Beschluss vom Verwaltungsgericht Oldenburg (Oldenburg) (5. Kammer) - 5 B 2302/14

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 27. Juni/ 11. Juli 2014 gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 25. Juni 2014 wird angeordnet bzw. wiederhergestellt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Streitwert wird auf 159.622,60 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

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Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Aussetzungsantrag gegen einen Bescheid, mit dem die Antragsgegnerin ihr unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung eines Zwangsgeldes ab dem 1. September 2014 die gewerbliche Sammlung von Altpapier aus privaten Haushaltungen im Gebiet der Stadt O. untersagt hat sowie gegen die dafür geforderten Verwaltungskosten.

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Bei der Antragstellerin handelt es sich um einen Zusammenschluss von vier Unternehmen - Containerdienst M., H., N. und S. - in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).

3

Unter dem 3. Juni 2003 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass sie ab dem Jahr 2004 für einen Zeitraum von zehn Jahren eine gewerbliche Sammlung von Altpapier (Papier, Pappe, Kartonagen - PPK -) aus privaten Haushaltungen im Bereich der Stadt O. als „Holsystem“ („blaue Tonnen“) beabsichtige (Bl. 2 Beiakte A). Die Antragsgegnerin bestätigte mit Schreiben vom 4. September 2003 (Beiakte B) den Eingang der Mitteilung und teilte mit, dass der beabsichtigten Sammlung überwiegende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen (Anlage ASt4 zur Antragsschrift). Eine Altpapiersammlung durch die Antragsgegnerin fand in den Folgejahren - abgesehen von der Annahme an Wertstoffhöfen - nicht statt.

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Vor dem Hintergrund einer die gewerbliche Sammlung von Altpapier betreffenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 18. Juni 2009 - 7 C 16.08 -, BVerwGE 134, 154) und der seinerzeit bevorstehenden Novellierung des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen - KrW-/AbfG - schlossen die Beteiligten „zur Vermeidung etwaiger streitiger Auseinandersetzungen über die Konsequenzen dieser nicht abschließend geklärten Rechtslage“ am 16. Juni 2011 eine bis zum 31. Dezember 2013 geltende Vereinbarung - Partizipationsvereinbarung - (Beiakte C). Darin verpflichteten sich die Antragsgegnerin, bis Ende 2013 keine eigene Altpapiersammlung im Holsystem durchzuführen, und die Antragstellerin zu einer Beteiligung der Antragsgegnerin an den Erlösen ihrer Sammlung. Für den Zeitraum ab 2014 behielt sich die Antragsgegnerin die Durchführung einer eigenen Sammlung vor.

5

Mit Schreiben vom 22. August 2012 (Beiakte A) wies die Antragstellerin die Antragsgegnerin anlässlich der seinerzeit neu geschaffenen Regelung zur Anzeigepflicht in § 18 Abs. 1, § 72 Abs. 2 des Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen - Kreislaufwirtschaftsgesetz - KrWG - auf die von ihr bereits betriebene Altpapiersammlung hin und bekräftigte und wiederholte vorsorglich ihre Anzeige. Am 25. April 2013 wiederholte sie diese Anzeige im Hinblick auf eine die Zuständigkeit für die Anzeige von Sammlung betreffende Entscheidung des Nds. Oberverwaltungsgerichtes (Urteil vom 21. März 2013 - 7 LB 56/11 -, NdsVBl 2013, 218) vorsorglich auch gegenüber dem Nds. Umweltministerium. Zuvor hatte die Antragstellerin mit einem weiteren Schreiben an die Antragsgegnerin vom 16. November 2012 (Beiakte A) mitgeteilt, es sei beabsichtigt, die Sammlung über das Jahr 2013 hinaus und zeitlich unbefristet durchzuführen. An den bisherigen Durchführungsmodalitäten ändere sich nichts.

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Mit Wirkung zum 1. Januar 2014 führte die Antragsgegnerin als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger eine öffentliche Altpapiersammlung durch den Abfallwirtschaftsbetrieb der Stadt O. (A.), einen Eigenbetrieb der Antragsgegnerin, ein. Seitdem erfolgt die Sammlung des Altpapiers im Gebiet der Stadt O. in zeitlicher Staffelung sowohl durch die Antragstellerin als auch durch den A..

7

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2013 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu einer beabsichtigten Untersagung der gewerblichen Sammlung an. Hierzu nahm die Antragstellerin mit Schreiben vom 17. Januar 2013, 28. März und 17. April 2014 Stellung. Unter dem 8. Mai 2014 führte die Antragsgegnerin eine erneute Anhörung durch. Dabei kündigte sie an, auf eine Untersagungsverfügung zu verzichten, wenn sich die Antragstellerin zu einer Beschränkung der Sammelmenge auf maximal 1.950 t, d.h. 15 % des gesamten Altpapieraufkommens bereit erkläre, weil in diesem Fall eine wesentliche Beeinträchtigung der Organisations- und Planungssicherheit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers i.S.d. § 17 Abs. 3 KrWG nicht mehr gegeben sei. Die Antragstellerin gab eine entsprechende Erklärung nicht ab.

8

Daraufhin erließ die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 25. Juni 2014 eine abfallrechtliche Verfügung, mit der sie der Antragstellerin unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung untersagt hat, ab dem 1. September 2014 im Gebiet der Stadt O. Altpapier aus privaten Haushaltungen im Wege einer gewerblichen Sammlung zu sammeln. Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte sie ihr zudem ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR pro Sammeltag an, wobei sie sich eine Änderung der Höhe des Zwangsgeldes vorbehielt. Die Kosten des Verfahrens setzte die Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin in Höhe von 1.490,40 EUR fest.

9

Zur Begründung der Untersagungsverfügung führte sie aus:

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Die Antragstellerin könne bereits kraft Gesetzes als BGB-Gesellschaft nicht Trägerin einer gewerblichen Sammlung sein, da § 3 Abs. 10 KrWG ausdrücklich vorsehe, dass Sammler von Abfällen nur natürliche oder juristische Personen sein könnten, nicht dagegen Personengesellschaften.

11

Im Übrigen stützte die Antragsgegnerin die Untersagungsverfügung auf § 18 Abs. 5 Satz 2, 2. Var. KrWG, weil die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG genannten Voraussetzungen anders nicht zu gewährleisten sei. Der gewerblichen Sammlung durch die Antragstellerin stünden überwiegende öffentliche Interessen entgegen, weil deren Sammlung die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers aufgrund einer wesentlichen Beeinträchtigung seiner Planungssicherheit und Organisationsverantwortung gefährde. Alle drei in § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG enthaltenen Regelbeispiele, die jeweils unwiderlegliche Vermutungen für die Annahme einer solchen Beeinträchtigung enthielten, seien erfüllt.

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Die Sammlung der Antragstellerin umfasse Abfälle, für die sie - die Antragsgegnerin - eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführe (§ 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG). Da die Antragstellerin ihre Sammlung auch in Zukunft ohne mengen- oder flächenmäßige Begrenzung fortführen wolle, komme es auf Frage, ob die Sammlung „mehr als nur geringen Anteile“ des gesamten Aufkommens der Abfallart im Entsorgungsgebiet umfasse und damit eine in der Rechtsprechung teilweise angenommene Wesentlichkeitsschwelle, die bei 10 bis 15 % einer Abfallfraktion liege, überschritten werde, nicht an. Dies habe auch erhebliche organisatorische Auswirkungen, weil der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger seine Touren frühzeitig planen und den Besitzern die Abholtermine entsprechend langfristig mitteilen müsse, so dass es nicht möglich sei, durch die Straffung von Touren flexibel auf etwaige geringere Mengen von gesammeltem Altpapier zu reagieren.

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Der von der Antragstellerin am 3. Juni 2003 angezeigte Sammelzeitraum bis Ende 2013 sei beendet. Erst nach dem Beschluss des Rates der Stadt O. vom 16. Juli 2012, eine eigene Altpapiersammlung ab 2014 durchzuführen, sei am 16. November 2012 eine weitere Anzeige der Antragstellerin erfolgt, ab 2014 gewerblich Altpapier zu sammeln. Anders als im Jahr 2003 habe weder ihr - der Antragsgegnerin - noch dem Rat zum Zeitpunkt seiner Beschlussfassung eine sichere und einen festen Zeitraum umfassende Erklärung zur Durchführung der Sammlung vorgelegen. Auch hätte es der Antragstellerin aufgrund der geschlossenen Partizipationsvereinbarung, in der eine eigene Sammlung „vorbehalten“ worden sei, erkennbar sein müssen, dass sich der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger ab 2014 der Aufgabe der Altpapiersammlung stellen werde. Sie - die Antragsgegnerin - habe auch aufgrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 2009 davon ausgehen können, dass sie ihre gesetzliche Aufgabe erfüllen dürfe und wahrzunehmen habe. Um diese Aufgabe sicherzustellen sei auf der Grundlage des Ratsbeschlusses vom 16. Juli 2012 mit der Schaffung der Infrastruktur begonnen worden, um die Sammlung und Verwertung des Altpapiers ab 2014 durchführen zu können. Im Mai bzw. Juli 2013 seien die Aufträge für die Behälter- und Fahrzeugbeschaffung und die Altpapierverwertung vergeben, im November 2013 sei mit der Verteilung der Papiertonnen begonnen worden. Es seien drei Seitenlader angeschafft und zum November 2013 vier zusätzliche Mitarbeiter eingestellt worden. Die Abfallwirtschaftssatzung sei in der Ratssitzung vom 26. August 2013 geändert worden. Die kommunale Einsammlung erfolge flächendeckend im gesamten Stadtgebiet bei Grundstücken mit privaten Haushaltungen und sonstigen privaten Endverbrauchern, die sich der öffentlich-rechtlichen Sammlung freiwillig angeschlossen haben. Mit einem Anteil von etwa 60 % der gesamten Menge an Altpapier überschreite die Antragstellerin die Wesentlichkeitsschwelle deutlich.

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Durch die Sammlung der Antragstellerin werde auch die Stabilität der Gebühren gefährdet (§ 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 KrWG). Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger sei verpflichtet, die Benutzungsgebühren kostendeckend zu kalkulieren und müsse daher auch die Erlöse aus der Verwertung von Altpapier berücksichtigen. Darüber hinaus sei beabsichtigt, nicht nur eine Kostendeckung im Teilbereich Altpapiersammlung, sondern Überschüsse für nicht kostendeckende Teilbereiche der Abfallsammlung (Restabfall, Sperrmüll, Sonderabfall usw.) und damit eine nachhaltige Stabilisierung oder Verminderung der Abfallgebühren zu erreichen. Ohne die Deckungsbeiträge würden der Entlastungseffekt verhindert und nicht einmal die betroffenen Sammelaufwendungen gedeckt werden. Die gesamten jährlichen Kosten, die durch Gebühren aufzubringen seien, beliefen sich auf 12.793.000 EUR jährlich (einschließlich des Sammelaufwands für 50 % des Altpapiers). Für die beschlossene Kalkulation im Gebührenbereich Abfallsammlung sei für die Altpapiersammlung im Jahr 2014 in Konkurrenz zur Antragstellerin von einer Sammelquote von 50 % ausgegangen worden. Bei dieser Quote sei unter Berücksichtigung der derzeitigen Marktpreise für Altpapier und einem gesamten Altpapieraufkommen von 12.000 t jährlich von einer Kostendeckung bzw. einem nur geringen Verlust auszugehen, der aber (noch) nicht zu einer Gebührenveränderung führen müsse. Unterhalb dieser Quote wäre die Sammlung defizitär, bei einer Sammelmenge von „0“ beliefe sich das Defizit auf 554.000 EUR jährlich, was einem Anteil von 4,4 % an den Gesamtkosten bedeute. Bei einer Sammlung ausschließlich durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger könnte laut Gutachten des Ingenieurbüros A. (Vorlage-Nr. 12/0693 zur Sitzung des Betriebsausschusses Abfallwirtschaftsbetrieb vom 18. Oktober 2012, Beiakte F) durch die Altpapiersammlung ein jährlicher Deckungsbeitrag von rund 531.000 EUR erzielt und die Gesamtkosten um 10,1 % reduziert werden. Bis Ende Mai 2014 seien durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger 2.317,1 t und durch die Antragstellerin 3.330,0 t Altpapier eingesammelt worden. Hochgerechnet auf das gesamte Jahr ergebe sich eine Gesamtsammelmenge von 13.550 t Altpapier. Die Sammlung der Antragstellerin führe zu einer Entziehung von Papiermengen in einem Umfang von mehr als 50 %, deren Ausbleiben zu steigenden Gebühren führen und somit einer Gebührenstabilität entgegenwirken würde. Nach den Planungszahlen für 2014 ergebe sich eine Gebührendifferenz von rund 10 % als Unterschied zwischen einer ertragsgleichen Fortführung der Sammlung durch die Antragstellerin und deren durch Untersagung zu erwirkendem Ausbleiben, die eine deutliche Beeinträchtigung darstelle. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Gesamtkostenentwicklung für das Jahr 2014 völlig unklar sei, weil bei den Abfallbesitzern teilweise noch beide Tonnen vorhanden seien und das Verhalten dieser Bürger nicht prognostizierbar sei.

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Schließlich werde durch die Sammlung der Antragstellerin auch die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb erheblich erschwert oder unterlaufen (§ 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG). Mit der Übernahme und Verwertung des von dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger gesammelten Altpapiers sei ein Dritter beauftragt worden. Wegen der Überschreitung des Schwellenwertes sei diese Leistung nach europaweiter Ausschreibung in einem offenen Verfahren zu vergeben. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger habe sich für die Vergabeunterlagen bei der zu erwartenden jährliche Sammelmenge an den von der Antragstellerin bisher gesammelten Altpapiermengen orientiert. Eine gewerbliche Sammlung würde der parallel durchgeführten kommunalen Sammlung Altpapiermengen entziehen, mit der Folge, dass die für den beauftragten Dritten zugrunde gelegte Kalkulationsmenge nicht mehr erreichbar sei und die Vergabeentscheidung mit der dargestellten Gewichtigkeit unterlaufen würde. Wäre bei der Ausschreibung nicht eine konkurrierende Sammlung zu berücksichtigen gewesen, hätten die Bieter möglicherweise höhere Angebote unterbreiten können, was bei sicherer Zugrundelegung des ungeteilten Gesamtvolumens von 12.000 t ggf. weiter zur Gebührenstabilität hätte beitragen können.

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Die von der Antragstellerin durchgeführte Sammlung und Verwertung der Abfälle sei auch nicht im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG wesentlich leistungsfähiger als die von dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger angebotene Leistung, so dass die Regelbeispiele in § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 und 2 KrWG auch anwendbar seien.

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Darüber hinaus stünden überwiegende öffentliche Interessen gem. § 17 Abs. 3 Satz 1, 3. Var KrWG der Sammlung der Antragstellerin auch deshalb entgegen, weil sie die Funktionsfähigkeit des auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 25 KrWG eingerichteten Rücknahmesystems im Sinne des § 6 Abs. 3 Verpackungsverordnung - VerpackV - gefährde. Von den Nutzern einer Altpapiertonne würden regelmäßig auch solche PPK-Abfälle in die Tonne eingegeben, die eigentlich Verpackungsabfall seien. Sie - die Antragsgegnerin - habe mit der Duales System Deutschland GmbH, der L. und der E. gem. § 6 Abs. 4 Satz 5 VerpackV Vereinbarungen geschlossen, nach denen diese Rücknahmesysteme ab 2014 die städtische Altpapiersammlung für die Erfassung der entsprechenden Verpackungsabfälle mitnutzen und sich gleichzeitig zu einer entsprechenden Leistungserbringung verpflichtet. Mit den anderen sechs Rücknahmesystemen liefen Verhandlungen. Damit sei zur Erbringung der erforderlichen Mengenstromnachweise für die dualen Systeme die ungeschmälerte Erfassung der von den Bürgern überlassenen PPK-Verkaufsverpackungen erforderlich. Da die Antragstellerin eine solche Abstimmung mit den Systembetreibern nicht vorgelegt habe, würden diese Abfälle dem Rücknahmesystem der Verpackungsverordnung entzogen.

18

Die Untersagung sei auch verhältnismäßig. Der Zeitpunkt für das Wirksamwerden der Untersagung zum 1. September 2014 sei gewählt worden, um u.a. der Antragstellerin ausreichend Gelegenheit zu geben, sich betrieblich auf die Beendigung der Sammlung einzustellen. Die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG könne auch nicht durch Bedingungen, Befristungen oder Auflagen sichergestellt werden. Eine befristete Duldung der Sammlung der Antragstellerin würde zwangsläufig zu einer Gebührenerhöhung führen und die jetzt strittige Situation nur verschieben. Auch eine Aufteilung des Stadtgebietes auf zwei Sammlungen komme nicht in Betracht, da der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger seine Planungen auf eine 100 %ige Sammelmenge ausgerichtet und entsprechende Investitionen getätigt habe. Der Schutz der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers rechtfertige die mit der Untersagung verbundenen Beeinträchtigungen der Interessen der Antragstellerin, zumal sich deren auf zehn Jahre ausgerichtete Sammlung amortisiert haben dürfte und sie rechtzeitig auf die geplante Aufnahme einer eigenen Sammlung hingewiesen worden sei.

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 Ein gegebenenfalls nach § 18 Abs. 7 KrWG zu beachtendes schutzwürdiges Vertrauen sei in ausreichendem Maße beachtet worden. Ob diese Vorschrift überhaupt auf die gebundene Untersagungsverfügung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG anwendbar sei, könne offen bleiben. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Antragstellerin sei jedenfalls nicht verletzt. Die Antragstellerin habe die von ihr ab Januar 2004 durchgeführte Altpapiersammlung für die Dauer von zehn Jahren und damit am 31. Dezember 2013 endend angezeigt. Die von ihr - der Antragsgegnerin - zum 1. Januar 2004 beabsichtigte Umstellung der Papiersammlung vom defizitären Depotcontainersystem auf ein flächendeckendes Holsystem sei nur deswegen nicht realisiert worden, weil die Antragstellerin seinerzeit eine eigene Sammlung angezeigt habe und diese nach den damals geltenden gesetzlichen Regelungen nicht zu verhindern gewesen wäre. Daher seien die eigenen Planungen zunächst zurückgestellt worden. Aufgrund dieser Rahmenumstände sei der Antragstellerin auch bekannt gewesen, dass die mit der Sammlungsanzeige der Antragstellerin korrespondierende städtische Erklärung aus 2003 auch nur zeitlich begrenzt gewesen sei. Die Frage der Schutzwürdigkeit der Sammlung sei auch Thema mehrerer Gespräche gewesen, die schließlich im Juni 2011 zum Abschluss einer Partizipationsvereinbarung geführt hätten. Darin seien ein Übergangsschutz der Antragstellerin bis Ende 2013 und der Vorbehalt der Durchführung einer eigenen Papiersammlung der Stadt O. ab Januar 2014 enthalten gewesen. Die Antragstellerin habe damit spätestens ab Mitte 2011 davon ausgehen müssen, dass eine kommunale Sammlung aufgenommen werde und sich hieraus für sie Konsequenzen ergeben. Im Übrigen schütze § 18 Abs. 7 KrWG nur Bestandssammlungen, zu denen die Sammlung der Antragstellerin nicht gehöre, da sie für die Dauer von zehn Jahren befristet und damit zum 31. Dezember 2013 endend angezeigt worden sei. Die zum Januar 2014 aufgenommene Sammlung habe die Antragstellerin am 16. November 2012 neu angezeigt. Auch die am 22. August 2012 nach § 72 Abs. 2 KrWG erstattete Anzeige habe nur die bis Ende 2013 begrenzte Sammlung betroffen.

