Urteil vom Verwaltungsgericht München - M 3 K 21.3068

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.

II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.  

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Streitgegenstand ist die Verpflichtung des Beklagten als Aufgabenträger, die Kosten für die Beförderung des Klägers zu dem von ihm besuchten Gymnasium zu übernehmen.

Der Kläger besucht das Gymnasiums Schrobenhausen. Per Formblatt wurde für den Kläger die Kostenfreiheit des Schulwegs beantragt.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2021 lehnte der Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, eine Beförderungspflicht bestehe nur, wenn der Schulweg für Schüler ab der 5. Jahrgangsstufe länger als 3 km ist. Der Schulweg des Klägers sei nicht länger als 3 km. Die Messung habe eine Wegstrecke von 2,99 km ergeben.

Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 8. Juni 2021, eingegangen am 9. Juni 2021, Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragt zuletzt sinngemäß,

unter Aufhebung des Bescheids vom 12. Mai 2021 den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die Kostenfreiheit des Schulwegs zu gewähren.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass andere Routenplaner für den Schulweg des Klägers eine Entfernung länger als 3 km ausweisen würden. Es sei rechtsfehlerhaft auf denjenigen Routenplaner abzustellen, der die Entfernung des Schulweges kürzer als 3 km messe.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es wird eine neue Berechnung der Schulweglänge mit Google Maps mit dem Ergebnis 2,97 km vorgelegt.

Mit Beschluss vom 26. April 2022 wurde die Verwaltungsstreitsache auf den Einzelrichter übertragen.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 28. September 2021 auf mündliche Verhandlung verzichtet. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 24. Mai 2022 ebenfalls auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht kann mit Einverständnis der Prozessparteien ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche ablehnende Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); der Kläger hat derzeit keinen Anspruch auf Übernahme der Schulwegbeförderungskosten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Die Klage ist, obwohl sie einen falschen Beklagten bezeichnet und nicht den Anspruchsinhaber als Kläger ausweist, zulässig. Der richtige Beklagte, hier das Landratsamt, ist der Klage durch Auslegung zu entnehmen. Auch der Kläger ist im Weg einer wohlwollenden Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont erkennbar. Er ist der Anspruchsinhaber auf Kostenfreiheit seines Schulweges, nicht seine Mutter als gesetzliche Vertreterin.

Die Klageänderung der als Anfechtungsklage erhobenen Klage zur Verpflichtungsklage ist jedenfalls gem. § 91 Abs. 2 VwGO zulässig. Im Übrigen wäre die Klageänderung auch als sachdienlich zulässig (§ 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO).

2. Die Klage ist aber unbegründet. Es besteht derzeit kein Anspruch des Klägers auf Übernahme der Schulwegbeförderungskosten.

Nach Art. 3 Abs. 1 Halbsatz 1 des Schulwegkostenfreiheitsgesetzes (SchKfrG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 452, BayRS 2230-5-1-K), das zuletzt durch § 1 Abs. 215 der Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98) geändert worden ist, trägt der Aufgabenträger die Kosten der notwendigen Beförderung der Schülerinnen und Schüler durch öffentliche oder private Verkehrsmittel auf dem Schulweg. Aufgabenträger ist bei Gymnasien die kreisfreie Stadt oder der Landkreis des gewöhnlichen Aufenthalts der Schülerinnen und Schüler (§ 1 Satz 2 der Schülerbeförderungsverordnung (SchBefV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. September 1994 (GVBl. S. 953, BayRS 2230-5-1-1-K), die zuletzt durch Verordnung vom 10. Mai 2022 (GVBl. S. 237) geändert worden ist). Notwendig ist die Beförderung ab der Jahrgangsstufe 5, wenn der Schulweg in einer Richtung mehr als drei Kilometer beträgt und die Zurücklegung des Schulwegs auf andere Weise nach den örtlichen Gegebenheiten und nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht zumutbar ist oder wenn eine dauernde Behinderung der Schülerin oder des Schülers die Beförderung erfordert (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG, § 2 Abs. 2 Satz 1 SchBefV). Bei besonders beschwerlichen oder besonders gefährlichen Schulwegen kann auch bei kürzeren Wegstrecken in widerruflicher Weise die Notwendigkeit der Beförderung anerkannt werden (Art. 2 Abs. 1 Satz 2 SchKfrG, § 2 Abs. 2 Satz 2 SchBefV).

Der vom beklagten Aufgabenträger zuletzt zugrundegelegte Schulweg ist kürzer als drei Kilometer (a) und auch nicht besonders gefährlich oder beschwerlich (b).

