Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 A 66/17

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über die Aussetzung des Versorgungsausgleichs.

2

Der Kläger war Berufssoldat der Bundeswehr, zuletzt im Dienstgrad des Oberstabsfeldwebels. Mit Ablauf des 31.07.2011 wurde der am ….1961 geborene Kläger unter Anwendung des Gesetzes zur Anpassung der Personalstärke der Streitkräfte mit seiner Zustimmung vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

3

Mit Bescheid vom 01.08.2011 wurden die ihm ab dem 01.08.2011 zustehenden Versorgungsbezüge festgesetzt. Aufgrund familienrechtlicher Urteile wurden dabei öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleiche hinsichtlich zweier Ehescheidungen durchgeführt und die Versorgungsbezüge des Klägers gemäß den Vorgaben des Soldatenversorgungsgesetzes ab dem 01.08.2011 monatlich um zuletzt 134,13 € gekürzt.

4

Mit Schreiben vom 12.02.2017 beantragte der Kläger, unter Verweis auf aktuelle Rechtsprechung die Kürzung seiner Versorgungsbezüge rückwirkend ab dem 01.08.2011 bis zur Erreichung jener allgemeinen Altersgrenze auszusetzen, die für Polizei- und Vollzugsbeamte nach dem Bundespolizeibeamtengesetzt gilt.

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Der Antrag wurde mit Bescheid vom 16.02.2017 unter Verweis auf das Fehlen einer entsprechenden gesetzlichen Regelung abgelehnt.

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Hiergegen legte der Kläger unter dem 20.02.2017 Widerspruch ein. Er verwies darauf, dass es für den Beginn der Kürzung maßgeblich auf die auch für Polizei- und Vollzugsbeamte geltende allgemeine Altersgrenze ankommen müsse. Zwar fehle eine entsprechende Regelung für Soldaten, die freiwillig aufgrund des Personalanpassungsgesetzes in den Ruhestand versetzt würden. Genauso wie bei Soldaten, die wegen Erreichung einer besonderen Altersgrenze zwangsweise in den Ruhestand versetzt werden, sei aber auch bei freiwilligen Zurruhesetzungen aufgrund des Personalanpassungsgesetzes der Versorgungsausgleich erst ab Erreichung der allgemeinen Altersgrenze durchzuführen, die für Polizisten und Vollzugsbeamte nach dem Bundespolizeibeamtengesetz gelte. Andernfalls würde er unter Verletzung des Gleichheitssatzes in seinen Grundrechten verletzt. Zudem würde die sofortige Durchführung des Versorgungsausgleichs eine verfassungswidrige Unteralimentation zur Folge haben. Die entsprechende Regelung im Soldatenversorgungsgesetz sei deshalb unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten auch auf Soldaten anzuwenden, die nach dem Personalanpassungsgesetz freiwillig in den Ruhestand versetzt wurden.

7

Mit Schreiben vom 07.03.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie verwies auf die unterschiedlichen Regelungen und Zielsetzungen im Personalanpassungsgesetz gegenüber dem Soldatenversorgungsgesetzes. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor, da der Kläger nicht wegen Erreichung einer besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt wurde, sondern freiwillig aufgrund des Personalanpassungsgesetzes. Diese Differenzierung bei der Umsetzung des Versorgungsausgleichs sei vom Gesetzgeber bewusst getroffen worden.

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Der Kläger hat am 03.04.2017 Klage erhoben.

9

Zur Begründung verweist der Kläger abermals auf die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber solchen Soldaten, die aufgrund des Erreichens einer besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt würden. Sowohl die Zurruhesetzung aufgrund des Personalanpassungsgesetzes als auch jene aufgrund des Erreichens einer besonderen Altersgrenze dienten dem gleichen Ziel, nämlich der Verbesserung der Altersstruktur der Streitkräfte. Es gäbe daher keinerlei erkennbaren sachlichen Unterschied, so dass sich eine Ungleichbehandlung verbiete.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 16.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.03.2017 zu verpflichten, über den Antrag des Klägers vom 12.02.2017 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

14

Die Beklagte verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsverfahren und auf bereits ergangene Rechtsprechung in ihrer Ansicht nach gleich gelagerten Fällen.

