohner wurde im Landkreis F. zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehreren Tagen überschritten. Aktuell (Stand 27. Oktober 2020) beträgt die 7-Tage-Inzidenz im Landkreis 94,39. Am 19. Oktober 2020 waren insgesamt 20 Schulen und 7 Einrichtungen der Kindertagesbetreuung von Quarantänemaßnahmen betroffen.

Mit Schriftsatz vom …10.2020 erhob der Bevollmächtigte der Antragsteller Klage und stellte im vorliegenden Verfahren folgende Anträge:

Es wird im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO dem Antragsgegner aufgegeben, den Antragsteller zu 1 an allen Schultagen in der Grundschule A. zu unterrichten,

Es wird im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO dem Antragsgegner aufgegeben, die Antragstellerin zu 2 an allen Kindergartentagen den Besuch des Kindergartens A. zu ermöglichen.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Aufrechterhaltung des Teilbetriebs die Antragsteller in ihren Rechten aus Art. 2, Art. 7 und Art. 12 Grundgesetz und Art. 131 Bayerische Verfassung verletze und gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoße.

Der Rahmenhygieneplan Schulen, auf den sich der Beklagte zur Legitimierung des Teilbetriebs berufe, sei eine Rechtsverordnung, die der Umsetzung durch behördliches Handeln im Einzelfall bedürfe. Eine solche Umsetzung sei ursprünglich mit der aufgehobenen Allgemeinverfügung erfolgt, fehle aber jetzt. Auch sei bereits keine Bestimmung der Hygienemaßnahmen durch das Gesundheitsamt erfolgt. Dies gelte auch bezüglich des Teilbetriebs in Kindertagesstätten, da nach dem insoweit maßgeblichen Rahmenhygieneplan Kita eine Reduktion der Gruppengrößen bzw. eine Notbetreuung nach Vorgabe des Gesundheitsamts zu erfolgen habe, welche aber fehle. Eine Anordnung des zuständigen Gesundheitsamtes sei nicht ersichtlich.

Inhaltlich seien die Maßnahmen nicht geeignet, das angestrebte Ziel einer Eindämmung des Coronavirus zu erreichen. In den beiden von den Antragstellern zu 1 und 2 besuchten Einrichtungen gebe es aktuell keine Coronainfektionen. Teilschließungen von Kindergärten und Schulen seien nach jüngeren wissenschaftlichen Studien wirkungslos. Die undifferenzierten und landkreiseinheitlichen Regelungen seien auch nicht erforderlich. Als mildere Mittel kämen die Anordnung der Maskenpflicht, ein ausreichendes Lüften der Räumlichkeiten oder vermehrte Aktivitäten im Freien infrage. Vorrangig seien Quarantänemaßnahmen für Gruppen oder Klassen anzuordnen, in denen Coronavirusinfektionen auftreten.

Die Antragstellerin zu 3 könne durch die Teilschließung ihren Beruf nicht ausüben, da sie zur Kinderbetreuung zu Hause bleiben müsse. Eine Notbetreuung sei nicht eingerichtet. Urlaubstage stünden nicht mehr zur Verfügung.

Der schulpflichtige Antragsteller zu 1 habe ein Recht auf Unterricht und damit auf Unterricht in der Schule. Das Recht auf Ausbildung und Bildung der Antragsteller zu 1 und 2 werde unangemessen beschränkt und dies schon seit dem Frühjahr 2020. Auch in die psychische Gesundheit der Antragsteller werde eingegriffen. Bei der Antragstellerin zu 2 seien die Auswirkungen des Lockdowns deutlich ausgeprägt, was sich in einer starken Anhänglichkeit und Schwierigkeiten, in unbekannten Situationen zurechtzukommen, äußere.

Der Antragsgegner beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Anordnung des Landratsamts F. vom 19. Oktober 2020 an die Schulen und Kindertagesbetreuungseinrichtungen rechtmäßig sei. Sie beruhe auf einer Entscheidung des Gesundheitsamt F. in Abstimmung mit dem Jugendamt und der Schulaufsicht. Rechtsgrundlage für die Anordnung sei § 25 Satz 1 der 7. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (7. BayIfSMV) i.V.m. § 28 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz. Der Verordnungsgeber habe mit den Regelungen zu Maßnahmen bei erhöhten 7-Tage-Inzidenzen keine abschließende Regelung treffen wollen.

