Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 B 31/17

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 13.519,80 Euro festgesetzt.

Gründe

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Der Antrag des Antragstellers,

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1. die aufschiebende Wirkung seiner Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 17.07.2017 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens und eines evtl. nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens anzuordnen und

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2. der Antragsgegnerin aufzugeben, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens und eines evtl. nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens weiterhin als Soldat auf Zeit mit seinem bisherigen Dienstgrad zu beschäftigen,

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ist gem. § 80 Abs. 5 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO iVm § 23 Abs. 6 S. 2 Wehrbeschwerdeordnung (WBO) zulässig, jedoch unbegründet.

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In materieller Hinsicht wiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Entlassungsverfügung schwerer als das private Aufschubinteresse des Antragstellers.

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Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind einerseits das private Aufschubinteresse des Antragstellers daran, vom Vollzug der Entlassungsverfügung vorerst verschont zu bleiben, und andererseits das öffentliche Interesse an deren Vollziehung. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes Bedeutung erlangen, wenn aufgrund der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Ergibt die rechtliche Prüfung des angefochtenen Bescheides, dass dieser offensichtlich rechtmäßig ist, führt dies regelmäßig zur Ablehnung des Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO.

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So liegen die Dinge hier.

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Der Entlassungsbescheid der Antragsgegnerin vom 17.07.2017 ist nicht zu beanstanden.

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Zunächst bestehen in formeller Hinsicht keine Bedenken gegen die Entlassungsverfügung. Der Antragsteller wurde vor Erlass des Bescheides gem. §§ 55 Abs. 6 S. 1, 47 Abs. 2 Soldatengesetz (SG) ordnungsgemäß angehört. Darüber hinaus wurde auch die Stellungnahme der Vertrauensperson des Klägers nach § 23 Abs. 1 Nr. 6 Soldatenbeteiligungsgesetz (SBG) rechtzeitig eingeholt.

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Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Antragsgegnerin hat die Entlassung des Antragstellers zu Recht auf § 55 Abs. 5 SG gestützt. Nach dieser Vorschrift kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde.

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Der Tatbestand dieser Bestimmung ist erfüllt.

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Der Kläger war zum Zeitpunkt seiner Entlassung Soldat auf Zeit und noch keine vier Jahre im Dienst. Durch das mehrfache und lautstarke Rufen der Parole „Sieg Heil“ in der Nacht vom 02.12. auf den 03.12.2016 gegen 1.45 Uhr in … hat er schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt.

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Dass der Antragsteller sich pflichtwidrig verhalten hat, steht für die Kammer nach Auswertung der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel (…) fest. Die Würdigung der Aussagen der bei der Bezirkskriminalinspektion Kiel und auch vor dem Amtsgericht B-Stadt vernommenen Zeugen ergibt für die Kammer, dass sowohl der beim Amtsgericht B-Stadt angeklagte R. als auch der Antragsteller die Parole „Sieg Heil“ in der o. g. Zeit mit großer Lautstärke, mehrfach und gegenüber einer unbestimmten Anzahl von Personen gerufen haben. Das haben alle drei vernommenen Zeugen sowohl bei der Polizei als auch im Rahmen der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Eckenförde übereinstimmend berichtet. Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugen nicht die Wahrheit gesagt haben, liegen nicht vor. Die fehlende Verurteilung des Antragstellers wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (vgl. § 86 a Abs. 1 Nr. 1 iVm Abs. 2 S. 1 Strafgesetzbuch – StGB -) steht dem nicht entgegen. Denn zum einen ist das Verwaltungsgericht gehalten und auch befugt, in eigener Zuständigkeit den Sachverhalt zu ermitteln und das Verhalten des Antragstellers zu würdigen. Zum anderen ist das Strafverfahren auch nicht etwa mangels Vorliegens eines Tatverdachts (vgl. § 170 Abs. 2 StPO) eingestellt, sondern das Verfahren ist nach § 153 a Abs. 2 StPO (wegen geringer Schuld) unter Auferlegung einer Geldbuße von 1.500,-- Euro (vorläufig) eingestellt worden (s. Verhandlungsprotokoll vom 14.03.2017 i.V.m. der Berichtigung vom 24.02.2017, Bl. 80 ff, 112 R der Ermittlungsakte). Der Antragsteller hat demzufolge nicht „ohne Schuld“ gehandelt, was insbesondere durch die Auferlegung einer Geldbuße in nicht unerheblicher Höhe (sie erreicht fast das monatliche Einkommen des Antragstellers) sowie die Tatsache, dass der Antragsteller seine notwendigen Auslagen zu tragen hat, deutlich wird.

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Der Antragsteller hat durch sein Verhalten gegen seine Pflicht aus § 8 SG verstoßen. Nach dieser Bestimmung muss der Soldat die freiheitlich demokratische Grundordnung iSd Grundgesetzes anerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung eintreten. Diese Kernpflicht des Soldaten gebietet, sich mit der Idee der freiheitlich demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, der er dienen soll, zu identifizieren. Identifizieren bedeutet dabei nicht nur, die Grundordnung dieses Staates anzuerkennen, sondern verlangt ein Mehr an staatsbürgerlicher Verpflichtung, das dem Soldaten wie auch dem Richter und Beamten auferlegt ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist eine Demokratie, die von ihren Bürgern die Verteidigung der freiheitlichen Ordnung erwartet. Das Prinzip der streitbaren Demokratie gilt auch für die innere Ordnung der Bundeswehr. Dementsprechend verlangt die politische Treuepflicht von jedem Soldaten die Bereitschaft, sich zu der Idee des Staates, dem er dient, zu bekennen und aktiv für ihn einzutreten. Daher gehört die Verletzung der politischen Treuepflicht zu den schwersten denkbaren Pflichtwidrigkeiten. Ein solcher Verstoß liegt dann vor, wenn sich ein Soldat für Ziele einsetzt, die geeignet sind, die freiheitlich demokratische Grundordnung auszuhöhlen oder wenn er sich nicht eindeutig von Bestrebungen distanziert, die diesen Staat und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und deformieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.11.2000 – 2 WD 18.00 – juris).

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Der Antragsteller ist nicht für die freiheitlich demokratische Grundordnung iSd Grundgesetzes eingetreten, sondern hat durch Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, wozu auch Parolen und Grußformen gehören (vgl. § 86 a Abs. 2 S. 1 StGB), Zweifel an seiner Verfassungstreue geweckt; dieses Verhalten war objektiv geeignet, ihn in die Nähe rechtsextremistischer Gruppierungen zu rücken. Dieser – objektive – Eindruck wird dadurch verstärkt, dass nach den Zeugenaussagen der Mitangeklagte und der Antragsteller einen Zeugen als „linke Socke“ bzw. „linkes Schwein“ – „linke Sau“ bezeichnet haben.

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Darüber hinaus hat der Kläger gegen die Wohlverhaltenspflicht nach § 17 Abs. 2 S. 1 SG verstoßen. Danach muss das Verhalten des Soldaten dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Dienst als Soldat erfordert. Die Antragsgegnerin hat die Vorschrift in ihrem Bescheid zwar nicht ausdrücklich genannt, aber das Verhalten des Antragstellers in ihrer Entlassungsverfügung vom 17.07.2017 – sinngemäß - darunter subsumiert („die ernsthafte Beeinträchtigung der Achtung und des Vertrauens, die Ihre Stellung als Soldat erfordern, wird in Ihrem Fall ebenfalls durch o. a. Sachverhalt verursacht“).

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Das Verhalten des Antragstellers war auch geeignet, die in § 17 Abs. 2 S. 1 SG genannten Schutzgüter zu beeinträchtigen. Nach der Rechtsprechung kommt es für die Feststellung einer Pflichtverletzung nach dieser Vorschrift nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung tatsächlich eingetreten ist, sondern es genügt, wenn das Verhalten dazu geeignet war. Allein entscheidend ist, ob ein vernünftiger, objektiv wertender Dritter, wenn er von diesem Verhalten Kenntnis erhielte, daran eine Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr oder der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit des Soldaten sehen würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.2000, aaO).

18

Dass die Verwendung der Parole „Sieg Heil“ objektiv geeignet ist, für einen außenstehenden Dritten Zweifel an der persönlichen Integrität und der charakterlichen Eignung des Soldaten zu begründen und damit dessen Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit zu beeinträchtigen, hat die Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid zutreffend festgestellt; dies ist auch ohne Weiteres anzunehmen.

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Das Verbleiben des Antragstellers in seinem Dienstverhältnis würde auch die militärische Ordnung der Bundeswehr ernstlich gefährden.

