Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (1. Kammer) - 1 B 182/17
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt
Gründe
- 1
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht zulässig.
- 2
Das Gericht legt den Antrag dahingehend aus, dass die Antragstellerin die Verpflichtung des Antragsgegners als untere Forstbehörde begehrt, die dem Beigeladenen erteilte Waldumwandlungsgenehmigung, soweit diese bestandskräftig und damit für den Beigeladenen umsetzbar ist, mit Anordnung der sofortigen Vollziehung zurückzunehmen, um zu verhindern, dass kurzfristig mit der Waldumwandlung begonnen wird. Nach §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO ist für das gerichtliche Verständnis eines Antrags das inhaltliche Klage- bzw. Antragsbegehren maßgeblich und nicht zwangsläufig allein der formulierte Antrag, auch wenn letzterer regelmäßig ein erhebliches Moment zur Bestimmung des Begehrens ist. Nach dem verfassungsrechtlichen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes als Auslegungshilfe ist im Zweifel zugunsten des Rechtsschutzsuchenden anzunehmen, dass er den in der Sache in Betracht kommenden Rechtsbehelf einlegen wollte, wobei Voraussetzung ist, dass dies dem erkennbaren Rechtsschutzziel entspricht und die entsprechende Auslegung vom Rechtsschutzsuchenden nicht bewusst ausgeschlossen wurde. Danach ist vorliegend davon auszugehen, dass der Antrag gegen den Antragsgegner als der zuständigen Forstbehörde gerichtet sein soll, da nur auf dem beschriebenen Wege die sofortige Umsetzung der bestandskräftigen Genehmigung vorläufig ausgesetzt werden könnte.
- 3
Der Antrag ist jedoch nicht zulässig, da es der Antragstellerin an der Antragsbefugnis mangelt. Die Kammer kann daneben offen lassen, ob die Antragstellerin als nichtrechtsfähiger Verein nach § 61 Nr. 2 VwGO im Verwaltungsprozess als Vereinigung, soweit ihr ein Recht zustehen könnte, überhaupt beteiligtenfähig ist. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann nur stellen, wer antragsbefugt ist. Die Antragstellerin erstrebt von dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig den sofortigen Erlass eines Verwaltungsakts gegenüber dem Beigeladenen auf Rücknahme der Waldumwandlungsgenehmigung. Im Verfahren der Hauptsache wäre demnach eine Verpflichtungsklage statthaft, für die die Regelungen der Klagebefugnis in § 42 Abs. 2 VwGO, wonach die Klage nur zulässig ist, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein, gelten. Nach § 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zielen Klage- und Antragsverfahren im Bereich der Verpflichtungsklage auf die Geltendmachung von Individualrechtsschutz. Eilrechtsschutz kann nur beanspruchen, wer im Verfahren der Hauptsache klagebefugt wäre. Dies ist bei der Antragstellerin nicht der Fall.
- 4
Die Antragsbefugnis setzt voraus, dass für die rechtliche Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs die Anwendung von Rechtsvorschriften in Betracht kommt, die zumindest auch dem Schutz der Interessen von Personen in der rechtlichen Situation, in der sich die Antragstellerin befindet, zu dienen bestimmt sind und zumindest die konkrete Möglichkeit besteht, dass angesichts der zur Begründung vorgetragenen oder sonst in Betracht kommenden Tatsachen Rechte der Antragstellerin verletzt werden. Es ist nicht erkennbar, dass die für eine Waldumwandlung maßgebende Vorschrift des § 9 Landeswaldgesetz (LWaldG) im vorliegenden Zusammenhang subjektive Rechte für die Antragstellerin als offenbar nichtrechtsfähiger Verein begründen könnte. Nach § 9 Abs. 3 Satz 1 LWaldG ist die Umwandlungsgenehmigung zu versagen, wenn die Erhaltung des Waldes im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt. Dies zeigt, dass durch eine Waldumwandlungsgenehmigung in aller Regel nicht subjektive Rechte Dritter berührt werden, etwas anderes könnte möglicherweise bei einer Gefährdung benachbarten Waldes (§ 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 LWaldG) gelten. Die neue Bestimmung des § 9 Abs. 3 Satz 3 LWaldG, wonach die Umwandlung von Wald zur Errichtung von Windenergieanlagen mit einer Höhe von mehr als 10 m unzulässig ist, betont das öffentliche Interesse an der Walderhaltung gegenüber einem Interesse an der Errichtung von Windenergieanlagen, begründet jedoch keine subjektiven Rechte Dritter.
- 5
Die Antragstellerin hat auch weder geltend noch glaubhaft gemacht noch ist es sonst ersichtlich, dass ihr vorliegend in einem Verfahren auf Rücknahme der Waldumwandlungsgenehmigung Mitwirkungsrechte nach §§ 64, 63 BNatSchG als anerkannte Naturschutzvereinigung zustehen könnten.
- 6
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht hat aus Gründen der Billigkeit davon abgesehen, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, da der Antrag wegen der besonderen Eilbedürftigkeit ohne Anhörung des Beigeladenen abgelehnt worden ist und er deshalb keinen eigenen Antrag stellen und damit auch das Risiko einer Kostenpflicht nach § 154 Abs. 3 VwGO nicht eingehen konnte.
- 7
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 2, 52 Abs. 2 GKG.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- VwGO § 88 1x
- VwGO § 122 1x
- §§ 64, 63 BNatSchG 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 2, 52 Abs. 2 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 61 1x
- VwGO § 42 1x
- VwGO § 113 1x
- § 9 Abs. 3 Satz 1 LWaldG 1x (nicht zugeordnet)
- § 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 LWaldG 1x (nicht zugeordnet)
- § 9 Abs. 3 Satz 3 LWaldG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 2x
- VwGO § 162 1x