Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 A 17/14

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag der Klägerin vom 15.01.2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden.

Der Bescheid der Beklagten vom 26.09.2013 in der Form, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 29.11.2013 erhalten hat, wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte zu zwei Dritteln und die Klägerin zu einem Drittel.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Aufrechterhaltung und hilfsweise die Schaffung der rechtlichen Grundlage für die Aufstellung von drei Geldspielgeräten in ihrem Betrieb … in … .

2

Ausgangspunkt dafür ist der Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Geeignetheitsbescheinigung nach § 33c GewO vom 15.01.2009.

3

Zwischenzeitlich ist der Klägerin auf Grundlage des vom 01.01.2012 bis 07.02.2013 geltenden Gesetzes zur Neuordnung des Glücksspiels (Glücksspielgesetz) vom 20. Oktober 2011 (GVOBl. 2011, 280); aufgehoben mit Wirkung vom 08. Februar 2013 durch Art. 4 des Gesetzes zur Änderung glücksspielrechtlicher Gesetze vom 1. Februar 2013 (GVOBl. S. 64, 69)) eine Genehmigung zum stationären Vertrieb von Sportwetten erteilt worden. Auf dieser Grundlage betreibt die Klägerin seit dem 01.03.2012 in ihrem Betrieb eine Wettannahmestelle. Mit Wirkung vom 09.10.2013 genehmigte das Innenministerium gemäß § 4 der Landesverordnung über den stationären Vertrieb von Sportwetten (Sportwettvertriebsverordnung – SVVO) vom 15.07.2013 (GVOBl. 2013, 319) i.V.m. § 23 Glücksspielgesetz den Betrieb der Klägerin als Wettvertriebsstätte in der Vertriebsform des Wettlokals.

4

Im Jahr 2009 reagierte die Beklagte auf den Antrag der Klägerin wegen der seinerzeit erwarteten Umbrüche im Glücksspielbereich zunächst mit Schreiben vom 03.03.2009. Dieses Schreiben hat u.a. folgenden Inhalt:

5

„[…] zum derzeitigen Zeitpunkt ist eine Entscheidung über den von Ihnen gestellten Antrag leider nicht möglich, da noch eine wesentliche Gerichtsentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof bezüglich der Zulässigkeit privater Vermittlung von Sportwetten aussteht.

6

Gem. § 1 Abs. 1 Spielverordnung dürfen Geldspielgeräte nur aufgestellt werden in […] – Wettannahmestelle der konzessionierten Buchmacher

7

Hinsichtlich der „Wettannahmestellen“ steht noch die angeführte Gerichtsentscheidung aus, ob diese legitim konzessionierte Vermittler bzw. Veranstalter von Sportwetten sein können.

8

Bis zur. Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof dulden wir die Aufstellung von max. 3 Geldspielgeräten in dem oben genannten Wettbüro. Eine Kopie dieses Schreibens geht an das Amt für Finanzwirtschaft. Dort wird die Spielautomatensteuer erhoben.

9

Zu gegebener Zeit werden wir uns erneut mit Ihnen in Verbindung setzen. […]“

10

Mit Schreiben vom 05.09.2013 wurde die Klägerin zur nunmehr beabsichtigten Ablehnung des Antrags angehört. Mit dem Schreiben vom 03.03.2009 habe man das Antragsverfahren auf unbestimmte Zeit bei gleichzeitiger Duldung des Betriebes von maximal drei Geldspielgeräten ausgesetzt. § 1 Abs. 1 der Spielverordnung (Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit, BGBl I 2006, 280, zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 64 G v. 7.8.2013, BGBl I, 3154, im Folgenden: SpielV) sei nicht geändert worden, so dass keine Geeignetheitsbescheinigung ausgestellt werden könne.

11

Mit Bescheid vom 26.09.2013 wurde der Antrag abgelehnt. Zwar sei der Klägerin vom Land Schleswig-Holstein die Erlaubnis zum stationären Vertrieb von Sportwetten erteilt worden. Die Spielverordnung nenne unter den zulässigen Aufstellorten für Geldspielgeräte jedoch nicht das von der Klägerin betriebene Sportwettenbüro.