Die Entscheidung zur Anordnung der Stufe 3 des Rahmenhygieneplans Schulen bzw. des Rahmenhygieneplans Kita sei nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgt und sei verhältnismäßig. Ziel der Rahmenhygienepläne und auch der Anordnung vom 19. Oktober 2020 sei es, zum einen den Schul- und Kitabetrieb so gut wie möglich und so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Zum anderen solle die Gesundheit der Schüler und Kinder sowie der Lehrkräfte und Betreuer geschützt werden. Dabei sei bezüglich der Schulen insbesondere zu beachten, dass die Kinder sich aufgrund der Schulpflicht selbst nur schlecht vor dem Infektionsrisiko schützen könnten und es daher Aufgabe des Staates sei, bei steigendem Infektionsrisiko Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Das Gesundheitsamt habe die Infektionslage umfassend geprüft, insbesondere auch bezüglich der geographischen Ausbreitung des Virus und des konkreten Infektionsgeschehens an den Schulen und Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Landkreis. Seit Wochen seien beinahe täglich Schulen und Einrichtungen der Kindertagesbetreuung von Quarantänemaßnahmen betroffen, wobei auch Folgeansteckungen in den Einrichtungen beobachtet werden konnten. Dass eine pauschale Entscheidung gerade nicht getroffen worden sei, ergebe sich schon daraus, dass in vorausgehenden Anordnungen nicht vom Infektionsgeschehen betroffene Schulen und Kitas von einschränkenden Maßnahmen ausgeschlossen gewesen seien. Diese Maßnahmen hätten nicht den erhofften Erfolg gebracht, da die Zahlen immer weiter gestiegen seien und immer mehr Schulen und Einrichtungen der Kindertagesbetreuung betroffen gewesen seien. Die Maßnahmen seien geeignet und mildere gleich wirksame Mittel seien nicht ersichtlich. Insbesondere könnten Kinder in Kindertagesbetreuung unter 6 Jahren nicht verpflichtet werden, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Auch sei das konsequente Abstandhalten von Kindern untereinander in diesem Alter realitätsfern. Die angeordneten Maßnahmen stünden auch nicht außer Verhältnis zu dem Ziel, eine Weiterverbreitung des Krankheitserregers zu verhindern. Eine Beschulung der Schüler sowie eine Kinderbetreuung im Landkreis müsse weiter bestmöglich gewährleistet werden.

Hierzu nahmen die Antragsteller mit Schriftsatz vom …Oktober 2020 Stellung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Gerichtsakte verwiesen.

II.

Die Anträge haben keinen Erfolg. Sie sind zwar zulässig, aber unbegründet.

1. Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sind zulässig, insbesondere sind sie statthaft, da in der Hauptsache jedenfalls keine Anfechtungsklagen statthaft sind.

Die Antragsteller beantragen in der Hauptsache, dass die Antragsteller zu 1 und 2 nicht aufgrund des Teilbetriebs vom Schulbesuch bzw. Besuch des Kindergartens ausgeschlossen werden. Damit machen sie bei Auslegung der Anträge (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) nach dem erkennbaren Rechtsschutzziel einen Anspruch auf vollen Präsenzunterricht gegen den Antragsteller geltend, der wohl im Wege der allgemeinen Leistungsklage zu verfolgen ist.

Die Antragsteller belastende Verwaltungsakte, die aufgehoben werden könnten, liegen entgegen der Ansicht des Antragsgegners jedenfalls nicht vor. Weder die Anordnung des Landratsamts F. (Gesundheitsamt) vom 19. Oktober 2020 gegenüber den Schulen und Einrichtungen der Kindertagespflege bezüglich des Inkrafttretens der Stufe 3 des 3-Stufen-Plans des jeweiligen Rahmenhygieneplans noch die Äußerungen des Landratsamts F. auf seiner Internetseite (worauf die Antragsteller wohl abstellen) noch die zugrundeliegenden Rahmenhygienepläne für Schulen bzw. Kindertageseinrichtungen selbst, noch schließlich die konkreten Umsetzungsmaßnahmen der Schulleitung vor Ort haben Verwaltungsaktqualität. Eine Einordnung scheitert dabei entweder am Regelungscharakter der Maßnahme oder an der unmittelbaren Außenwirkung der Regelung (dazu ausführlich: VG München, B.v. 27.10.2020 - M 26b 20.5301). Damit scheidet jedenfalls Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO aus, so dass im vorläufigen Rechtsschutz der gestellte Antrag nach § 123 VwGO statthaft ist (§ 123 Abs. 5 VwGO).

2. Die Anträge sind aber unbegründet.

Nach § 123 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragspartei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Regelungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Sicherungsanordnung). Dabei hat die Antragspartei sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) zu bezeichnen und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 1 und 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO). Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn und soweit sich sowohl Anordnungsanspruch als auch -grund aufgrund der Bezeichnung und Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich erweisen (BayVGH, B.v. 16.8.2010 - 11 CE 10.262 - juris Rn. 20 m. w. N.). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

Ein Anordnungsanspruch setzt ein subjektiv-öffentliches Recht voraus, dessen Verletzung ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung drohen würde (BayVGH, B. v. 10.9.2013 - 7 CS 13.1880 - juris Rn. 19), mithin eine rechtswidrige Maßnahme, die den Antragsteller in seinen Rechten verletzt. Einen Anspruch auf ausschließlichen Präsenzunterricht haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, da der Antragsgegner zu Recht Stufe 3 der jeweiligen Rahmenhygienepläne, die die streitgegenständlichen Maßnahmen beinhaltet, angeordnet hat.