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Die Untersagung sei - ungeachtet der streitigen Vereinbarkeit der in §§ 17, 18 KrWG getroffenen Regelungen mit europarechtlichen Vorgaben - im Ergebnis europarechtsrechtkonform. Maßgeblich sei die Verantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers für die dem Bereich der nach Art. 106 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - geschützten Daseinsvorsorge zugeordneten Hausmüllentsorgung, die sich auch auf die europarechtlich als Abfall definierten Reinfraktionen erstrecke, wozu auch das Altpapier gehöre. Um diese Aufgabe unter wirtschaftlich tragbaren Bedingungen erfüllen zu können, sei der Verantwortliche darauf angewiesen, aufgabeninterne Quersubventionierungsmöglichkeiten zu realisieren. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn gewerbliche Sammler die erlösträchtigen Reinfraktionen erfassten und dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ausschließlich die Entsorgung der kostenträchtigen Hausmüllfraktionen verbliebe.

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Der Grund für die Anordnung der sofortigen Vollziehung bestehe darin, dass dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger durch getätigte Investitionen und die Einstellung von Personal bereits erhebliche Kosten entstanden seien, die durch die aus der Papierverwertung erzielten Erlöse gedeckt werden sollten. Ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung entstünden dem A. laufend weitere finanzielle Einbußen. Zudem solle dem Einwand einer finanziellen Unterdeckung der kommunalen Sammlung entgegengewirkt werden. Die derzeitige Situation führe sowohl in der Kommunalpolitik als auch in der Berichterstattung teilweise zu der Forderung der Einstellung der kommunalen Sammlung von Altpapier. Eine solche Entscheidung habe jedoch erhebliche finanzielle Nachteile und würde die entstandenen Arbeitsplätze gefährden. Auch sei es im Interesse der Abfallbesitzer, zeitnah Klarheit darüber zu erlangen, wie die Sammlung des Altpapiers in O. zukünftig organisiert ist. Ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache würde durch fehlende Erträge aus der Altpapiersammlung zu einer Gebührenbelastung derjenigen führen, die sich an der kommunalen Sammlung beteiligen. Das Interesse der Antragstellerin habe demgegenüber zurückzutreten, zumal sie für den Fall eines Obsiegens in der Hauptsache ihre Sammlung zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen könne, ihr die Aufnahme einer kommunalen Sammlung seit langem bekannt gewesen sei, so dass sie sich auf die Untersagungsverfügung hätte einstellen können und nicht ersichtlich sei, dass die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin, die von vier leistungsstarken Entsorgungsunternehmen getragen werde und auch andere Geschäftsbereiche umfasse, bei einer (vorübergehenden) Einstellung der Sammlung gefährdet sei.

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Die Androhung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung der Anordnung sei das mildeste geeignete Mittel und sowohl der Sache als auch der Höhe nach angemessen. Die Höhe von 2.000 EUR pro angefangenen Sammeltag berücksichtige das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin an der weiteren Durchführung der Sammlung. Ausgehend von einem Sammelvolumen von 10.000 t ergebe sich ein tägliches Sammelvolumen von 40 t, das bei einem durchschnittlichen Vermarktungspreis von 50 EUR/ t je Sammeltag ein wirtschaftliches Interesse von 2.000 EUR ergebe.

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Die Kostenentscheidung beruhe auf §§ 1, 3, 5, 9 und 13 des Nds. Verwaltungskostengesetzes sowie § 1 Nr. 2.1.7.1 und Nr. 26.4 der Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen - AllGO - und der Verordnung zur Änderung der AllGO vom 30. November 2011. Da der tatsächlich erforderliche Verwaltungsaufwand die maximale Bemessungsgrenze überschreite, sei mit 1.410 EUR der Höchstbetrag des Gebührenrahmens angesetzt worden. Für die schriftliche Androhung von Zwangsmitteln sei eine Gebühr von 75 EUR zu erheben. Hinzu kämen Auslagen in Höhe von 5,40 EUR.

24

Unter dem 27. Juni/ 11. Juli 2014 legten die Antragstellerin sowie deren Gesellschafter und, soweit vorhanden, deren persönlich haftenden und geschäftsführenden Gesellschafter gegen den Bescheid vom 25. Juni 2014 Widerspruch ein. Ihren gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte die Antragsgegnerin mit E-Mail vom 17. Juli 2014 ab.

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Am 14. Juli 2014 hat die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung führte sie aus:

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1. a) Der streitgegenständliche Bescheid sei bereits formell rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin sie - die Antragstellerin - nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße angehört habe. Eine Anhörung sei nur zur Untersagung der gewerblichen Sammlung, nicht dagegen zur Anordnung des Sofortvollzuges erfolgt. Dies wäre aber im Hinblick auf die damit verbundenen schweren Grundrechtseingriffe erforderlich gewesen. Dass die Antragsgegnerin im Anhörungsschreiben zur beabsichtigten Untersagungsverfügung angedeutet habe, die Anordnung des Sofortvollzugs zu einem späteren Zeitpunkt in Erwägung zu ziehen, genüge für eine ordnungsgemäße Anhörung nicht, da unklar geblieben sei, ob und zu welchem Zeitpunkt eine solche Anordnung beabsichtigt sei.

27

Auch habe die Antragsgegnerin sie - die Antragstellerin - nicht zu der erstmals vertretenen Auffassung angehört, sie könne mit der Rechtsform als A…. und damit einer BGB-Gesellschaft nicht Trägerin einer gewerblichen Sammlung sein.

28

Schließlich sei der Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt worden, dass die Antragsgegnerin trotz mehrfacher Aufforderung entscheidungserhebliche Sachverhalte nicht mitgeteilt habe. Die Antragsgegnerin habe trotz entsprechender Aufforderung weder die Sammelmengen des A. und die gesamten Erfassungsmengen des Jahres 2014 noch die daraus von ihr - der Antragsgegnerin - abgeleiteten Folgerungen und rechtlichen Bewertungen mitgeteilt, obwohl die Altpapiermengen des Jahres 2014 zentraler Gegenstand der Annahme überwiegender öffentlicher Interessen seien.

29

Auch sei im Vorfeld des Verfahrens in nur unzureichender Weise Akteneinsicht gewährt worden. Zentrale Sachverhaltsannahmen zu kosten- und gebührenmäßigen Auswirkungen der gewerblichen Sammlung, auf die die Untersagungsverfügung gestützt worden sei, seien den zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellten Verwaltungsvorgängen nicht zu entnehmen gewesen.

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b) Die Untersagungsverfügung sei auch deshalb formell rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin für die Untersagung nicht zuständig sei.

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Trotz der am 8. November 2013 in Kraft getretenen Änderung des § 42 Abs. 4 Niedersächsisches Abfallgesetz - NAbfG - bestehe eine Interessenkollision, weil die Antragstellerin einerseits als untere Abfallbehörde für die rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit einer gewerblichen Sammlung zuständig sei und andererseits als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger die „operative“ öffentliche Abfallentsorgung durch den A. als Eigenbetrieb durchführe. Diese „Doppelzuständigkeit“ verstoße gegen europarechtliche Vorgaben. Der Bundesgesetzgeber habe in § 18 Abs. 1 Satz 2 des Entwurfs zum Kreislaufwirtschaftsgesetz eine Trennung der Funktionen bundesgesetzlich vorgesehen und europarechtlich für geboten erachtet. Diese Regelung sei nur am Widerstand der Länder gescheitert. Da die durch § 42 Abs. 4 NAbfG bewirkte „Doppelzuständigkeit“ europarechtswidrig sei, müsse sie unangewendet bleiben, so dass die Antragsgegnerin für die Untersagungsverfügung nicht zuständig sei. Abgesehen davon, seien auch die Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt, so dass die Entscheidungszuständigkeit auf die oberste Abfallbehörde übergegangen sei. Die Antragsgegnerin sei zwar nicht „Adressatin“, wohl aber materiell bzw. sachlich als „Antragstellerin“ in Bezug auf die an sie - die Antragstellerin - gerichtete Untersagungsverfügung anzusehen, weil sie gegenüber dem Nds. Umweltministerium auf den Erlass der Untersagungsverfügung hingewirkt und sogar einen Entscheidungsentwurf übersandt habe.

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c) Jedenfalls sei hier die europarechtlich und verfassungsrechtlich gebotene organisatorische und personelle Trennung der Funktionen im Bereich der Antragstellerin nicht gewährleistet und damit gegen die rechtsstaatliche Neutralitätspflicht verstoßen worden. Eine innerorganisatorische Funktionentrennung müsse wirksam sicherstellen, dass keine Einflussnahme der die Funktionen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers wahrnehmenden öffentlichen Stellen auf die Entscheidungen der unteren Abfallbehörde stattfinde. Das sei hier nicht der Fall. Die Antragsgegnerin habe von Anfang an mit ihrer politischen Führung und ihrer Verwaltung einheitlich und geleitet vom Interesse an der „Protektion“ des A. mit dem Ziel agiert, die gewerbliche Sammlung der Antragstellerin aus dem Weg zu räumen. Vertreter des Rechtsamtes der Antragsgegnerin hätten an den maßgeblichen Sitzungen des Betriebsausschusses A. und des Rates teilgenommen und aktiv auf die Meinungsbildung eingewirkt, um davon zu überzeugen, dass die Einführung einer öffentlichen Altpapiererfassung alternativlos und gesetzlich vorgeschrieben sei und die gewerbliche Sammlung untersagt werden könne und müsse. Das Rechtsamt habe die untere Abfallbehörde bei dem Verbot der Sammlung beraten und begleitet. Die Antragsgegnerin habe sogar dem zwischenzeitlich zuständigen Niedersächsischen Umweltministerium den Entwurf einer Untersagungsverfügung mit der Bitte um Verwendung übersandt. Auch in diesem Stadium des Verfahrens habe eine Trennung der Funktionen nicht stattgefunden. Entsprechende Vorkehrungen zur Funktionentrennung seien auch nicht getroffen worden. An die Antragsgegnerin als untere Abfallbehörde gerichtete Schreiben seien ausweislich der Eingangsstempel an den A. weitergeleitet worden (Bl. 1 Beiakte A). Die für den A. zuständige Dezernentin habe ein Schreiben der unteren Abfallbehörde vom 30. April 2013 an das Nds. Umweltministerium unterzeichnet (Bl. 314 Gerichtsakte - GA -).

33

Die untere Abfallbehörde habe die Neutralitätspflicht auch dadurch verletzt, dass sie eine eigene Sachverhaltsermittlung nicht angestellt habe, sondern „auf Zuruf“ des A. tätig geworden sei und dessen Behauptungen über Deckungsgrade, Kosten, Erlöse und die Gesamtwirtschaftlichkeit der öffentlichen Sammlung ungeprüft übernommen habe. Das gelte insbesondere für die unzutreffenden Behauptungen des A. zu exklusiven „Mitbenutzungsvereinbarungen“ mit einzelnen Verpackungsrücknahmesystemen, welche die Antragsgegnerin zur Grundlage des Anhörungsschreibens gemacht und erst in der Untersagungsverfügung korrigiert habe. Auch aus den Verwaltungsvorgängen sei ersichtlich, dass der A. in vielfältiger Weise auf das Untersagungsverfahren Einfluss genommen habe.

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Für eine Verletzung der Trennungsverpflichtung spreche auch, dass sich die Antragsgegnerin von derselben Rechtsanwaltskanzlei beraten und vertreten lasse, die in der Vergangenheit auch den A. umfassend beraten habe und die in deren Auftrag rechtsgutachtliche Stellungnahmen unter anderem zu der Frage, ob die Stadt O. in der Lage sei, die gewerbliche Sammlung zu untersagen, erstellt habe, mit dem Ziel, die konkurrenzlose Einführung der öffentlichen Altpapiererfassung durch die Beseitigung der gewerblichen Sammlung zu ermöglichen. Dieselben Rechtsanwälte verträten jetzt die Antragsgegnerin in ihrer Funktion als untere Abfallbehörde hinsichtlich der Entscheidung über die Zulässigkeit der gewerblichen Sammlung und hätten diese auch im Vorfeld beraten.

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2. Die Untersagungsverfügung sei darüber hinaus auch materiell rechtswidrig.

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a) Die von ihr - der Antragstellerin - gesammelten PPK-Abfälle seien von der Überlassungspflicht des § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG bereits nicht erfasst, so dass es auch nicht einer entsprechenden Befreiung von dieser Verpflichtung gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG bedürfe. Zwar handele es sich bei Altpapier nach aktueller Rechtslage und vorbehaltlich einer Verordnungsregelung über das „Abfallende“ auf der Grundlage von § 5 Abs. 2 KrWG bzw. Art. 6 Abs. 2 EU-Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG um verwertbaren Abfall. Allerdings spreche einiges dafür, dass die Überlassungspflicht für „sortenrein“ erfasste verwertbare Abfälle aus privaten Haushaltungen mit den europarechtlichen Vorgaben nicht vereinbar und daher nicht anzuwenden sei. Anders als gemischte Siedlungsabfälle seien „sortenrein“ erfasste und der Verwertung zugeführte Abfälle gerade nicht durch EU-Sekundärrecht mit der Folge einer Verpflichtung und Befugnis der Mitgliedstaaten zur Entsorgungsautarkie vom freien Warenverkehr ausgeschlossen. Der deutsche Gesetzgeber habe sich bei der Regelung des § 17 Abs. 3 KrWG zu Unrecht auf Art. 106 Abs. 2 AEUV gestützt, der unter engen Voraussetzungen mitgliedstaatliche Einschränkungen der Warenverkehrsfreiheit zulasse. Die Regelung könne Einschränkungen sekundärrechtlicher Regelungen nicht rechtfertigen, da sie bereits nach ihrem Wortlaut auf Abweichungen von den „Vorschriften der Verträge“, also des Primärrechts, beschränkt sei. Der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lasse sich ein weitergehender Anwendungsbereich nicht entnehmen. Es widerspreche auch Sinn und Zweck der Norm, sie auf Bereiche und Sachverhalte anzuwenden, in denen der „EU-Gesetzgeber“ bereits regelnd tätig geworden sei und - wie hier - in einem langwierigen Richtliniengebungsverfahren durch detaillierte Regelungen einen Ausgleich zwischen Freiverkehrsinteressen der EU und etwaigen Einzelinteressen der Mitgliedstaaten gefunden habe.

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b) Unabhängig davon könne sie - die Antragstellerin - sich auf die Befreiung von der Überlassungspflicht für gewerbliche Sammlungen gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG berufen.

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aa) Die von der Antragsgegnerin vertretene und auf - revisionsanhängige - Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes gestützte Auffassung, dass eine BGB-Gesellschaft nicht Träger einer gewerblichen Sammlung sein könne, weil die Definition des „Sammlers von Abfällen“ in § 3 Abs. 10 KrWG, auf welcher die Definition der gewerblichen Sammlung in § 3 Abs. 18 KrWG aufbaue, nur natürliche oder juristische Personen, nicht dagegen Personengesellschaften erfasse, sei unzutreffend. Der Begriff der „juristischen Person“ sei weit auszulegen und umfasse auch Personengesellschaften, die im Rechts- und Geschäftsverkehr eigenständig auftreten und juristischen Personen in allen Bereichen des Rechtsverkehrs gleichgestellt seien. Daher sei es ausgeschlossen, dass der Bundesgesetzgeber Personengesellschaften als Akteure an der Abfallwirtschaft ausschließen wollte, zumal dies bedeuten würde, dass Personengesellschaften auch weder Erzeuger noch Besitzer von Abfällen im Sinne des § 3 Abs. 8 bzw. 9 KrWG sein könnten und so eine unüberbrückbare Diskrepanz zwischen den zivilrechtlichen Handlungsmöglichkeiten von Personengesellschaften und deren abfallrechtlicher Pflichtenstellung entstehen würde.

39

Der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vertretenen Auffassung stehe auch die EU-Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG entgegen, deren Anwendungsbereich sehr weit sei. So komme beispielsweise nach der Definition des Abfallerzeugers in Art. 3 Nr. 5 der Richtlinie „jede Person“ in Betracht, also auch Personengesellschaften. Die Begriffsbestimmung des Abfallerzeugers in § 3 Abs. 8 KrWG könne nicht enger verstanden werden. Eine Definition des Abfallsammlers enthalte die Richtlinie nicht. Der Begriff der Sammlung (Art. 3 Nr. 10) sehe aber eine Einschränkung hinsichtlich der Trägerschaft nicht vor.

40

Auch in den untergesetzlichen abfallrechtlichen Regelungen, wie § 2 Abs. 1 der Anzeige- und Erlaubnisverordnung, § 2 Abs. 1 Transportgenehmigungsverordnung oder § 2 Abs. 2 Beförderungserlaubnisverordnung - seien Personenvereinigungen ausdrücklich einbezogen und von einem weiten Begriff der juristischen Person ausgegangen worden.

41

bb) Durch ihre - der Antragstellerin - gewerbliche Sammlung werde das Altpapier auch gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt, indem es zu einer Papierfabrik nach V. verbracht und dort weiterverarbeitet werde.

42

cc) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin stünden der Sammlung überwiegende öffentliche Interessen nicht i.S.d. § 17 Abs. 3 KrWG entgegen.

43

Die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung sei nicht gefährdet. Dieser Verbotsmaßstab sei - auch aufgrund europarechtlicher Vorgaben - streng auszulegen. Da gesetzliche Überlassungspflichten grundsätzlich die Gewährleistung des freien Warenverkehrs berührten, bedürften sie der Rechtfertigung durch Art. 106 Abs. 2 AEUV. Selbst wenn man die grundsätzliche Überlassungspflicht des § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG für zulässig erachte, könne diese nur zum Tragen kommen, soweit es unbedingt erforderlich sei, um dem - insoweit beweisbelasteten - öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die Erfüllung seiner Aufgaben zu ermöglichen. Dies sei nicht der Fall.

44

Die Einführung der kommunalen Altpapiersammlung zum 1. Januar 2014 beruhe auf einer bewussten und freien Entscheidung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers. Eine abfallgesetzliche Verpflichtung der Antragsgegnerin habe es nicht gegeben, da die Entsorgung dieser Abfälle durch ihre - der Antragstellerin - gewerbliche Sammlung gewährleistet gewesen sei. Eine Unsicherheit an der Absicht, diese Sammlung über den 31. Dezember 2013 hinaus weiterzuführen, habe tatsächlich nicht bestanden, sei jedenfalls mit der Klarstellung im November 2012 und damit erheblich vor den maßgeblichen Investitionsentscheidungen der Antragsgegnerin ausgeräumt worden. Die Antragsgegnerin habe damit das Entstehen einer Konkurrenzsituation bewusst in Kauf genommen. Daher könne sie sich für die Untersagung auch nicht darauf berufen, ihre öffentliche Sammlung werde durch die gewerbliche Sammlung beeinträchtigt.