12

Der dagegen erhobene Widerspruch vom 29.10.2013 wurde nach Einholung einer Stellungnahme des Innenministeriums (Glücksspielaufsicht) vom 12.11.2013 zum Begriff des konzessionierten Buchmachers gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 SpielV mit am 19.12.2013 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 29.11.2013 zurückgewiesen. Der Widerspruchsbescheid macht sich maßgeblich die Stellungnahme des Innenministeriums zu Eigen. In § 1 Abs. 1 SpielV seien die zulässigen Aufstellorte für Geldspielgeräte abschließend aufgezählt. Ein Sportwettenbüro falle nicht unter die genannten Orte, da ein Sportwettbüro kein konzessionierter Buchmacher im Sinne dieser Vorschrift sei. Der Begriff des konzessionierten Buchmachers geht zurück auf die Definition im Rennwett- und Lotteriegesetz (RWG) vom 08.04.1922 und den dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen (AB RWG) vom 16.06.1922, jeweils zuletzt geändert durch Gesetz vom 29.06.2012 (BGBl. I, 1424). In § 2 Abs. 1 RWG werde der Begriff des Buchmachers definiert als jemand, der gewerbsmäßig Wetten bei öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde abschließen oder vermitteln will. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Buchmachererlaubnis seien in den AB RWG näher geregelt, die den Buchmacher ebenfalls nur im Zusammenhang mit Pferdewetten nennen würden. Die SpielV wolle keinen eigenen Begriff des konzessionierten Buchmachers prägen. Hiergegen spreche auch der Sinn und Zweck des § 1 SpielV, der die Aufstellung von Geldspielgeräten gemäß der Ermächtigung des

13

§ 33f Abs. 1 Nr. 1 GewO auf bestimmte Gewerbezweige und Betriebe beschränke. Der Zulassung des Aufstellens von Geldspielgeräten in den in § 1 SpielV aufgeführten Räumlichkeiten liege die Erwägung zugrunde, dass entweder – wie bei Spielhallen und Wettannahmestellen der konzessionierten Buchmacher – das Spielen den Hauptzweck der Örtlichkeit bilde und deshalb entsprechende Zulassungsvoraussetzungen hierfür zu beachten seien oder aber – wie in Gaststätten und Beherbergungsbetrieben – das Spielen nur Annex der im Vordergrund stehenden Bewirtungs- bzw. Beherbergungsleistung sei und Kinder und Jugendliche keinen oder nur eingeschränkten Zugang hätten (unter Bezugnahme auf VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.04.1997, 14 S 1920/96, VG Bremen, Beschluss vom 18.08.2011 — 5 V 612/11 — juris m.w.N.; VG Minden, Urteil vom 15.04.2009 – 3 K 2990/08 – , Rn. 19; VG Köln, Urteil vom 23.05.2013 — 1 K 3456/12 m.w.N.). Dem entsprächen die Vorschriften der SVVO, wonach der Betrieb von Sportwetten in Räumlichkeiten, in denen Geldspielgeräte im Sinne des § 33c Abs. 1 GewO aufgestellt werden dürften, unzulässig sei (§ 5 Abs. 3 Nr. 4 SVVO). Eine anderweitige Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 SpielV sei unter europa- und verfassungsrechtlichen Grundsätzen ausgeschlossen. Ein Ermessensspielraum sei nicht gegeben.

14

Hiergegen erhob die Klägerin unter dem 20.01.2014 Klage zum Verwaltungsgericht.