2.1 Hinsichtlich des Antragstellers zu 1 gilt im Einzelnen Folgendes:

2.1.1 Die zeitlich bis zum 30. Oktober 2020 befristete Anordnung des Mindestabstands von 1,5 m auch zwischen den Schülerinnen und Schülern in Unterrichtsräumen, ggf. (bei nicht möglicher Einhaltung dieses Mindestabstands aufgrund baulicher Gegebenheiten) verbunden mit einer zeitlich befristeten erneuten Teilung der Klassen und einer Unterrichtung der Gruppen im wöchentlichen oder täglichen Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht an Schulen findet ihre Rechtsgrundlage in § 18 Abs. 1 der Siebten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (7. BayIfSMV) vom 1. Oktober 2020 in der Fassung vom 22. Oktober 2020 i.V.m. dem Rahmenhygieneplan zur Umsetzung des Schutzund Hygienekonzepts für Schulen nach der jeweils geltenden Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (Rahmenhygieneplan Schulen), Stand 2. Oktober 2020, Ziffer 1.4.3.

Hiernach sind Unterricht und sonstige Schulveranstaltungen sowie die Mittagsbetreuung an Schulen zulässig, wenn durch geeignete Maßnahmen sichergestellt ist, dass dem Infektionsschutz Rechnung getragen wird, § 18 Abs. 1 Satz 1 der 7. BayIfSMV. Zu diesem Zweck wurde der von den Staatsministerien für Unterricht und Kultus und für Gesundheit und Pflege ausgearbeitete Rahmenhygieneplan Schulen (im folgenden: Rahmenhygieneplan) als Grundlage für Schutz- und Hygienekonzepte der Schulen erstellt, § 18 Abs. 1 Satz 2 der 7. BayIfSMV.

Gemäß dem Stufenkonzept des Rahmenhygieneplans (dazu Ziffer 1) findet im Schuljahr 2020/2021 grundsätzlich der Regelbetrieb unter Beachtung des Rahmenhygieneplans statt. Dabei richtet sich der Unterrichtsbetrieb in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen nach einem Drei-Stufen-Plan, der sich grundsätzlich an der 7-Tage-Inzidenz des LGL in einem Landkreis orientiert (Ziffer 1.1). Die Entscheidung zur Anordnung von Maßnahmen auf der Grundlage des Stufenkonzepts trifft das örtlich zuständige Gesundheitsamt im Benehmen mit der Schulaufsicht (Ziffer 1.2 b)). Die für die Stufe vorgesehenen Maßnahmen gelten grundsätzlich für alle Schulen des betreffenden Landkreises, soweit das Gesundheitsamt nicht besondere Anordnungen trifft (Ziffer 1.2.c)). Wird in einem Landkreis der Inzidenzwert überschritten, prüft das Gesundheitsamt, ob eine betriebs- bzw. einrichtungsbezogene Eingrenzung der Infektionsfälle möglich ist. Ist dies der Fall, sind in der Regel keine schulischen Maßnahmen für sämtliche Schulen des betroffenen Landkreises der betreffenden Stufe erforderlich. Andernfalls trifft es die erforderlichen Maßnahmen (Ziffer 1.2 d).

Ziffer 1.4.3 des Rahmenhygieneplans sieht für Stufe 3 (7-Tage-Inzidenz ab 50 pro 100.000 Landkreiseinwohner) unter anderem die Wiedereinführung des Mindestabstands von 1,5 m auch zwischen den Schülerinnen und Schülern in Unterrichtsräumen vor (a). Soweit aufgrund der baulichen Gegebenheiten der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann, bedeutet dies eine zeitlich befristete erneute Teilung der Klassen und eine damit verbundene Unterrichtung der Gruppen im wöchentlichen oder täglichen Wechsel von Präsenzund Distanzunterricht (d).

Eines Rückgriffs auf die Rechtsgrundlage des § 27 Satz 1 der 7. BayIfSMV n.F. (entspricht § 25 Satz 1 der 7. BayIfSMV a.F.), die der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung neben § 28 Abs. 1 IfSG heranzieht, wonach weitergehende Anordnungen der örtlich für den Vollzug des Infektionsschutzgesetzes zuständigen Behörden unberührt bleiben, bedarf es nicht, da § 18 Abs. 1 der 7. BayIfSMV in Verbindung mit dem Rahmenhygieneplan Schulen die speziellere Rechtsgrundlage für die angeordneten Maßnahmen darstellt. Weiter ist davon auszugehen, dass es auch eines Rückgriffs auf § 28 Abs. 1 IfSG nicht bedarf, da diese formellgesetzliche Eingriffsgrundlage durch § 18 Abs. 1 der 7. BayIfSMV konkretisiert wird.

