Beschluss vom Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße (4. Kammer) - 4 L 612/11.NW

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Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

1

Das im Wege einer objektiven Antragshäufung (§ 44 VwGO analog) verfolgte Begehren der Antragsteller kann keinen Erfolg haben.

I.

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Der Hauptantrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen „die Verfügungen des Antragsgegners zur Auskunftsverpflichtung zur Haushaltsbefragung“ anzuordnen, ist schon unstatthaft und damit unzulässig.

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Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage ist nur statthaft, wenn der Betreffende sich gegen einen Verwaltungsakt wendet, der von Gesetzes wegen sofort vollziehbar ist. Vorliegend hat der Antragsgegner aber keinen Verwaltungsakt gegenüber den Antragstellern erlassen.

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In der Verwaltungsakte befindet sich lediglich ein von der Kreisverwaltung S  erstelltes Informationsschreiben vom 9. Mai 2011, das an die „Auskunftspflichtigen zur Zensus-Haushaltebefragung“ gerichtet ist. Dieses Informationsschreiben wurde den Antragstellern von einem sog. Erhebungsbeauftragten in den Briefkasten ihres Wohngebäudes in A-Dorf eingeworfen. Das Schreiben enthält weder eine Rechtsbehelfsbelehrung noch die sonstigen äußeren Merkmale eines Verwaltungsakt im Sinne des § 1 LVwVfG i.V.m. § 35 VwVfG, gegen den derselbe Rechtsbehelf zulässig wäre wie bei „echten“ Verwaltungsakten (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, NVwZ-RR 2010, 587). Aber auch in materieller Hinsicht stellt dieses Schreiben keinen Verwaltungsakt dar. Nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 35 Satz 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 35 Satz 2 VwVfG ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

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Das genannte Schreiben erfüllt nicht die Merkmale eines Verwaltungsakts in der hier allein in Betracht kommenden Form der Allgemeinverfügung. Darin informiert die Kreisverwaltung S die Auskunftspflichtigen im Landkreis über die bevorstehende Haushaltsbefragung, die auf der Grundlage des Gesetzes über den registergestützten Zensus im Jahre 2011 vom 8. Juli 2009 – ZensG 2011 – (BGBl. 2009 Seite 1781) vorgenommen werden soll. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:

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„An die Auskunftspflichtigen zur Zensus-Haushaltebefragung

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Im Jahr 2011 findet europaweit eine Volks-, Gebäude- und Wohnungszählung statt. Mit dieser auch als Zensus 2011 bezeichneten Erhebung wird in Deutschland zum Stichtag 9. Mai 2011 u.a. festgestellt, wie viele Menschen in unserem Land leben, was sie arbeiten und wie sie wohnen. Da nicht alle benötigten Informationen aus Verwaltungsregistern gewonnen werden können, sind zusätzliche Befragungen erforderlich. Ihre Wohnanschrift wurde nach einem mathematisch-statistischen Zufallsverfahren für die Zensus-Haushaltebefragung nach § 7 ZensG 2011 ausgewählt. Daher ist es erforderlich, dass wir von Ihnen und den mit Ihnen gemeinsam in einem Haushalt lebenden Personen einige Informationen erfragen.

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Die Zensus-Daten sind für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft von großer Bedeutung. Deshalb hat der Bundesgesetzgeber für die Haushaltebefragung eine Auskunftspflicht vorgesehen (§18 Abs. 3 ZensG 2011).

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Für die Organisation der Befragungen vor Ort wurde die oben genannte Zensus-Erhebungsstelle bei der Kreisverwaltung Südliche Weinstraße eingerichtet. Die Befragung erfolgt durch von uns bestellte Erhebungsbeauftragte, die sich selbstverständlich ausweisen können und zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Eine(r) dieser Interviewer(innen) wird Sie in den kommenden Tagen aufsuchen, um mit Ihnen gemeinsam festzustellen, ob Sie und ggf. mit Ihnen gemeinsam wohnende Personen in die Befragung einzubeziehen sind. Sie haben die Möglichkeit, die Erhebungsunterlagen mit ihr/ihm gemeinsam oder innerhalb von 14 Tagen selbst auszufüllen. Die notwendigen Unterlagen hierfür erhalten Sie von Ihrer/Ihrem Erhebungsbeauftragten. Der Besuchstermin ist auf beiliegender Karte vermerkt.

10

Weitere Informationen entnehmen Sie bitte dem beigefügten Faltblatt und der Rückseite dieses Schreibens. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Ihre(n) Erhebungsbeauftragte/n.

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Für Ihre Unterstützung beim Zensus 2011 danken wir Ihnen ganz herzlich.