15

Tatsächlich besitze sie die begehrte Geeignetheitsbescheinigung bereits, da sich die aktive schriftliche Duldung der Beklagten vom 03.03.2009 als eine auflösend oder aufschiebend bedingte Geeignetheitsbescheinigung darstelle. Mindestens sei es eine verbindliche Teilentscheidung, die nach reaktionslosem Verstreichenlassen der abgewarteten Entscheidung des EuGH über mehrere Jahre zu einer vollen Geeignetheitsbescheinigung erstarkt sei. Im Übrigen sei es auch über § 111a LVwG zu einer fiktiven Genehmigung gekommen. In beiden Fällen habe die Klägerin ein berechtigtes Interesse an einer entsprechenden Feststellung. Die Voraussetzungen des Widerrufs dieses rechtmäßigen Verwaltungsaktes nach § 117 Abs. 2 Nr. 1-5 LVwG lägen nicht vor.

16

Jedenfalls stehe der Klägerin aber ein entsprechender Genehmigungsanspruch zu. Die angeführte Entscheidung des VG Köln (Urteil vom 23. Mai 2013 – 1 K 3456/12) basiere auf einem in wesentlichen Aspekten anders gelagerten Fall. Die Ausführungen des VG Köln konzentrierten sich auf die Absage der Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 SpielV auf nicht konzessionierte Sportwettannahmestellen. Im vorliegenden Fall bestehe aber eine Genehmigung der Wettannahmestelle nach dem Glücksspielgesetz. Die Klägerin habe als Betreiberin alle entsprechenden Nachweise erbracht und sei im Übrigen im Bundesgebiet auch vielfach als Pferdbuchmacher tätig. An der Erfüllung aller Voraussetzungen von der Zuverlässigkeit bis hin zu den notwendigen Fachkenntnissen könnten daher keine Zweifel bestehen. Die Wettannahmestelle eines genehmigten Sportwettvermittlers sei als „Wettannahmestelle eines konzessionierten Buchmachers“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 SpielV anzusehen. Die SpielV übernehme den Begriff „Wettannahmestelle“ aus der Gewerbeordnung und nicht aus dem RennwLottG. § 1 Abs. 1 Nr. 3 SpielV, sei deshalb auf alle Arten erlaubter Wettannahmestellen anzuwenden. Bei Erlass der SpielV am 05.02.1960 habe der Gesetzgeber keinesfalls nur das RennwLottG vor Augen gehabt.

17

1960 habe es neben dem RennwLottG eine Vielzahl von Landesgesetzen gegeben, die Sportwetten und darin auch explizit „Wettannahmestellen“ für Sportwettbuchmacher regelten. In Nordrhein-Westfalen sei etwa an das Sportwettengesetz vom 03.05.1955 (GV. NW. 1955 S. 84/GS. NW, S. 672, geändert durch Gesetz v. 15. 12. 1970 (GV, NW, S. 765), 14.12.1999 (GV. NRW. S, 687) zu erinnern. Dieses Gesetz habe das Gesetz über die Genehmigung von Sportwett- und Losgeschäften sowie Geschicklichkeitsspielen vom 11. Juli 1949 (GV. NW. S. 243) abgelöst. Ebenso habe es in anderen Bundesländern entsprechende Gesetze gegeben, z.B. in Hessen seit 1949 das Sportwetten-Gesetz. Gerade diese Vielzahl von Landesgesetzen habe neben dem RennwLottG die weite Fassung des § 1 SpielV erforderlich gemacht. Aus diesem Grunde spreche der Gesetzgeber gerade nicht von „Örtlichkeiten der erlaubten Buchmacher“, sondern von „Wettannahmestellen konzessionierter Buchmacher“.

18

Diese Auffassung werde auch durch die ratio legis gestützt. Der Verordnungsgeber habe in dem Bemühen um die Kanalisierung des Spieltriebs die Orte in die Positivliste des § 1 Abs. 1 SpielV aufgenommen, an denen das Spielen den Hauptzweck oder zumindest den Annex zu anderen Leistungen bilde und zu denen Kinder und Jugendliche keinen oder nur einen sehr eingeschränkten Zutritt hätten. In dem Wettbetrieb der Klägerin sei wie in allen Wettlokalen nach § 1 Abs. 2 SVVO das Spielen in Gestalt von Sportwetten der Hauptzweck. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SVVO sei Minderjährigen der Zutritt verboten.