2.1.2 Zweifel an der Rechtmäßigkeit des § 18 Abs. 1 Satz 1 der 7. BayIfSMV i.V.m den einschlägigen zitierten Vorgaben des Rahmenhygieneplans zu Stufe 3 sind nicht veranlasst. Die Regelungen dürften von der Ermächtigungsgrundlage § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 sowie § 33 Satz 2 Nr. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) gedeckt sein (betreffend die Vorgängerregelung in § 16 der 6. BayIfSMV siehe BayVGH, B. v. 3.7.2020 - 20 NE 20.1443 - juris Rn. 21 ff.). Der Gesetzgeber hat in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG ausdrücklich angeordnet, dass die zuständige Behörde unter den Voraussetzungen des 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG auch die in § 33 IfSG genannten Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen kann. Dazu gehören nach § 33 Satz 2 Nr. 3 IfSG insbesondere auch Schulen, so dass die in Ziffer 1.4.3 d) des Rahmenhygieneplans angeordnete Teilung der Klassen und die damit verbundene Unterrichtung der Gruppen im wöchentlichen oder täglichen Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht von der formellgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt sind.

Insbesondere liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG angesichts der aktuellen Pandemielage weiterhin vor.

§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG setzt tatbestandlich voraus, dass Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder es sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war.

Diese Voraussetzungen liegen dem Grunde nach angesichts der anhaltenden SARS-CoV-2-Pandemielage unzweifelhaft vor. Das Virus SARS-CoV-2 ist ein Krankheitserreger im Sinne von § 2 Nr. 1 IfSG, der zur Lungenkrankheit COVID-19, einer übertragbaren Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 3 IfSG führen kann. Nach Einschätzung des RKI, dem der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 - 1 BvQ 28/20 - juris Rn. 13; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 - Vf. 6-VII-20 - juris Rn. 16), handelt es sich bei der COVID-19-Pandemie weltweit und in Deutschland um eine dynamische und ernst zu nehmende Situation, wobei die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch einzuschätzen ist. Intensive gesamtgesellschaftliche Gegenmaßnahmen bleiben nötig, um die Folgen der COVID-19-Pandemie für Deutschland zu minimieren. Die massiven Anstrengungen auf allen Ebenen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes verfolgen weiterhin das Ziel, die Infektionen in Deutschland so früh wie möglich zu erkennen und die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen. Es ist laut RKI von entscheidender Bedeutung, die Zahl der Erkrankten so gering wie möglich zu halten und Ausbrüche zu verhindern. Hierdurch soll die Zeit für die Entwicklung von antiviralen Medikamenten und von Impfstoffen gewonnen werden. Auch sollen Belastungsspitzen im Gesundheitswesen vermieden werden (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand 23.9.2020, Stand 26.10.2020).

Weitere tatbestandliche Anforderungen an ein Tätigwerden stellt § 28 Abs. 1 Satz 1 Abs. 1 IfSG nicht. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen vor, ist die Behörde bzw. der Verordnungsgeber zum Handeln verpflichtet (sog. gebundene Entscheidung).

Hinsichtlich Art und Umfang der zu treffenden Schutzmaßnahmen ist der Behörde bzw. dem Verordnungsgeber ein Auswahlermessen eingeräumt. Das behördliche Ermessen wird dadurch beschränkt, dass es sich um „notwendige Schutzmaßnahmen“ handeln muss. Zudem sind dem Ermessen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 - 3 C 16.11 - BVerwGE 142, 205 - juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 13.8.2020 - 20 CS 20.1821 - juris Rn. 27). Diesen Vorgaben genügt § 18 Abs. 1 der 7. BayIfSMV i.V.m. dem Stufenkonzept des Rahmenhygieneplans Schulen, wie sich bezüglich der streitgegenständlichen Maßnahmen der Einführung eines Mindestabstands und der ggf, damit verbundenen Teilung der Klassen mit Unterrichtung der Gruppen im Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht aus dem insoweit maßgeblichen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Juli 2020, Az: 20 NE 20.1443 ergibt. Die in diesem Rahmen zu § 16 BayIfSMV gemachten Ausführungen sind auf die aktuelle Rechtslage übertragbar.

Dabei ist auch nicht zu beanstanden, dass im 3-Stufen-Konzept des Rahmenhygieneplans Schulen auf das Kriterium der 7-Tage-Inzidenz abgestellt wird und insofern unterschiedliche Maßnahmen je nach Wert (unter 35 bzw. bis 50 bzw. über 50 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner abgestellt wird) angeordnet werden. Der Wert von 50 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohner spiegelt die Dynamik des Infektionsgeschehens wider und markiert die Grenze, bis zu der die öffentliche Gesundheitsverwaltung in Deutschland sich zu einer Rückverfolgung von Infektionsketten maximal in der Lage sieht und die Verbreitung des Coronavirus durch weitere Fallfindungen noch verhindert werden kann. Diese Einschätzung, dass ab diesem Wert das Infektionsgeschehen eine Dynamik gewinnt, die ohne einschneidende Maßnahmen außer Kontrolle zu geraten droht, dürfte nicht zu beanstanden sein (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 28.8.2020 - 13 B 1232/20.NE - juris Rn. 51; OVG Lüneburg, B. v. 5.6.2020 - 13 MN 195/20 - juris Rn. 33 f.). Dies entspricht im Übrigen auch den Empfehlungen des RKI (Präventionsmaßnahmen in Schulen während der COVID-19-Pandemie, 12.10.2020, S. 10)

Es begegnet dabei im Rahmen der summarischen Prüfung im Eilverfahren keinen rechtsstaatlichen Bedenken, wenn der Antragsgegner die früher in § 16 der 6. BayIfSMV ausdrücklich zur Minimierung des Infektionsrisikos vorgesehenen Maßnahmen der Reduzierung der Klassenstärke oder das Abhalten von alternierendem Unterricht nunmehr nicht mehr bereits in der Rechtsverordnung als Handlungsoptionen normiert. Diese Maßnahmen waren in § 16 Abs. 1 der 6. BayIfSMV ohnehin nur beispielhaft erwähnt und keine zwingende gesetzliche Vorgabe („In Betracht kommt etwa…“). Vielmehr zeigt die alte Fassung der Vorschrift gerade, dass nach dem Willen des Verordnungsgebers grundsätzlich die Reduzierung der Klassenstärke und das Abhalten von alternierendem Unterricht geeignete Mittel zur Minimierung des Infektionsrisikos darstellen. Die Verortung dieser Maßnahmen im Rahmenhygieneplan Schule, der entgegen der Ansicht der Antragsteller keine Rechtsverordnung, sondern eine das Handeln der örtlichen Behörden einheitlichen Maßstäben unterwerfende Verwaltungsvorschrift im Sinne einer Auslegungs- und Ermessensrichtlinie darstellen dürfte, verkürzt insbesondere nicht den Rechtsschutz der Betroffenen, weil die Regelungen des Rahmenhygieneplans Schulen Gegenstand inzidenter Prüfung (und ggf. Verwerfung) im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind.

2.1.4 Die Zuständigkeit des Antragsgegners für die zeitlich befristete Teilung der Klassen ergibt sich aus dem Rahmenhygieneplan Schulen. Für die Anordnung sämtlicher auf das Infektionsschutzgesetz gestützten Maßnahmen (zum Beispiel (Teil-)Schließung einer Schule) sind nach Ziffer 3.1 die Gesundheitsämter oder eine ihnen übergeordnete Behörde zuständig. Für die Umsetzung der Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen in der Schule ist die Schulleitung verantwortlich (Ziffer 3.3). Die Entscheidung zur Anordnung von Maßnahmen auf der Grundlastlage des Stufenkonzepts trifft das örtlich zuständige Gesundheitsamt im Benehmen mit der Schulaufsicht (Ziffer 1.2 b). Damit war das Gesundheitsamt des Landratsamts F. für die Anordnung des Inkrafttretens der Stufe 3 zuständig.

2.1.5 Bei den getroffenen Maßnahmen, die durch Ziffer 1.4.3 des Rahmenhygieneplans Schulen vorgegeben sind, handelt es sich um geeignete Maßnahmen im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 6. BayIfSMV, die im Übrigen den inhaltlichen Vorgaben des Rahmenhygieneplans Schulen entsprechen und sich als verhältnismäßig erweisen.

a) Die konkrete Entscheidung zur Anordnung von Maßnahmen auf der Grundlage des Stufenkonzepts das Gesundheitsamt des Antragsgegners nach den Vorgaben des Rahmenhygieneplans Schule und in ermessensfehlerfreier Weise getroffen. Es hat insbesondere keinen Automatismus bei Erreichen der Stufe 3 angenommen, sondern hat, wie es Ziffer 1.2 des Rahmen Hygieneplans vorsieht, geprüft, ob eine betriebs-bzw. einrichtungsbezogene Eingrenzung der Infektionsquelle möglich war. Erst nach Verneinung dieser Frage hat es angesichts hoher Inzidenzwerte und des Betroffenseins verschiedener Schulen und Kindertageseinrichtungen Stufe 3 mit den hierfür vorgesehenen Maßnahmen angeordnet. Unter Ermessensgesichtspunkten ist hiergegen nichts einzuwenden.

b) Die Wiedereinführung des Mindestabstands mit zeitlich befristeter Teilung der Klassen und einer damit verbundenen Unterrichtung der Gruppen im wöchentlichen oder täglichen Wechsel von Präsenzund Distanzunterricht ist bei summarischer Prüfung auch im konkreten Fall verhältnismäßig.

