Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 A 79/14

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Anerkennung eines dienstlichen Ereignisses vom 19.06.2012 als Dienstunfall. An diesem Tag wurde der Kläger nach einer postärztlichen Untersuchung schriftlich aufgefordert, seinen Dienst unverzüglich aufzunehmen.

2

Der Kläger stand bis zu seiner zwischenzeitlichen Versetzung in den Ruhestand als Technischer Postobersekretär (Besoldungsgruppe A 7) in den Diensten der Deutschen Post AG. Hintergrund des Ereignisses vom 19.06.2012 bilden eine Reihe von Krankschreibungen des Klägers, die nach seinem Vorbringen im Klageverfahren auf den Verhältnissen am Arbeitsplatz, insbesondere auf der fehlenden Übertragung seinem Amt entsprechender Aufgaben beruhen sollen.

3

Krankschreibungen waren vom 19.09.2011 bis zum 30.09.2011 erfolgt. Am 29.09.2011 musste sich der Kläger einer Bauch-OP unterziehen mit einem daran anschließenden Krankenhausaufenthalt bis zum 03.10.2011. Darauf folgte eine weitere Krankschreibung bis zum 20.12.2011. Nach Urlaub bis zum 27.01.2012 erfolgte eine weitere Krankschreibung. In der Zeit vom 07.03.2012 bis zum 18.04.2012 wurde eine Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt, auf die eine weitere Krankschreibung bis zum 18.05.2012 folgte.

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Mit Schreiben vom 25.04.2012 forderte die Beklagte den Kläger auf, sich einer Dienstunfähigkeitsuntersuchung zu unterziehen. Nach dem Ergebnis dieser Untersuchung am 04.05.2012 hätte der Kläger leichte Arbeiten ausführen können. Es folgte eine Krankschreibung bis zum 16.05.2012 worauf der Kläger erneut zur ärztlichen Untersuchung aufgefordert wurde. Diese wurde am 19.06.2012 bei einem Postarzt in B-Stadt durchgeführt. Mit Schreiben vom selben Tag wurde der Kläger zum Dienstantritt aufgefordert. Das Schreiben hat u.a. folgenden Inhalt:

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„[…]

Sehr geehrter Herr [Kläger],

im Rahmen einer Kontrolluntersuchung wurden Sie am 19.06.2012 Herrn Dr. med. […] vorgestellt.

Das Untersuchungsergebnis lautet:

„Bei [dem Kläger] besteht derzeit keine Dienstunfähigkeit begründete Erkrankung.“

Herr Dr. […] hat Ihnen das Ergebnis der Untersuchung am 19.06.2012 sofort mitgeteilt.

Auf Grund dieser Feststellung fordern wir Sie auf, Ihren Dienst unverzüglich am Dienstort ...7 B-Stadt, ... 17, bei Frau […], FHD, aufzunehmen.

Wie bereits im Schreiben vom 22.05.2012 mitgeteilt, wird die befristete Zuweisung für einfache Buchungstätigkeiten mit Wirkung vom 01.11.2011 bei der DP AG; FHD, Dienstort B-Stadt, bis voraussichtlich 31.12.2012 verlängert.

Der Ihnen vorliegende Dienstplan hat weiterhin seine Gültigkeit.

Sollten Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, betrachten wir Ihr Fehlverhalten als unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst. Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens und den Verlust der Dienstbezüge gemäß § 9 Satz 2 und 3 Bundesbesoldungsgesetz würden wir in diesem Fall veranlassen.

Die aktuelle und auch weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen Ihrer/s behandelnden Ärztin/Arzt wird von uns nicht mehr akzeptiert.

Mit freundlichen Grüßen
[…]“

6

In der Folge schrieb die behandelnde Ärztin den Kläger am 02.07.2012 erneut krank bis zum 02.08.2012. Mit Schreiben vom 03.07.2012 erhielt der Kläger eine Aufforderung, sich einer Kontrolluntersuchung zu unterziehen. Mit Schreiben vom 09.07.2012 wurde der Kläger erneut zur Arbeitsaufnahme aufgefordert und mitgeteilt, dass die Atteste seiner behandelnden Ärztin nicht anerkannt würden.

7

Wegen der Verfügung, seine Arbeit aufzunehmen, suchte der Kläger um gerichtlichen Eilrechtsschutz nach. Das beim Verwaltungsgericht Hamburg – 20 E 1726/12 – durchgeführte Verfahren wurde übereinstimmend für erledigt erklärt nach der Mitteilung der Beklagten, dass sie eine amtsärztliche Untersuchung in Auftrag gegeben habe und das Ergebnis abwarten wolle.

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Den Antrag vom 05.09.2012, das Ereignis „Bekanntgabe des Ergebnisses der Kontrolluntersuchung durch Herrn Dr. […] durch Schreiben der Deutschen Post AG vom 19.06.2012 und Aufforderung, dass [er] unverzüglich seinen Dienst wieder aufzunehmen habe“ als Dienstunfall anzuerkennen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15.11.2012 ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2014 zurückgewiesen.