19

Selbst wenn man begrifflich die Anwendbarkeit von § 1 Abs. 1 Nr. 3 SpielV verneine, zeige sich eine planwidrige Regelungslücke im rechtlichen Regelungswerk, die im Wege der Analogie zu schließen sei. Auch Ausnahmevorschriften unterlägen einer analogen Anwendung, wenn es dem Sinn der Ausnahmeregelung entspreche (BVerwG, Urteil vom 28. Mai 1963 – I C 39.61 Rn 34). Der Betrieb eines Wettlokals nach § 1 Abs. 2 SVVO und einer Örtlichkeit nach § 2 Abs. 2 RennwLottG seien wesensgleich. Pferdewetten seien eine echte Teilmenge der Sportwetten. Bereits der Reichstag habe erwogen, ob in das RennwLottG nicht auch andere Sportarten eingeschlossen werden sollten. Dies sei nur auf Grund der äußerst geringen Bedeutung der anderen Sportarten zu dem damaligen Zeitpunkt nicht umgesetzt worden.

20

Im Erscheinungsbild glichen sich Annahmestellen für Sportwetten und Pferdewetten ebenso wie in ihrem Charakter: In beiden Fällen würden Sportwetten vermittelt und Fernsehbilder ausgestrahlt. In beiden Fällen blieben die Kunden in dem Spiellokal, um dem Ereignisausgang gemeinsam entgegenzufiebern. In beiden Fällen handele es sich um Betriebe, in denen unzweifelhaft das Spiel den Betriebscharakter dominiere. In beiden Fällen hätten Minderjährige keinen Zutritt. Das Wesen der Wettannahmestelle ändere sich nicht durch die bewetteten Sportarten. Eine differenzierte Betrachtung von Pferderennen (RennwLottG) und beispielsweise Kamelrennen (Glücksspielgesetz und jetzt auch GIüStV) sei nicht angezeigt und auch nicht gerechtfertigt. Beide Rennen fänden auf identischen Rennbahnen statt (Beispiel Hoppegarten Berlin oder Kölner Rennbahn (erstes deutsches Kamelrennen ebenda bereits 1969). Oft ritten sogar die gleichen Jockeys wie bei den Galopprennen. Dem jährlich erscheinenden Jahrbuch Sucht sei seit Jahr und Tag zu entnehmen, dass Pferdewetten und Sportwetten das gleiche Suchtpotential aufwiesen. Würde § 1 Abs. 1 Nr. 3 SpielV auf die Pferdewetten reduziert, entstünde durch diese Norm eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zu den Sportwetten, die verfassungsrechtlich auch nicht gerechtfertigt sei. Nicht zuletzt aus diesem Grunde verzögerten sich auch die Bemühungen der Länder über den Bundesrat eine Neufassung der SpielV mit dem Ziel einer klar gefassten Beschränkung auf Pferdewettlokale zu erreichen. Der Regelungsversuch der aktuellen § 5 Abs. 3 Nr. 3 SVVO belege, dass auch der Verordnungsgeber in Schleswig-Holstein selbst offenbar davon ausgehe, dass Sportwettannahmestellen in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 3 SpielV fielen, da es ansonsten gar keiner Regelung nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 SVVO bedurft hätte. Hinsichtlich des Konfliktes dieser Normen breche Bundesrecht nach Art. 31 GG das Landesrecht.

21

Nicht zuletzt aus diesem Grunde sei auch im Ersten GlüÄndStV unter § 2 Abs. 4 der Anwendungsbereich für Gaststätten (Schank- und Speisewirtschaften und Beherbergungsbetriebe) und Wettannahmestellen der Buchmacher, soweit sie Geld- oder Warenspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit bereithalten, auf die §§ 1 bis 3, 4 Abs. 3 und 4, §§ 5 bis 7 sowie die Vorschriften des Neunten Abschnitts des Ersten GlüÄndStV beschränkt und die Frage der Regelzulässigkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1-3 SpielV ausgespart worden.