aa) Die Maßnahmen verfolgen den legitimen Zweck der Reduzierung des Infektionsrisikos in der Schule. Zum einen soll dadurch der Schulbetrieb so gut wie möglich und so lange wie möglich aufrechterhalten werden. Zum anderen soll die Gesundheit der Schüler und Kinder sowie der Lehrkräfte und Betreuer geschützt werden.

bb) Die streitgegenständlichen Maßnahmen sind hierfür geeignet. Eine Maßnahme ist geeignet, wenn sie den verfolgten Zwecken dienlich ist. Die Maßnahme entspricht den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, das auch bei Kindern und Jugendlichen die Wahrung eines Abstands von 1,5 Metern empfiehlt (vgl. Robert-Koch-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2 / Krankheit COVID-19, Was ist über COVID-19 bei Schwangeren und Kindern beka…, Stand: 28.10.2020, https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html?nn=13490888), da von einer vergleichbaren Infektionshäufigkeit und Infektiosität auszugehen ist wie bei Erwachsenen (vgl. Robert-Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-krankheit-2019 (COVID 2019), Stand: 28.10.2020, 16. Kinder und Jugendliche, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/ Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html). Das RKI weist hier auch darauf hin, dass entsprechende Studien meist während oder im Anschluss an Kontaktbeschränkungen bzw. Lockdown-Situationen durchgeführt wurden, so dass die Übertragbarkeit auf den Alltag begrenzt ist bzw eine abschließende Bewertung nicht möglich ist. Die Maßnahmen enstprechen im Übrigen auch den Empfehlungen des RKI (Präventionsmaßnahmen in Schulen während der COVID-19-Pandemie, 12.10.2020, S. 10)

Kann der Mindestabstand aufgrund baulicher Gegebenheiten nicht eingehalten werden, ist eine Teilung der Klassen und ein damit verbundener Unterricht in Gruppen im Wechsel geeignet, das Infektionsrisiko zu minimieren, weil der physische Kontakt und das damit einhergehende Infektionsrisiko der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte im Schulbetrieb reduziert wird. Soweit die Antragsteller geltend machen, dass schulische Maßnahmen nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen wirkungslos seien, sind dem die obigen Ausführungen des RKI entgegenzuhalten. Insbesondere ist zu bedenken, dass viele Studien, die sich mit dem Infektionsgeschehen in Schulen auseinandersetzen, unter den Gegebenheiten des „Lockdowns“ zustande gekommen sind und damit das Infektionsgeschehen unter den Bedingungen eines regelmäßigen Schulbetriebs gerade nicht untersucht haben. Im Übrigen muss den für die Ausarbeitung des Rahmenhygieneplans Schulen verantwortlichen obersten Landesbehörden ein tatsächlicher Einschätzungsspielraum zugebilligt werden, den diese mit Blick auf die Aussagen des RKI nicht offensichtlich überschritten haben (zu § 16 Abs. 1 der 6. BayIfSMV vgl. BayVGH, B.v. 3.7.20202 - 20 NE 20.1443 - juris).

cc) Angesichts der Kontagiosität des Virus, des engen physischen Kontakts zwischen Kindern und Jugendlichen untereinander und des häufigeren symptomlosen bzw. milden Verlaufs stellen sich die Einführung des Mindestabstands ggf. mit Teilung der Klassen und Unterricht im Wechsel in der Schule und zu Hause als die wesentliche Schutzvorkehrung dar, um die Infektionsgefahr einzudämmen; andere, gleich wirksame Maßnahmen sind nicht ersichtlich (bez. des Mindestabstands BayVGH, B. v. 3.7.2020 - 20 NE 20.1443 - juris Rn. 42 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 12.6.2020 - 13 B 779/20.NE - juris Rn. 80 ff.).

Die von den Antragstellern in diesem Zusammenhang als mildere Mittel vorgeschlagenen Maßnahmen wie die Anordnung der Maskenpflicht, ein ausreichendes Lüften der Räumlichkeiten, vermehrte Aktivitäten im Freien sowie Quarantänemaßnahmen für Gruppen oder Klassen, in denen Coronavirusinfektionen auftreten, erscheinen angesichts der aktuellen Infektionslage und deren epidemiologischer Bewertung nicht (mehr) als gleich geeignete effektive Mittel, um in der jetzigen Situation die weitere Ausbreitung des neuartigen Coronavirus zu verlangsamen. Das Infektionsgeschehen ist nach plausibler Darstellung des Antragsgegners nicht auf bestimmte Infektionsherde beschränkt, sondern verteilt sich diffus in der Gesamtbevölkerung und flächig über den gesamten Landkreis. Insbesondere sind auch Schulen und Kindertageseinrichtungen betroffen. Die Inzidenzwerte hatten im Landkreis die Hunderter-Marke zwischenzeitlich überschritten und liegen derzeit bei 107,15 (LGL, Stand 28.10.2020), wobei zunehmend die Gefahr eines exponentiellen Anstiegs der Infektionen besteht, angesichts dessen eine Kontaktnachverfolgung nicht mehr zu gewährleisten ist. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner Maßnahmen ergreift, um Kontakte und Ansteckungen im schulischen Präsenzunterricht auszuschließen. Unter den dargelegten Umständen ist es nicht gleichermaßen effektiv, es in Schulen bei den ohnehin geltenden Maßnahmen der 7. BayIfSMV, insbesondere der Maskenpflicht auch im Unterricht, und den sonstigen Hygienemaßnahmen (Ziffer 4 des Rahmenhygieneplans Schulen) bewenden zu lassen. Die von den Antragstellern vorgeschlagenen Mittel werden allesamt bereits mehr oder weniger lange angewendet, ohne dass sich dadurch eine Trendwende bei den zu verzeichnenden Infektionszahlen ergeben hätte. Deshalb sind zusätzlich zu diesen sicherlich sinnvollen Maßnahmen das Infektionsgeschehen noch effektiver bekämpfende Maßnahmen erforderlich, um „vor die Lage“ zu kommen und nicht dem Infektionsgeschehen „hinterher zu eilen.“

dd) Schließlich erweisen sich die Maßnahmen auch als angemessen.

Die angeordneten Maßnahmen stehen nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs in die Rechte des Antragstellers zu 1. Zweifelhaft ist dabei schon, ob der Antragsteller zu 1 subjektiv-öffentliche Ansprüche auf unbeschränkten Präsenzunterricht nach einfachem Recht aufgrund des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungund Unterrichtswesen (BayEUG) hat. Dies ist angesichts des Befundes, dass die Rechtsnormen des BayEUG objektive Rechtssätze ohne subjektiv-öffentlichen Gehalt beinhalten, wohl zu verneinen (in diesem Sinne kritisch zu einfachgesetzlichen Ansprüchen BayVGH B.v. 3.7.20202 - 20 NE 20.1443 - juris,Rn 27 ff.). Im Übrigen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (a.a.O.) auch schulrechtliche Bestimmungen der Bayerischen Verfassung auf ihren subjektiv-rechtlichen Gehalt geprüft und ihnen diesen im Allgemeinen abgesprochen. Dies hat auch für den von den Antragstellern angeführten Art. 131 BV zu gelten, der allgemein den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen festlegt, ohne bestimmte subjektive Rechte zu verleihen.

Wenn man zugunsten des Antragstellers davon ausgeht, dass die Maßnahmen sein Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) im schulischen Bereich verletzen, sind sie jedenfalls gerechtfertigt.

Zum ersten lassen sich hieraus keine konkreten Pflichten entnehmen, die den Staat zu einem bestimmten Tätigwerden zwingen. Insoweit dürfte Art. 2 Abs. 1 GG in Bezug auf den Antragsteller zu 1 grundsätzlich nur einen Anspruch auf Teilhabe an den vorhandenen öffentlichen Bildungseinrichtungen undangeboten bzw. auf Zugang zu diesen unter zumutbaren Bedingungen und unter dem Vorbehalt des möglichen verleihen. Ein Anspruch auf Leistung im Sinne eines Verschaffungsanspruchs dürfte nur entstehen, wenn der Staat insoweit seine Pflichten evident verletzt, es mithin an dem notwendigen Minimum fehlen lässt (BayVGH, B.v. 3.7.20202 - 20 NE 20.1443 - juris,Rn 29 ff. mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

Allein aus diesem Grund scheidet ein Anspruch des Antragstellers zu 1 auf Beschulung im Präsenzunterricht nach dem oben Gesagten aus.

Diese Rechte gelten zum zweiten nicht unbeschränkt, sondern unterliegen einem Gesetzesvorbehalt und treten derzeit im Ergebnis gegenüber dem mit den Maßnahmen bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) sowie dem staatlichen Unterrichtsauftrag zurück. Dabei ist insbesondere in Rechnung zu stellen, dass der angeordnete Mindestabstand mit der damit verbundenen Teilung der Klassen mit Unterricht im Wechsel einen wesentlichen Beitrag dazu leistet, in der gegenwärtigen pandemischen Lage in Bayern erneute coronabedingte flächendeckende vollständige Schließungen von Schulen zu vermeiden. Die mit dem Wechsel von Präsenz- und Heimunterricht einhergehenden Einschränkungen sind insofern in Anbetracht eines grundsätzlich sicherzustellenden Schulbetriebs und der damit einhergehenden Gewährleistung wenigstens eines teilweisen Präsenzunterrichts und von Bildungsgerechtigkeit für alle Schülerinnen und Schüler nicht nur hinnehmbar, sondern dienen einem interessengerechten Ausgleich der betroffenen Rechte der Schüler.

Das Gericht verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die betroffenen Schüler durch den Wegfall des täglichen persönlichen Kontakts mit den Mitschülern im Einzelfall seelisch leiden können. Unstreitig noch größere psychische negative Auswirkungen auf die Kinder würde aber eine vollständige Schließung von Schulen haben, die, wie ausgeführt, durch die Einführung des Unterrichts im Wechsel gerade vermieden werden soll.