15

Der Kläger (mit Schreiben vom 05.10.2017 sowie vom 13.10.2017) sowie die Beklagte (mit Schreiben vom 09.10.2017) haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle der Kammer sowie ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen hat und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage, über die gemäß §§ 87a Abs. 2, 3, 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter anstelle der Kammer entschieden werden konnte, ist unbegründet.

18

Der Bescheid vom 16.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.03.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO. Die Beklagte hat die Versorgungsbezüge zu Recht ab dem 01.08.2011 mit Blick die Entscheidungen der Familiengerichte gekürzt. Die Aussetzung des Versorgungsausgleichs gemäß § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG ist auf den Kläger nicht anzuwenden.

19

I. Gemäß § 55c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SVG werden die Versorgungsbezüge einer ausgleichspflichtigen Person nach Anwendung von Ruhens-, Kürzung- und Anrechnungsvorschriften um den zu berechnenden Betrag gekürzt, wenn durch eine wirksame Entscheidung des Familiengerichts Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1587b Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung begründet wurden.

20

Gegen die Anwendung des § 55c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SVG bestehen keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die für Beamte geltende, mit der Norm des § 55 c SVG vergleichbare Vorschrift des § 57 BeamtVG ist sowohl unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums als auch hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit den Grundrechten (insbesondere Art. 6 Abs. 1 GG) sowie hinsichtlich des Gleichbehandlungsgrundsatzes mehrfach verfassungsgerichtlich überprüft und für verfassungsrechtlich unbedenklich befunden worden (VG Aachen, Urteil vom 13. Oktober 2016 – 1 K 1935/15 –, juris Rn. 16 ff.).

21

II. Der Kläger kann sich auch nicht auf die in § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG geregelte Ausnahme berufen. Nach dieser Vorschrift wird die Kürzung nach § 55c Abs. 1 Satz 1 SVG bei Soldaten, die wegen Überschreitens der für sie festgesetzten besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt worden sind, bis zum Ende des Monats ausgesetzt, in dem sie die Altersgrenze für Polizeivollzugsbeamte auf Lebenszeit (§ 5 BPolBG) erreichen. Diese Regelung ist auf den Kläger mit Blick auf den Gesetzeswortlaut sowie die gesetzgeberische Intention weder direkt noch analog anwendbar. Die Nichtanwendung verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz oder hat eine verfassungswidrige Unteralimentation zur Folge.

22

1. Die Ausnahmeregelung ist auf den Kläger nicht anwendbar. Der Kläger wurde nicht wegen Überschreitens der für ihn festgesetzten besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt, sondern gemäß § 1 Abs. 1 Personalanpassungsgesetz (PersAnpassG). Die Zurruhesetzung gemäß PersAnpassG stellt keine für den Kläger besondere Altersgrenze i.S.d. § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG dar (so auch VG Koblenz, Urteil vom 16.08.2017 - 2 K 244/17.KO, S. 7). Dies folgt aus einer systematischen und historischen Betrachtung des § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG sowie des § 1 Abs. 1 PersAnpassG.

23

Als besondere Altersgrenzen i.S.d. § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG hat der Gesetzgeber die in §§ 45 Abs. 2, 96 Soldatengesetz (SG) aufgeführten Altersgrenzen erfasst (BT-Drucks. 18/3697, S. 60), ab deren Überschreiten der Dienstherr den Soldaten gemäß § 44 Abs. 2 SG jederzeit mit Ablauf eines Monats in den Ruhestand versetzen kann (BT-Drucks. 18/3697, S. 60). Demgegenüber handelt es bei der in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 PersAnpassG genannten Altersgrenze von 50 Lebensjahren um eine Mindest-, nicht um eine Maximalgrenze, ab der eine Zurruhesetzung auch nicht zwangsweise, sondern nur mit Zustimmung der Berufssoldaten verfügt werden kann. Anders als bei den besonderen Altersgrenzen des § 55c Abs. 1 S. 3 SVG erfasst das PersAnpassG folglich keine Altersgrenze bei deren Erreichen eine Zurruhesetzung ganz regelmäßig (BT-Drucks. 18/3697, S. 61) erfolgen muss, sondern stellt lediglich eine Altersschwelle dar, ab deren Erreichen eine kleine Anzahl an Soldaten mit ihrer Zustimmung unter Umständen in den Anwendungsbereich des PersAnpassG fällt. Die Versetzung in den Ruhestand ist bei Erreichen dieser Schwelle aber nicht die Regel und auch nicht einklagbar (siehe zur Nichteinklagbarkeit des vergleichbaren Anspruch aus § 2 Abs. 1 SKPersStruktAnpG das Urteil des Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Dezember 2016, – 1 A 1681/14 –, juris). Das Überschreiten der Mindestaltersgrenze des § 1 Abs. 1 Nr. 1 PersAnpassG kann vor diesem Hintergrund nicht als besondere Altersgrenze i.S.d. § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG angesehen werden (so im Ergebnis mit Verweis auf die durch § 3 Abs. 8 PersAnpassG unverändert in Bezug genommene besonderen Altersgrenze auch das VG Koblenz, Urteil vom 16.08.2017 - 2 K 244/17.KO, S. 8).

24

Auch die Gesetzgebungsgeschichte lässt keine Auslegung zu, die eine freiwillige Versetzung in den Ruhestand unter das Merkmal des Überschreitens der festgesetzten besonderen Altersgrenze fallen ließe. Der mit dem Gesetz zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr (Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz – BwAttraktStG) eingeführte § 55c Abs. 1 S. 3 SVG bezweckt einen Ausgleich für den Umstand, dass von der besonderen Altersgrenze betroffenen Soldatinnen und Soldaten keine Möglichkeit haben, ihre Versorgungssituation durch längeres Dienen zu verbessern (BT-Drucks. 18/3697, S. 61). Eine derartige Situation ist mit Blick auf die freiwillige Zurruhesetzung aufgrund des PersAnpassG nicht gegeben.

25

2. Eine analoge Anwendung des § 55c Abs. 1 S. 3 SVG kommt ebenfalls nicht in Frage. Dem steht bereits der in § 1 Abs. 1 SVG geregelte Gesetzesvorbehalt entgegen. Es fehlt zudem auch an einer planwidrigen Regelungslücke, da das PersAnpassG am 20.12.2001 und damit vor dem am 13.05.2015 beschlossenen BwAttraktStG beschlossen wurde. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber sich bewusst war, dass die 2015 neu eingeführte Regelung des § 55c Abs. 1 S. 3 SVG keine Wirkung für aufgrund des PersAnpassG freiwillig zur Ruhe gesetzten Soldaten haben würde. Das Ziel des § 55c Abs. 1 S. 3 SVG war ausweislich der Gesetzesbegründung der besonderen Situation jener Soldaten zu begegnen, die aufgrund Erreichens der besonderen Altersgrenze unfreiwillig in den Ruhestand versetzt wurden. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber jedwede in den Ruhestand versetzten Soldaten erfassen wollte und dabei die nach PersAnpassG freiwillig zur Ruhe gesetzten Soldaten planwidrig im Anwendungsbereich des § 55c Abs. 1 S. 3 SVG übersah, sind nicht ersichtlich (so auch VG Koblenz, Urteil vom 16.08.2017 - 2 K 244/17.KO, S. 9).

26

3. Die insoweit unterschiedliche Behandlung von Soldaten, die einerseits aufgrund Erreichens der besondere Altersgrenze i.S.d. § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG und andererseits mit ihrer Zustimmung gemäß § 1 Abs. 1 PersAnpassG in den Ruhestand versetzt wurden, führt auch nicht zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG.

27

Es trifft zwar zu, dass Art. 3 Abs. 1 GG einem gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss entgegensteht (BVerfG, Beschluss vom 31. Oktober 2016 – 1 BvR 871/13 –, juris Leitsatz 3a). Insofern ist der Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG durch die hier in Rede stehende ungleiche Behandlung von nach § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG einerseits und nach PersAnpassG andererseits in den Ruhestand versetzten Soldaten auch eröffnet. Der Eingriff ist vorliegend jedoch nicht rechtswidrig, weil zwischen beiden Gruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (zum Maßstab BVerfG, Beschluss vom 07. Oktober 1980 – 1 BvL 50/79 –, juris Rn. 47).

28

Unter Berücksichtigung des Regelungsgegenstandes und des mit § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG verfolgten Ziels gibt es sachliche Gründe dafür, Soldaten, die wie der Kläger aufgrund des PersAnpassG vorzeitig in den Ruhestand getreten sind, anders zu behandeln, als Soldaten, die wegen Erreichens ihrer besonderen Altersgrenzen in den Ruhestand versetzt werden (ebenso das VG Koblenz, Urteil vom 16.08.2017 - 2 K 244/17.KO, S. 11). Maßgeblich ist die Anknüpfung an die Freiwilligkeit der Zurruhesetzung, die ein tragfähiges Differenzierungskriterium für die ungleiche Behandlung beider Gruppen darstellt. Während die nach § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG zwangsweise in den Ruhestand versetzten Soldaten keine Möglichkeit haben, ihre Einkommenssituation durch längeres Dienen zu verbessern (BT-Drucks. 18/3697, S. 62), bestand für den Kläger keinerlei Zwang, die ihm durch das PersAnpassG eröffnete Möglichkeit zur Zurruhesetzung vor Erreichen der für ihn geltenden besonderen Altersgrenze zu nutzen. Der Kläger konnte die Höhe seiner Versorgungsbezüge also beeinflussen.

29

Die damit für den Kläger verbleibende Freiwilligkeit rechtfertigt eine differenzierte Anwendung von § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG (so auch VG Aachen, Urteil vom 13. Oktober 2016 – 1 K 1935/15; VG Oldenburg, Urteil vom 05.07.2017 - 6 A 3679/16). Eine Ungleichbehandlung zweier Vergleichsgruppen bedarf stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lässt (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 31. Oktober 2016 – 1 BvR 871/13 –, juris Rn. 38). Für den Bereich der Ansprüche aus dem Soldatenversorgungsgesetz gilt, dass rentenversicherungsrechtliche Positionen Funktionen erfüllen, deren Schutz Aufgabe der Eigentumsgarantie ist. Sie weisen die konstituierenden Merkmale des durch Art 14 GG geschützten Eigentums auf. (BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1980 – 1 BvL 17/77 –, BVerfGE 53, 257-313, Rn. 146, Rn. 181). Daraus folgt, dass dem Gesetzgeber bei der Bestimmung des Inhalts und der Schranken rentenversicherungsrechtlicher Positionen grundsätzlich eine weite Gestaltungsfreiheit zukommt (BVerfG, a.a.O, Rn. 151). Der Versorgungsausgleich ist dabei als Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art 14 Abs. 1 S. 2 GG durch Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 2 gerechtfertigt (BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1980 – 1 BvL 17/77 –, BVerfGE 53, 257-313, 2. Leitsatz). Ein Aussetzen des sofortigen und endgültigen Vollzugs des Versorgungsausgleichs ist verfassungsrechtlich zwar vertretbar, aber nicht geboten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.11.1995 - 2 BvR 1762/92 = NJW 1996, 2296, 1. Leitsatz). Gleiches gilt für die mit dem BwAttraktStG eingeführte Berücksichtigung jener Soldaten, die aufgrund des Erreichens der für sie geltenden besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt werden. Der damit ausgeübte Gestaltungsspielraum lässt den grundsätzlichen durch Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG garantierten Bereich unangetastet, so dass als Differenzierungsgrund sachliche Gründe ausreichen, die dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen.

30

Die Nichtanwendung des § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG auf freiwillig vorzeitig zur Ruhe gesetzte Soldaten von ihrer Zustimmung abhängig zu machen, stellt einen solchen sachlichen Grund dar. Die daran anknüpfende Nichtanwendung von § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG ist dabei auch verhältnismäßig, weil § 3 PersAnpassG für die vorzeitig zur Ruhe gesetzten Soldaten zusätzliche Kompensation dergestalt vorsieht, dass die ruhegehaltfähige Dienstzeit um die Zeit von der Versetzung in den Ruhestand an bis zum Ablauf des Monats, von dem an der Berufssoldat ohne diese Regelung frühestens in den Ruhestand hätte versetzt werden können, erhöht wird. In zeitlicher Hinsicht nimmt diese Regelung damit die Spanne zwischen der Zurruhesetzung nach § 1 Abs. 1 PersAnpassG und derjenigen nach § 44 Abs. 2 SG in den Blick. Für diesen Zeitraum werden die betroffenen Soldaten so gestellt, als hätten sie aktiv Dienst geleistet. Tatsächlich haben sie in dieser Zeit sogar die Möglichkeit, zusätzliches Erwerbseinkommen zu erzielen und ihre Einkommenssituation nach Maßgabe des § 53 SVG deutlich, nämlich zusätzlich zu den Versorgungsbezügen bei regulärer Zurruhesetzung, zu verbessern (VG Koblenz, Urteil vom 16.08.2017 - 2 K 244/17.KO, S. 13). Der Kläger war zum Zeitpunkt seiner freiwilligen Zurruhesetzung 50 Jahre alt und hatte die für ihn gemäß § 45 Abs. 2 SG geltende besondere Altersgrenze folglich noch nicht erreicht. Er hätte bis zum Erreichen dieser für ihn geltenden besonderen Altersgrenze seine Versorgungssituation also selbstbestimmt verbessern können.