22

Die Klägerin beantragt,

23

1. den Bescheid der Beklagten vom 26. September 2013, Az. 10.4.1.43 in der Form, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 29. November 2013, zugestellt am 29. Dezember 2013, Az. 10.4.1.4, gefunden hat, aufzuheben und mithin festzustellen, dass die Klägerin bereits über die gewünschte Bescheinigung nach § 33c Abs. 3 Gewerbeordnung verfügt.
2. Die Beklagte hilfsweise zu verpflichten, der Klägerin die Geeignetheitsbescheinigung nach § 33c Abs. 3 Gewerbeordnung zu erteilen.

24

Die Beklagte beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Bescheide.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

28

Die Kammer hat den Rechtsstreit dem Berichterstatter mit Beschluss vom 25.09.2014 als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Entscheidungsgründe

29

Die von der Klägerin erhobene Klage ist zulässig und teilweise begründet. Die Klägerin besitzt die begehrte Geeignetheitsbescheinigung nach § 33c GewO zwar nicht (dazu unter 1.), hat aber einen Anspruch auf Neubescheidung ihres entsprechenden Antrags, da der Antrag bereits wegen rechtswidriger Verneinung der allgemeinen Eignung des Aufstellungsortes abgelehnt wurde (§ 113 Abs. 5 VwGO, dazu unter 2.).

30

1. Die mit dem Hauptantrag begehrte Feststellung kann nicht getroffen werden, da der Klägerin bisher keine Geeignetheitsbescheinigung erteilt wurde, weder durch Erstarken einer Duldung noch fiktiv gemäß § 111a LVwG.

31

Das Gericht teilt nicht die Auffassung der Klägerin, nach der bereits durch das Schreiben vom 03.03.2009 eine bedingte materielle Teilentscheidung über ihren Antrag getroffen worden wäre. Die Klägerin überinterpretiert dieses Schreiben nach Auffassung des Gerichts bei Weitem. Das Gericht hält das Schreiben seiner Formulierung nach für einen Ausdruck der Unsicherheit der Beklagten über die künftige Entwicklung des rechtlichen Rahmens der Sportwettvermittlung im Jahr 2009 mit vermuteten Auswirkungen auf die zwischen den Beteiligten streitige Fragestellung. Auch die an die EuGH-Entscheidung anschließende Untätigkeit kann nicht als Ausdruck einer besonderen gewollten Regelung verstanden werden, sondern ist das Ergebnis einer vielleicht etwas lockeren Verfahrensüberwachung hinsichtlich eines zwar ausdrücklich geduldeten, auch nach Auffassung der Beklagten mindestens aber formell rechtswidrigen Zustandes. Hinzu kommt, dass insbesondere in Schleswig-Holstein besondere Rechtsunsicherheit bestand, wohin sich der Rechtsrahmen für Glücksspiel allgemein entwickeln würde. In keinem Fall ist durch das Schreiben ein Rechtsschein gesetzt worden, nach dem auf den Duldungsbestand unter welcher Bedingung auch immer vertraut werden könnte. Hierfür bietet weder das Schreiben selbst noch das anschließende Verhalten der Beklagten einen Anhaltspunkt.

32

Auch der seit 25.09.2009 geltende § 111a LVwG wird von der Klägerin überinterpretiert, da es sich nicht um eine stets geltende Regelung handelt, sondern nur um Rahmenrecht, welches von einem Fachgesetz in seiner Geltung besonders angeordnet werden muss. Eine solche fachgesetzliche Anordnung existiert für den vorliegenden Regelungszusammenhang nicht. In LT-Drucks. 16/2609, S. 20/21 heißt es dazu (Hervorhebung durch das Gericht):