Dagegen hält das Gericht die Befürchtung der Antragsteller für fernliegend, dass gerade durch den zeitlich befristeten Wechselunterricht die Chancen des Antragstellers zu 1, der die 2. Klasse einer Grundschule besucht, später einen Beruf mit speziellen Zugangsvoraussetzungen zu ergreifen, geschmälert werden. Die Berufsfreiheit des Antragstellers zu 1 ist durch die streitgegenständlichen Maßnahmen offenbar nicht berührt.

2.2. Hinsichtlich der Antragstellerin zu 2 wird mutatis mutandis auf die Ausführungen zu 2.1 verwiesen. Darüber hinaus wird folgendes ausgeführt:

Rechtsgrundlage in diesem Fall ist § 19 Abs. 1 Satz 1 der 7. BayIfSMV i.V.m. dem Rahmen-Hygieneplans Corona für die Kindertagesbetreuung und heilpädagogische Tagesstätten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, gültig ab 1. September 2020. Auch dieser sieht in Ziffer 1.1 ein 3-Stufen-Modell von Zugangs- und Hygienemaßnahmen zur Wahrnehmung von Angeboten der Kindertagesbetreuung vor. Hiernach ist in Stufe 3 eine Reduktion der Gruppengröße und Notbetreuung nach Vorgabe des öffentlichen Gesundheitsdienstes vorgesehen.

Nachdem Stufe 3 im Landkreis F. erreicht ist, hat das Gesundheitsamt auch für den Bereich der Kindertagesstätten eine entsprechende Anordnung erlassen, die auch für diesen Bereich nicht zu beanstanden ist.

Im Kontext der Erforderlichkeit der Maßnahme kommt hier insbesondere zusätzlich zum Tragen, dass die aktive Mitwirkung der Kinder im betroffenen Alter durch Einhaltung von Abständen oder Mund-Nasen-Bedeckung nicht möglich und demzufolge im Rahmenhygieneplan auch nicht vorgesehen ist.

Soweit (auch) die Antragstellerin zu 2 unter Verweis auf die Corona-Kita-Studie, Ausgabe 09/ 2020, September 2020, ausführt, dass insbesondere von Kindergartenkindern kein signifikantes Infektionsrisiko ausgehe und die erfassten Ausbrüche das Personal, nicht aber die Kinder betraf, so ist dem erstens entgegenzuhalten, dass die Studie generell den Datenstand bis zum 21. September 2020 wiedergibt. So wird berichtet, dass bis zur 36. Kalenderwoche (1. Septemberwoche) 56 Covid-19-Ausbrüche von den Gesundheitsämtern gemeldet wurden, die als Infektionsumfeld Kita oder Hort angegeben haben. Die aktuelle Entwicklung, die von einem beschleunigten Infektionsgeschehen gekennzeichnet ist, bildet die Studie nicht ab.

Zweitens ergibt sich aus der Studie zwar, dass bis zur 36. Kalenderwoche 56 Covid-19-Ausbrüche im Kitaoder Hortumfeld gemeldet wurden. Hieraus resultierten 289 Fälle. In nur 36 dieser 56 Ausbrüche waren Kinder Teil des Ausbruchs und in diesen 36 Ausbrüchen waren nur 73 der hieraus resultierenden 199 Fälle Kinder im Alter von 0-5 Jahren. Die Mehrzahl der im Rahmen der Ausbrüche übermittelten Fälle betraf demnach Erwachsene. Aber auch in diesem Zusammenhang ist zu sehen, dass die entsprechenden Daten im Zeitraum von der 8. Kalenderwoche bis zur 36. Kalenderwoche erhoben worden sind und damit den Zeitraum erfassen, in dem bis auf wenige Wochen (5 Wochen vor dem „Lockdown“ zuzüglich Kalenderwoche 36) gar kein bzw. nur ein eingeschränkter Betrieb von Kindergärten und Horten stattfand. Valide Aussagen zum aktuellen Infektionsgeschehen in Kindergärten und Horten im Regelbetrieb sind der Studie demnach nicht zu entnehmen.

2.3 Hinsichtlich der Antragstellerin zu 3 wird ebenfalls auf die Ausführungen zu 2.1 verwiesen. Einen Eingriff durch die streitgegenständlichen Anordnungen in den Schutzbereich der Berufsfreiheit der Antragstellerin zu 3 aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz unterstellt, ist dieser Eingriff jedenfalls gerechtfertigt. Ein Anspruch auf Präsenzunterricht bzw. Präsenzbetreuung für ihre Kinder besteht deshalb nicht.

3. Die Anträge sind daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 1.1.3 und Nr. 1.5. Satz 2). Aufgrund der faktischen Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens unterbleibt dabei eine Reduzierung des Streitwerts gegenüber dem Hauptsacheverfahren um die Hälfte.

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