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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 17.02.2014 beim Verwaltungsgericht Hamburg erhobenen, mit dortigem Beschluss vom 28.05.2014 an das erkennende Gericht verwiesenen Klage.

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Er macht geltend, bei dem Ereignis vom 19.06.2012 handele es sich um einen Dienstunfall. Die rechtswidrige Annahme, dass er dienstfähig sei, stelle keine normale Mitteilung dar, mit der ein Beamter jederzeit rechnen müsse. Die Beklagte habe ein Verhalten an den Tag gelegt, welches geeignet gewesen sei, seine Gesundheit erheblich zu beeinträchtigen. Die Ereignisse im Juli 2012 seien für den Kläger so belastend gewesen, dass er sich nicht mehr in der Lage gesehen habe, seinen Dienst bei der Beklagten aufzunehmen. Es sei schließlich auch die Versetzung in den Ruhestand erfolgt. Durch die Ereignisse im Juli 2012 sei eine posttraumatische Belastungsstörung eingetreten, die ihn daran gehindert habe, seinen Dienst bei der Beklagten wieder aufzunehmen.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 15.11.2012 und des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2014 zu verpflichten, das Ereignis vom 19.06.2012 als Dienstunfall anzuerkennen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide.

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Die Kammer hat den Rechtsstreit dem Berichterstatter mit Beschluss vom 03.07.2014 als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, das Ereignis vom 19.06.2012 als Dienstunfall gem. § 31 BeamtVG anzuerkennen.

19

Es kann für die im vorliegenden Verfahren aufgeworfene Fragestellung dahinstehen, welche gesundheitlichen Probleme aus welchen Gründen beim Kläger tatsächlich bestehen. Für die Annahme eines Dienstunfalls in Bezug auf das streitgegenständliche Ereignis am 19.06.2012 besteht bereits normativ kein Anknüpfungspunkt, der eine Bewertung als Dienstunfall zuließe.

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Ausgangspunkt ist dabei, dass ein Dienstunfall durch § 31 BeamtVG definiert ist als ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares Ereignis voraussetzt, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.

21

Daran fehlt es im Fall der sachlichen Mitteilung einer dienstlichen Personalentscheidung. Das Gericht hält die diesbezüglichen, auch von der Beklagten herangezogenen Ausführungen des OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 26.11.1993 – 3 L 99/93 – SchlHA 1994, 134 f. – juris-Rn. 34 ff. auch für den vorliegenden Fall für zutreffend. Zwar ist anerkannt, dass die individuellen Umstände wie z.B. Beleidigungen und Beschimpfungen, die einen seelischen Schock und als deren Folge einen Gesundheitsschaden verursacht haben, zur Bewertung als äußere Einwirkungen im Sinne des Dienstunfallrechts führen können (OVG Schleswig a.a.O. juris-Rn. 34 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 09.04.1970 – II C 49.68 – BVerwGE 35, 133 ff.; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.08.2011 – 1 A 1455/09 – juris-Rn. 11).

22

Für die Annahme derartiger außergewöhnlicher Umstände, die Anlass böten, eine der Situation angemessene dienstliche Vorgehensweise als äußere Einwirkung zu klassifizieren ist allerdings weder aus den Verwaltungsvorgängen noch dem Vorbringen der Beteiligten etwas ersichtlich. Das streitbefangene Ereignis stellt keine wesentliche Abweichung vom üblichen dienstlichen Umgang dar und liegt im Rahmen der sozialen Adäquanz. Es kann dabei sogar dahinstehen, ob dem Ereignis ein inhaltlicher Fehler zu Grunde gelegen hat (VG Stuttgart, Urteil vom 09.04.2014 – 12 K 998/13 –). Denn selbst wenn im Zeitpunkt des Ereignisses bereits Dienstunfähigkeit vorgelegen haben sollte, wie für einen späteren Zeitpunkt amtsärztlich festgestellt wurde, kann die auf dem damaligen entgegenstehenden Erkenntnisstand beruhende Aufforderung zur Dienstaufnahme innerhalb des Dienstverhältnisses nicht als äußere Einwirkung bewertet werden. Dem Ereignis, insbesondere der Aufforderung den Dienst wieder anzutreten, lagen aktuelle postärztliche Erkenntnisse zu Grunde. Auch die Formulierung des Schreibens ist sachlich gehalten. Die vom Kläger wahrgenommene Schärfe folgt vielmehr aus dem Inhalt selbst.

23

Der Kläger musste überdies mit dem Ereignis vom 19.06.2012 im Rahmen seines Dienstverhältnisses angesichts seiner vorherigen Krankheitsgeschichte rechnen. Er wusste von dem anstehenden medizinischen Untersuchungstermin und konnte sich auch mit den beiden möglichen Ergebnissen Dienstfähigkeit oder Dienstunfähigkeit gedanklich auseinandersetzen. Der untersuchende Postarzt hat den Kläger überdies sofort über das Ergebnis informiert.