45

Eine solche Beeinträchtigung sei im Übrigen auch nicht gegeben. Die Antragsgegnerin sei - ebenso wie der A. - auf der Grundlage entsprechender Berechnungen selbst davon ausgegangen, dass bei einer Sammelquote von 50 % des mit 12.000 t/a angenommenen gesamten Altpapieraufkommens - also 6.000 t jährlich - von einem „kleinen Minus“ auszugehen sei, das zu keiner Gebührenveränderung führe bzw. Kostendeckung eintrete. Ausgehend von den im angefochtenen Bescheid genannten bisherigen tatsächlichen Sammelmengen sei auf das gesamte Jahr hochgerechnet mit 5.561 t nur von einer geringen Unterschreitung der angestrebten Sammelmenge auszugehen. Tatsächlich sei jedoch nach dem Ende der Anlaufphase mit einer deutlichen Überschreitung zu rechnen. Die Sammelmengen wiesen bereits jetzt eine sukzessiv steigende Tendenz aus, die vermutlich - auch aufgrund der förmlichen Untersagung - weiter steigen werde, weil sie zu einem Vertrauensverlust zulasten der angeblich rechtswidrigen gewerblichen Sammlung führe.

46

Die von der Antragsgegnerin in der Untersagungsverfügung verwendeten Prozentangaben zu den jeweiligen Mengenanteilen der Antragstellerin und des A. seien im Übrigen unzutreffend.

47

Die Altpapiererfassung könne damit kostendeckend betrieben werden. Die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers sei nicht gefährdet. Abzustellen sei dabei auf den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger insgesamt und nicht auf das Sammel- und Entsorgungssystem für eine bestimmte Abfallart. Aber auch bei isolierter Betrachtung der Altpapiererfassung könne im Hinblick auf die Kostendeckung und die zu erwartende Steigerung der Erfassungsmenge nicht von einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit ausgegangen werden.

48

Das bloße Nebeneinander einer flächendeckenden öffentlichen Entsorgung und der gewerblichen Sammlung führe nicht bereits zu der Annahme einer relevanten Beeinträchtigung öffentlicher Interessen, sondern sei vom Gesetzgeber in den Regelungen zu §§ 17, 18 KrWG gerade angelegt gewesen.

49

Soweit sich die Antragsgegnerin für die Annahme einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit auf eine mengenmäßige Wesentlichkeitsschwelle berufe, die bei etwa 15 % liege, missverstehe sie die diesbezügliche Rechtsprechung. Die dortige Annahme, dass jedenfalls bei einem solch geringen Erfassungsanteil nicht von einer Funktionsbeeinträchtigung ausgegangen werden könne, lasse nicht den Umkehrschluss zu, dass eine Überschreitung des Mengenanteils eine solche Gefährdung bedeute.

50

Dass der Antragsgegnerin im Umfang der gewerblichen Sammlung Verwertungserlöse entzogen werden, werde förmlich bestritten. Den Umfang der ihr entgehenden Überschüsse habe die Antragsgegnerin bisher nicht dargelegt. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb ursprünglich von einem jährlichen Überschuss von 227.000 EUR ausgegangen worden sei, nun aber von 531.000 EUR. Zudem seien die Berechnungen der Antragsgegnerin jedenfalls zum heutigen Zeitpunkt überholt, da die Tendenz des Anteils der öffentlichen Sammlung steigend sei. Selbst unter Annahme dieser Zahlen folge daraus keine Belastung der Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Entsorgung, da die behaupteten Mindererlöse im Verhältnis zur Höhe des Gebührenhaushaltes und den Gesamtkosten der öffentlichen Abfallentsorgung der Antragsgegnerin nur gering seien und eine Untersagung der gewerblichen Sammlung nicht rechtfertigten. Abgesehen davon könne aus Überschussausfällen keine Gefährdung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Entsorgung resultieren, die bereits bei einem kostendeckenden Betrieb gewährleistet sei.

51

Die in § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG enthaltenen Regelbeispiele seien möglicherweise bereits nicht europarechtskonform, jedenfalls handele es sich aber um widerlegbare Vermutungen, die nur innerhalb der Grenzen der Sätze 1 und 2 angewendet werden könnten. Diese seien im Übrigen auch nicht erfüllt.

52

Das Regelbeispiel in § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG sei nicht erfüllt, weil es dafür nicht ausreiche, dass neben einer „hochwertigen“ öffentlichen Altpapiererfassung eine gewerbliche Sammlung parallel durchgeführt werde. Zudem setze die Vorschrift sprachlich-grammatikalisch voraus, dass das öffentliche Erfassungssystem vorher vorhanden war, was hier nicht der Fall gewesen sei. Im Übrigen sprächen verschiedene Gesichtspunkte für die Annahme, dass die gewerbliche Sammlung i.S.d. § 17 Abs. 3 Satz 4 bis 6 KrWG eine höhere Leistungsfähigkeit habe als die der Antragsgegnerin.

53

Auch das Regelbeispiel in § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 KrWG sei nicht erfüllt. Die Gebührenstabilität sei nicht gefährdet, da die öffentliche Sammlung bereits jetzt kostendeckend und der Wegfall eines möglichen Potentials für Gebührenminderungen nicht maßgeblich sei. Da die kommunale Sammlung neu hinzugetreten sei, könne die gewerbliche Sammlung auch nicht kausal für etwaige Veränderungen der Gebührenhöhe sein. Im Übrigen bewegten sich selbst bei Annahme der von der Antragsgegnerin genannten Zahlen die zu erwartende Auswirkungen mit unter 2 % in einer Größenordnung, die in der Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt der Gebührenstabilität als unerheblich erachtet werde. Das gelte selbst bei der unrealistischen Annahme, die öffentliche Sammlung erreiche eine Sammelmenge von „Null“, was zu Mehrkosten von 4,4 % führe. Insgesamt seien die Berechnungen nicht nachvollziehbar und teilweise widersprüchlich. Das Regelbeispiel greife zudem auch dem Grunde nach nicht ein, wenn der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die Gebühren - wie hier - immer schon unter Berücksichtigung der Existenz gewerblicher Sammlungen kalkuliert habe.

54

Schließlich sei auch das Regelbeispiel in § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG nicht erfüllt, weil die gewerbliche Sammlung ein Vergabeverfahren nicht unterlaufe. Ausgeschrieben gewesen sei nur die Übernahme und Verwertung des Altpapiers in einer Papierfabrik, nicht dagegen die die Sammelleistung, die von der Antragsgegnerin mit eigenen Mitteln erbracht werde. Durch die Vorschrift solle nur verhindert werden, dass eine Ausschreibung von Sammelleistungen durch eine gewerbliche Sammlung erschwert oder das Ergebnis der Ausschreibung unterlaufen werde. Die Antragsgegnerin sei an der Durchführung der Ausschreibung auch nicht gehindert worden. Prognoseunsicherheiten bei der Erstellung von Vergabeunterlagen seien vergaberechtlich nicht zu beanstanden, solange diese den Bietern offengelegt werden, was die Antragsgegnerin auch getan habe.

55

Eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit von Verpackungsrücknahmesystemen i.S.d. § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG sei ebenfalls nicht gegeben. Sie - die Antragstellerin - habe bereits in der Vergangenheit mit den Verpackungsrücknahmesystemen Verträge zwecks Mengenzurechnung unterhalten und sei dazu auch weiterhin bereit.

56

Schließlich könne sie - die Antragstellerin - sich auf die Vertrauensschutzregelung für Bestandssammlungen in § 18 Abs. 7 KrWG berufen. Dass ihre gewerbliche Sammlung die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in der Vergangenheit nicht gefährdet hat, habe die Antragsgegnerin schon 2004 und erneut 2011 durch die Partizipationsvereinbarung bestätigt. Sie - die Antragstellerin - habe bei Einführung der Sammlung hohe Investitionen getätigt und in jüngerer Zeit erhebliche Ersatzinvestitionen vorgenommen, die nicht bereits amortisiert seien. Im Falle einer Untersagung würden massive wirtschaftliche Schäden entstehen.

57

Die vollständige und dauerhafte Untersagung sei zudem als schwerwiegendster Eingriff in die Grundrechte aus Art. 12 und 14 GG unverhältnismäßig. Bereits die Erkenntnisunsicherheit über die Mengenentwicklung des von der Antragsgegnerin zu erfassenden Altpapiers hätte ein weiteres Zuwarten gefordert, um die ihr möglicherweise entgehenden Erlöse prognostisch besser abschätzen zu können. Mit milderen Mitteln (Befristung, Beschränkung) habe sich die Antragsgegnerin nicht ernsthaft auseinander gesetzt.

58

Unabhängig von der offensichtlichen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Untersagungsverfügung falle auch die Interessen- und Folgenabwägung zu ihren - der Antragstellerin - Gunsten aus. Durch die sofortige Vollziehung würden im grundrechtsrelevanten Bereich vollendete Tatsachen geschaffen und schwerwiegende Schäden und Nachteile entstehen. Mangels Alternative wären die privaten Haushaltungen verpflichtet, sich der öffentlichen Papiertonne zu bedienen. Nach entsprechender Ausstattung sämtlicher Haushaltungen mit der öffentlichen Papiertonne durch den A. sei auszuschließen, dass ein Neubeginn der gewerblichen Nutzung möglich wäre, wenn sie - die Antragstellerin - nach einem mehrjährigen Rechtsstreit in der Hauptsache obsiege. Die damit unmittelbar verbundene Vorwegnahme der Hauptsache würde ihren Rechtsschutz vollständig entwerten.

59

Dem stünden auf Seiten der Antragsgegnerin keine vergleichbaren Nachteile gegenüber, wenn es bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache bei einer parallelen Sammlung der Antragstellerin bliebe. Die von ihr genannten Gesichtspunkte seien nicht geeignet, die Anordnung des Sofortvollzugs zu rechtfertigen. Der Verweis auf „laufend weitere finanzielle Einbußen“ sei unzutreffend und spreche nur das allgemeine Vollzugsinteresse, nicht dagegen das besondere Interesse am Sofortvollzug an. Meinungsverschiedenheiten in der Politik, die es auch vor Einführung der öffentlichen Sammlung gegeben habe, rechtfertigten es nicht, den Sofortvollzug eines Sammlungsverbotes anzuordnen, um innerhalb der Organe der Gebietskörperschaft für Ruhe zu sorgen. Soweit die Anordnung der sofortigen Vollziehung damit begründet werde, dass im Bürgerinteresse zeitnah für Klarheit über die Organisation der Altpapiersammlung gesorgt werde, sei bereits nicht schlüssig, weil der Sofortvollzug nichts an der Möglichkeit eines mehrjährigen Rechtsstreits ändere. Zudem bestehe ein solches Bedürfnis derzeit nicht, weil sich die meisten Haushaltungen für oder gegen eine öffentliche Altpapiertonne entschieden hätten.

60

Die Zwangsgeldandrohung sei im Übrigen der Höhe nach unangemessen und zu unbestimmt. Es sei nicht nachvollziehbar, ob die zwangsgeldbewehrte Zuwiderhandlung nur in der Übernahme von Altpapier und dessen Verwertung bestehen solle oder bereits im Einwurf von Altpapier durch die Nutzer der Tonnen, was unangemessen wäre, weil es nicht möglich sei, die bei Tausenden von Haushaltungen vorhandenen Tonnen zurückzuholen.

61

Die Antragstellerin beantragt,

62

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 27. Juni/ 11. Juli 2014 gegen die Untersagungsverfügung und Zwangsgeldandrohung sowie gegen die Kostenentscheidung der Antragsgegnerin in ihrem Bescheid vom 25. Juni 2014 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.

63

Die Antragsgegnerin beantragt,

64

den Antrag abzulehnen.

65

Zur Begründung wiederholt und vertieft sie die Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren und ergänzt:

66

Hintergrund ihrer Entscheidung, die Altpapierentsorgung in kommunale Verantwortung zu überführen, seien die in der Vergangenheit zwischenzeitlich erforderliche finanzielle Stützung der Sammlung von Altpapier sowie die Unsicherheit der zukünftigen Preisentwicklung gewesen. Anderenfalls sei damit zu rechnen, dass in Zeiten der Erwirtschaftung von Überschüssen diese bei den die Sammlung durchführenden Unternehmen verblieben, während in Zeiten geringer Altpapierpreise die Aufrechterhaltung der Sammlung nur im Wege der Bezuschussung durch die Gebührenzahler möglich wäre. Dass in Sitzungen des Betriebsausschusses suggeriert worden sei, die Einführung einer kommunalen Altpapiererfassung sei alternativlos, treffe nicht zu und ergebe sich nicht aus der entsprechenden Beschlussvorlage 12/0408 des Abfallwirtschaftsbetriebs. Unzutreffend sei auch die Darstellung der Antragstellerin, sie habe bereits mit Schreiben vom 22. August 2012 eine unbefristete Sammlung angezeigt, da hinsichtlich der Einzelheiten auf die Partizipationsvereinbarung verwiesen worden sei. Die Abgabe einer Stellungnahme an das Nds. Umweltministerium sei entsprechend dem dortigen Runderlass vom 23. April 2013 erfolgt (Anlage AG6 der Antragsgegnerin, Bl. 263 GA).

67

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei in formell nicht zu beanstandender Weise erfolgt. Eine Anhörung sei insoweit nicht erforderlich gewesen und hinsichtlich der Untersagungsverfügung selbst in ausreichendem Maße erfolgt. Der Antragstellerin sei auch wiederholt und ebenfalls ausreichend Einsicht in die maßgeblichen Verwaltungsvorgänge gewährt worden.

68

Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin sei gem. § 42 Abs. 1 NAbfG gegeben. Die in § 42 Abs. 4 NAbfG enthaltene Ausnahme sei nicht erfüllt, da nicht eine Körperschaft als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger Antragstellerin oder Adressatin eines Verwaltungsaktes sei, sondern die hiesige Antragstellerin. Die Zuständigkeitsregelung sei mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar. Insbesondere stehe es Unionsrecht nicht entgegen, wenn die entscheidende Behörde und der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger dem gleichen Rechtsträger angehörten. Aufgrund der behördenintern geschaffenen organisatorischen und personellen Trennung beider Aufgabenbereiche in unterschiedlichen Dezernaten sei trotz der Doppelzuständigkeit eine neutrale Aufgabenwahrnehmung gewährleistet und hier auch eingehalten worden. Die für den A. zuständige Dezernentin habe das Schreiben der unteren Abfallbehörde vom 30. April 2013 an das Nds. Umweltministerium - entsprechend der behördlichen Strukturen - nur vertretungsweise unterzeichnet. Der Entwurf der Untersagungsverfügung sei dem A. nur zur Prüfung auf mögliche Fehler in den Sachverhaltsangaben zugeleitet worden. Der Betriebsleiter des A. habe in den Entwurf lediglich Kommentare eingefügt, nicht aber Veränderungen des Textes vorgenommen oder einen veränderten Entscheidungsvorschlag gemacht. Darüber hinaus sei durch Dienstanweisung eine personelle Trennung innerhalb des Rechtsamtes für die Beratung des A. und der Abfallbehörde erfolgt. Die bloße rechtliche Beratung durch das Rechtsamt bzw. durch die sowohl von der Antragsgegnerin als auch dem A. ausgewählte Anwaltskanzlei verletzte mangels entsprechender Weisungsbefugnis die Neutralitätspflicht nicht. Eine Doppeltätigkeit habe tatsächlich auch nicht stattgefunden, da die anwaltliche Beratung zu getrennten Zeitpunkten und jeweils in unterschiedlichen Verfahrensabschnitten erfolgt sei.

69

Ernstliche Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung seien nicht gegeben. Der Abfallbegriff umfasse auch sortenrein erfasste Abfälle. Ein Verstoß der im Kreislaufwirtschaftsgesetz getroffenen Regelungen gegen europäisches Sekundärrecht sei nicht nachvollziehbar. Soweit eine Untersagung der gewerblichen Sammlung auch mit der Begründung erfolgt sei, dass die Antragstellerin als BGB-Gesellschaft nicht Trägerin einer gewerblichen Sammlung sein könne, sei diese Überlegung zwar nicht tragend gewesen, im Ergebnis aber zutreffend. Die ersten erstinstanzlichen Gerichte hätten sich bereits dieser obergerichtlichen Rechtsprechung angeschlossen.

70

Die streitgegenständlichen Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes seien mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar. Auch seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 3 KrWG erfüllt. Die in Satz 3 der Vorschrift enthaltenen Regelbeispiele enthielten unwiderlegliche Vermutungen. Die teilweise vertretene Gegenauffassung stehe im Widerspruch mit dem Wortlaut der Vorschrift sowie der Gesetzesbegründung und verkenne, dass gem. Art. 106 Abs. 2 AEUV die Wettbewerbsregeln nur eingeschränkt Anwendung finden. Der Anwendung einer „Wesentlichkeitsschwelle“ stehe ein erheblicher Verwaltungsaufwand für die Überwachung der Schwellenüberschreitung entgegen. Auch das spreche für die Annahme unwiderleglicher Vermutungen. Die Regelbeispiele seien auch erfüllt. Sie - die Antragsgegnerin - führe seit dem 1. Januar 2014 eine haushaltsnahe und hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung von Altpapierabfällen durch (§ 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG). Da die Antragstellerin möglichst sämtliches in der Stadt O. anfallende Altpapier zu erfassen suche, komme es auf eine Wesentlichkeitsschwelle nicht an. Dass auch eine konkret geplante Leistung und damit auch die nachträgliche Einführung einer kommunalen Sammlung schutzwürdig sei, ergebe sich aus § 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG. Das Vorhalten einer eigenen Sammlung diene auch der Vorsorge für den Fall, dass die gewerbliche Sammlung eingestellt werde. Die Sammlung der Antragstellerin gefährde auch die Gebührenstabilität (§ 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 KrWG). Die Annahme der Antragstellerin, die kommunale Sammlung weise steigende Erfassungszahlen auf und arbeite kostendeckend, sei unzutreffend. Nach der Stellungnahme des A. vom 5. August 2014 bestehe sogar bei Erfassung von 6.000 t/a eine Unterdeckung von 194.000 EUR, die nur dadurch teilweise aufgefangen werde, dass zusätzliche Einsparungen im Bereich der Rest- und Biomüllerfassung durch die angeschafften Seitenlader in die Kalkulation eingestellt werden können. Trotzdem verbleibe es bei einer Unterdeckung von 12.000 EUR, die sich bei rückläufigen Erfassungszahlen noch weiter ausweiten könne. Bei wirtschaftlicher Betrachtung der Altpapiersammlung sei für das Jahr 2014 mit einem Verlust von etwa 420.000 EUR zu rechnen. Durch die gewerbliche Sammlung werde auch die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb unterlaufen (§ 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG), weil bei einer garantierten Planmenge vermutlich weit bessere Preise hätten erzielt werden können.

71

Die Untersagung habe auch auf eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit der eingerichteten Rücknahmesysteme gestützt werden können (§ 17 Abs. 3 Satz 1, 3. Var KrWG), weil die Antragstellerin nicht nachgewiesen habe, dass den Systembetreibern der Mengenstromnachweis nach der Verpackungsverordnung ermöglicht werde.

72

Andere rechtliche Möglichkeiten als eine vollständige Untersagung der gewerblichen Sammlung seien nicht in Betracht gekommen. Auf Vertrauensschutz nach § 18 Abs. 7 KrWG könne sich die Antragstellerin im Hinblick darauf, dass es sich bei der Untersagungsverfügung nicht um eine Ermessensentscheidung, sondern um eine gebundene Entscheidung handele, nicht berufen. Zudem bestehe ein entsprechender Vertrauensschutz auch deshalb nicht, weil der Antragstellerin seit längerem bekannt gewesen sei, dass sie - die Antragsgegnerin - ab 2014 eine eigene Sammlung von Altpapier durchzuführen beabsichtigt und eine Untersagung der gewerblichen Sammlung in Betracht kommt.

73

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

74

1. Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 27. Juni/ 11. Juli 2014 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Juni 2014 hinsichtlich der Untersagungsverfügung wiederherzustellen, hat Erfolg.

75

Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft. Aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung (Ziff. I des Bescheides) ist diesbezüglich der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sachgerecht.

76

Der Antrag ist auch begründet.

77

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist dem Eilantrag jedoch nicht bereits wegen formell-rechtlicher Mängel der Anordnung der sofortigen Vollziehung - durch deren Aufhebung - stattzugeben.

78

Für die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Untersagungsverfügung ist eine Anhörung ist gesetzlich nicht vorgesehen. § 28 VwVfG bezieht sich auf den Erlass von Verwaltungsakten und nicht auf verfahrensrechtliche Nebenentscheidungen. Auch eine analoge Anwendung von § 28 VwVfG auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung scheidet aus. Im Übrigen wäre hier ein unterstellter Anhörungsmangel durch die Anhörung der Antragstellerin im Eilrechtsschutzverfahren geheilt; denn die analoge Anwendung von § 28 Abs. 1 VwVfG müsste konsequenterweise die analoge Anwendung von § 45 Abs. 2 VwVfG zur Folge haben, wonach die erforderliche Anhörung noch bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz nachholbar ist (Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2013, § 80 Rn. 82). Soweit die Antragstellerin darüber hinaus gerügt hat, ihr seien im Verwaltungsverfahren entscheidungserhebliche Sachverhalte nicht mitgeteilt und die erforderliche Akteneinsicht nicht in ausreichendem Maße gewährt worden, ist festzustellen, dass auch insoweit eventuelle Versäumnisse zumindest im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens ausgeräumt worden sind.

79

Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung genügt auch den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist in den Fällen der § 80a Abs. 1 Nr. 1, § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Dieser formell-rechtlichen Anforderung ist genügt, wenn die Behörde erkennen lässt, aufgrund welcher Überlegungen sie die sofortige Vollziehung als notwendig ansieht; ob sich die angeführten Gründe im Rahmen der anzustellenden Interessenabwägung als tragfähig erweisen, betrifft nicht das formale Begründungserfordernis, sondern die Eilrechtsschutzentscheidung in der Sache; eine bloß formelhafte Begründung genügt indes nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (vgl. zum Vorstehenden insgesamt: Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 Rn. 85 m.w.N.). Hier hat die Antragsgegnerin im Bescheid vom 25. Juni 2014 ausführlich begründet, warum es die Untersagung der Altpapiersammlung der Antragstellerin für dringend erforderlich hält. Die Dringlichkeit beruhe im Wesentlichen darauf, dass anderenfalls finanzielle Einbußen entstünden, weil die laufenden Kosten nicht durch die aus der Papierverwertung erzielten Erlöse gedeckt werden könnten. Zudem solle der teilweise in Politik und Berichterstattung erhobenen Forderung der Einstellung einer nicht kostendeckenden kommunalen Sammlung von Altpapier entgegengewirkt werden. Schließlich sei es auch im Interesse der Abfallbesitzer, zeitnah Klarheit über die Organisation der Altpapiersammlung zu erlangen. Damit hat die Antragsgegnerin hinreichend deutlich gemacht, warum sie die sofortige Vollziehung der Entscheidung für notwendig erachtet. Dies genügt dem Begründungserfordernis gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Auch die - mehrmonatige - Dauer des Verwaltungsverfahrens verbietet nicht, den Suspensiveffekt für die Dauer eines (eventuell langfristigen) verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auszuschließen.

80

Der Antrag der Antragstellerin hat aber in der Sache Erfolg.

81

Maßstab für die Begründetheit des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist, ob das private Interesse des Antragstellers an der Suspendierung des Bescheides das öffentliche Interesse an der Vollziehung überwiegt. Bei ihrer Entscheidung kann die Kammer auf die Erfolgsaussichten eines in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs abstellen, wenn sich diese bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren lediglich gebotenen summarischen Prüfung eindeutig beurteilen lassen. So liegt es hier. Die in dem streitgegenständlichen Bescheid verfügte Untersagung der gewerblichen Sammlung von Altpapier im Stadtgebiet von O. begegnet erheblichen rechtlichen Bedenken, so dass im Verfahren der Hauptsache mit einer Aufhebung dieser Entscheidung zu rechnen ist.

82

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung ist wegen des Charakters der Untersagung als Dauerverwaltungsakt (Nds. OVG, Urteil vom 21. März 2013 - 7 LB 56/11 -, NdsVBl 2013, 218, Rn. 23 nach juris) derjenige der gerichtlichen Entscheidung.

83

Die Antragsgegnerin hat die Untersagung der gewerblichen Altpapiersammlung der Antragstellerin auf die Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes gestützt. Die im vorliegenden Verfahren entscheidungsrelevanten Regelungen zur Zulässigkeit gewerblicher Wertstoffsammlungen in §§ 17 und 18 KrWG sind nach summarischer Prüfung mit höherrangigem Recht vereinbar.

84

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 18. Juni 2009 - 7 C 16.08 -, BVerwGE 134, 154, Rn. 25 nach juris) verletzt der verfassungsrechtlich als bloße Berufsausübungsregelung zu qualifizierende partielle Ausschluss privater Entsorgungsunternehmen aus der Verwertung von Hausmüllbestandteilen Art. 12 Abs. 1 GG nicht, weil er durch vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist. Diese Entscheidung ist ohne Weiteres auch auf den hier streitgegenständlichen Ausschluss eines gewerblichen Entsorgungsunternehmens an der Sammlung und Verwertung von Altpapier nach den Regelungen des KrWG übertragbar (vgl. VG Hamburg, Urteil vom 9. August 2012 - 4 K 1905/10 -, juris), da es sich auch hierbei nur um einen Teilausschnitt der für ein solches Unternehmen möglichen Entsorgungsarbeiten handelt.

85

Die Kammer hat auch keine durchgreifenden Zweifel an einer Vereinbarkeit der hier entscheidungserheblichen Vorschriften der § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 KrWG mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Zwar stellen die gesetzlichen Überlassungspflichten im Abfallrecht Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit und der Wettbewerbsfreiheit dar (vgl. auch die Gesetzesbegründung zu § 17 KrWG, BT-Drs. 17/6052, S. 85). Diese sind jedoch nach Art. 106 Abs. 2 AEUV europarechtlich gerechtfertigt. Die Kammer verweist zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf die eingehenden Ausführungen des VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 9. September 2013 - 10 S 1116/13 -, DVBl 2013, 1537, Rn. 12 ff. nach juris) betreffend die Entsorgung von Alttextilien, die auch für die Entsorgung von Altpapier gelten (vgl. auch VG Hamburg, Urteil vom 9. August 2012 - 4 K 1905/10 -, Rn. 39 f. nach juris). Danach stelle die Entsorgung von Abfällen aus privaten Haushaltungen eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne des Art. 106 Abs. 2 AEUV dar, die grundsätzlich durch gesetzliche Regelung einem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zugewiesen werden kann. Die damit verbundenen Beschränkungen der europarechtlich gewährten Freiheiten seien nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes gerechtfertigt, soweit anderenfalls die Erfüllung der dem Unternehmen übertragenen Aufgaben gefährdet wäre oder jene Rechte zur wirtschaftlich annehmbaren Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Indem § 17 Abs. 3 KrWG den Begriff der „überwiegenden öffentlichen Interessen“ in Anlehnung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 106 Abs. 2 AEUV konkretisiere, werde § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG den europarechtlichen Anforderungen gerecht. Die Vorschrift sehe auch keine europarechtswidrige pauschale Zuordnung der getrennt erfassten Abfälle an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger vor, sondern stelle die Einräumung exklusiver Rechte unter den Vorbehalt der „Erforderlichkeit“. Durch die Ausnahmetatbestände werde der Möglichkeit gewerblicher Sammlungen nach Maßgabe der Warenverkehrs- und Wettbewerbsfreiheit der notwendige Raum gegeben und die die Verhältnismäßigkeit der Überlassungspflichten sichergestellt. § 17 Abs. 3 Satz 2 und 3 KrWG seien dabei restriktiv, d. h. europarechtskonform auszulegen, damit die praktische Wirksamkeit der Vorgaben des EU-Rechts nicht etwa im Gesetzesvollzug unterlaufen werde. Diesen überzeugenden Ausführungen, die keiner weiteren Ergänzung bedürfen, schließt sich die Kammer an.

86

Die Untersagungsverfügung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

87

Soweit die Antragstellerin die Ordnungsverfügung für rechtswidrig hält, weil die Antragsgegnerin für die Untersagung nicht zuständig sei, dringt sie damit nicht durch.

88

Gemäß § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG wird die Untersagung durch die „zuständige Behörde“ ausgesprochen. Nach § 42 Abs. 1 NAbfG sind für Entscheidungen und Maßnahmen auf Grund des Kreislaufwirtschaftsgesetzes die unteren Abfallbehörden zuständig. Die Antragsgegnerin ist als kreisfreie Stadt untere Abfallbehörde im Sinne dieser Vorschrift (vgl. § 41 Abs. 2 NAbfG, § 14 Abs. 6, § 18, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nds. Kommunalverfassungsgesetz - NKomVG -). Ihre sachliche Unzuständigkeit folgt nicht aus der devolvierenden Zuständigkeitsbestimmung in § 42 Abs. 4 NAbfG. Danach geht als Ausnahme zu § 42 Abs. 1 NAbfG die sachliche Zuständigkeit auf die oberste Abfallbehörde und damit gemäß § 41 Abs. 1 NAbfG auf das für die Abfallwirtschaft zuständige Ministerium über, wenn eine Körperschaft als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger Antragstellerin oder Adressatin eines Verwaltungsaktes in einem Verwaltungsverfahren ist, für das sie als untere Abfallbehörde zuständig wäre.

89

Der zum 8. November 2013 in Kraft getretenen Zuständigkeitsregelung in § 42 Abs. 4 NAbfG ging eine Entscheidung des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 21. März 2013 (a.a.O.) zur vorangegangenen Fassung der Vorschrift voraus, nach der die die sachliche Zuständigkeit auf die oberste Abfallbehörde überging, wenn die untere Abfallbehörde bei der Entscheidung „in eigener Sache beteiligt“ war, was das Nds. Oberverwaltungsgericht in dem dortigen Fall angenommen hatte, in dem die Behörde zugleich nach § 6 Abs. 1 NAbfG auch öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes war. Das Ziel der in § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG enthaltenen Untersagungsmöglichkeit, auf der einen Seite die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger so weit wie nötig zu schützen und auf der anderen Seite die wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten Privater im Bereich der Abfallbewirtschaftung so weit wie möglich zu gewährleisten, könne zu Lasten einer interessengeleiteten Rechtsanwendung gefährdet sein, wenn die Abfallwirtschaftsbehörde derjenigen Körperschaft, die zugleich öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger ist, über die Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe zu entscheiden habe.

90

Mit der erfolgten Änderung der Zuständigkeitsvorschrift sollte ausweislich der Gesetzesbegründung eine Konkretisierung dergestalt erfolgen, dass die „Beteiligung in eigener Sache“ entsprechend der bisher geübten Praxis unter dem Gesichtspunkt des Neutralitätsgebotes auf die Fälle beschränkt werden soll, in denen die Kommune als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger selbst Adressatin oder Antragstellerin ihrer eigenen Entscheidungen wäre, z.B. wenn sie sich selbst Genehmigungen erteilen müsste. Eine vollständige Trennung der Zuständigkeiten auf der unteren Verwaltungsebene sei keine notwendige Voraussetzung für die gebotene Distanz und Unabhängigkeit. Eine neutrale Aufgabenwahrnehmung sei auch jedenfalls dann in einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Weise gesichert, wenn behördenintern für eine organisatorische und personelle Trennung beider Aufgabenbereiche gesorgt sei (LT-Drs. 17/544, 7 f., 12 f.).

91

Nach der Änderung des § 42 Abs. 4 NAbfG liegt unter formalen Gesichtspunkten ein Fall der Zuständigkeitsverlagerung zum Nds. Umweltministerium nicht vor, da die Antragsgegnerin als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger nicht selbst Adressatin oder Antragstellerin ihrer eigenen Entscheidung ist. Dass die Antragsgegnerin das zwischenzeitlich zuständige Nds. Umweltministerium gebeten hat, „das eingeleitete Untersagungsverfahren (…) positiv zum Abschluss zu bringen“ und auch einen Entwurf für eine Untersagungsverfügung übersandt hat, genügt nicht, um sie damit zur „Antragstellerin“ im Untersagungsverfahren zu machen. Das Verhalten der Antragsgegnerin hatte lediglich eine Anstoßfunktion, zumal eine Antragsberechtigung im Sinne des § 42 Abs. 4 NAbfG für ein abfallrechtliches Untersagungsverfahren nicht vorgesehen ist.

92

Die Kammer teilt nach summarischer Prüfung auch nicht die Bedenken der Antragstellerin an der Vereinbarkeit der landesgesetzlichen Zuständigkeitsregelung mit europarechtlichen Vorgaben.

93

Die durch die Gesetzesänderung in § 42 NAbfG bewirkte Doppelzuständigkeit ist entgegen der von der Antragstellerin vertretenen Auffassung voraussichtlich nicht europarechtswidrig. Hintergrund dieser vor allem in der Literatur vertretenen Auffassung (vgl. Karpenstein/ Dingemann, in: Jarass/ Petersen, KrWG, 2014, § 18 Rn. 26 ff.) ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 1. Juli 2008 - C-49/07 - MOTOE -, Rn. 53), der zufolge die Entscheidung einer Behörde in „eigener Sache“ gegenüber ihren Wettbewerbern nach Art. 102 und 106 AEUV (ex-Art. 82 und 86 EG) dann nicht mehr zulässig sei, wenn die entsprechende Befugnis keinen Beschränkungen, Bindungen und keiner Kontrolle unterliege. Anders als in dem dort zugrundeliegenden Fall, in dem eine juristische Person sowohl an den Verwaltungsentscheidungen über die Genehmigung der Durchführung von Motorradrennen mitgewirkt als auch selbst solche Rennen veranstaltet und in diesem Rahmen Sponsoring-, Werbe- und Versicherungsverträge abgeschlossen hat, handelt es sich jedoch, wie bereits ausgeführt, bei der Abfallbewirtschaftung als Aufgabe der Daseinsvorsorge um eine unter die Ausnahmevorschrift des Art. 106 Abs. 2 AEUV fallende Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, die unter bestimmten Voraussetzungen einem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zugewiesen werden kann. Zudem geht es hier um den rechtlich geprägten Gesetzesvollzug durch die Abfallbehörde, die als solche in keinem Wettbewerb zu privaten Abfallentsorgungsunternehmen steht (vgl. auch VG Hamburg, a.a.O., Rn. 66 nach juris).

94

Die gesetzliche Neuregelung erscheint zwar unglücklich im Hinblick darauf, dass mit ihr der u.a. vom Nds. Oberverwaltungsgericht (Urteil vom 21. März 2013, a.a.O, Rn. 29 nach juris) aufgezeigte Interessenkonflikt zwischen den Handlungsfeldern und Wirtschaftsinteressen von öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern und privaten Abfallentsorgern nicht durch eine vollständige Trennung der Zuständigkeiten aufgelöst worden ist. Eine solche Trennung ist jedoch nicht notwendige Voraussetzung für die gebotene Distanz und Unabhängigkeit, mit der eine Behörde mit Doppelzuständigkeit die ihr übertragenen Funktionen wahrzunehmen hat. Weder ergibt sich aus den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ein Verbot, ein und dieselbe Stelle der öffentlichen Verwaltung als für den Vollzug dieses Gesetzes zuständige Behörde und als öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu bestimmen, noch dürfte sich aus den von der Antragstellerin geltend gemachten Bedenken gegen das Neutralitätsgebot ein Zwang ergeben, unterschiedliche Rechtsträger mit den beiden Aufgabenbereichen zu betrauen. Es bestehen keine durchgreifenden rechtsstaatlichen Bedenken dagegen, dass bei einer Wahrnehmung verschiedener Aufgabenbereiche durch einen Rechtsträger die jeweiligen Zuständigkeiten unvermeidlich auf einer höheren Ebene zusammenfallen. Denn sowohl beim Vollzug des Kreislaufwirtschaftsgesetzes als auch bei der Wahrnehmung der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers unterliegen die jeweiligen Amtsträger Beschränkungen und Bindungen, zu denen auch die Einhaltung der Neutralitätspflicht gehört, für deren Beachtung schon auf Verwaltungsebene Kontrollmöglichkeiten bestehen (OVG NRW, Beschluss vom 20. Januar 2014 - 20 B 331/13 -, Rn. 7 nach juris). Im Übrigen ist bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Kreislaufwirtschaftsgesetz die (rechtsstaatliche) Problematik einer zusammenfallenden Behördenzuständigkeit gesehen worden, ohne dass dies zum Anlass genommen worden ist, eine Trennung dahingehend zu fordern, dass die Aufgaben bei unterschiedlichen Rechtsträgern angesiedelt werden müssen (vgl. BT-Drs. 17/6052, S. 88, 17/6645, S. 4). Dass sich die notwendige Neutralität jedenfalls grundsätzlich durch geeignete organisatorische Maßnahmen, wie etwa durch Aufgabendelegation, interne Trennung von Zuständigkeiten, Transparenz der Entscheidungsabläufe oder spezifische Kontrollvorbehalte sicherstellen lässt, hat auch die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drs. 17/6645, S. 4) festgestellt, zumal sich eine Trennung von Behördenzuständigkeiten jedenfalls bei den Stadtstaaten kaum hätte praktizieren lassen.

95

Eine neutrale Aufgabenwahrnehmung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers einerseits und der unteren Abfallbehörde andererseits dürfte jedenfalls dann in einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Weise gesichert sein, wenn behördenintern für eine organisatorische und personelle Trennung beider Aufgabenbereiche gesorgt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 2009 - 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239; OVG NRW, Beschlüsse vom 20. Januar 2014 - 20 B 331/13 -, 9. Dezember 2013 - 20 B 205/13 -, juris, vgl. auch die Gesetzesbegründung zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Abfallgesetzes, LT-Drs. 17, 544, S. 12 f.). Dass sich die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Doppelzuständigkeit von Behörden nicht explizit mit dem Wettbewerbsverhältnis konkurrierender Unternehmen befassen, bedeutet nicht, dass sie auf diese Problematik nicht übertragbar seien (so aber wohl Ingerowski, AbfallR 2014, 187 (194 f.)), zumal gemeinsamer Ausgangspunkt die auch hier maßgebliche Frage ist, unter welchen Voraussetzungen eine Behörde mit Doppelzuständigkeit eine neutrale Aufgabenwahrnehmung in einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Weise sichern kann.