33

„b) Einführung von Regelungen über die Genehmigungsfiktion

34

Die Dienstleistungsrichtlinie schreibt nicht nur die Einführung vorab festgelegter Entscheidungsfristen für die Verwaltung vor. Nach Ablauf dieser Fristen soll darüber hinaus grundsätzlich eine Genehmigungsfiktion gelten, soweit nicht aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses Ausnahmen gerechtfertigt sind. In einzelnen Fachgesetzen wie zum Beispiel der Landesbauordnung (§ 75 Abs. 11), dem Landesnaturschutzgesetz (§ 13 Abs. 4) oder dem Landeswassergesetz (§§ 78 Abs. 5, 84 Abs. 2) ist das Institut der Genehmigungsfiktion seit längerem anerkannt. Das Landesverwaltungsgesetz enthält bislang aber keine ausdrücklichen Regelungen zur Genehmigungsfiktion. Der Gesetzentwurf sieht allgemeine Grundsätze zur Genehmigungsfiktion im Landesverwaltungsgesetz vor. Diese gelten, wenn fachgesetzlich die Genehmigungsfiktion angeordnet und soweit dort nichts Abweichendes geregelt ist. Die sachgerechte Bestimmung der von der Dienstleistungsrichtlinie geforderten, vorab festgelegten Bearbeitungszeiten kann nicht allgemein erfolgen, sondern bleibt dem Fachrecht vorbehalten.“

35

2. Die Klägerin hat allerdings einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags, da sie entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus dem Regelungsbereich von § 1 Abs. 1 Nr. 3 SpielV herausfällt. Diese Vorschrift kann jedenfalls bei verfassungskonformer Auslegung nur so verstanden werden, dass sie die genehmigten Räumlichkeiten eines mit der entsprechenden Genehmigung operierenden Sportwettvermittlers erfasst.

36

Zwar spricht für die Auffassung der Beklagten das verwendete besondere Wort „Buchmacher“, welches in § 2 Abs. 1 RennwLottG als Definition für denjenigen gegeben wird, „wer gewerbsmäßig Wetten bei öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde abschließen oder vermitteln will“. Tatsächlich kannte das Bundesrecht auch keinen bundesrechtlichen Tatbestand, der eine Sportwette legalisiert hätte. Vgl. dazu BVerfG, Urteil „Sportwettenmonopol“ vom 28.03.2006 – 1 BvR 1054/01 – BVerfGE 115, 276 ff., Juris- Rn. 4:

37

„Außer für Wetten bei öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde, die nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften vom 24. August 2002 (BGBl I S. 3412, 3420) erlaubt werden können, kennt das Bundesrecht keine weiteren Tatbestände, aufgrund derer eine die Strafbarkeit nach § 284 Abs. 1 StGB ausschließende Erlaubnis erteilt werden kann.“

38

Es ist andererseits aber auch nicht ersichtlich, dass die Spielverordnung, die insgesamt eine nur eingeschränkte Verfügbarkeit von Geldspielautomaten zulässt, einen Ausschluss etwaiger vergleichbarer Genehmigungstatbestände nach Landesrecht bezweckt hätte. An die Genehmigungsmöglichkeiten, die nach dem Glücksspielgesetz bestehen, hat der Gesetzgeber ersichtlicher weder vor dessen Inkrafttreten, noch aktuell gedacht. So schlägt die 6. Verordnung zur Änderung der Spielverordnung zwar vor, den Wörtern „der konzessionierten Buchmacher“ die Wörter „nach § 2 Absatz 1 des Rennwett und Lotteriegesetzes“ nachzustellen (BR-Drucks. 437/13, Art. 1 Nr. 1). Selbst die dazu gegebene Begründung, es handele sich um eine „Klarstellung“ benennt als Klarstellungsanlass aber nur die Regelungen des Glücksspieländerungsstaatsvertrages und befasst sich (a.a.O. S. 17) mit keinem Wort mit der zumindest im glücksspielrechtlichen Fachkreisen wohl zwischenzeitlich hinlänglich bekannten schleswig-holsteinischen (Sonder-)Rechtslage.