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Diejenigen allgemeinen Begriffsmerkmale eines Verwaltungsakts, die auch eine Allgemeinverfügung erfüllen muss, sind hier nicht gegeben. Zwar scheitert die Rechtsqualität einer Regelung nicht bereits daran, dass sie in einem Informationsschreiben enthalten ist und den Adressaten für ihre Unterstützung beim Zensus 2011 ausdrücklich gedankt wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, NJW 1987, 1839). Das Informationsschreiben hat aber keinen Regelungscharakter mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen, indem es die Rechtslage verbindlich durch Verwaltungsakt feststellt (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, PharmR 2010, 534). Denn bei zutreffendem Verständnis zielt es nicht auf die Setzung einer Rechtsfolge, sondern erschöpft sich lediglich in Hinweisen auf die Rechtslage. Der Inhalt der in ihm zum Ausdruck gebrachten behördlichen Erklärung ist anhand der gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln; danach ist allein der erklärte Wille maßgebend, und zwar so, wie der Empfänger die für ihn bestimmte Erklärung nach Treu und Glauben hat auffassen dürfen (vgl. BVerwG, NVwZ 2010, 133). Aus der Sicht eines objektiven Empfängers informiert das Schreiben vom 9. Mai 2011 nur über die bevorstehende Befragung durch einen von der Kreisverwaltung Südliche Weinstraße bestellten Erhebungsbeauftragten. Es wird darauf hingewiesen, dass dieser den Empfänger des Schreibens „in den kommenden Tagen aufsuchen“ wird, um mit ihm gemeinsam festzustellen, ob er und ggf. mit ihm gemeinsam wohnende Personen in die Befragung einzubeziehen sind. Ferner wird der Empfänger darauf aufmerksam gemacht, dass er die Möglichkeit hat, die Erhebungsunterlagen mit dem Erhebungsbeauftragten gemeinsam oder innerhalb von 14 Tagen selbst auszufüllen. Von einer verbindlichen Regelung mit Außenwirkung kann daher keine Rede sein.

13

Ein Verwaltungsakt, der im Wege eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt., 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 15 Abs. 6 BDatSchG angegriffen werden kann, liegt sicher dann vor, wenn die für die Haushaltebefragung nach dem ZensG 2011 zuständigen Stellen gegenüber den nach § 18 Abs. 1 Satz 1 ZensG 2011 von Gesetzes wegen zur Auskunft Verpflichteten förmliche Bescheide erlassen werden. Dazu hat der Antragsgegner im Verfahren angegeben, demnächst würden erst einfache Erinnerungsschreiben an diejenigen Personen erfolgen, die ihrer Auskunftspflicht bisher nicht nachgekommen seien. Erst danach würden förmliche Heranziehungsbescheide mit Zwangsgeldandrohung ergehen.

14

Ist das Begehren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs damit schon unstatthaft, so war der Hauptantrag als unzulässig abzulehnen.

15

Nur der Vollständigkeit halber weist die Kammer ferner darauf hin, dass der Antrag in Übrigen auch unbegründet ist. Denn er richtet sich gegen den falschen Antragsgegner.

16

Unterstellt, das Informationsschreiben vom 9. Mai 2011 wäre ein Verwaltungsakt, so wäre im vorliegenden Verfahren nicht der Antragsgegner, sondern der Landkreis S passivlegitimiert im Sinne des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (zur systematischen Einordnung des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO s. z.B. BVerwG, NVwZ-RR 2003, 41; OVG Rheinland-Pfalz, NVwZ 1987, 296).

17

Nach § 1 des Landesgesetzes zur Ausführung des Zensusgesetzes 2011 vom 28. September 2010 – AGZensG 2011 - (GVBl 2010, 269) ist das Statistische Landesamt zuständige Behörde für die Vorbereitung und Durchführung des Zensus 2011 nach § 1 Abs. 1 ZensG 2011, soweit nicht nach Maßgabe dieses Gesetzes eine Aufgabenübertragung auf die kreisfreien Städte und die Landkreise erfolgt. Gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 8 AGZensG 2011 sind zuständig für die Erhebung im Rahmen der Haushaltebefragung die kreisfreien Städte und die Landkreise, die jeweils eine Erhebungsstelle einrichten und diese mit dem erforderlichen Personal ausstatten. Gemäß § 3 Abs. 2 AGZensG 2011 nehmen sie die ihnen mit diesem Gesetz übertragenen Aufgaben als Auftragsangelegenheit wahr. Folglich wäre hier der Landkreis S passivlegitimiert.

II.

18

Der Hilfsantrag der Antragsteller, dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, bis zum rechtskräftigen Abschluss des anhängigen oder eines anhängigen Musterverfahrens keine weitere Erhebungen zu Lasten der Antragstellerin vorzunehmen und die Datenzusammenführung nach § 12 ZensG 20911 nicht zu vollziehen, kann ebenfalls keinen Erfolg haben.

19

Zunächst unterstellt die Kammer zugunsten der Antragsteller, dass sich der Hilfsantrag auf beide Antragsteller beziehen soll und es sich nur um einen offensichtlichen Schreibfehler handelt.

20

Dem Begehren fehlt schon das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Wie oben ausgeführt, ist bisher gegenüber den Antragstellern kein verbindlicher Verwaltungsakt erlassen worden. Folglich besteht gegenwärtig schon keine Gefahr, dass weitere Erhebungen zu Lasten der Antragsteller vorgenommen werden und eine Datenzusammenführung nach § 12 ZensG 2011 vollzogen wird.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 GKG i. V. m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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