96

Im konkreten Fall ist die neutrale Aufgabenwahrnehmung durch die Antragsgegnerin als untere Abfallbehörde voraussichtlich in einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Weise erfolgt, weil durch die innerorganisatorische Zuständigkeitsregelung hinreichend sichergestellt ist, dass mit dieser Aufgabe nicht die Personen betraut sind, die Aufgaben im Rahmen der Zuständigkeit der Antragsgegnerin als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger wahrnehmen.

97

Die erforderliche organisatorische und personelle Trennung der Zuständigkeit für den übertragenen Vollzug des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und der eigenen Aufgabe der Abfallwirtschaft ist bei der Stadt gegeben. Die Antragsgegnerin nimmt die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers mit der gesamten Abfallentsorgung durch einen rechtlich unselbständigen Eigenbetrieb wahr, der schon nach § 130 Abs. 1 Nr. 3 NKomVG als Sondervermögen außerhalb der allgemeinen Verwaltung zu führen ist.

98

Nach dem von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 25. August 2014 vorgelegten Organigramm der Stadtverwaltung O. (Stand: 7. August 2014) (Bl. 265 GA) sind beide Bereiche organisatorisch (unterschiedliche Sachgebiete) und personell (unterschiedliche Sachbearbeiter) getrennt.

99

Der Abfallwirtschaftsbetrieb ist bereits seit dem 1. Juni 2012 dem Dezernat 2 der Antragsgegnerin zugeordnet. Demgegenüber nimmt das im Dezernat 4 angesiedelte Amt für Umweltschutz und Bauordnung - Fachdienst Naturschutz und technischer Umweltschutz - (Amt 432) die Aufgabe der unteren Abfallbehörde wahr. Die unterschiedlichen Aufgaben werden damit nicht nur auf Sachbearbeiter- oder Vorgesetztenebene, sondern sogar auf der obersten Verwaltungsebene voneinander getrennt und erst auf der höchsten Ebene zusammengeführt, so dass erster gemeinsamer Vorgesetzter des A. und der unteren Abfallbehörde der Hauptverwaltungsbeamte ist. Die Abteilungen des A. und der unteren Abfallbehörde sind zudem in unterschiedlichen Gebäuden der Antragstellerin untergebracht. Die untere Abfallbehörde, befindet sich in der I.    in O., die Verwaltung des A. rund 4 km davon entfernt in der W…...

100

Die Kammer geht derzeit davon aus, dass die organisatorische und personelle Trennung hier voraussichtlich auch - jedenfalls im Wesentlichen - beachtet worden ist. Ausweislich der vorgelegten Verwaltungsvorgänge weisen die betreffenden Schreiben der unteren Abfallbehörde bzw. des A. in aller Regel einen unterschiedlichen Briefkopf auf und stammen von unterschiedlichen Sachbearbeitern (vgl. beispielhaft einerseits Bl. 5 und andererseits Bl. 59, jeweils Beiakte A). Ggf. wird ein sich anschließendes Hauptsacheverfahren eine weitergehende Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung erfordern.

101

Dass ein Vertreter des Rechtsamtes der Antragsgegnerin am 16. Juli und 18. Oktober 2012 an Sitzungen eines Fachausschusses des Rates, dem Betriebsausschuss Abfallwirtschaftsbetrieb, teilgenommen und dort eine rechtliche Einschätzung zur Möglichkeit und Erforderlichkeit einer Untersagung der gewerblichen Sammlung geäußert hat, ist ebenso wenig zu beanstanden wie die vom Rechtsamt vorgenommene Beratung und Begleitung der unteren Abfallbehörde bei dem Erlass der Untersagungsverfügung. Es ist gerade die Aufgabe eines Rechtsamtes, die anderen Ämter bei der Lösung rechtlicher Problemstellung zu unterstützen und zu beraten. Maßgeblich ist dabei, dass eine Weisungsbefugnis des typischerweise als Querschnittsamt fungierenden Rechtsamtes gegenüber dem A. oder der Abfallbehörde zu keinem Zeitpunkt bestanden hat. Darüber hinaus wurde - ohne dass dies aus Sicht der Kammer notwendig gewesen wäre - zur Vermeidung eines „bösen Anscheins“ durch Dienstanweisung vom 18./ 20. November 2013 (Bl. 162 GA) innerhalb des Rechtsamtes der Antragsgegnerin eine personelle und organisatorische Trennung von Aufgaben und Funktionen bei der Beratung der unteren Abfallbehörde einerseits und des A. andererseits vorgenommen.

102

Eine Verletzung der Trennungsverpflichtung ergibt sich voraussichtlich auch nicht daraus, dass sich die Antragsgegnerin von derselben Rechtsanwaltskanzlei beraten und vertreten lässt, die in der Vergangenheit auch den A. beraten und für den sie rechtliche Stellungnahmen erstellt hat. Auch insoweit ist allein maßgeblich, dass die Kanzlei nur in beratender Funktion tätig geworden ist. Dass der A. von der Anwaltskanzlei insbesondere Rechtsgutachten angefordert hat, um die Frage zu klären, ob eine Untersagung der gewerblichen Sammlung der Antragstellerin zulässig wäre (vgl. Bl. 267 GA), ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Beantwortung dieser Fragestellung war Grundvoraussetzung für eine (auch) von der A. zu treffende Einschätzung, ob die Einführung einer kommunalen Altpapiersammlung wirtschaftlich wäre, eine Stabilisierung oder Verringerung der Gebühren zur Folge hätte und bejahendenfalls nach positiver Entscheidung des Rates entsprechende Investitionen rechtfertigt. Ob sich aus dem Inhalt und Umfang dieser Beratung der unteren Abfallbehörde einerseits und des A. andererseits sowie den von der Antragstellerin insbesondere mit Schriftsatz vom 26. September 2014 (Seite 17 ff., Bl. 295 ff. GA) erhobenen Vorwürfen einer Beteiligung des A. am Untersagungsverfahren eine Verletzung der Neutralitätspflicht herleiten lässt, bleibt einer weiteren Überprüfung in einem sich ggf. anschließenden Hauptsacheverfahren vorbehalten.

103

Der gebotenen organisatorischen und personellen Trennung der Abfallbehörde und des A. ist es auch geschuldet, dass die Antragsgegnerin in ihrer Funktion als untere Abfallbehörde die erforderlichen Informationen über Deckungsgrade, Kosten, Erlöse und die Gesamtwirtschaftlichkeit der öffentlichen Sammlung nicht unmittelbar selbst ermittelt, sondern diese vom A. angefordert hat, weil dort neben dem erforderlichen Fachwissen auch das nötige Zahlenmaterial vorhanden ist. Die offenbar fehlerhaften Angaben des A. zu angeblich exklusiven „Mitbenutzungsvereinbarungen“ mit einzelnen Verpackungsrücknahmesystemen hat die Antragsgegnerin jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt, dem Erlass der Untersagungsverfügung, korrigiert. Dass die falsche Angabe noch Grundlage des vorhergehenden Anhörungsschreibens war, schadet nicht. Das Anhörungsverfahren nach § 28 VwVfG dient auch und gerade dazu, fehlerhafte entscheidungserhebliche Tatsachen zu korrigieren. Selbst wenn - wie die Antragstellerin behauptet - die Antragsgegnerin die von dem A. erhaltenen Angaben nicht oder nicht ausreichend geprüft hat, folgt hieraus weder eine Verletzung der Trennungsverpflichtung noch besteht Anlass zur Annahme einer fehlenden Neutralität. Eine Behörde muss sich grundsätzlich zunächst darauf verlassen können, dass die ihr von einer anderen Behörde auf Anfrage mitgeteilten Sachverhaltsinformationen zutreffend und vollständig sind. Das gilt auch dann, wenn es sich um Ämter desselben Rechtsträgers handelt. Ob und in welchem Umfang eine Behörde Anlass sieht, die ihr auf Anforderung vorgelegten Zahlen einer näheren Prüfung zu unterziehen, steht in ihrem eigenen Ermessen. Erweisen sich die von ihr zugrunde gelegten Angaben als fehlerhaft, ist eine nachträgliche Korrektur möglich, entweder, wie hier im Falle der ursprünglich behaupteten Exklusivität geschehen, im Anhörungsverfahren oder im Widerspruchsverfahren.

104

Daraus, dass die Antragsgegnerin dem zwischenzeitlich zuständigen Nds. Umweltministerium den Entwurf einer Untersagungsverfügung zugeleitet hat, lässt sich für die Frage der innerorganisatorischen Zuständigkeitsregelung nichts herleiten.

105

Die Antragstellerin kann sich auch hier nicht auf eine fehlerhafte Anhörung berufen. Wie bereits ausgeführt bedurfte es für die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Untersagung einer Anhörung nicht. Ob die Anhörung zur beabsichtigten Untersagung der Altpapiersammlung deshalb nicht ausreichend war, weil sie nicht zu allen aus Sicht der Antragsgegnerin die Untersagung tragenden Aspekten erfolgt sei - hier das Argument, die Antragstellerin könne in der Form einer BGB-Gesellschaft nicht Trägerin einer gewerblichen Sammlung sein -, kann offen bleiben, da ein eventueller Verfahrensfehler jedenfalls gem. § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt wäre.

106

Der von der Antragstellerin erhobene Vorwurf, die Antragsgegnerin habe ihr trotz mehrfacher Aufforderung entscheidungserhebliche Sachverhalte nicht mitgeteilt und in nur unzureichender Weise Akteneinsicht gewährt, ist als Unterfall der Gehörsverletzung nach § 28 VwVfG ebenfalls jedenfalls gem. § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG als im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens geheilt anzusehen.

107

Die abfallrechtliche Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin ist jedoch voraussichtlich in materieller Hinsicht rechtswidrig. Nach der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung liegen die Voraussetzungen für eine Untersagung der gewerblichen Sammlung der Antragstellerin nicht vor.

108

Soweit die Antragsgegnerin die Untersagung - insoweit ohne Benennung einer Rechtsgrundlage - darauf gestützt hat, die Antragstellerin könne bereits kraft Gesetzes als BGB-Gesellschaft nicht Trägerin einer gewerblichen Sammlung sein, da § 3 Abs. 10 KrWG ausdrücklich vorsehe, dass Sammler von Abfällen nur natürliche oder juristische Personen, nicht dagegen Personengesellschaften sein könnten, überzeugt dies nicht.

109

Die Antragsgegnerin stützt sich für ihre Auffassung im Wesentlichen auf Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 2013 (- 20 BV 13.428 und 20 BV 13.516 -, juris). In den dortigen Fällen hat das Gericht die gegen die Klagabweisung eingelegte Berufung von als Personengesellschaft (in einem Fall davon wie hier als ARGE, d.h. GbR) geführten Entsorgungsunternehmen, mit denen diese sich gegen die auf materielle Gründe gestützte Untersagung der von ihnen betriebenen Altpapiersammlungen gewendet hat, unter Hinweis auf ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig zurückgewiesen. Ohne dass diese Frage in der Rechtsprechung allgemein, bei den Beteiligten der dortigen Verfahren und dem in erster Instanz entscheidenden Gericht im Besonderen oder auch in der Verwaltungspraxis in der Vergangenheit überhaupt als problematisch angesehen worden ist, hatte das Gericht entschieden, dass eine Kommanditgesellschaft als Personengesellschaft ohnehin nicht Sammler von Abfällen sein könne, da dies nach der in § 3 Abs. 10 KrWG enthaltenen Definition ausdrücklich nur natürlichen und juristischen Personen vorbehalten sei, zu denen Personengesellschaften wie die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht gehörten. Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift auch auf die Kommanditgesellschaft scheitere nicht nur am klaren Gesetzeswortlaut, sondern auch an einer planwidrigen Gesetzeslücke, weil § 3 Abs. 17 KrWG jedenfalls für gemeinnützige Sammlungen vorsehe, dass diese u.a. auch von Personenvereinigungen getragen werden könnten. Zudem werde ein gewerblicher Sammler in der Regel in Ausübung seines Gewerbes tätig. Im Geweberecht sei jedoch anerkannt, dass Personengesellschaften keine Gewerbetreibenden sein können, sondern die geschäftsführenden Gesellschafter, diese damit die Anzeigepflicht nach § 14 Abs. 1 GewO treffe und sie auch Adressat einer möglichen Gewerbeuntersagung gemäß § 35 GewO sein müssten. Für die Durchführung einer gewerblichen Sammlung könne nichts anderes gelten, weil auch hier u.a. Fragen der Zuverlässigkeit im Raume stünden.

110

Diese Rechtsauffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, der sich auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Beschluss vom 21. Oktober 2013 - 10 S 1201/13 -, juris) und das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 9. Dezember 2013 - 20 B 319/13 -, juris) angeschlossen haben, und die derzeit im Revisionsverfahren überprüft wird (BVerwG, Zulassungsbeschluss vom 16. April 2014 - 7 B 29/13, 7 B 30/13 (7 C 8/14) -, juris), ist nach Auffassung der Kammer nicht haltbar. Der Begriff der „juristischen Person“ in § 3 Abs. 10 KrWG ist vielmehr dahingehend auszulegen, dass auch Personengesellschaften umfasst sind, die im Rechts- und Geschäftsverkehr eigenständig auftreten und juristischen Personen in allen Bereichen des Rechtsverkehrs gleichgestellt sind. Die Kammer geht davon aus, dass der Gesetzgeber die Vorschrift ungewollt zu eng gefasst hat. Hierfür spricht neben der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der abfallrechtlichen Vorschriften auch die Gesetzeshistorie. Im Einzelnen:

111

Der Begriff des Sammlers von Abfällen wurde erstmals mit der Neufassung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes geschaffen. Dessen Vorläufer, das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz - KrW-/ AbfG -, enthielt eine solche Definition nicht. Die Konkretisierung der Begrifflichkeit erfolgte vor dem Hintergrund der am 12. Dezember 2008 in Kraft getretenen Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (Abfallrahmenrichtlinie - AbfRRL -), die den Begriff des Sammlers an verschiedenen Stellen voraussetzt, ohne ihn jedoch zu definieren.

112

Der Gesetzgeber hat sich für die Definition dieses Begriffs hinsichtlich des erfassten Personenkreises an den Begriffsbestimmungen orientiert, die die Vorgängervorschrift § 3 KrW-/ AbfG bereits u.a. für Besitzer von Abfällen enthielt. Besitzer von Abfällen war danach jede natürliche oder juristische Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über Abfälle hat, § 3 Abs. 6 KrW-/ AbfG.

113

Im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 15. September 1993 zum KrW-/ AbfG wurden die abfallrechtlichen Verpflichtungen noch unabhängig von einer bestimmten Rechtsform vorrangig den Erzeugern oder Besitzern von Abfällen im Sinne des Verursacherprinzips zugeordnet (vgl. BT-Drs. 12/ 5672, S. 32, 37, 40, 43). Die Aufnahme einer Legaldefinition, nach welcher unter den Begriff des Besitzers „der Erzeuger der Abfälle oder die natürliche oder juristische Person“ fällt, „in deren Besitz sich die Abfälle befinden" erfolgte nach entsprechender Stellungnahme des Bundesrates. Der Änderungsvorschlag des Bundesrates sollte jedoch keine Einschränkung des im vorgelegten Gesetzentwurf enthaltenen Pflichtenkreises bedeuten. Der Vorschlag diene nur der Vereinfachung des Gesetzesvollzugs und entspreche der Richtlinie des Rates vom 18. März 1991 zur Änderung der Richtlinie 75/442/EWG über Abfälle (Richtlinie 91/156/EWG) (BT-Drs. 12/ 5672, Anlage 2, Seite 57, 78). Zutreffend ist zwar, dass in der deutschen Übersetzung dieser Richtlinie eine Aufnahme der Begriffe „natürliche oder juristische Person“ erfolgt ist. Dass hierdurch durch den Rat der Europäischen Gemeinschaften jedoch eine Einschränkung des Pflichtenkreises auf bestimmte Rechtsformen nicht beabsichtigt war, zeigt ein Blick auf die englische und die französische Fassung der Richtlinie.

114

Weder die französische Fassung

115

(„b) producteur : toute personne dont l'activité a produit des déchets ("producteur initial") et/ou toute personne qui a effectué des opérations de prétraitement, de mélange ou autres conduisant à un changement de nature ou de composition de ces déchets; c) détenteur : le producteur des déchets ou la personne physique ou morale qui a les déchets en sa possession“)

116

noch die englische Fassung der Richtlinie

117

(„b) "producer" shall mean anyone whose activities produce waste ("original producer") and/or anyone who carries out pre-processing, mixing or other operations resulting in a change in the nature or composition of this waste ; (c) "holder" shall mean the producer of the waste or the natural“)

118

enthalten für das Erzeugen oder Besitzen von Abfall Beschränkungen auf bestimmte Rechtsformen (Unterstreichungen durch das Gericht).

119

War damit bereits mit der Schaffung des KrW-/ AbfG vom Gesetzgeber eine Einschränkung der abfallrechtlichen Verpflichtungen auf bestimmte Rechtsformen nicht beabsichtigt, ist davon auszugehen, dass dies auch mit der Neufassung des Gesetzes durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz und die Aufnahme zusätzlicher, an die bisherigen Regelungen angelehnten Legaldefinitionen nicht gewollt war, zumal sich Entsprechendes auch aus den Gesetzesmaterialien zum Kreislaufwirtschaftsgesetz nicht ergibt.

120

Auch die Zugrundelegung der AbfRRL führt zu keinem anderen Ergebnis. Artikel 3 der Richtlinie lautet:

121

(…)

122

5. „Abfallerzeuger“ jede Person, durch deren Tätigkeit Abfälle anfallen (Abfallersterzeuger/Ersterzeuger) oder jede Person, die eine Vorbehandlung, Mischung oder sonstige Behandlung vornimmt, die eine Veränderung der Natur oder der Zusammensetzung dieser Abfälle bewirkt;

123

6. „Abfallbesitzer“ den Erzeuger der Abfälle oder die natürliche oder juristische Person, in deren Besitz sich die Abfälle befinden;

124

7. „Händler“ jedes Unternehmen, das in eigener Verantwortung handelt, wenn es Abfälle kauft und anschließend verkauft, einschließlich solcher Händler, die die Abfälle nicht physisch in Besitz nehmen;

125

8. „Makler“ jedes Unternehmen, das für die Verwertung oder die Beseitigung von Abfällen für andere sorgt, einschließlich solcher Makler, die die Abfälle nicht physisch in Besitz nehmen; (…).

126

In den Nr. 7 und 8 der Vorschrift wird für die Definition des Händlers und des Maklers eine Einschränkung des Personenkreises nicht vorgenommen, sondern ausdrücklich jedes Unternehmen umfasst. Für eine weitere Einschränkung auf nationaler Ebene, die Personengesellschaften von diesen Tätigkeiten ausnimmt, ist damit kein Raum. Dass gleichwohl die entsprechende Legaldefinition in § 3 Abs. 12 und 13 KrWG den Begriff der juristischen Person verwendet, spricht dafür, dass hiermit - wie auch in § 3 Abs. 9, 10 und 11 KrWG - eine Beschränkung auf juristische Personen im allgemeinen Rechtssinne und damit ein Ausschluss von Personengesellschaften nicht beabsichtigt war bzw. erforderlichenfalls einer EU-rechtskonformen Auslegung bedürfte. Der in der deutschen Fassung des Art. 3 Nr. 6 AbfRRL verwendete Passus der juristischen Person ist mit Blick auf die englische („natural or legal person“) und französische Fassung („la personne physique ou morale“) auch hier nicht in einer einschränkenden, Personengesellschaften ausschließenden Form zu verstehen. Weder das englische noch das französische Recht enthalten eine solche Differenzierung gesellschaftlicher Unternehmensformen. Es wäre auch sinnwidrig und nicht praktikabel, wenn nach der Abfallrahmenrichtlinie eine Personengesellschaft zwar Händler oder Makler von Abfall sein könnte, nicht dagegen Besitzer des Abfalls. Auch Art. 34 AbfRRL, der den Begriff des gewerblichen Sammlers voraussetzt, enthält eine Beschränkung auf bestimmte Rechtsformen nicht („Anlagen oder Unternehmen, die Abfälle sammeln“).