39

Auch die weiter gegebene „materielle“ Begründung „Die Wettvermittlungsstellen dieser Konzessionsinhaber sind keine zulässigen Aufstellorte von Spielgeräten“ (a.a.O.) lässt jedenfalls bezogen auf nach schleswig-holsteinischem Landesrecht legale Angebote jeden tatsächlichen Anknüpfungspunkt vermissen, der insoweit eine Ungleichbehandlung in Bezug auf die konzessionierten Buchmacher nach § 2 Abs. 1 RennwLottG rechtfertigen könnte. Die gesetzlichen Beschränkungen durch das Glücksspielgesetz und die SVVO gewährleisten in Bezug auf den Spielerschutz ein Schutzniveau, welches demjenigen nach RennwLottG mindestens äquivalent ist. Solange der Bundesgesetzgeber deshalb der Auffassung ist, Geldautomatenspiele trotz deren Suchtpotentials in eingeschränktem Umfang an besonderen Orten zuzulassen, kann der diesbezüglich gegebene Katalogtatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 SpielV nur so verstanden werden, dass nach ihrer Bestimmung direkt vergleichbare und in Bezug auf den Spielerschutz mindestens vergleichbar stark regulierte Aufstellorte ebenfalls potentiell als geeignet anzusehen sind.

40

Das Gericht teilt insoweit die Begründung der Klägerin in vollem Umfang und kann insofern auf diese verweisen (s.o.).

41

Das Gericht verkennt nicht, dass sich die Klägerin durch das Aufstellen von Geldspielgeräten unmittelbar in Konflikt mit § 5 Abs. 3 Nr. 4 SVVO setzen würde. Dies kann das Gericht im Rahmen des vorliegenden Verfahrens jedoch nicht berücksichtigen, da insoweit nur die Auslegung des einschlägigen Bundesrechts entscheidungserheblich war. Würde die Klägerin in der Folge die Genehmigung ihrer Wettvertriebsstätte in der Vertriebsform des Wettlokals verlieren, hätte die Beklagte die Frage der Geeignetheit wie bei jeder tatsächlichen Veränderung neu zu bewerten.

42

In diesem Zusammenhang darf allerdings darauf hingewiesen werden, dass § 5 Abs. 3 SVVO im Ergebnis erheblich strengere Anforderungen an die Räumlichkeiten für den Vertrieb von Sportwetten aufstellt, als es die in Schleswig-Holstein geltenden Ausführungsanweisung zum Rennwett- und Lotteriegesetz (LottGAAnw SH, zuletzt geändert durch LVO vom 24.09.2013, GVOBl. S. 393) für die Geschäftsräume der Buchmacher aufstellt. So ist zwar nach deren lit. B. Nr. 4 als Geschäftsraum ausgeschlossen ein Raum, der in Verbindung mit einem Raum steht, für den eine Schankkonzession besteht. Dies ist noch annähernd mit § 5 Abs. 3 Satz 1 SVVO vergleichbar. Ansonsten darf als Geschäftsraum nach lit. B Nr. 2 Satz 2 aber z.B. auch ein Raum in der Wohnung des Buchmachers zugelassen werden oder nach lit. B Nr. 4 in Lotteriegeschäften, Wechselstuben, Zigarrenläden und Friseurläden.

43

Bereits daraus wird deutlich, dass für die Frage des durch das Zulassungserfordernis hinsichtlich der Räumlichkeiten erreichten Schutzniveaus weniger § 1 Abs. 1 Nr. 3 SpielV relevant ist, als die auf Landesebene diesbezüglich geltenden Anforderungen. Es stellte auch deshalb einen Zirkelschluss dar, § 1 Abs. 1 Nr. 3 SpielV infolge insoweit in Konflikt tretenden Landesrechts einschränkend auszulegen.

44

Mangels Spruchreife – dem Gericht liegen keine Erkenntnisse hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen der Geeignetheitsbescheinigung vor – kommt allerdings nur eine Verpflichtung der Beklagten zu entsprechender Neubescheidung in Betracht (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

45

Die angefochtenen Bescheide waren deshalb im tenorierten Umfang aufzuheben.

46

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Gericht berücksichtigt, dass die Klägerin mit ihrem wesentlichen Anliegen erfolgreich war, hinter dem die Aspekte und Anträge, mit der sie unterlegen ist, deutlich zurücktreten.

47

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 Zivilprozessordnung.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen