Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 A 184/17

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg.

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Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verb. mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dies ist vorliegend nicht der Fall.Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet nicht die hiernach erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die zulässige Klage erweist sich nach der im Prozesskostenhilfeverfahren nur gebotenen summarischen Prüfung als unbegründet. Denn die vom Beklagten verfügte Aufforderung zur Auskunftserteilung und die bedingte Festsetzung eines Zwangsgeldes stellen sich als offensichtlich rechtmäßig dar und verletzen die Klägerin nicht ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Die Klägerin ist zur Erteilung der geforderten Auskünfte verpflichtet. Dieser Auskunftspflicht ist sie nicht vollständig nachgekommen. Sie hat die Fragen zu den Ziffern 93 - 104, 108, 123, 128, 135 - 148 und 155 - 180 des Erhebungsbogens unstreitig nicht beantwortet.

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Gemäß § 15 Abs. 1 Bundesstatistikgesetz (BStatG) besteht eine Auskunftspflicht, wenn die die Bundesstatistik anordnende Rechtsvorschrift eine Auskunftspflicht festlegt. Dies ist vorliegend der Fall. Nach § 1 Abs. 1 Mikrozensusgesetz (MZG) vom 07. Dezember 2016 (BGBl. I S. 2826) wird ab dem Jahr 2017 eine Erhebung auf repräsentativer Grundlage über die Bevölkerungsstruktur sowie über die wirtschaftliche und soziale Lage der Bevölkerung (Mikrozensus) als Bundesstatistik durchgeführt.Für den Mikrozensus besteht eine Auskunftspflicht mit Ausnahme der freiwilligen Auskünfte (§§ 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 7 MZG), die in dem Erhebungsbogen als solche gekennzeichnet sind. Bei den genannten streitgegenständlichen Ziffern handelt es sich nicht um freiwillige Angaben.

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Auskunftspflichtig sind unter anderem alle volljährigen Haushaltsmitglieder (§ 13 Abs. 2 MZG). Sog. „Erhebungseinheiten“ sind gemäß § 3 Abs. 1 MZG meldepflichtige Personen sowie Haushalte und Wohnungen, wobei gemäß § 3 Abs. 2 MZG alle Personen einen Haushalt bilden, die gemeinsam wohnen und wirtschaften. Danach ist die Klägerin auskunftspflichtig im Sinne der Norm. Die Klägerin ist volljährig. Sie ist ferner auch entgegen ihrer Ansicht zur Beantwortung von Fragen betreffend ihren Ehemann zur Auskunft verpflichtet, da sie mit diesem in einem Haushalt lebt. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 MZG erstreckt sich die Auskunftsplicht auch auf Angaben über Dritte soweit diese der auskunftspflichtigen Person bekannt sind. Soweit Anhaltspunkte dem nicht entgegenstehen, wird vermutet, dass alle auskunftspflichtigen Personen eines Haushalts befugt sind, Auskünfte auch für die jeweils anderen Personen des Haushaltes zu erteilen (§ 13 Abs. 8 Satz 1 MZG). Diese gesetzliche Vermutung hat die Klägerin nicht widerlegt.

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Entgegen der Ansicht der Klägerin sind vorliegend keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beklagte die Stichprobenauswahl gesetzeswidrig vorgenommen hat. Gemäß § 4 Abs. 1 MZG werden die Erhebungseinheiten auf der Grundlage von Flächen oder vergleichbaren Bezugsgrößen (sog. Auswahlbezirke) ausgewählt. Die Erhebungseinheiten werden durch mathematisch-statistische Verfahren bestimmt. Das Auswahlverfahren hat der Beklagte im Widerspruchsbescheid im Einzelnen dargelegt. In die 1%ige Stichprobe wurde der klägerische Haushalt als Teil des ausgewählten Befragungsbezirkes einbezogen.

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Soweit die Klägerin rügt, ihre Auskunftspflicht und die Angaben in Bezug auf ihren Ehemann verstießen gegen das informelle Selbstbestimmungsrecht, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Haushaltsbefragung greift zwar in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verb. mit Art. 1 Abs. 1 GG ein. Dies ist aber kein gravierender Eingriff und den Erhebungseinheiten ohne weiteres zuzumuten.

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Nach ständiger Rechtsprechung ist die Erhebung zulässig, wenn sie auf der Grundlage eines förmlichen Gesetzes erfolgt, das den Verwendungszweck der betroffenen Information hinreichend präzise umgrenzt, wenn sie weiter den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt und wenn das Gesetz schließlich organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen trifft, die der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenwirken (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.06.2011 - 8 C 7/10 - zitiert nach juris Rn. 29). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

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Die Erhebung im Wege der Haushaltsbefragung beruht auf einem förmlichen Gesetz, das in §§ 2, 13 MZG in Verb. mit §§ 1, 15 BStatG den Zweck der Erhebung klar umgrenzt und sowohl die erhebungsberechtigte Stelle als auch den Kreis der Auskunftspflichtigen festlegt. Sie dient dem legitimen Zwecken des gemeinen Wohls, nämlich statistische Angaben in regionaler und tiefer fachlicher Gliederung bereitstellen zu können (§ 2 Abs. 1 MZG). Die Erhebung dient ferner auch zur Erfüllung der Datenlieferverpflichtungen, die sich unter anderem aus der Verordnung (EG) Nr. 577/98 des Rates vom 9. März 1998 zur Durchführung einer Stichprobenerhebung über Arbeitskräfte in der Gemeinschaft (ABl. L 77 vom 14.3.1998, S. 3), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung (EU) Nr. 545/2014 (ABl. L 163 vom 29.5.2014, S. 10) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung sowie aus den auf dieser Verordnung basierenden Rechtsakten ergibt (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 - 3 MZG). Ferner ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt und das Gesetz trifft Vorkehrungen, die der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenwirken. Das MZG stellt hinreichend sicher, dass die Angaben der Klägerin über ihren Haushalt nicht zu anderen Zwecken ge- oder missbraucht werden. Dies insbesondere, weil die verlangten Angaben allein statistischen Zwecken dienen und letztendlich in anonymisierter Form verarbeitet werden. Bereits § 16 BStatG legt umfangreiche Vorkehrungen zur Geheimhaltung der erhobenen Daten fest. Darüber hinaus wurden in den §§ 22, 23 BStatG Regelungen in Bezug auf strafrechtliches und ordnungswidriges Handeln getroffen. Des Weiteren sind nach § 14 Abs. 1 MZG die Angaben zu den sog. Hilfsmerkmalen von den Angaben zu den Erhebungsmerkmalen unverzüglich, nachdem die Überprüfung der Erhebungs- und Hilfsmerkmale auf ihre Schlüssigkeit und Vollständigkeit abgeschlossen ist, zu trennen und die Hilfsmerkmale gesondert aufzubewahren. Zu den sog. Hilfsmerkmalen gehören nach § 11 MZG sensible Daten, wie etwa der Vor- und Familienname der Haushaltsmitglieder und die Wohnanschrift (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 MZG). Ferner sind die Erhebungsunterlagen einschließlich der Hilfsmerkmale gem. § 14 Abs. 3 MZG spätestens nach Abschluss der Aufbereitung der letzten Folgeerhebung zu vernichten bzw. zu löschen. Diese Regelungen zur Trennung und Löschung von Daten setzen außerdem die Vorgaben aus dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts um (BVerfG Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 - zitiert nach juris).

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Soweit die Klägerin rügt, dass sie diverse Fragen nicht habe beantworten können, muss sie sich entgegenhalten lassen, dass der Beklagte ihr angeboten hat, die fehlenden Angaben telefonisch zu ergänzen. In diesem Rahmen hätten evtl. bestehende Unklarheiten bzgl. der Beantwortung einzelner Fragen geklärt werden können.

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Es bestehen auch keine rechtlichen Bedenken gegen die Festsetzung des Zwangsgeldes für den Fall, dass die von dem Beklagten gesetzte Frist für die Übersendung des Erhebungsbogens nicht eingehalten wird. Ermächtigungsgrundlage hierfür sind §§ 11 Abs. 1 Nr. 2, 14 Abs. 1 Hamburgisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (HmbVwVG). Die Anwendbarkeit des Hamburgischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes ergibt sich aus § 1 Abs. 2 Satz 3 des Staatsvertrages zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Land Schleswig-Holstein über die Errichtung eines gemeinsamen Statistischen Amtes als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts vom 27. August 2003 (GVOBI. SH 2003 S. 551), wonach für die Errichtung und den Betrieb der Anstalt hamburgisches Landesrecht gilt, soweit im Staatsvertrag nichts anderes bestimmt ist.

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Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 HmbVwVG kann das Zwangsgeld zugleich mit dem durchzusetzenden Verwaltungsakt festgesetzt werden. Die Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVG wurde beachtet. Danach darf die Vollstreckung erst beginnen, wenn eine für die Befolgung der durchzusetzenden Pflicht gesetzte Frist verstrichen und die pflichtige Person darauf hingewiesen worden ist, dass das Zwangsmittel gegen sie angewandt werden kann. Die Klägerin wurde mit Heranziehungsbescheid auf das Fälligwerden des Zwangsgeldes nach Fristablauf hingewiesen. Die Fristsetzung und der Hinweis konnten gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 HmbVwVG bereits in den Heranziehungsbescheid aufgenommen werden. Die vom Beklagten verfügte Frist von ca. 10 Tagen für das Nachholen der Angaben für die noch offenen Fragen ist unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Das bedingte Zwangsgeld ist in Bezug auf die Höhe von 300,- Euro auch angemessen, vgl. § 14 Abs. 4 HmbVwVG.


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