20

Unter „militärischer Ordnung“ ist der Inbegriff der Elemente zu verstehen, die die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr nach den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen erhalten. Schutzgut der militärischen Ordnung ist die innerbetriebliche Funktionsfähigkeit der Streitkräfte in dem Umfang, wie dies zur Aufrechterhaltung der personellen und materiellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr erforderlich ist. Die personelle Funktionsfähigkeit hängt dabei von der individuellen Einsatzbereitschaft des einzelnen Soldaten und einem intakten inneren Ordnungsgefüge ab. Es reicht, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden in absehbarer Zeit eintreten wird, wobei die Gefahr gerade als Auswirkung einer Dienstpflichtverletzung des Soldaten drohen muss. Dies ist aufgrund einer nachträglichen Prognose zu beurteilen. Im Rahmen der Gefährdungsprüfung ist zu berücksichtigen, ob die Gefahr für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr durch eine Disziplinarmaßnahme abgewendet werden kann. Auf dieser Grundlage haben sich in der Rechtsprechung Fallgruppen herausgebildet, bei denen eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung iSd § 55 Abs. 5 SG regelmäßig anzunehmen ist; dies gilt vor allem für Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich, die unmittelbar die Einsatzbereitschaft beeinträchtigen. Bei Dienstpflichtverletzungen außerhalb dieses Bereiches kann regelmäßig auf eine ernstliche Gefährdung geschlossen werden, wenn es sich entweder um Straftaten von erheblichem Gewicht handelt, wenn die begründete Befürchtung besteht, der Soldat werde weitere Dienstpflichtverletzungen begehen (Wiederholungsgefahr) oder es sich bei dem Fehlverhalten um eine Disziplinlosigkeit handelt, die in der Truppe als allgemeine Erscheinung auftritt oder um sich zu greifen droht (Nachahmungsgefahr). Die beiden letztgenannten Fallgruppen erfordern eine einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Dienstpflichtverletzung, um die Auswirkung für die Einsatzbereitschaft oder das Ansehen der Bundeswehr beurteilen zu können (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16.08.2010 – 2 B 33.10 und vom 28.01.2013 – 2 B 114.11 – beide juris).

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Zwar ist dem Antragsteller keine unmittelbar die Einsatzbereitschaft beeinträchtigende Dienstpflichtverletzung im militärischen Kernbereich vorzuwerfen, da sich der Vorfall außerhalb des Dienstes ereignete und der damit verbundene Vertrauensverlust zwischen ihm und seinem Vorgesetzten allenfalls zu einer mittelbaren Beeinträchtigung der personellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr führen dürfte. Eine Straftat von erheblichem Gewicht liegt in Anbetracht des Einstellungsbeschlusses des Amtsgerichts B-Stadt ebenfalls nicht vor. Zudem dürfte in Anbetracht der Einlassungen des Antragstellers und der Verhängung einer Geldbuße in nicht unerheblicher Höhe auch nicht die begründete Befürchtung bestehen, der Antragsteller werde in Zukunft weitere Dienstpflichtverletzungen begehen (Wiederholungsgefahr).

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Indes nimmt die Kammer eine Nachahmungsgefahr an. Mit der Antragsgegnerin geht sie davon aus, dass das Fehlverhalten des Antragstellers hier als Teil einer allgemeinen um sich greifenden Disziplinlosigkeit und damit eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung darstellt. Zutreffend hat die Antragsgegnerin ausgeführt, dass ohne die Entlassung andere Soldaten darin ein Zeichen sehen können, dass die Bundeswehr verfassungswidrige Bestrebungen duldet. Eine Verbreitung rechtsextremistischen Gedankengutes innerhalb der Bundeswehr wäre damit der Weg geebnet; dadurch wären Disziplin und die personelle Einsatzbereitschaft gefährdet. Darüber hinaus – darauf hat die Antragsgegnerin ebenfalls zutreffend hingewiesen – bedarf es zur Erhaltung der Schlagkraft der Truppe maßgeblich des (guten) Ansehens der Bundeswehr in der Bevölkerung. Insofern ist es nicht von maßgeblichem Belang, dass sich die Tat außerhalb des Dienstes und außerhalb militärischer Anlagen ereignet hat. Ebenso wenig entlastet es den Antragsteller, dass er alkoholisiert war, denn alle Zeugen einschließlich der ermittelnden Polizeibeamten haben bekundet, dass der Antragsteller (trotz des beträchtlichen Alkoholkonsums) keine Ausfallerscheinungen gezeigt hat. Ihm war bewusst, was er tat. Zudem hat der Antragsteller seine Parole auch nicht etwa nur einem kleinen, klar abgrenzbaren Kreis gegenüber ausgesprochen, sondern ausweislich der polizeilichen Ermittlungen sind die Rufe nicht nur in unmittelbarer Nähe der Zeugen, sondern auch einer größeren Gruppe von Personen (hinterher) gerufen worden. Solch ein Verhalten eines Soldaten in der Öffentlichkeit, dazu noch als Vorgesetzter, ist geeignet, eine erhebliche Ansehensbeeinträchtigung der Bundeswehr zu verursachen. Die Öffentlichkeit reagiert in Fällen des (Rechts-)Extremismus emotional und voreingenommen. Ohne Reaktion der Bundeswehr kann der Eindruck entstehen, dass sich bei den Soldaten rechtsextremes Gedankengut ohne Schwierigkeiten verbreiten kann. Insoweit muss durch entsprechende Verhaltensweisen von Soldaten resultierende Ansehensschädigungen der Bundeswehr mit den Mitteln und Möglichkeiten des Statusrechts begegnet werden.

23

Die fristlose Entlassung des Antragstellers ist geeignet, andere Soldaten von einem ähnlichen Verhalten abzuhalten. Ein einfacheres, den Antragsteller weniger belastendes Mittel, insbesondere eine Disziplinarmaßnahme, kommt hier nicht in Betracht. Wenn dem Verhalten des Antragstellers, der den Rang eines Obermaates und damit eines Vorgesetzten hatte, lediglich mit einer Disziplinarmaßnahme begegnet würde, hätte dies in der Truppe zu der fälschlichen Auffassung führen können, ein gleichartiges Verhalten eines Mannschaftsdienstgrades werde sanktionslos hingenommen. Eine sofortige Entlassung war hier auch deshalb unumgänglich, weil der Antragsteller das zwischen dem deutschen Staat und ihm bestehende Vertrauensverhältnis nicht mehr in wiederherzustellender Weise zerstört hat. Es untergräbt die Einsatzbereitschaft der Armee, wenn sich die Gesellschaft nicht mehr uneingeschränkt darauf verlassen kann, dass sich ein militärischer Vorgesetzter den Werten der Verfassung verpflichtet fühlt.

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Ob bei einem Verbleiben des Antragstellers in seinem Dienstverhältnis auch das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet würde (darauf hat die Antragsgegnerin nicht abgestellt), kann deshalb dahinstehen.

25

Schließlich ist auch die Ermessensausübung der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden. Mit dem Wort „kann“ in § 55 Abs. 5 SG ist der Entlassungsbehörde kein umfassendes Ermessen eingeräumt, das sie – ähnlich wie in einem Disziplinarverfahren – verpflichten würde, alle für und gegen den Verbleib des Zeitsoldaten im Dienst sprechenden Gesichtspunkte im Rahmen einer Gesamtwürdigung zusammenzutragen, zu gewichtigen und gegeneinander abzuwägen. Vielmehr hat der Gesetzgeber die Frage der Angemessenheit der Entlassung im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck in der Vorabbewertung im Wesentlichen bereits durch Verwendung des Begriffs „ernstlich“ auf der Tatbestandsebene des § 55 Abs. 5 SG selbst konkretisiert (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 19.10.2015 – 2 LB 25/14 – juris). Demgemäß ist die Befugnis der zuständigen Behörde, bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift von der fristlosen Entlassung abzusehen, im Sinne einer sogenannten „intendierten Entscheidung“ auf besondere (Ausnahme-) fälle beschränkt (Beschluss der Kammer vom 18.08.2014 – 12 B 14/14 – unter Hinweis auf OVG Münster, Beschluss vom 17.09.2008 – 1 B 670/08 – juris).

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Ein atypischer Fall liegt hier nicht vor.

27

Die Antragsgegnerin hat ihre Entscheidung für eine Entlassung unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Vorgesetzten des Antragstellers getroffen und ausgeführt, dass sie keine entlastenden Aspekte habe feststellen können, die es ihr ermöglicht hätten, von der Entlassung abzusehen.

28

Insoweit hat sie erkannt, dass im Falle des Antragstellers kein Ausnahmefall vorliegt, der es ausnahmsweise gebieten würde, die Entlassung nicht auszusprechen.

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Erweist sich die angefochtene Verfügung somit als offensichtlich rechtmäßig, so dass ein ggf. sich anschließendes Hauptsacheverfahrens voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, hat es grundsätzlich bei der vom Gesetzgeber generell angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit zu verbleiben (BVerfG, Beschluss vom 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03 – juris). Der sofortige Vollzug der Entlassungsverfügung erweist sich schließlich auch nicht als unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte. Völlig mittellos ist der Antragsteller nicht gestellt. Zwar dürfte der Bezug von Arbeitslosengeld I nicht in Frage kommen, jedoch hätte der Antragsteller Anspruch auf Sozialleistungen (Arbeitslosengeld II), einschließlich auf Übernahme von Krankenversicherungsbeiträgen. In Anbetracht des Alters des Antragstellers käme ggf. auch ein Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern und Krankenversicherungsschutz im Rahmen der Familienversicherung in Betracht.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

31

Der Wert des Streitgegenstandes ist gem. §§ 63 Abs. 2 S. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 5 S. 1 Nr. 1 GKG festgesetzt worden (Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge).


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