127

Daraus, dass § 3 Abs. 17 KrWG für gemeinnützige Sammlungen vorsieht, dass diese u.a. auch von Personenvereinigungen getragen werden könne, lassen sich keine die Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes stützenden Schlüsse ziehen. Vielmehr dürfte diese vermeintliche Differenzierung schlicht der Tatsache geschuldet sein, dass der Gesetzgeber sich für die Definition der Gemeinnützigkeit am Wortlaut des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftssteuergesetz in der seinerzeit geltenden Fassung orientiert und für die Annahme der Gemeinnützigkeit darauf abgestellt hat, ob die Sammlung von einer nach dieser Vorschrift steuerbefreiten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse getragen wird.

128

Dass sich der Gesetzgeber mit der erstmaligen Definition des Begriffs der gemeinnützigen Sammlung im Rahmen der Neufassung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes durch die Aufnahme des Begriffs der Personenvereinigung bewusst von dem in Rechtsprechung und Verwaltungspraxis im Abfallrecht stets weit gefassten, auch Personengesellschaften umfassenden Begriff der juristischen Person absetzen wollte, ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien nicht (vgl. BR-Drs. 216/11, S. 10 f., 175). Ein Grund für eine solche Differenzierung wäre auch nicht ersichtlich.

129

Auch die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zur Stützung seiner Auffassung herangezogene Parallele zum Gewerberecht überzeugt nicht. Zwar entspricht es nach wie vor der ganz herrschenden Meinung, dass Personengesellschaften nicht Adressat einer Gewerbeuntersagungsverfügung sein können, weil sie keine eigene Rechtspersönlichkeit aufweisen und ihr eine bei den handelnden Personen festgestellte Unzuverlässigkeit nicht zugerechnet werden kann (vgl. nur Nds. OVG, Beschluss vom 31. Juli 2008 - 7 LA 53/08 -, NVwZ-RR 2009, 103 m.w.N.), obwohl in der Rechtsprechung mittlerweile eine weitgehende Anerkennung der Rechtsfähigkeit von Personengesellschaften erfolgt ist und eine Zurechnung der Unzuverlässigkeit des Geschäftsführers einer Personengesellschaft dieser unabhängig von ihrer Rechtspersönlichkeit zugerechnet werden könnte (vgl. im Einzelnen Petersen/ Hermanns, AbfallR 2014, 62 (70)). Dies träfe jedoch auch auf solche Personenvereinigungen zu, die ihre Sammlung gemeinnützig i.S.d. § 3 Abs. 17 KrWG betreiben. Folgte man der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes könnte eine Personengesellschaft zwar Träger einer gemeinnützigen Sammlung sein, jedoch könnte eine Untersagung im Falle der Unzuverlässigkeit nicht auf § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG gestützt werden. Auch ein Vergleich mit anderen Rechtsmaterien zeigt, dass eine Übertragung dieser zum Gewerberecht ergangenen Rechtsprechung auf das Abfallrecht keinesfalls zwingend ist. So ermöglicht § 20 Abs. 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz die Untersagung des weiteren Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage durch den Betreiber oder einen mit der Leitung des Betriebs Beauftragten, wenn u.a. Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit dieser Personen dartun. Im Immissionsschutzrecht ist dabei anerkannt, dass „Betreiber“ einer Anlage neben einer natürlichen und juristischen Person auch eine Personenvereinigung sein kann (vgl. Petersen/ Hermann, a.a.O., m.w.N.). Auch § 2 Abs. 1 Nr. 2 Umweltinformationsgesetz benennt als informationspflichtige Stellen natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, wobei Einigkeit darüber besteht, dass hiervon auch Personengesellschaften erfasst sind (Landmann/ Rohmer, Kommentar zum UIG, 70. EL, § 2 UIG Rn. 20).

130

Der Unternehmensbegriff ist daher funktional und nicht organisatorisch-funktionell zu verstehen, so dass die Rechtsform, in der die Sammlungstätigkeit erbracht wird, unerheblich ist (Petersen, in: Jarass/ Petersen, a.a.O., § 3 Rn. 197, m.w.N.; vgl. auch Beckmann, AbfallR 2013, 296; Petersen/ Hermanns, a.a.O., unter Hinweis auf den auf Initiative des Bundesumweltministeriums gefassten Beschluss des Abfallrechtsausschusses der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Abfall (LAGA), den Begriff der „juristischen Person“ in § 3 Abs. 10 KrWG weit auszulegen).

131

Die Antragsgegnerin kann ihre Untersagungsverfügung auch nicht auf § 18 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. KrWG stützen. Nach dieser Vorschrift, die bei einer angezeigten gewerblichen Sammlung als spezielle Ermächtigungsgrundlage Vorrang gegenüber der abfallrechtlichen Generalklausel des § 62 KrWG hat, hat die zuständige Behörde die Durchführung einer nach § 18 Abs. 1 KrWG angezeigten Sammlung zu untersagen, wenn die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 KrWG genannten Voraussetzungen anders nicht zu gewährleisten ist.

132

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG sind Erzeuger oder Besitzer von Abfällen aus privaten Haushaltungen verpflichtet, diese Abfälle den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu überlassen, soweit sie zu einer Verwertung auf den von ihnen im Rahmen ihrer privaten Lebensführung genutzten Grundstücken nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen. Die Überlassungspflicht besteht gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG u.a. nicht für Abfälle, die durch gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden, soweit überwiegende öffentliche Interessen dieser Sammlung nicht entgegenstehen.

133

Ob, wie die Antragstellerin meint, die von ihr gesammelten PPK-Abfälle als sortenreine Abfallfraktionen bereits nicht von der Überlassungspflicht des § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG erfasst sind, so dass es auch einer entsprechenden Befreiung von dieser Verpflichtung gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG nicht bedürfe, muss hier nicht entschieden werden. Denn auch bei Annahme einer Überlassungspflicht liegen jedenfalls die Voraussetzungen für eine Befreiung hiervon nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG vor.

134

Die Antragstellerin ist Trägerin einer nicht unter die Ausnahme des § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG fallenden gewerblichen Sammlung, die sie nach den obigen Ausführungen in der rechtlichen Form einer Personengesellschaft durchführen kann und die das im Wege der Sammlung erfasste Altpapier - insoweit zwischen den Beteiligten unstreitig - einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zuführt.

135

§ 17 Abs. 3 KrWG konkretisiert, wann einer Sammlung überwiegende öffentliche Interessen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 der Vorschrift entgegenstehen:

136

1 Überwiegende öffentliche Interessen (…) stehen einer gewerblichen Sammlung entgegen, wenn die Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung, auch im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen, die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (…) oder des (…) eingerichteten Rücknahmesystems gefährdet.

137

2 Eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit (…) ist anzunehmen, wenn die Erfüllung der (…) Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen verhindert oder die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigt wird.

138

3 Eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung (…) ist insbesondere anzunehmen, wenn durch die gewerbliche Sammlung

139

1. Abfälle erfasst werden, für die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger (…) eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführt,

140

2. die Stabilität der Gebühren gefährdet wird oder

141

3. die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb erheblich erschwert oder unterlaufen wird.

142

4 Satz 3 Nummer 1 und 2 gilt nicht, wenn die vom gewerblichen Sammler angebotene Sammlung und Verwertung der Abfälle wesentlich leistungsfähiger ist als die von dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (…) bereits angebotene oder konkret geplante Leistung.

143

5 Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit sind sowohl die in Bezug auf die Ziele der Kreislaufwirtschaft zu beurteilenden Kriterien der Qualität und der Effizienz, des Umfangs und der Dauer der Erfassung und Verwertung der Abfälle als auch die aus Sicht aller privaten Haushalte im Gebiet des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu beurteilende gemeinwohlorientierte Servicegerechtigkeit der Leistung zugrunde zu legen.

144

6 Leistungen, die über die unmittelbare Sammel- und Verwertungsleistung hinausgehen, insbesondere Entgeltzahlungen, sind bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit nicht zu berücksichtigen.

145

Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung stehen der Sammlung der Antragstellerin überwiegende öffentliche Interessen voraussichtlich nicht entgegen. Die Sammlung gefährdet in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers. Die Kammer geht davon aus, dass die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung der Antragsgegnerin durch die gewerbliche Sammlung aller Voraussicht nach nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Im Einzelnen:

146

Der Grundmaßstab des § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG, der für die Annahme einer Überlassungspflicht von Abfällen nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG auf eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers abstellt, ist eng anzulegen. Dementsprechend ist auch die Untersagung einer gewerblichen Sammlung dieser Abfälle nur unter engen Voraussetzungen möglich ist. Mit der Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ist der Gesetzgeber ausdrücklich einer zur Vorgängerregelung ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 18. Juni 2009, a.a.O.) entgegengetreten, nach der bereits mehr als geringfügige Beeinträchtigungen der öffentlichen Entsorgung für die Untersagung einer gewerblichen Sammlung genügen (vgl. BT-Drs. 17/6645, S. 5). Eine hohe Schwelle für die Anwendung einer solchen Verbotsvorschrift ist, wie bereits ausgeführt, auch europarechtlichen Vorgaben geschuldet, da gesetzliche Überlassungspflichten grundsätzlich die Gewährleistung des freien Warenverkehrs berühren und eine Einschränkung nur nach Art. 106 Abs. 2 AEUV für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse und den Bereich der Daseinsvorsorge möglich ist, soweit die Anwendung der Vorschriften der Verträge und insbesondere der Wettbewerbsregeln die Erfüllung der den (öffentlichen) Unternehmen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert (BT-Drs. 17/6052, S. 85; OVG NRW, Urteil vom 15. August 2013 - 20 A 2798/11 -, Rn. 99 ff. nach juris).

147

Als „klare Leitlinie“ (BT-Drs. 17/7505, S. 44) dafür, wann die Schwelle für die Anwendung der Verbotsvorschrift erreicht ist, enthält § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG eine nicht abschließende („insbesondere“) Aufzählung von Regelbeispielen, die konkretisieren, in welchen Fällen eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers i.S.d. § 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG „anzunehmen“ ist. Die Kammer geht dabei mit der wohl überwiegenden Rechtsprechung davon aus, dass es sich bei den Regelbeispielen nicht um unbedingte Schlussfolgerungen, sondern um widerlegliche Vermutungen handelt. Hierfür spricht bereits die Formulierung „ist anzunehmen“, die auch im allgemeinen Sprachgebrauch nicht auf einen unabänderlichen Ist-Zustand, sondern, quasi prima facie, auf eine falsifizierbare Erst-Einschätzung hindeutet. Diese Annahme findet ihre Bestätigung auch in der Gesetzesbegründung zu § 3 Abs. 2 KrWG (BT-Drs. 17/6052, S. 10, 71). Die in der genannten Vorschrift enthaltene Definition des Abfallentledigungsbegriffs verwendete wortgleiche Formulierung soll zur präziseren Umsetzung der EU-rechtlichen Vorgabe klarstellen, dass es sich auch bei diesem Tatbestand lediglich um eine Vermutungsregelung handelt, die nicht abschließend und zudem widerleglich ist (Karpenstein/ Dingemann, in: Jarass/ Petersen, KrWG, § 17 Rn. 171 m.w.N.).

148

Weil die Sätze 2 bis 6 des § 17 Abs. 3 KrWG mit ihren Konkretisierungen, Regelbeispielen und Gegenvermutungen eine Auslegung der maßgeblichen in § 17 KrWG enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe und damit eine europarechtskonforme Anwendung der Öffnungsklausel des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG im Sinne des Art. 106 Abs. 2 AEUV erst ermöglichen, können diese auch nur in dem aufgrund der europarechtlichen Vorgaben eng umgrenzten Anwendungsbereich zur Anwendung gelangen und nicht die strengen Voraussetzungen des Satzes 1 des § 17 Abs. 3 KrWG über einen eigenen, darüber hinausgehende Anwendungsbereich aus den Angeln heben.

149

Hiernach ist nicht davon auszugehen, dass die gewerbliche Sammlung der Antragstellerin die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung der Antragsgegnerin als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger wesentlich beeinträchtigt.

150

Eine wesentliche Beeinträchtigung ist nach dem Regelbeispiel in § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG anzunehmen, wenn durch die gewerbliche Sammlung Abfälle erfasst werden, für die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger eine haushaltsnahe Sammlung durchführt. Dafür genügt es jedoch nicht bereits, dass die von der Antragstellerin seit mehr als zehn Jahren betriebene Altpapiersammlung Abfälle erfasst, für die die Antragsgegnerin als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger vertreten durch den A. seit Januar 2014 ebenfalls eine - nach ihren Angaben nicht kostendeckende - haushaltsnahe getrennte Erfassung und Verwertung durchführt.

151

Die Vorschrift dient dazu, die vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger eingerichteten haushaltsnahen Holsysteme, die auch eine allgemeine Zugänglichkeit sichern und daher eine gemeinwohlbezogene Dienstleistung darstellen, aufgrund der erheblich höheren kommunalen Investitionen in besonderem Maße vor einem gewerblichen „Rosinenpicken“ zu schützen (vgl. BT-Drs. 17/7505, S. 44). Eine bereits bestehende und funktionierende öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung soll davor geschützt werden, dass sich eine gewerbliche Sammlung daneben etabliert hat oder etablieren will (OVG NRW, Urteil vom 15. August 2013, a.a.O., Rn. 144 nach juris). Nicht erfasst ist dagegen der hier vorliegende Fall, in dem bereits eine funktionierende Sammlung durch einen gewerblichen Sammler besteht und ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger für denselben Bereich eine eigene Abfallentsorgung erst einzurichten beabsichtigt. Zwar ist die erstmalige Einrichtung einer solchen Sammlung und damit das Hinzutreten eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in einen bestehenden Markt rechtlich ohne Weiteres zulässig, nicht dagegen eine darauf folgende zwangsweise Durchsetzung der Überlassungspflicht gegen die sich bereits auf dem Markt befindlichen Konkurrenten. Eine Untersagungsverfügung ist nach dem eng auszulegenden Grundmaßstab nur zulässig, um eine bereits angebotene und funktionierende öffentlich-rechtliche Abfallentsorgung zu sichern, nicht dagegen, um eine solche erst zu ermöglichen.

152

So liegt der Fall aber hier. Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Antragsgegnerin als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger für den Bereich der Altpapierabfälle eine eigene Abfallentsorgung eingerichtet hat, bestand bereits eine funktionierende Sammlung dieser Abfälle durch die Antragstellerin.

153

Die Antragstellerin hatte der Antragsgegnerin ursprünglich am 3. Juni 2003 die beabsichtigte Aufnahme einer gewerblichen Altpapiersammlung flächendeckend für die Stadt O. angezeigt.

154

Dass die Antragstellerin dabei den beabsichtigten Zeitraum ihrer gewerblichen Sammlung mit zehn Jahren bemessen hat, versteht die Kammer nicht als (endgültige) Befristung ihrer Sammlung, sondern als (vorläufige) Mindestangabe, auf deren Grundlage der Antragsgegnerin die nach dem seinerzeit geltenden § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG erforderliche Prüfung ermöglicht werden sollte, ob einer - nicht nur kurzfristigen - gewerblichen Altpapiersammlung überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Für die Annahme einer unwiderruflichen Befristung besteht auch deswegen kein Anlass, weil § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG a.F. kein Anzeigeverfahren vorsah, wie es heute in § 18 Abs. 1 KrWG enthalten ist, sondern lediglich den Nachweis einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung der gesammelten Abfälle (Kunig, in: Kunig/ Paetow/ Versteyl, KrW-/AbfG, Kommentar, 2. Auflage 2003, § 13 Rn. 36). Dass die Beteiligten die ursprünglich von der Antragstellerin angegebene Zeitdauer auch in eine im Juni 2011 geschlossenen Partizipationsvereinbarung aufgenommen haben - dort allerdings auch nicht in Form einer Regelung, sondern nur als Präambel -, mit der ein im Hinblick auf seinerzeit ungeklärte Rechtsfragen und eine bevorstehende Novellierung des Abfallrechts entstehender Schwebezustand verhindert werden sollte, sieht die Kammer ebenfalls nicht als eindeutige Aussage der Antragstellerin dahingehend an, dass sie eine Weiterführung über den genannten Zeitraum hinaus ausschließt, zumal aus ihrer Sicht kein Grund dafür ersichtlich war, eine funktionierende und lukrative Sammlung zu beenden. Hiervon konnte auch die Antragsgegnerin nicht ausgehen. Dass sie diese Erwartung tatsächlich auch nicht hatte, ergibt sich nicht zuletzt auch aus § 5 der Partizipationsvereinbarung, mit der sich die Antragsgegnerin für den Folgezeitraum ab 2014 die Aufnahme einer eigenen Sammlung vorbehalten hat. Eines solchen Vorbehaltes hätte es nicht bedurft, wenn zwischen den Beteiligten Einigkeit darüber bestanden hätte, dass die Antragstellerin eine Fortführung ihrer Sammlung ohnehin nicht anstrebt. Auch aus der Niederschrift über die Sitzung des Betriebsausschuss des Abfallwirtschaftsbetriebes vom 15. Mai 2012 (Beiakte F) geht hervor, dass die Antragsgegnerin damit rechnete, dass die Antragstellerin frühzeitig nach dem 1. Juni 2012 die gewerbliche Sammlung von Altpapier anzeigen werde. Dass sich diese erwartete Anzeige nicht lediglich auf eine bis zum Jahresende 2013 befristete, sondern auf eine unbefristete Anzeige bezog, ergibt sich aus dem Sinnzusammenhang, nach dem sich die Stadt zu der erwarteten Anzeige innerhalb von zwei Monaten positionieren müsse, wenn sie das langfristig lukrative Geschäft ab 2014 übernehmen wolle. Die sodann unter dem 22. August 2012 auch erfolgte Anzeige der Antragstellerin enthielt ebenfalls keinen Hinweis auf eine Befristung ihrer Sammlung, die nach § 18 Abs. 1 KrWG für eine Anzeige auch nicht vorgesehen ist. Auch aus dem in dem Schreiben enthaltenen Verweis auf den bestehenden Vertrag vom 15. Juni 2011 lässt sich insoweit nichts herleiten, da dieser, wie ausgeführt, eine zeitlich endgültige Befristung nicht enthält.

155

Die Antragsgegnerin hatte ihre seinerzeit im Juni 2003 ebenfalls verfolgten Bestrebungen zur Einführung einer haushaltsnahen Sammlung von Altpapier über eine Altpapiertonne (Beschlussvorlage 03/0388 vom 17. Juni 2003, Beiakte F) aufgrund der Anzeige der Antragstellerin zunächst nicht umgesetzt und auch in den Folgejahren, in denen die Sammlung - offenbar ohne jeden Grund zur Beanstandung - durch die Antragstellerin durchgeführt worden ist, nicht wieder aufgenommen, sondern sich im Hinblick auf die bestehende gewerbliche Sammlung mit einer Beteiligung an deren Erlösen über die am 15. Juni 2011 geschlossene Partizipationsvereinbarung begnügt (vgl. Beschlussvorlage 13/0563 vom 14. August 2013 zur Historie, Beiakte F) und darin bis zum 31. Dezember 2013 auf die Durchführung einer eigenen haushaltsnahen Altpapiersammlung im Stadtgebiet verzichtet.

156

Erst am 16. Juli 2012 beschloss der Rat der Antragsgegnerin auf eine entsprechende Beschlussvorlage vom 5. Juli 2012 (12/0408, Beiakte F), die Verwaltung zu beauftragen, alle erforderlichen Schritte für die Durchführung einer flächendeckenden haushaltsnahen Sammlung des Altpapiers ab 2014 in städtischer Verantwortung einzuleiten, um sich einer (vermeintlichen) gesetzlichen Verpflichtung zu stellen und dabei erwartete Erlöse aus der Altpapiersammlung und -verwertung zur Stützung des Gebührenhaushaltes zu erzielen. Dabei ergibt sich aus der Beschlussvorlage auch, dass zum damaligen Zeitpunkt die Einzelheiten einer städtischen Altpapiersammlung und -verwertung, insbesondere die Frage einer eigenen Sammlung oder einer Drittbeauftragung, noch weiterer Klärung und Entscheidung bedurften und hierbei insbesondere zu beachten sein werde, welche Anzeigen für gewerbliche Altpapiersammlungen innerhalb der Anzeigefrist mit welchen Angaben insbesondere zu Art, Ausmaß und Dauer eingehen.

157

Zu diesem Zeitpunkt war der Antragsgegnerin bereits bekannt, dass die Antragstellerin eine Fortführung ihrer gewerblichen Altpapiersammlung über das Jahr 2013 hinaus beabsichtigt. Bereits am 29. Februar 2012 hatten Vertreter der Antragstellerin dem A. und damit auch der Antragsgegnerin gesprächsweise angeboten, die gewerbliche Sammlung für drei Jahre fortzuführen und dafür der Stadt eine feste Zuzahlung je gesammelter Tonne Altpapier zu gewähren (vgl. Stellungnahme des A. vom 7. August 2014, Bl. 248 R GA). Auch in der der Ratssitzung unmittelbar vorausgegangenen Sitzung des Betriebsausschusses Abfallwirtschaftsbetrieb hatte Herr H., einer der Geschäftsführer der H. Verwaltungs GmbH, für die Antragstellerin seinen bereits zuvor schriftlich an alle Ratsmitglieder und die Verwaltung übersandten Vorschlag erläutert, die Sammlung in der bisherigen Form weiterzuführen, der aber auf (offenbar insbesondere vergabe-) rechtliche Bedenken der Antragsgegnerin gestoßen war (Niederschrift vom 21. September 2012 über die Sitzung vom 16. Juli 2012, Beiakte F). Unter dem 14. September 2012 übersandte er an die Mitglieder des Betriebsausschusses eine rechtsgutachterliche Stellungnahme des jetzigen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, nach der eine gewerbliche Sammlung nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz zulässig sei und auch nicht untersagt werden könne (Beiakte F). Bereits mit Schreiben vom 22. August 2012 hatte die Antragstellerin ihre Anzeige nach § 18 Abs. 1 KrWG bekräftigt und wiederholt (Beiakte B).

158

Am 18. Oktober 2012 beschloss der Betriebsausschuss des Abfallwirtschaftsbetriebes die Sammlung von Altpapier nicht an Dritte im Wege einer Ausschreibung zu vergeben, sondern selbst durch den A. unter Einführung der Seitenladertechnik durchzuführen (Beiakte F). Der entsprechenden Beschlussvorlage der Verwaltung (12/0693 vom 9. Oktober 2012) lag eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung der A. GmbH zugrunde, nach der bei den untersuchten Varianten, die Sammlung durch den A. selbst durchzuführen oder einen Dritten zu beauftragen, der ersten Variante der Vorzug zu geben wäre. Der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung lag offenbar die Annahme zugrunde, dass Gegenstand der durchzuführenden Altpapiersammlung und -verwertung sämtliche im Stadtgebiet anfallenden PPK-Abfälle sind und eine Verringerung der Sammelmengen durch gewerbliche Sammlungen ausgeschlossen ist (vgl. Beschlussvorlage 13/0563 vom 14. August 2013, dort Seite 6, Beiakte F).

159

Mit Schreiben vom 16. November 2012 teilte die Antragstellerin noch einmal förmlich mit, dass beabsichtigt sei, die Sammlung über das Jahr 2013 hinaus und zeitlich unbefristet durchzuführen (Beiakte B). Zu diesem Zeitpunkt waren die für die beabsichtigte Altpapiersammlung erforderlichen Investitionen der Antragsgegnerin zur Beschaffung der notwendigen Fahrzeuge und Behälter sowie Besetzungen der Fahrerstellen noch nicht erfolgt (vgl. Sachstandsbericht in der Niederschrift zur Sitzung des Betriebsausschusses des Abfallwirtschaftsbetriebes vom 21. Februar 2013, Beiakte F, nach dem u.a. die Ausschreibungen noch laufen). Aufträge für die Behälter- und Fahrzeugbeschaffung wurden erst am 3. bzw. 28. Mai 2013 erteilt (vgl. Niederschrift, ebd.). Spätestens bis zu diesem Zeitpunkt hätte die Antragsgegnerin ohne größere finanzielle Einbußen von ihrer Planung zur Aufnahme einer kommunalen Altpapiersammlung Abstand nehmen können.

160

Ausgehend von dieser Entwicklung hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Antragsgegnerin (EuGH, Urteile vom 17. Mai 2001 - C-340/99 -, Rn. 59, Slg 2001, I-4109, und vom 15. November 2007, Rs. C-162/06, Rn. 49, Slg 2007, I-9911) nichts dafür vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass die öffentlich-rechtliche Abfallentsorgung insgesamt oder zumindest bezogen auf die Abfallart Altpapier in ihrer Existenz gefährdet ist. Kommt ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger wie hier unter Fehleinschätzung seiner rechtlichen Möglichkeiten und - damit verbunden - der wirtschaftlichen Risiken zu dem Entschluss, trotz einer bereits im selben Bereich bestehenden, die Entsorgungssicherheit nicht in Frage stellenden gewerblichen Sammlung eine eigene, aus Gründen der Daseinsvorsorge insoweit nicht erforderliche Entsorgungstätigkeit aufzunehmen, und führt dies nicht zu den seiner Erwartung entsprechenden Mehreinnahmen, sondern sogar zu Einbußen, rechtfertigt dies nicht die Annahme, es liege eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers im Sinne einer Existenzgefährdung oder sogar Existenzvernichtung vor, der mittels Untersagung der konkurrierenden gewerblichen Sammlung Rechnung getragen werden kann, um die eigenen fehlerhaften Annahmen zu korrigieren.

161

Nichts anderes gilt für den vorliegenden Fall, wenn man aufgrund einer Zusammenschau mit § 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG annimmt, dass nach dem Regelbeispiel des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG entgegen seinem auf bereits durchgeführte Erfassungssysteme abstellenden Wortlaut auch „konkret geplante“ Leistungen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers Berücksichtigung finden und geeignet sein können, überwiegende öffentliche Interessen zu begründen (so VG Ansbach, Urteil vom 23. Januar 2013 - AN 11 K 12.01588 -, Rn. 84 nach juris; Karpenstein/ Dingemann, in Jarass/ Petersen, a.a.O., § 17 Rn. 172). Denn nach den obigen Ausführungen war zu dem Zeitpunkt, zu dem die Antragstellerin der Antragsgegnerin mitgeteilt hat, dass sie ihre gewerbliche Sammlung über den 31. Dezember 2013 hinaus fortsetzen will - spätestens nach Eingang des förmlichen Schreibens vom 16. November 2012, mit dem ausdrücklich eine zeitlich unbefristete Sammlung angekündigt worden ist - eine Sammlung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers noch nicht hinreichend konkret geplant.

162

Wann von einer konkreten Planung i.S.d. § 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG auszugehen ist, ist gesetzlich nicht definiert. Gemäß der Gesetzesbegründung ist von einer konkreten Planung dann auszugehen, wenn sich die Planung zumindest in den Beschlüssen der verantwortlichen Gremien des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers hinreichend konkret manifestiert hat. Innere Motivationen oder allgemeine Willensbekundungen genügen hierfür nicht (BT-Drs. 17/7505, S. 45 zu § 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG).

163

Dies mag bei isolierter Betrachtung des § 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG sachgerecht sein. Denn nur wenn bereits die Einzelheiten der Leistungsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers im Hinblick auf die in § 17 Abs. 3 Satz 5 KrWG genannten Kriterien feststehen, ist auch eine prognostische Beurteilung im Rahmen des erforderlichen Leistungsvergleichs der Abfallwirtschaftskonzeptes des öffentlich-rechtlichen Entsorgers mit den Angaben des gewerblichen Sammlers möglich. Erweitert man aber mit dem Verwaltungsgericht Ansbach unter Heranziehung des Satzes 4, der eigentlich eine Ausnahmebestimmung zugunsten des gewerblichen Sammlers darstellt, die Schutzwirkung des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG nunmehr zugunsten des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auch auf dessen konkret geplante Leistungen, so müssen im Hinblick auf die vor dem Hintergrund der europarechtlicher Vorschriften nur sehr eingeschränkten Möglichkeiten zur Untersagung gewerblicher Sammlungen jedoch andere, weitergehende Anforderungen gestellt werden.

164

Solange die verantwortlichen Gremien des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers noch keine Entscheidungen getroffen haben, die nicht ohne größere finanzielle Einbußen umkehrbar sind, rechtfertigt auch die Planung eines Abfallwirtschaftskonzeptes durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger noch keine besondere Unterschutzstellung, weil zu diesem Zeitpunkt eine Rückkehr zum „stA. quo ante“, also der Fortführung der Abfallentsorgung in der ursprünglichen Form, ohne Weiteres möglich ist. Jedenfalls zu dem Zeitpunkt des Eingangs des Schreibens der Antragstellerin vom 16. November 2012, mit der diese mitgeteilt hat, dass sie eine Fortführung ihrer Sammlung über das Jahr 2013 hinaus beabsichtigt, waren die Planungen der Antragsgegnerin nicht so weit fortgeschritten, als dass ein Festhalten an der bisherigen Entsorgungsstruktur nicht ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Eine Manifestierung der Planungen durch für eine Altpapiersammlung erforderliche Investitionen, insbesondere die Beschaffung zusätzlicher Fahrzeuge und der an die Haushalte auszugebenden Sammelbehälter, erfolgte ebenso wie die nötige Änderung der Personalstruktur, wie bereits ausgeführt, erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt.

165

Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, das Vorhalten einer eigenen Sammlung diene auch der Vorsorge für den Fall, dass die gewerbliche Sammlung eingestellt werde, kann sie auch mit diesem Argument nicht gehört werden. § 18 Abs. 6 KrWG enthält spezifische Regelungen für gewerbliche Sammlungen, die dem Schutz der Funktionsfähigkeit, insbesondere der Planungssicherheit und Organisation des betroffenen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers dienen. Nach Satz 1 kann die zuständige Behörde bestimmen, dass die gewerbliche Sammlung mindestens für einen bestimmten Zeitraum, der drei Jahre nicht überschreiten darf, durchzuführen ist. Dieser Rechtsrahmen dient der Planungssicherheit des betroffenen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, da dieser darauf vertrauen kann, dass er während dieses Zeitraumes für die Verwertung der von der gewerblichen Sammlung erfassten Abfälle nicht einzustehen hat. Falls der gewerbliche Sammler seine Tätigkeit vorzeitig einstellt, wäre der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger nämlich auf Grund seiner Gewährleistungsfunktion nach § 20 KrWG nämlich grundsätzlich verpflichtet, die bisher durch die gewerbliche Sammlung erfassten Abfälle wieder selbst oder durch einen beauftragten Dritten zu sammeln und verwerten zu lassen. Um die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers und die Belastung des Gebührenzahlers auch im Fall einer vorzeitigen Beendigung oder einer wesentlichen Einschränkung der Sammlung abzusichern, sieht Satz 2 daher einen Ersatzanspruch des öffentlich-rechtlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gegenüber dem Träger der gewerblichen Sammlung vor, der etwa durch Neuausschreibung von Sammlungs- und Verwertungsaufträgen, die Aufstellung neuer Erfassungssysteme, die Neuordnung der Logistik oder auch auf Grund veränderter Marktbedingungen entstehende Mehraufwendungen abdeckt. Zur Absicherung des Ersatzanspruchs kann dem Träger der gewerblichen Sammlung nach Satz 3 eine Sicherheitsleistung auferlegt werden, durch die auch dem Ausfallrisiko des Trägers der Sammlung vorgebeugt wird (vgl. BT-Drs. 17/6052, S. 89).

166

Mit denselben obigen Erwägungen zur Schutzrichtung kann auch eine wesentliche Beeinträchtigung nach dem Regelbeispiel in § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 KrWG aufgrund einer Gefährdung der Gebührenstabilität nicht angenommen werden. Weil die Zweckrichtung des § 17 Abs. 3 KrWG, eine funktionierende öffentlich-rechtliche Abfallentsorgung vor Konkurrenz zu schützen, sämtlichen in der Vorschrift enthaltenen Konkretisierungen zugrunde liegt (OVG NRW, Urteil vom 15. August 2013, a.a.O., Rn. 144 nach juris), ist es für die Annahme einer Gefährdung der Gebührenstabilität Grundvoraussetzung, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger mit den in Streit stehenden Abfällen in der Vergangenheit Erlöse erzielt hat, deren Wegfall aufgrund des Hinzutretens gewerblicher Konkurrenz zu einer Unterdeckung geführt hat, in dessen Folge eine mit einer Gebührenerhöhung verbundene Neukalkulation der Gebühren erforderlich ist (VG Ansbach, Urteil vom 23. Januar 2013, a.a.O., Rn. 87 nach juris).

167

Vor dem Hinzutreten des A. zum Altpapiermarkt zu Beginn des Jahres 2014 wurde der Großteil des im Stadtgebiet der Stadt O. anfallenden Altpapiers (mit Ausnahme der an den Wertstoffhöfen entgegengenommenen Altpapierabfälle) durch die gewerbliche Sammlung der Antragstellerin erfasst. Hierauf hatte sich die Antragsgegnerin offenbar auch bei der Kalkulation der Müllgebühren eingestellt und dabei insbesondere durch den Abschluss der Partizipationsvereinbarung von den von der Antragstellerin erzielten Gewinnen im Wege einer Erlösbeteiligung rückwirkend ab Januar 2010 profitiert. Damit bestand für die Antragsgegnerin zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Aufnahme einer eigenen Altpapiersammlung durch den A. (bzw. die insoweit hinreichend konkretisierenden Planungsabsichten) auch keine Gefährdung der Gebührenstabilität im Falle der Fortführung der bisherigen gewerblichen Sammlung, zumal die Antragstellerin bereits frühzeitig (u.a. in der Sitzung des Betriebsausschusses Abfallwirtschaftsbetrieb vom 16. Juli 2012, Beiakte F) angeboten hatte, die gewerbliche Sammlung wie bisher - also unter Erlösbeteiligung - fortzuführen. Die Antragsgegnerin hat darüber hinaus auch nicht geltend gemacht, dass sich die Gebühren für die Entsorgung des gesamten Hausmülls in der Vergangenheit außerhalb eines noch vertretbaren und akzeptierten Rahmens bewegt hätte (vgl. zu diesem Maßstab: OVG NRW, a.a.O., Rn. 186 ff. nach juris).

168

Da die Antragsgegnerin die durch die von der Antragstellerin entzogenen Altpapiermengen entstandene Unterdeckung bis auf 12.000 EUR durch zusätzliche - und von vornherein auch fest eingeplante - Einsparungen durch den Einsatz der angeschafften Seitenlader im Bereich der Rest- und Biomüllerfassung in die Kalkulation einstellen konnte (vgl. Seite 9 der Stellungnahme des A. vom 7. August 2014, Bl. 251 GA), ist eine Gefährdung der Gebührenstabilität im Übrigen - soweit ersichtlich - auch nicht zu erwarten. In der Stellungnahme des A. wird dieses Defizit ausdrücklich als „nicht besonders gebührenrelevant“ bezeichnet. Auch eine entsprechende Anfrage der FDP/WFO-Ratsfraktion wurde durch den Oberbürgermeister mit Schreiben vom 26. Mai 2014 dahingehend beantwortet, dass die kommunale Sammlung bei einem Anteil von nur 50 % am Gesamt-Altpapieraufkommen bereits kostendeckend sei und zu keiner Belastung für den Gebührenhaushalt führe (Bl. 312 f. GA). Aufgrund der einheitlichen und spartenübergreifend vorgenommenen Gebührenbedarfskalkulation kommt es auf allein die Sparte Altpapier betreffende Defizite, die hier mit rund 420.000 EUR angegeben werden (Anlage A.3 zur vorgenannten Stellungnahme, Bl. 257 R GA) nicht an. Die Antragsgegnerin irrt, wenn sie - wie offenbar im Schriftsatz vom 22. Oktober 2014 (Seite 4, Bl. 327 GA) - für die Gefährdung der Funktionsfähigkeit darauf abstellen will, dass die Sammlung einen wirtschaftlichen Misserfolg darstellt, weil die Gewinnerwartungen der ursprünglichen Kalkulation durch die Firma A. nicht eintreten.

169

Überwiegende öffentliche Interessen ergeben sich schließlich auch nicht aus § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG. Danach ist eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich- rechtlichen Entsorgungsträgers anzunehmen, wenn durch die gewerbliche Sammlung die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb erheblich erschwert oder unterlaufen wird.

170

Aufgrund der Systematik des § 17 Abs. 3 KrWG beurteilt sich auch die Schutzrichtung dieses Regelbeispiels danach, welchen Einfluss oder welchen Zusammenhang die dort genannten Aspekte auf die oder mit der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in Gestalt der die Funktionsfähigkeit prägenden Merkmale Planungssicherheit und Organisationsverantwortung haben. Dementsprechend kann es nur darum gehen, ob die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers deshalb in Frage steht, weil sich eine angedachte Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Entsorgungspflicht im Wege der Drittbeauftragung wegen vergaberechtlicher Schwierigkeiten nicht ohne Weiteres realisieren lässt oder aber eine nach Durchführung eines Vergabeverfahrens erfolgte Drittbeauftragung deshalb in ihrem vertraglichen Bestand gefährdet ist, weil sie von einem anderen „unterlaufen“ wird (OVG NRW, a.a.O., Rn 194 nach juris). Dies ist hier nicht der Fall.