(a) Bei der Ermittlung der Schulweglänge ist die kürzeste zumutbare Wegstrecke zwischen der Wohnung der Schülerin oder des Schülers und der Schule zugrunde zu legen. Entscheidend ist die zu Fuß zurückzulegende Strecke im öffentlichen Verkehrsraum. Die Länge des Schulwegs wird von dem Punkt aus gemessen, an dem der Schüler aus dem Wohnhaus kommend auf die öffentliche Straße tritt, bis zu dem Punkt, an dem er das Schulgrundstück betritt. Die auf dem Wohngrundstück und auf dem Schulgelände zurückgelegten Wegstrecken bleiben für die Bestimmung der maßgeblichen Schulweglänge grundsätzlich außer Betracht. Der Schulweg endet dort, wo dem Schüler das Betreten des eingefriedeten oder sonst erkennbar abgegrenzten Schulgrundstücks möglich und erlaubt ist (vgl. insgesamt BayVGH U.v. 9.8.2011 - 7 B 10.1565 - juris Rn. 17 m.w.N.; BayVGH U.v. 17.2.2009 - 7 B 08.1027 - juris Rn. 18).

Das Recht der Kostenfreiheit des Schulwegs ist hierbei nicht mit einem Anspruch auf exakte Messung in der Natur verbunden. Vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Verwaltung genügt eine digitale Vermessung, deren Messergebnisse in ihrer Genauigkeit nicht entscheidungserheblich hinter einer Messung in Natur zurückbleiben (vgl. u.a. VG München, U.v. 14.11.2011 - M 3 K 11.670 - juris Rn. 17 ff.; VG Regensburg, GB.v. 14.2.2018 - RO 3 K 17.513 - juris Rn. 38; VG Würzburg, U.v. 5.6.2019 - W 2 K 18.1347 - juris Rn. 27).

Die vom Landratsamt vorliegend mit Google Maps ermittelte Distanz zwischen dem mütterlichen Wohnhaus des Klägers und der Schule betrug in der dem Bescheid zugrundeliegenden Messung 2,99 km. Dieser Messung liegt allerdings nach eigenen Angaben des Landratsamts im Verfahren ein nicht vorhandener Zugang zur Schule zugrunde. In einer neuen Messung des Landratsamts mit Google Maps beträgt der Schulweg 2,97 km. Der Kläger legt Screenshots vier verschiedener Berechnungen jeweils verschiedener Routenplaner vor, die allesamt eine Entfernung von über 3 km ausweisen. Einwände gegen die Richtigkeit der Messergebnisse des Beklagten erhebt er keine. In der Behördenakte findet sich noch eine zusätzliche Entfernungsmessung (vermutlich über bayernatlas), nach der wiederum der Schulweg unter 3 km lang ist.

Das Gericht kann die Messung des Landratsamts mit Google Maps schlüssig nachvollziehen. Eine Messung mit dem u.a. vom Kläger verwendeten Routenplaner Falk ergibt mit den Eingaben, die auch der Kläger ausweislich seines Screenshots verwendet, zwar eine Distanz von über 3 km (nämlich 3,01 km), allerdings liegt der Messung - zumindest bei der gerichtlichen Nachvollziehung - nicht der nächstmögliche, sondern ein deutlich weiter entfernter Betretenspunkt des Schulgeländes zugrunde. Dem vom Kläger vorgelegten Screenshot ist gar keine Wegführung, also auch keine Betretenspunkt zu entnehmen. Die übrigen vom Kläger vorgenommenen Messungen mit anderen Routenplaner sind für das Gericht nicht nachvollziehbar, zum Teil fehlt bereits die Angabe des verwendeten Routenplaners bzw. ist dieser nicht frei zugänglich, im Übrigen fehlt immer die zugrunde gelegte Wegführung (insbesondere der genau Start- und Endpunkt).

Der Kläger hat somit schon keine substantiierten Einwendungen gegen die Messung des Landratsamts vorgebracht. Die (korrigierte) Messung des Landratsamts ist im Gegensatz zu den vom Kläger vorgelegten Berechnungen schlüssig und für das Gericht nachvollziehbar. Sie ist zutreffend.

Im Übrigen würden auch die abweichenden Distanzangaben anderer Routenplaner allein nicht genügen um einen Anspruch des Klägers zu begründen. Es gilt - mangels fachrechtlicher Vorgaben - der allgemeine Rechtsgrundsatz, dass die Nichterweislichkeit von Tatsachen, aus denen eine Partei ihr günstige Rechtsfolgen herleitet, zu ihren Lasten geht. Das bedeutet, dass die Unerweislichkeit der Tatsache, dass der Schulweg des Klägers länger als 3 km ist, hier im Bereich der Leistungsverwaltung zu Lasten des Klägers ginge. Der Anspruch wäre dem Kläger als auch aufgrund der ihm obliegenden und nicht erfüllten Beweislast zu versagen.

(b) Der Schulweg des Klägers ist auch nicht als „besonders gefährlich“ i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 2 SchBefV anzusehen. Gegenteiliges wird nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.

(c) Mithin besteht keine Beförderungspflicht des Beklagten, da die Schule nicht weiter als 3 km vom Wohnort des Klägers entfernt ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 SchBefV).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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