24

Das Gericht verkennt nicht, dass es für den Kläger als in der Rückschau offensichtlich psychisch eingeschränkt belastbarem Beamten unangenehm gewesen sein muss, mitgeteilt zu bekommen, dass die Atteste seiner behandelnden Ärztin nicht länger akzeptiert würden. Andererseits war dies nach der Krankheitshistorie und den entgegenstehenden eingeholten postärztlichen Befunden eine angemessene und zulässige Vorgehensweise der Beklagten. Denn ebenso wie die Existenz psychischer Erkrankungen vom Dienstherrn nicht verkannt werden darf, existiert auch das Phänomen des Missbrauchs von Krankschreibungen bei mangelhafter Arbeitshaltung (vgl. zu den arbeitsrechtlichen Problemen der Widerlegung eines vermuteten „gelben Urlaubsscheins“ Heinze/Giesen, BB 1996, S. 1830 ff.). Die Einschaltung des Post- und später Amtsarztes in Zweifelsfällen durch die Beklagte und damit einhergehend die Ausschaltung des privat behandelnden Arztes zur Glaubhaftmachung weiterer Erkrankungen ist jedenfalls bei der vorliegenden Häufung von Erkrankungsphasen eine sozialadäquate Vorgehensweise. Der Dienstherr kann berücksichtigen, dass in Bezug auf den behandelnden Arzt neben dem Arzt-/Patientenverhältnis auch ein Dienstleister-/Kundenverhältnis besteht und etwaigen daraus folgenden Bedenken wie im vorliegenden Fall nachgehen, um die Vorlage von Gefälligkeitsbescheinigungen auszuschließen.

25

Eine solche Vorgehensweise stellt sich entgegen der Auffassung des Klägers weder als „von oben herab“ noch gar als fürsorgepflichtwidrig dar. Dies gilt auch soweit der Kläger geltend macht, er habe angesichts der Qualität seiner vorgelegten privatärztlichen Stellungnahmen nur aufgrund einer abweichenden amtsärztlichen Bewertung zum Dienstantritt aufgefordert werden dürfen. Zum Einen ist vorliegend nicht ein beliebiger anderer Arzt mit der Untersuchung betraut worden, sondern mit einem Postarzt – sei es auch im Nebenamt – ein Arzt, dem zusätzliche öffentlich-rechtliche Aufgaben übertragen sind und der durchaus einem Amtsarzt gleichzusetzen sein kann (vgl. zum Bahnarzt BVerwG, Urteil vom 12.10.2006 – 1 D 2/05 – juris-Rn. 33 und allgemein zu Amts-, Bahn- oder Postärzten im Nebenamt BVerwG, Beschluss vom 19.07.1994 – 1 DB 27/93 – juris-Rn. 12). Der abweichenden medizinischen Beurteilung des Amtsarztes hinsichtlich desselben Krankheitsbildes kommt grundsätzlich, wenngleich nur unter bestimmten Voraussetzungen Vorrang zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.10.2006 – 1 D 10/05 – Buchholz 232 § 73 BBG Nr 30 – juris-Rn. 36 sowie Beschluss vom 24.09.2014 – 2 B 92/13 u.a. – juris-Rn. 10). Selbst wenn diese Voraussetzungen in der Begutachtung durch den Postarzt entsprechend dem klägerischen Vorbringen nicht eingehalten worden sein sollten, wäre zu berücksichtigen, dass derartige Mängel jedenfalls nicht erkennbar waren und die eingeholte postärztliche Stellungnahme letztlich weder in einem Disziplinar- noch im Zurruhesetzungsverfahren zu Grunde gelegt wurde. Die disziplinarische Ahndung ist nur angedroht worden, was angesichts des Standes der zu diesem Zeitpunkt bestehenden ärztlichen Erkenntnisse ebenfalls nicht als unverhältnismäßig erscheint. Im weiteren Verlauf der Ereignisse hat die Beklagte dann auch vor dem Hintergrund des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens einen Amtsarzt eingeschaltet.

26

Selbst wenn ein Beamter im Zusammenhang mit einem von medizinischen Unsicherheiten geprägten, aber sachlich bearbeiteten dienstlichen Vorgang der Personalverwaltung eine Vertiefung eines gesundheitlichen Schadens erleiden sollte, stellte sich dies im Sinne des Unfallrechts nicht als äußere Einwirkung sondern als Folge mangelnder persönlicher Verarbeitungsfähigkeit des Beamten dar. Nach der bereits zuvor eingetretenen Entwicklung stellt sich das streitgegenständliche Ereignis nicht als ein besonderes Momentum, sondern als ein Glied in der Kette von empfundener dienstlicher Fehl- und Unterbelastung, psychischer Beeinträchtigung, häufigen Krankschreibungen und der schwindenden Fähigkeit, sich wieder beruflichen Situationen stellen zu können dar. Auch in der Gesamtschau bietet eine solche bedauerliche Entwicklung angesichts der Regelung in § 31 § 1 Satz 1 BeamtVG keinen Anlass, von einem Dienstunfall auszugehen. Das Erfordernis eines auf äußerer Einwirkung beruhenden, plötzlichen, örtlich und zeitlich bestimmbaren Ereignisses in Ausübung oder infolge des Dienstes verbietet es schon begrifflich, die Verpflichtung zum Dienst selbst als Dienstunfall anzusehen.

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Die Kostentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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