171

Schwierigkeiten der Antragsgegnerin, im Wege eines Vergabeverfahrens einen zu beauftragenden Dritten zu finden, der die Altpapierentsorgung (Verwertung) übernimmt, können ausgeschlossen werden, weil die Antragsgegnerin auf die am 23. März 2013 erfolgte europaweite Ausschreibung (Beiakte C am Ende) einen solchen Dritten gefunden hat (vgl. Seite 12 des angefochtenen Bescheides). Dem Umstand, dass eine konkurrierende gewerbliche Sammlung die Menge des verwertbaren Altpapiers reduziert, kann im Rahmen einer Ausschreibung dadurch Rechnung getragen werden, dass das insoweit entzogene Altpapiervolumen außer Ansatz bleibt oder - wie hier geschehen - auf die mit dem Untersagungsverfahren verbundenen rechtlichen Risiken für den Bieter hingewiesen wird (vgl. Seite 14 der Vergabeunterlagen, Anlage ASt 9 zur Antragsschrift). Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass für sie nicht absehbar gewesen sei, in welchem Umfang sie bei einem Hinzutreten neben die bereits bestehende gewerbliche Konkurrenz Altpapier hätte sammeln können, da insoweit eine auf Schätzungen basierte und ggf. einem Sicherheitsabschlag versehene Angabe ausgereicht hätte. Mit dieser Fragestellung hatte sich die Antragsgegnerin jedoch zum Zeitpunkt der Ausschreibung scheinbar noch nicht ernsthaft befasst, offenbar in sicherer Erwartung, die konkurrierende Sammlung untersagen zu können. Erst nach bereits erfolgter Ausschreibung erfolgte eine Schätzung der durchschnittlichen Erfassungsquote in 2014, die unter anderem auf Tendenzen der Rückläufe aus einer Postkarten-Befragungsaktion der O.er Haushalte basierte und im November 2013 mit 50 % angesetzt wurde (vgl. Bericht in der Vorlage 13/0792 vom 12. November 2013, Beiakte F).

172

Soweit die Antragsgegnerin in ihrer Untersagungsverfügung (dort Seite 12) geltend gemacht hat, dass die in den Vergabeunterlagen genannte erwartete und für den beauftragten Dritten zugrunde gelegte Sammelmenge an Altpapier (lt. Auftragsbekanntmachung vom 23. März 2013 erfolgte im Hinblick auf eine erwartete Überlassung von 15 % der 12.000 t/a PPK-Abfälle an die Betreiber von Rücknahmesystemen eine Ausschreibung von 10.200 t/a, Beiakte C am Ende) bei Fortführung der gewerblichen Sammlung nicht mehr erreichbar sei und die Vergabeentscheidung damit unterlaufen würde, überzeugt dies nach dem Vorgesagten nicht. Vielmehr hätte die Antragstellerin selbst dieses Risiko im Vorfeld minimieren können, wenn sie die erwarteten Altpapiermengen im Hinblick auf die Ungewissheit hinsichtlich der Rechtmäßigkeit einer Untersagungsverfügung vorsichtiger kalkuliert hätte. Eine gegebenenfalls erforderlich werdende Anpassung des mit dem beauftragten Dritten geschlossenen Verwertungsvertrags rechtfertigt die Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung zudem nicht. Im Übrigen dient die Vorschrift, wie bereits ausgeführt, nicht dem Schutz des Vergabeverfahrens oder von Wettbewerbern, sondern der Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Entsorgungspflichten, die hier nicht in Frage gestellt wird.

173

Die weitere Argumentation der Antragsgegnerin, die Bieter der Ausschreibung hätten möglicherweise höhere Angebote unterbreiten können, wenn hier nicht eine konkurrierende Sammlung zu berücksichtigen gewesen wäre, was bei sicherer Zugrundelegung des ungeteilten Gesamtvolumens von 12.000 t/a ggf. weiter zur Gebührenstabilität hätte beitragen können, trifft bereits nicht die mit § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG verfolgte Schutzrichtung.

174

Anhaltspunkte dafür, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse wegen einer wesentlichen Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung über die in § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG genannten Regelbeispiele hinaus vorliegen könnte, sind nicht ersichtlich.

175

Überwiegende öffentliche Interessen stehen der gewerblichen Sammlung der Antragstellerin auch nicht mit der von der Antragsgegnerin vorgetragenen Begründung entgegen, dass sie gem. § 17 Abs. 3 Satz 1, 3. Var KrWG die Funktionsfähigkeit des auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 25 KrWG eingerichteten Rücknahmesystems gefährdet.

176

Die Antragstellerin hat bereits in der Vergangenheit mit den Verpackungsrücknahmesystemen Verträge zwecks Mengenzurechnung unterhalten und ihre Bereitschaft angezeigt, diese Vereinbarungen fortzuführen (vgl. Schreiben der Antragstellerin vom 2. Oktober 2013 an die ARGE Duales System O., Anlage ASt 11 zur Antragsschrift). Dass die Funktionsfähigkeit der eingerichteten Rücknahmesysteme tatsächlich gefährdet ist, hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Antragsgegnerin nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.

177

Abgesehen davon, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 3 KrWG bereits nicht vorliegen, ist die vollständige Untersagung der gewerblichen Sammlung der Antragstellerin voraussichtlich auch unverhältnismäßig. Dabei kann offen bleiben, ob sich Antragstellerin gem. § 18 Abs. 7 KrWG auf ein schutzwürdigen Vertrauens an der weiteren Durchführung ihrer Sammlung berufen kann oder ob diese Übergangsregelung gemäß einer teilweise vertretenen Auffassung, an deren Richtigkeit die Kammer Zweifel hegt, nicht anwendbar ist, weil es sich hier um einen Fall der gebundenen Untersagungsverfügung nach § 18 Abs. 5 S. 2 KrWG handelt (VG Ansbach, Urteil vom 23. Januar 2013 - AN 11 K 12.01693 -, Rn. 95 nach juris; tendenziell auch Nds. OVG, Urteil vom 21. März 2013, a.a.O., Rn. 36 nach juris; wohl zu Recht ablehnend: Bay. VGH, Beschluss vom 2. Mai 2013 - 20 AS 13.700 -, Rn. 21 ff. nach juris; Karpenstein/ Dingemann, in: Jarass/ Petersen, a.a.O., § 18 Rn. 109).

178

Denn unabhängig von § 18 Abs. 7 KrWG hat die zuständige Behörde gemäß § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG die Durchführung der angezeigten Sammlung nur dann zu untersagen, wenn die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG genannten Voraussetzungen anders nicht zu gewährleisten ist. Die vollständige Untersagung einer gewerblichen Sammlung stellt gegenüber anderen in Betracht kommenden Einschränkungen den intensivsten Grundrechtseingriff dar und kommt daher aus Verhältnismäßigkeitsgründen immer nur als ultima ratio in Betracht, was auch in der Systematik des § 18 Abs. 5 KrWG zum Ausdruck kommt. Gemäß Satz 1 der Regelung kann die zuständige Behörde die angezeigte Sammlung von Bedingungen abhängig machen, sie zeitlich befristen oder Auflagen vorsehen, soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG sicherzustellen. Kann die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bereits durch Bedingungen, Befristungen bzw. Auflagen sichergestellt werden, steht der zuständigen Behörde ein milderes Mittel zur Verfügung, und ist eine Untersagung nicht erforderlich. Erst wenn die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nach Maßgabe des § 17 Abs. 3 KrWG nicht anders zu gewährleisten ist, kann eine vollständige Untersagung im Einzelfall verhältnismäßig sein.

179

Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der unter dem 8. Mai 2014 zur beabsichtigten Untersagung durchgeführten Anhörung erklärt, auf eine Untersagungsverfügung zu verzichten, wenn sich die Antragstellerin zu einer Beschränkung der Sammelmenge auf maximal 1.950 t, d.h. 15 % des gesamten Altpapieraufkommens bereit erkläre, weil in diesem Fall eine wesentliche Beeinträchtigung der Organisations- und Planungssicherheit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers i.S.d. § 17 Abs. 3 KrWG nicht mehr gegeben sei. Nachdem die Antragstellerin dem nicht nachgekommen war, untersagte die Antragsgegnerin ihr die Sammlung vollständig. Bereits hieraus ist ohne Weiteres ersichtlich, dass als mildere, aus Sicht der Antragsgegnerin ebenso geeignete - Maßnahme eine nur partielle Untersagung in Form einer Begrenzung der Sammelmenge auf das Volumen, bei dem eine wesentliche Beeinträchtigung der Organisations- und Planungssicherheit als nicht gegeben erachtet wird, möglich und ausreichend gewesen wäre.

180

Auch unabhängig von der voraussichtlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Untersagungsbescheides überwiegt bei einer Abwägung der entgegenstehenden Interessen das Interesse der Antragstellerin, weiterhin vom Sofortvollzug der Untersagungsverfügung verschont zu bleiben. Ein Sofortvollzug würde der Antragstellerin die Chancen eines nennenswerten Wiedereinstiegs in die gewerbliche Altpapier-Sammeltätigkeit im Stadtgebiet von O. im Fall eines etwaigen späteren Obsiegens im Hauptsacheverfahren weitgehend nehmen. Diejenigen Haushalte, die derzeit das bei ihnen anfallende Altpapier über Papiertonnen der Antragstellerin entsorgen, wären dann, wenn die Antragstellerin ihre Papiertonnen abziehen müsste, gezwungen, ihr Altpapier über das Erfassungssystem des A. der Antragstellerin zu entsorgen (§ 8 Abs. 2 der Satzung über die Abfallwirtschaft in der Stadt O. vom 25. November 1997, zuletzt geändert durch Satzung vom 26. August 2013, Amtsblatt Stadt O. Nr. 21 vom 13. September 2013). Haben private Haushalte erst einmal die Papiertonne der Antragsgegnerin bestellt, gibt es keinen Anreiz, einen erneuten Wechsel zur Antragstellerin vornehmen, falls die Untersagungsverfügung im weiteren Verlauf des Hauptsacherechtsstreits aufgehoben werden sollte. Der Anteil der Haushalte, die aufgrund ihres Altpapieranfalls neben der kommunalen Altpapiertonne zusätzlich auch die Papiertonne der Antragstellerin anfordern würde - nach dem Zwischenergebnis der Postkarten-Befragungsaktion der Antragsgegnerin im Dezember 2013 waren das 13 % der Rückläufer - (Protokoll über die Sitzung des Betriebsausschusses des Abfallwirtschaftsbetriebes vom 19. Dezember 2013, Beiakte F) - wäre aller Voraussicht nach zu gering, um für die Antragstellerin nach einer Wiederaufnahme der Sammlung einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb zu ermöglichen.

181

Demgegenüber werden die öffentlichen Interessen angesichts der aktuellen Erfassungsmengen der Altpapiersammlung der Antragsgegnerin derzeit nur in verhältnismäßig geringem Maße tangiert. Laut Stellungnahme des A. vom 7. August 2014 ist bei einer Sammelmenge von 6.000 t/a mit einer von der A. selbst nicht als besonders gebührenrelevanten Unterdeckung von 12.000 EUR auszugehen, weil die durch die gewerbliche Konkurrenz entstehenden Verluste durch die zusätzlichen Einspareffekte der Seitenlader für die Rest- und Biomüllerfassung ausgeglichen werden können (Seite 9 f. der Stellungnahme, Bl. 251 + R GA). Nach der Mengenprognose für das gesamte laufende Jahr 2014 sei bei Fortschreibung der durchschnittlich ab März 2014 erzielten Monatsmengen mit nur rund 5.630 t/a zu rechnen (Seite 7 sowie Anlage A.1 zur Stellungnahme, Bl. 250 und 256 GA). Auch wenn nach der seinerzeitigen Prognose - aktuellere Daten hat die Antragsgegnerin im laufenden gerichtlichen Verfahren nicht mehr übermittelt - damit eine etwas höhere Unterdeckung auftreten sollte, sieht das Gericht hierin keine besondere Belastung für die Antragsgegnerin.

182

Auch nach der weiteren Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung im angefochtenen Bescheid überwiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Untersagung nicht das private Interesse der Antragstellerin an der Suspendierung des Bescheides. Die Antragsgegnerin ist trotz rechtlicher Unwägbarkeiten, insbesondere über die Möglichkeit der Untersagung konkurrierender gewerblicher Sammlungen, das wirtschaftliche Risiko der eigenen Sammlung von Altpapier bewusst eingegangen. Realisiert sich dieses Risiko, weil der Träger der gewerblichen Sammlung eine Untersagung nicht akzeptiert und seine Sammlung bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung fortführen will, wäre es unbillig, wenn im Wege der Anordnung des Sofortvollzuges eben dieses Risiko auf den gewerblichen Sammler überginge.

183

Die von der Antragsgegnerin geltend gemachten erheblichen Kosten durch bereits getätigte Investitionen und die Einstellung von Personal, die durch die aus der Papierverwertung erzielten Erlöse gedeckt werden sollten, entstünden bei der Vollziehung der Untersagung in vergleichbarer Form auf der Seite der Antragstellerin - laut Antragsschrift (dort Seite 58) wurden in den letzten Jahren mehrere neue Lkw angeschafft bzw. erneuert und in hohem Umfang neue Behälter angeschafft - und können daher von vornherein nicht zu einem Überwiegen des öffentlichen Interesses führen. Dass die Aufnahme einer kommunalen Sammlung auch der Antragstellerin seit langem bekannt gewesen ist, ändert daran ebenso wenig etwas wie der damit verbundene Hinweis der Antragsgegnerin auf einen der Antragstellerin fehlenden Vertrauensschutz. Die Antragstellerin konnte und musste sich zwar auf die Aufnahme einer Altpapiersammlung durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger einstellen, zumal sich die Antragsgegnerin dies in der Partizipationsvereinbarung ausdrücklich vorbehalten hat. Das bedeutet jedoch nur, dass sich die Antragstellerin auf eine Verringerung des auf dem Markt zur Verfügung stehenden Altpapiers einstellen musste, nicht jedoch darauf, dass ihr die Fortführung ihrer eigenen Sammlung überhaupt nicht mehr möglich sein soll.

184

Auch die von der Antragsgegnerin vorgetragene Begründung, die derzeitige Situation führe sowohl in der Kommunalpolitik als auch in der Berichterstattung teilweise zu der Forderung der Einstellung der kommunalen Sammlung von Altpapier, der entgegengewirkt werden solle, überzeugt nicht. Weder eine sachliche Diskussion im Rat oder in anderen Gremien der Antragsgegnerin noch eine kritische Berichterstattung in den lokalen Medien rechtfertigen es, das Interesse der Antragstellerin an einer vorübergehenden Fortführung ihrer Sammlung zurückzustellen.

185

Das weiter von der Antragsgegnerin geltend gemachte Interesse der Abfallbesitzer, zeitnah Klarheit darüber zu erlangen, wie die Sammlung des Altpapiers in O. zukünftig organisiert ist, genügt hierfür ebenfalls nicht, da das System der Abholung der jeweiligen Papiertonnen den Abfallbesitzern sowohl von der Antragstellerin als auch von dem A. bekannt gemacht worden ist und die Entsorgung des Altpapiers damit sichergestellt ist. Dass es in den vergangenen Monaten bei der Abholung von Altpapier zu größeren Schwierigkeiten gekommen ist, ist weder ersichtlich noch vorgetragen.

186

2. Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 27. Juni/ 11. Juli 2014 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Juni 2014 hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen, hat ebenfalls Erfolg.

187

Da nach § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 70 Abs.1 NVwVG, § 64 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG eine Klage gegen eine Zwangsgeldandrohung (Ziff. III. des angefochtenen Bescheides) keine aufschiebende Wirkung entfaltet, ist insoweit der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft.

188

Der Antrag ist auch begründet, weil die Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Aussetzungsinteresse im Hinblick auf die obigen Ausführungen zugunsten der Antragstellerin ausgeht. Mit der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Untersagungsverfügung sind die Voraussetzungen des § 64 Abs. 1 Nds. SOG - Vollstreckbarkeit des zugrundeliegenden Verwaltungsaktes - insoweit nicht (mehr) gegeben.

189

Im Übrigen ist das Zwangsgeld in der angedrohten Höhe auch voraussichtlich rechtswidrig. Da sich die Antragstellerin nicht gegen die von der Antragsgegnerin durch den A. aufgenommene Sammlung wehrt, sondern nur gegen die sie betreffende Untersagungsverfügung, besteht ihr wirtschaftliches Interesse auch nicht wie von der Antragsgegnerin angenommen darin, ein Sammelvolumen von etwa 10.000 t/a zu erreichen, sondern nur den Anteil, der sich im Wettbewerb mit der kommunalen Sammlung erfassen lässt. Stellt man entsprechend der ursprünglichen Prognose der Antragsgegnerin zu dem auf die gewerbliche Sammlung entfallenden Anteil auf 6.000 t/a ab, durfte die Antragsgegnerin auch nur von einem täglichen Sammelvolumen von 25 t und damit bei einem durchschnittlichen Vermarktungspreis von 50 EUR/ t je Sammeltag von einem wirtschaftlichen Interesse von nur 1.250 EUR ausgehen.

190

3. Auch der am 6. August 2014 gestellte Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs hinsichtlich der im angefochtenen Bescheid enthaltenen Kostenentscheidung anzuordnen, hat Erfolg.

191

Der Antrag ist statthaft, weil es sich bei den von der Antragsgegnerin geforderten Gebühren und Auslagen um eine Anforderung von öffentlichen Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO handelt, so dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gemäß Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift entfällt und die Antragsgegnerin den am 25. Juni 2014 gestellten Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung mit E-Mail vom 17. Juli 2014 abgelehnt hat (§ 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO). Der Antrag ist auch begründet, weil nach den obigen Ausführungen die in der Sache ergangene Entscheidung und in der Folge auch die darauf basierende Kostenentscheidung voraussichtlich rechtswidrig ist.

III.

192

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

193

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 GKG. Da die Untersagung der Sammlung einer partiellen Gewerbeuntersagung gleichkommt, hat sich das Gericht bei der Ausübung seines Ermessens diesbezüglich an Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von 2013 orientiert (NVwZ-Beilage Heft 2/2013, S. 57 ff.). Die Antragstellerin strebt die Fortführung ihrer gewerblichen Sammlung in Konkurrenz zu der kommunalen Sammlung an. Bei der Annahme eines jährlichen Gesamtvolumens von 12.000 t Altpapier im O.er Stadtgebiet entfallen ausgehend von der Mengenprognose des A. für das gesamte laufende Jahr 2014, nach der mit einer Altpapiermenge von rund 5.630 t/a zu rechnen ist (Seite 7 sowie Anlage A.1 zur Stellungnahme, Bl. 250 und 256 GA), jährlich ca. 6.370 t Altpapier auf die Antragstellerin, die in diesem Umfang ihre Sammlung auch fortzuführen beabsichtigt. Dementsprechend ergibt sich bei einem durchschnittlichen Vermarktungspreis von 50 EUR/t ein Jahresgewinn in Höhe von 318.500 EUR. Dieser Betrag ist für das vorläufige Rechtsschutzverfahren zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs). Die in dem Bescheid vom 25. Juni 2014 ausgesprochene Androhung eines Zwangsgeldes hat wegen ihrer Verbindung mit der Grundverfügung keine eigenständige Bedeutung und wirkt sich deshalb nicht streitwerterhöhend aus (Nrn. 1.1.1 und 1.7.2 des Streitwertkatalogs). Hinsichtlich der Heranziehung zu Verwaltungskosten folgt die Festsetzung des Streitwertes aus § 52 Abs. 3 GKG. Der Betrag von 1.490,40 EUR ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu einem Viertel anzusetzen (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).

 


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