31

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass – wie der Kläger vorträgt – sowohl die freiwillige vorzeitige Zurruhesetzung nach § 1 Abs. 1 PersAnpassG als auch die besondere Altersgrenze nach § 45 Abs. 2 SG dem Zweck dienen, eine bestimmte Altersstruktur zu fördern. Es liegt insoweit bereits keine identische Zielsetzung vor. Das PersAnpassG bezweckte die Umstrukturierung des militärischen Personalkörpers und sah dazu für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2006 (sowie nach Änderung mit Gesetz vom 07.12.2007 (BGBl. I S. 2807) bis 2011) vorzeitige Zurruhesetzungen in bestimmtem Umfang und bezüglich konkreter Dienstgrade vor (BT-Drucks. 1468/81, S. 29). Hintergrund war die Umstrukturierung der Streitkräfte aufgrund der mit Bundeswehrneuausrichtungsgesetz (BwNeuAusrG) umgesetzten Neuausrichtung der Bundeswehr. Die Ausführungsbestimmungen zum PersAnpassG zielen dabei unter anderem auf die Steigerung der Berufszufriedenheit jüngerer Jahrgänge ab, ohne konkret an das Lebensalter als echtes Eignungsmerkmal abzustellen, wie es § 45 Abs. 2 SG tut (Eichen, in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, § 44 SG Anhang, Rn. 64). Während § 45 Abs. 2 SG also starr auch an die körperlichen Anforderungen des Soldatenberufs anknüpft, ermöglichte das PersAnpassG zur vorübergehenden bewusste Steuerung der personellen Struktur der Bundeswehr die zustimmungsabhängige Zurruhesetzung konkreter Dienstgruppen. Abermals stellt sich damit die freiwillige Zurruhesetzung nach PersAnpassG als Differenzierungsmerkmal gegenüber der regulären Zurruhesetzung nach § 44 Abs. 2 SG dar. Mit Blick auf die insoweit abweichende Zielsetzung und die dargestellten sachlichen Gründe für die Ungleichbehandlung begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass die freiwillig in den Ruhestand versetzten Soldaten nicht von der Ausnahmeregelung des 55c Abs. 1 Satz 3 SVG erfasst werden.

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4. Schließlich hat die Nichtanwendung des § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG auch keine verfassungswidrige Unteralimentation zur Folge. Die Kürzung der Versorgungsbezüge nach § 55 c Abs. 1 S. 1 SVG ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar. Aus der Tatsache, dass diese Kürzung beim Kläger aufgrund der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand früher einsetzt, führt zu keinem anderen Ergebnis, da der Kläger für die Zeitspanne bis zur regulären Zurruhesetzung nicht nur so gestellt wird, als hätte er aktiv Dienst geleistet, sondern auch die Möglichkeit hatte, zusätzlich Erwerbseinkommen zu erzielen. Dass der Gesetzgeber damit seinen Spielraum bei der Gestaltung des Besoldungsrechts überschritten hätte, ist nicht ersichtlich, denn die Ungleichbehandlung gegenüber Soldaten, die in den Anwendungsbereich des § 44 Abs. 2 SG fallen, erweist sich nicht als evident sachwidrig (zum Maßstab BVerwG, Urteil vom 28. April 2011 – 2 C 51/08 –, juris Rn. 14).

33

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 1, 2 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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