Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (5. Kammer) - 5 A 109/15

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die – nach eigenen Angaben 1993 geborene – Klägerin gelangte 2002 zusammen mit ihren Eltern und ihrem angeblich 1995 geborenen Bruder nach Deutschland. Nach erfolglosen Asylverfahren wurde die Familie, deren Mitglieder keine glaubhaften Identitätsnachweise erbracht haben, geduldet. Sie sehen sich auf Armenien, das 2010 seine Rücknahmebereitschaft erklärt hat, fokussierten Abschiebungsandrohungen ausgesetzt.

2

Am 15.03.2012 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG. Diesen Antrag beschied der Beklagte in Erfüllung einer mit rechtskräftig gewordenem Urteil der 4. Kammer vom 23.06.2014 (4 A 166/12) ausgesprochenen diesbezüglichen Verpflichtung mit Bescheid vom 29.10.2014: Die begehrte Aufenthaltserlaubnis sei zu versagen, weil die Identität der Klägerin nicht geklärt sowie die Passpflicht nicht erfüllt sei und angesichts ihrer bislang fehlenden Mitwirkung bei der Feststellung ihrer Identität bzw. Passbeschaffung auch keine Veranlassung bestehe, von diesen Erteilungsvoraussetzungen abzusehen.

3

Den gegen diesen Bescheid gerichteten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Bescheid vom 06.02.2015 als unbegründet zurück: Die Behauptung der Klägerin, eine Passbeschaffung ihrerseits sei so lange aussichtslos, solange sich ihre Eltern nicht um die Identitätsklärung kümmerten, sei unzutreffend. Eine Rückfrage bei der beim Landesamt zuständigen Sachbearbeiterin für Armenien habe ergeben, dass eine Beantragung des Passersatzpapiers möglich sei. Eine Passersatzbeantragung werde nicht verweigert, nur weil die Eltern keine Identitätsnachweise eingereicht hätten.

4

Am 05.03.2015 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie nimmt Bezug auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren sowie auf das anhängig gewesene Verfahren 4 A 166/12.

5

Die Klägerin beantragt,

6

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides und 29.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2015 zu verpflichten, ihr eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

7

Der Beklagte beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Er verteidigt den angegriffenen Bescheid.

10

Die Kammer hat die Entscheidung des Rechtsstreits dem Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

11

Wegen der Darstellung des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Verfahrens 4 A 166/12 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Klage ist unbegründet.

13

Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt dieser gerichtlichen Entscheidung (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 07.04.2009 - 1 C 17.08 - juris) keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen; sie hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, über ihr Begehren erneut zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 VwGO).

14

Die Klägerin erfüllt nicht die allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1a und 4 AufenthG. Danach setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass die Identität geklärt ist und die Passpflicht erfüllt wird. Diese Voraussetzungen finden auch bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG Anwendung (BVerwG, Urteil vom 14.05.2013 - 1 C 17.12 - juris).

15

Ein Abweichen (siehe hierzu BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 6.11 - juris) von der ansonsten ausschlaggebenden Regel ist nicht geboten.

16

Zwar hat die Klägerin nicht selbst getäuscht, sie ist aber auch nicht ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen. Es ist die ureigene Angelegenheit eines Ausländers, seine Identität aufzuklären und sich bei der für ihn zuständigen Auslandsvertretung um die Ausstellung eines Ausweispapiers zu bemühen. Der Besitz eines gültigen Passes zählt zu den Obliegenheiten eines Ausländers (vgl. § 3 Abs. 1 AufenthG). Zudem verdeutlicht § 48 Abs. 3 S. 1 AufenthG, dass ein Ausländer bei der Beschaffung von Identitätspapieren alle erforderlichen Mitwirkungshandlungen vorzunehmen hat. Da dies auch in Ansehung einer für ihn möglicherweise schwierigen Beweissituation gilt, ist der Hinweis der seit Jahren volljährigen Klägerin darauf, dass sich ihre Eltern nicht um die Identitätsklärung kümmerten, nicht geeignet annehmen zu wollen, sie selbst träfe keine Mitwirkungsobliegenheiten bei der Klärung ihrer Identität und Passbeschaffung.

17

Es erschließt sich dem erkennenden Gericht schlechterdings nicht, warum es der Klägerin bereits unzumutbar sein sollte, auch nur den Versuch zu unternehmen, sich etwa bei der armenischen Auslandsvertretung unter Bezugnahme auf die bereits 2010 erklärte Rücknahmebereitschaft um die Ausstellung eines Ausweispapiers zu bemühen. Ob eine derartige Vorgehensweise von Erfolg gekrönt sein wird, mag der Klägerin zweifelhaft erscheinen. Zweifel in Bezug auf die Unmöglichkeit einer Passbeschaffung gehen jedoch zu Lasten des Ausländers, weil er generell und damit insbesondere auch im Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für die ausschließlich seinem Einflussbereich unterliegenden, ihm günstigen Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig ist. Erst wenn ein Ausländer überhaupt ein Bemühen an den Tag gelegt hat, stellt sich die Frage, ob nunmehr die Ausländerbehörde die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, welche konkreten weiteren Mitwirkungshandlungen der Betroffene noch unternehmen kann (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 10.01.2008 - 18 E 359/07 - juris).

18

Art. 6 GG und Art. 8 EMRK gebieten bei der seit Jahren volljährigen Klägerin ebenfalls kein Absehen; auf die insoweit recht umfänglich ausgefallenen Ausführungen im Urteil der 4. Kammer vom 23.06.2014 (4 A 166/12) kann verwiesen werden.

19

Danach zielt das Begehren der Klägerin auf die Ermessensvorschrift des § 5 Abs. 3 S. 2 AufenthG ab. Von dieser Ermächtigung hat der Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid in gerichtlicherseits nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Denn unter den hier gegebenen Umständen kann es nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden, dass der Beklagte dem gewichtigen öffentlichen Interesse an der Identifizierung eines Ausländers vor der Legalisierung seines Aufenthalts und an der Erfüllung diesbezüglicher Mitwirkungspflichten den Vorrang vor dem privaten Interesses der Klägerin und des öffentlichen Interesses an der Legalisierung des Aufenthalts gut integrierter Jugendlicher und Heranwachsender eingeräumt hat. Die Klägerin hat es selbst in der Hand, durch eine Änderung ihres Verhaltens eine belastbare Grundlage für eine sie begünstigende Ermessensentscheidung zu schaffen. Anstrengungen in dieser Hinsicht hat sie bislang nicht unternommen.

20

Lediglich zwecks Vermeidung von Missverständnissen sei noch angemerkt, dass gegenwärtig die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG gemäß § 25a Abs. 1 S. 2 AufenthG ausschließt, weil sich die Klägerin derzeit nicht in einer schulischen oder beruflichen Ausbildung oder einem Hochschulstudium befindet.

21

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Sie ist gemäß § 167 VwGO iVm den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen